Language of document : ECLI:EU:T:2024:100

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

21. Februar 2024(*)

„Öffentliche Aufträge – Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung – Lieferung von Desinfektionsrobotern an europäische Krankenhäuser – Dringliche, zwingende Gründe – Covid‑19 – Fehlende Teilnahme der Klägerinnen am Vergabeverfahren – Nichtigkeitsklage – Keine individuelle Betroffenheit – Vertragliche Natur des Rechtsstreits – Unzulässigkeit – Haftung“

In der Rechtssache T‑38/21,

Inivos Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),

Inivos BV mit Sitz in Rotterdam (Niederlande),

vertreten durch Rechtsanwälte R. Martens und L. Hoet sowie Rechtsanwältin A. Van Laer,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. André und M. Ilkova als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann, der Richter V. Valančius und R. Mastroianni, der Richterin M. Brkan (Berichterstatterin) sowie des Richters T. Tóth,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des Beschlusses vom 21. Mai 2021, Inivos und Inivos/Kommission (T‑38/21 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:287),

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2023,

nach Ausscheiden des Richters V. Valančius aus dem Dienst am 26. September 2023 gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragen die Klägerinnen, die Inivos Ltd und die Inivos BV, zum einen gemäß Art. 263 AEUV, die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 18. September 2020, auf ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung für den Kauf von Desinfektionsrobotern zurückzugreifen (im Folgenden: Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen), die Entscheidung vom 3. November 2020, diesen Auftrag zu vergeben (im Folgenden: angefochtene Vergabeentscheidung), die Entscheidung vom 19. November 2020, die Rahmenverträge mit zwei Wirtschaftsteilnehmern zu schließen, und diese Rahmenverträge für nichtig zu erklären, und zum anderen gemäß Art. 268 AEUV den Ersatz des Schadens, der ihnen daraus entstanden sein soll.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerinnen, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden haben, sind im Bereich der Medizintechnik tätig und auf die Verhütung und Kontrolle von Infektionen spezialisiert.

3        Vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise beschloss die Kommission, den Mitgliedstaaten zu helfen, indem sie im Rahmen des Instruments zur Unterstützung in Notfällen den Einsatz von Robotern zur Desinfektion von Innenräumen in ihren Krankenhäusern unterstützte. Nach einer Analyse der verfügbaren Techniken fiel ihre Wahl auf die Desinfektion durch Ultraviolett (UV) mittels autonomer Roboter.

4        Unter Berufung auf die Dringlichkeit, die sich aus der Covid-19-Krise ergab, beschloss die Kommission am 18. September 2020 einen Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung gemäß Anhang I Nr. 11.1 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung).

5        Um das Vergabeverfahren vorzubereiten und Informationen über den betreffenden Markt sowie über potenzielle Anbieter einzuholen, führte die Kommission eine vorherige Marktkonsultation gemäß Art. 166 der Haushaltsordnung durch, indem sie u. a. Verbänden und anderen Gruppierungen, in denen Roboterhersteller zusammengeschlossen sind, ein Formular zur Einholung von Auskünften zukommen ließ.

6        Auf der Grundlage dieser Marktkonsultation erstellte die Kommission eine umfassende Datenbank von Anbietern, die anschließend anhand vorab festgelegter Kriterien bewertet wurden, nämlich der CE‑Kennzeichnung (erforderliche Voraussetzung), der Produktionskapazität (mindestens 20 Einheiten pro Monat) und der Erfahrung mit dem Einsatz von Robotern in Krankenhäusern (mindestens zehn Roboter).

7        Sechs Anbieter, die diese Kriterien erfüllten, wurden im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung (CNECT/LUX/2020/NP0084) zur Abgabe eines Angebots aufgefordert, aber nur drei gaben tatsächlich ein Angebot ab.

8        Am 30. Oktober 2020 wurde für die Zwecke der Auftragsvergabe ein Evaluierungsbericht gemäß Art. 168 Abs. 4 der Haushaltsordnung erstellt. Für zwei Angebote wurde eine Rangfolge erstellt, nachdem das dritte abgelehnt worden war, weil es die Auswahlkriterien nicht erfüllte.

9        Am 3. November 2020 erließ der zuständige Anweisungsbefugte die angefochtene Vergabeentscheidung entsprechend der Empfehlung im Evaluierungsbericht.

