Language of document : ECLI:EU:T:2016:69

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

5. Februar 2016(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke kicktipp – Ältere nationale Wortmarke KICKERS – Regel 19 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Regel 98 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 – Relatives Eintragungshindernis – Keine Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑135/14

Kicktipp GmbH mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Dreyer,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch I. Harrington als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Società Italiana Calzature Srl mit Sitz in Mailand (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin G. Cantaluppi,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 12. Dezember 2013 (Sache R 1061/2012‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Società Italiana Calzature Srl und der Kicktipp GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter), des Richters J. Schwarcz und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 20. Februar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 27. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 24. Juni 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 7. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der Antworten der Parteien auf die schriftliche Frage des Gerichts,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil(1)

[nicht wiedergegeben]

 Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

17      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

18      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen und die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 5. April 2012 zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten einschließlich der vor der Beschwerdekammer und der Widerspruchsabteilung des HABM entstandenen Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 2. Begründetheit

[nicht wiedergegeben]

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Regel 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2868/95

[nicht wiedergegeben]

 Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes

[nicht wiedergegeben]

 – Zur Frage, ob die Vorlage einer Verlängerungsurkunde als Nachweis für die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang einer Marke, auf die sich ein Widerspruch stützt, ausreichen kann

55      Die Klägerin trägt vor, nach Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 müsse der Widersprechende eine Abschrift der Eintragungsurkunde der Marken, auf die sich der Widerspruch stütze, und gegebenenfalls der jüngsten Verlängerungsurkunde vorlegen; die Streithelferin habe aber nur Verlängerungsurkunden vorgelegt.

56      Es ist festzustellen, dass die Streithelferin in der Tat die Eintragungsurkunde der älteren Marke nicht vorgelegt hat. Sie hat nämlich nur als Anlage zur Widerspruchsschrift einen Beleg für den jüngsten Verlängerungsantrag und als Anlage zum Schriftsatz vom 8. November 2010 eine Verlängerungsurkunde vorgelegt.

57      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Widersprechende gemäß Regel 19 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 „einen Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang seiner älteren Marke“ erbringen muss. In Regel 19 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 sind die Nachweise aufgeführt, die der Widersprechende „[i]m Besonderen“ vorlegen muss.

58      Nach dem Wortlaut des ersten Teils von Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 in ihrer französischen Fassung muss ein Widersprechender die Eintragungsurkunde „et“ (und) gegebenenfalls die jüngste Verlängerungsurkunde einer älteren eingetragenen Marke, die keine Gemeinschaftsmarke ist, vorlegen. Nach diesem Wortlaut muss der Widersprechende somit grundsätzlich die Eintragungsurkunde auch dann vorlegen, wenn er die Verlängerungsurkunde vorlegt. Andere Sprachfassungen der Verordnung bestätigen, dass die Eintragungsurkunde grundsätzlich ebenfalls vorgelegt werden muss, denn sie enthalten Entsprechungen zur Konjunktion „et“, z. B. „and“ in der englischen Fassung, „y“ in der spanischen Fassung, „ed“ in der italienischen Fassung, „e“ in der portugiesischen Fassung und „en“ in der niederländischen Fassung.

59      Zwar wird in der deutschen Fassung von Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 die Konjunktion „oder“ verwendet. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die französische, die englische, die spanische, die italienische, die portugiesische und die niederländische Fassung der in Rede stehenden Bestimmung alle die Konjunktion „et“ (und) oder ihre Entsprechung in der jeweiligen Sprache enthalten, ist der Umstand, dass in der deutschen Fassung die Konjunktion „oder“ verwendet wird, jedoch nicht entscheidend.

60      Gemäß Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii am Ende der Verordnung Nr. 2868/95 hat der Widersprechende auch die Möglichkeit, „gleichwertige Schriftstücke der Stelle, die die Markeneintragung vorgenommen hat“, vorzulegen.

61      Hierbei stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit, ein gleichwertiges Schriftstück vorzulegen, nur die Verpflichtung betrifft, die Verlängerungsurkunde vorzulegen, oder ob sie die Verpflichtung betrifft, beide Schriftstücke vorzulegen, d. h. sowohl die Eintragungsurkunde als auch die Verlängerungsurkunde. Grammatikalisch sind beide Auslegungen möglich. Im Satzteil „wenn die Marke eingetragen ist, durch eine Abschrift der Eintragungsurkunde oder der jüngsten Verlängerungsurkunde, aus der hervorgeht, dass die Schutzdauer der Marke über die in Absatz 1 genannte Frist und ihre etwaige Verlängerung hinausgeht, oder durch gleichwertige Schriftstücke der Stelle, die die Markeneintragung vorgenommen hat“ kann sich nämlich der Bestandteil „gleichwertige Schriftstücke“ auf beide Schriftstücke, d. h. sowohl auf die Eintragungsurkunde als auch auf die Verlängerungsurkunde, oder nur auf das letztgenannte Schriftstück beziehen.

