Language of document : ECLI:EU:C:2024:166

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

7. Februar 2024(*)

„Rechtsmittel – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts nicht dargetan wird – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑691/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. November 2023,

Groz-Beckert KG mit Sitz in Albstadt (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt M. Nielen,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen sowie der Richter T. von Danwitz und P. G. Xuereb (Berichterstatter),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Groz-Beckert KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. September 2023, Groz-Beckert/EUIPO (Position der Farben Weiß, Rot und Dunkelgrün auf einer quaderförmigen Verpackung) (T‑276/22, EU:T:2023:497) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. März 2022 (Sache R 1447/2021-5) betreffend die Unionsmarkenanmeldung eines Zeichens, das in der Anbringung der Farben Weiß, Rot und Dunkelgrün auf einer quaderförmigen Verpackung besteht, abgewiesen hat.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3        Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4        Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5        Nach Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

 Vorbringen der Rechtsmittelführerin

6        Zur Begründung ihres Zulassungsantrags macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass der einzige Rechtsmittelgrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) rügt, eine Frage aufwerfe, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sei.

7        Mit diesem Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, in den Rn. 18, 19 und 22 des angefochtenen Urteils für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der in Rede stehenden dreifarbigen Farbpositionsmarke diejenigen rechtlichen Maßstäbe herangezogen zu haben, die vom Gerichtshof für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von einfarbigen Farbmarken und zweifarbigen Farbkombinationsmarken (Urteile vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 23, und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 22) entwickelt worden seien. Dadurch habe es allgemein festgestellt, dass die zu Farbmarken und zu Farbkombinationsmarken ergangene Rechtsprechung auf Farbpositionsmarken übertragen werden könne.

8        Das Gericht habe in den genannten Randnummern bei seiner Beurteilung die Besonderheiten, die sich aus der Kombination der in Rede stehenden Marke aus drei Farben und deren konkreten Positionierung auf einer Verpackung der für diese Marke angemeldeten Waren ergäben, nicht berücksichtigt, was im Widerspruch zur Entscheidungspraxis des EUIPO stehe. Aus der Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. Juli 2019 (Sache R 0381/2019‑4) gehe nämlich hervor, dass die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der originären Unterscheidungskraft einer Marke, die aus einer abstrakten Kombination von drei Farben bestehe, weniger streng seien als die Maßstäbe für einfarbige Farbmarken oder zweifarbige Farbkombinationsmarken. Außerdem schränke zum einen die konkrete Positionierung von drei Farben auf einer Verpackung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit von Farben für andere Wettbewerber deutlich geringer ein als die abstrakte Kombination von drei Farben. Zum anderen helfe diese konkrete Positionierung der Farben dem Verbraucher dabei, die betriebliche Herkunft der Waren zu erkennen.

9        Das Rechtsmittel werfe daher die Frage auf, welche rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der originären Unterscheidungskraft einer dreifarbigen Farbpositionsmarke heranzuziehen seien.

 Würdigung durch den Gerichtshof

10      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 18).


11      Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 19).

12      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil oder durch den mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 20).

13      Ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels, der die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Beschlusses angeführten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, zu belegen, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschluss vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 16, und vom 9. November 2023, Consulta/EUIPO, C‑443/23, EU:C:2023:859, Rn. 15).

14      Im vorliegenden Fall ist zu dem in den Rn. 6 bis 9 dieses Beschlusses wiedergegebenen Vorbringen festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin als die Rechtsfrage, die mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfen werden soll, zwar die Frage benennt, welche rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der originären Unterscheidungskraft einer dreifarbigen Farbpositionsmarke heranzuziehen sind, sie aber nicht dartut, inwiefern diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist.

15      Soweit die Rechtsmittelführerin die Bedeutsamkeit der mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfenen Frage mit einem Argument zu belegen versucht, das – wie in Rn. 8 dieses Beschlusses zusammengefasst – auf eine Verkennung der Entscheidungspraxis des EUIPO durch das Gericht gestützt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung 2017/1001 in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte zu beurteilen ist, und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis des EUIPO (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 1. September 2021, sprd.net/EUIPO, C‑236/21 P, EU:C:2021:693, Rn. 19). Daher kann eine solcher Vorwurf der Verkennung keine im Hinblick auf die genannten Kriterien bedeutsame Frage aufwerfen.

16      Das Vorbringen, auf das die Rechtsmittelführerin ihren Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels stützt, erfüllt daher nicht die in Rn. 12 dieses Beschlusses genannten Anforderungen.

17      Somit hat die Rechtsmittelführerin in ihrem Antrag nicht dargetan, dass mit dem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

18      Nach alledem ist das Rechtsmittel nicht zuzulassen.

 Kosten

19      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

20      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift der anderen Parteien des Verfahrens zugestellt worden ist und ihr Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Die Groz-Beckert KG trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 7. Februar 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.