10      Am 19. November 2020 wurden die Rahmenverträge für Desinfektionsroboter für europäische Krankenhäuser (COVID-19) mit den beiden ausgewählten Bietern geschlossen (im Folgenden: streitige Rahmenverträge), und ihre Unterzeichnung wurde am 9. Dezember 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union mit der Bekanntmachung vergebener Aufträge 2020/S 240-592299 mitgeteilt.

11      Am 23. November 2020 erlangten die Klägerinnen Kenntnis von einer Pressemitteilung der Kommission, in der diese erklärte, dass sie beabsichtige, 200 Desinfektionsroboter aus einem gesonderten Budget aus einem Notfall-Unterstützungsinstrument zu beschaffen.

12      In ihrer Pressemitteilung gab die Kommission an, dass die Krankenhäuser in den meisten Mitgliedstaaten Bedarf und Interesse an diesen Robotern bekundet hätten, die standardgroße Patientenzimmer mit Hilfe von UV‑Licht in nur 15 Minuten desinfizieren und so dazu beitragen könnten, die Ausbreitung des Virus zu verhindern und einzudämmen. Dieser Vorgang werde von einem Bediener außerhalb des zu desinfizierenden Raumes überwacht, um jegliche Exposition gegenüber UV-Licht zu vermeiden. Für die Beschaffung dieser Desinfektionsroboter werde ein gesondertes Budget von bis zu 12 Mio. Euro aus dem Notfall-Unterstützungsinstrument zur Verfügung gestellt.

13      Am 3. Dezember 2020 richteten die Klägerinnen ein Schreiben an die Kommission, in dem sie die Befürchtung äußerten, dass die auf der Haushaltsordnung beruhenden Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht angewandt worden seien, da für die fragliche Vergabe in der Online-Version der dem europäischen Vergabewesen gewidmeten Beilage zum Amtsblatt der Europäischen Union keine Auftragsbekanntmachung und keine Informationen über eine Entscheidung der Kommission über die Vergabe des fraglichen Auftrags veröffentlicht worden seien. Sie forderten die Kommission außerdem auf, die streitigen Rahmenverträge auszusetzen oder zu beenden, alle etwaigen Vergabeentscheidungen zurückzunehmen und das Vergabeverfahren im Wege der Ausschreibung mit vorheriger Auftragsbekanntmachung erneut durchzuführen.

14      Am 9. Dezember 2020 erfuhren die Klägerinnen durch die Vergabebekanntmachung (ABl. 2020/S 240-592299), dass die streitigen Rahmenverträge bereits am 19. November 2020 geschlossen worden waren.

15      In dieser Vergabebekanntmachung wird der Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Auftragsbekanntmachung wie folgt gerechtfertigt:

„Dringende Gründe im Zusammenhang mit für den öffentlichen Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignissen, die den strengen Bedingungen der Richtlinie genügen.

Erläuterung:

Die Covid-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme weltweit und in Europa unter extremen Stress gesetzt. In diesem Zusammenhang beschloss die Kommission als Beitrag zu den Bemühungen, in ausgewählten europäischen Krankenhäusern und ähnlichen Gesundheitseinrichtungen dringend eine erhöhte Sicherheit von Personal und Patienten zu gewährleisten, den Einsatz von autonomen Robotern für die Desinfektion von Innenräumen mit Hilfe des Instruments zur Unterstützung in Notfällen zu unterstützen (siehe KOM[2020] 5162). Desinfektionsroboter werden tatsächlich bereits für die Krankenhausdesinfektion eingesetzt, und die Kommission hat eine Reihe von Berichten von Krankenhäusern, die diese Technologie während der Covid-19-Krise eingesetzt haben, gezeigt. Die Zahl der eingesetzten Roboter ist jedoch unzureichend und deckt bei weitem nicht alle Krankenhäuser ab, die direkt mit der Krankheit zu tun haben. Die Kommission ergreift Maßnahmen, um dieses Problem teilweise zu entschärfen.

Daher ist die Anwendung des außerordentlichen Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung der Bekanntmachung erforderlich, da die Maßnahme äußerst dringend ist, da sich zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts die 2. Welle des Covid-19 wie oben erläutert rasch ausbreitet. In einigen Mitgliedstaaten sind die Zahlen derzeit höher als während des Spitzenwertes der 1. Welle, und die Gesundheitsressourcen stehen Berichten zufolge EU‑weit unter zunehmendem Druck. Daher ist es notwendig, schnell Desinfektionsroboter einzusetzen, um Mitarbeiter im Gesundheitswesen bei ihren Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen.“

16      Am 24. Dezember 2020 veröffentlichte die Kommission im Anschluss an die Vergabebekanntmachung vom 9. Dezember 2020 eine neue Bekanntmachung (ABl. 2020/S 251-626998) und ersetzte als Rechtsgrundlage für den Erwerb von bis zu 200 Desinfektionsrobotern die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) durch die Haushaltsordnung.