62      Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass die Möglichkeit, ein gleichwertiges Schriftstück vorzulegen, nicht nur die Verlängerungsurkunde betrifft, sondern sowohl die Eintragungsurkunde als auch die Verlängerungsurkunde. Das Erfordernis, die Eintragungsurkunde vorzulegen, ist nämlich kein Selbstzweck, sondern soll ermöglichen, dass das HABM über einen zuverlässigen Nachweis für die Existenz der Marke verfügt, auf die sich der Widerspruch stützt. Satz 1 von Regel 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 sieht vor, dass der Widersprechende „einen Nachweis“ für die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang seiner älteren Marke erbringen muss, und Satz 2 von Regel 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 enthält lediglich genauere Angaben dazu, welche Schriftstücke zur Erbringung dieses „Nachweises“ vorgelegt werden müssen. Eine teleologische Auslegung von Regel 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 lässt daher den Schluss zu, dass letztlich entscheidend ist, dass das HABM über einen zuverlässigen „Nachweis“ für die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang einer älteren Marke verfügt, auf die sich ein Widerspruch stützt.

63      Die Vorlage eines Schriftstücks, das von der zuständigen Stelle stammt und dieselben Informationen wie eine Eintragungsurkunde enthält, genügt diesem Erfordernis. Von einem Widersprechenden kann nicht verlangt werden, dass er eine Eintragungsurkunde vorlegt, wenn er ein Schriftstück vorlegt, das von derselben Stelle ausgestellt wurde und somit genauso zuverlässig ist wie eine Eintragungsurkunde und das alle erforderlichen Informationen enthält.

64      Es ist daher möglich, ein „gleichwertiges“ Schriftstück vorzulegen, das sowohl die Eintragungsurkunde als auch die Verlängerungsurkunde ersetzt. Es ist auch möglich, dass das zweite in Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 genannte Schriftstück, die Verlängerungsurkunde, zugleich ein dem ersten Schriftstück, der Eintragungsurkunde, „gleichwertiges Schriftstück“ darstellt. Wenn die Verlängerungsurkunde alle zur Beurteilung der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der Marke, auf die sich der Widerspruch stützt, erforderlichen Informationen enthält, stellt ihre Vorlage nämlich „einen Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang [der] älteren Marke“ im Sinne von Regel 19 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 dar. Wie bereits ausgeführt, sind bei teleologischer Auslegung von Regel 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 der Inhalt des Schriftstücks sowie die Tatsache, dass es von der zuständigen Stelle stammt, entscheidend.

65      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Vorlage einer Verlängerungsurkunde zum Nachweis der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der Marke, auf die sich der Widerspruch stützt, ausreicht, wenn sie alle zu diesem Zweck erforderlichen Informationen enthält.

[nicht wiedergegeben]

 – Zur Frage, ob die als Anlage zur Widerspruchsschrift vorgelegten Schriftstücke ausreichen

[nicht wiedergegeben]

71      Hierzu trägt die Klägerin vor, wenn die Übersetzung eines Schriftstücks einzureichen sei, müsse sie nach Regel 98 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 auf das Originalschriftstück Bezug nehmen und die Struktur und den Inhalt des Originalschriftstücks wiedergeben.

72      Im vorliegenden Fall enthält die von der Streithelferin vorgelegte Übersetzung keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, welches das übersetzte Originalschriftstück ist. Ein solcher ausdrücklicher Hinweis ist jedoch zur Bestimmung des Schriftstücks, auf das eine Übersetzung Bezug nimmt, nicht erforderlich, wenn das Originalschriftstück und die Übersetzung zusammen vorgelegt werden. Im vorliegenden Fall geht aus der Akte des HABM hervor, dass sich die Übersetzung unmittelbar hinter dem Originalschriftstück befindet. Unter diesen Umständen besteht kein Zweifel daran, auf welches Originalschriftstück die Übersetzung Bezug nimmt.

[nicht wiedergegeben]

74      Wenn die Verlängerung rechtzeitig beantragt wurde, die zuständige Stelle über diesen Antrag aber noch nicht entschieden hat, reicht es aus, einen Beleg für den Antrag vorzulegen, wenn er von der zuständigen Stelle stammt und alle erforderlichen Informationen hinsichtlich der Eintragung der Marke enthält, wie sie sich aus einer Eintragungsurkunde ergeben würden. Solange die Marke, auf die sich der Widerspruch stützt, nicht verlängert wurde, vermag der Inhaber der Marke nämlich keine Verlängerungsurkunde vorzulegen, und er darf keinen Nachteil erleiden, weil die zuständige Stelle gewisse Zeit benötigt, um über seinen Antrag zu entscheiden. Derselbe Gedanke geht im Übrigen aus Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 2868/95 hervor, wonach die Vorlage einer Abschrift der Anmeldebescheinigung ausreicht, wenn die Marke noch nicht eingetragen ist.

75      Ist die Marke, auf die sich ein Widerspruch stützt, eingetragen, genügt die Vorlage der Anmeldebescheinigung hingegen nach Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 nicht mehr. Dann muss die Eintragungsurkunde oder ein gleichwertiges Schriftstück vorgelegt werden. Nach demselben Gedanken reicht es nicht aus, einen Beleg für die Stellung eines Verlängerungsantrags vorzulegen, wenn die Verlängerung vorgenommen wurde.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 12. Dezember 2013 (Sache R 1061/2012‑2) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Kicktipp GmbH.

3.      Die Società Italiana Calzature Srl trägt ihre eigenen Kosten.

Dittrich

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Februar 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 – Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.