 Anträge der Parteien

17      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, für nichtig zu erklären;

–        die angefochtene Vergabeentscheidung für nichtig zu erklären;

–        die Entscheidung der Kommission vom 19. November 2020, die streitigen Rahmenverträge mit zwei anderen Wirtschaftsteilnehmern zu schließen, für nichtig zu erklären;

–        die streitigen Rahmenverträge für nichtig zu erklären;

–        der Kommission aufzugeben, die Auftragsspezifikationen mitzuteilen, auf deren Grundlage die streitigen Rahmenverträge vergeben wurden;

–        im Wege der Zwischenentscheidung über die Haftung der Kommission zu entscheiden, soweit diese rechtswidrig auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückgegriffen hat;

–        hilfsweise, der Kommission aufzugeben, ihnen eine Entschädigung von 3 000 000 Euro aufgrund des Verlusts einer Chance zu zahlen;

–        der Kommission die Kosten, einschließlich der Kosten der Klägerinnen, aufzuerlegen.

18      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

 Zur Zulässigkeit des ersten Klageantrags, der auf die Nichtigerklärung der Entscheidung gerichtet ist, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen

19      In der Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, der erste Klageantrag sei unzulässig, da die Klägerinnen kein Interesse daran hätten, die Nichtigerklärung der Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, zu beantragen. Da die Klägerinnen nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hätten, hätten sie nämlich kein Rechtsschutzinteresse. Insoweit führt die Kommission aus, dass es im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung, auf ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, keineswegs sicher sei, dass sie eine neue Ausschreibung durchführen würde, und es keine Garantie dafür gebe, dass die Klägerinnen ausgewählt würden.

20      Die Klägerinnen halten den ersten Klageantrag für zulässig. Sie tragen vor, dass die Zulässigkeit ihrer Klage nicht damit bestritten werden könne, dass sie nicht am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hätten, da ihre Nichtteilnahme darauf zurückzuführen sei, dass die Kommission keine Auftragsbekanntmachung veröffentlicht habe. Sollte das Gericht den ersten Klageantrag aus diesem Grund als unzulässig zurückweisen, hätte dies zur Folge, dass es den Wettbewerbern unmöglich sei, die Direktvergabe öffentlicher Aufträge anzufechten. Ihre Nichtteilnahme am Verfahren beruhe zum einen darauf, dass die Kommission keine Auftragsbekanntmachung veröffentlicht habe, und schließe es zum anderen nicht aus, dass sie ein Rechtsschutzinteresse hätten.

21      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung nur Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die die Interessen Dritter durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung berühren, Handlungen sind, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 42, vom 2. März 1994, Parlament/Rat, C‑316/91, EU:C:1994:76, Rn. 8, und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 36).

22      Für die Feststellung, ob eine Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt wird, solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9), den Kontext, in dem sie ausgearbeitet wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Februar 2000, Stork Amsterdam/Kommission, T‑241/97, EU:T:2000:41, Rn. 62), sowie die Absicht des Handelnden abzustellen (Urteil vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 52; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 42, 46 und 52). Dagegen ist die Form, in der eine Handlung ergeht, für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage grundsätzlich ohne Bedeutung (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, EU:C:2005:429, Rn. 46).

23      Nur die Handlung, mit der ihr Urheber seine Auffassung unmissverständlich und endgültig in einer Form zum Ausdruck bringt, die ihre Rechtsnatur erkennen lässt, stellt eine Entscheidung dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann (Urteil vom 13. Dezember 2016, IPSO/EZB, T‑713/14, EU:T:2016:727, Rn. 20; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 26. Mai 1982, Deutschland und Bundesanstalt für Arbeit/Kommission, 44/81, EU:C:1982:197, Rn. 12).

24      Speziell im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in mehreren Phasen zustande kommen, insbesondere nach Durchführung eines internen Verfahrens, liegt eine anfechtbare Handlung nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt der Kommission zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteile vom 7. März 2002, Satellimages TV5/Kommission, T‑95/99, EU:T:2002:62, Rn. 32, und vom 16. Dezember 2020, Balti Gaas/Kommission und INEA, T‑236/17 und T‑596/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:612, Rn. 88).

25      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, eine Handlung darstellt, die den Standpunkt der Kommission endgültig festlegt und die Klägerinnen beschwert und gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann.

26      Insoweit ist der Inhalt dieser Entscheidung zu untersuchen. Es handelt sich um die erste Phase des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung, und diese Entscheidung erfolgte in Form eines Aktenvermerks, der von der Direktorin der Direktion „Künstliche Intelligenz und digitale Industrie“ am 18. September 2020 unterzeichnet wurde. Dieses Dokument soll den Rückgriff auf ein solches Verfahren für die Vergabe des Auftrags „Desinfektionsroboter zur Unterstützung der Bekämpfung der COVID‑19-Krise“ rechtfertigen.

27      In einer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission vorgetragen, dass die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, eine interne Handlung sei, die außerhalb der Sphäre des Organs, das diese Entscheidung getroffen habe, keine Rechtswirkungen erzeuge. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission einzelne Aufforderungen zur Angebotsabgabe versandt habe, sei es denkbar, dass diese Entscheidung Rechtswirkungen erzeuge. Denn die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, nehme nicht vorweg, welche Wirtschaftsteilnehmer in der Lage seien, ein Angebot abzugeben. Erst das Aufeinanderfolgen der Handlungen des Vergabeverfahrens könne letztlich Rechtswirkungen erzeugen. Die Entscheidung, auf ein Vergabeverfahren zurückzugreifen, könne für sich genommen keine Rechtswirkungen erzeugen und erzeuge solche nur über Handlungen, die – durch die tatsächliche Durchführung des Verfahrens – gerade ihrer Umsetzung dienten, wie etwa die Vergabeentscheidung.

28      In einer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts haben die Klägerinnen hervorgehoben, dass sich das rechtswidrige Verhalten der Kommission aus mehreren Entscheidungen ergebe – darunter die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen –, die jedoch unweigerlich miteinander verbunden seien, da die Entscheidung, auf dieses Verfahren zurückzugreifen, zur angefochtenen Vergabeentscheidung geführt und schließlich den Abschluss der streitigen Rahmenverträge ermöglicht habe. Die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, sei nicht als Vorbereitungshandlung für die angefochtene Vergabeentscheidung anzusehen, denn sie erzeuge erkennbare Rechtswirkungen, da die Parteien, die nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert worden seien, ipso facto von der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen worden seien und keine Chance gehabt hätten, den Auftrag zu erhalten. Darüber hinaus seien die Wirtschaftsteilnehmer, die nicht zur Teilnahme an diesem Verfahren aufgefordert worden seien, erst am 9. Dezember 2020 durch die erste Vergabebekanntmachung formell über die Vergabe des Rahmenvertrags unterrichtet worden. Folglich dürfe die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, nicht von einer richterlichen Kontrolle durch das Gericht ausgeschlossen werden.

29      Es ist festzustellen, dass in der Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, die Gründe für die Erforderlichkeit des Rückgriffs auf dieses Verfahren angegeben sind. In diesem Dokument wird somit die Wahl des anwendbaren Verfahrens für die in Rede stehende Auftragsvergabe festgelegt. Wie die Kommission jedoch in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts ausgeführt hat, hat dieses Dokument weder Adressaten noch nimmt es die Wirtschaftsteilnehmer vorweg, die zur Abgabe eines Angebots für diesen Auftrag aufgefordert werden. Daher wurde in diesem Stadium des Verfahrens kein Wirtschaftsteilnehmer zur Abgabe eines Angebots aufgefordert, und folglich konnte auch kein Wirtschaftsteilnehmer davon ausgeschlossen werden.

30      Somit ist es die Entscheidung, die Klägerinnen nicht zur Abgabe eines Angebots aufzufordern – die im vorliegenden Fall in der angefochtenen Vergabeentscheidung zum Ausdruck kommt –, durch die die Klägerinnen beschwert werden. Diese können daher, sofern sie von ihr Kenntnis erlangt haben, gegen die letzte zum Zeitpunkt ihrer Klageerhebung verfügbare und sie vom Verfahren ausschließende Handlung Klage erheben. Die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, stellt jedoch keine die Interessen der Klägerinnen berührende Entscheidung dar, da sie von dem in Rede stehenden Vergabeverfahren nicht durch diese Entscheidung ausgeschlossen wurden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte die Kommission die Vergabeentscheidung, mit der der Auftrag endgültig vergeben wurde und die den endgültigen Ausschluss der Klägerinnen von dem in Rede stehenden Vergabeverfahren zur Folge hatte, bereits erlassen, nämlich am 3. November 2020.

31      Folglich hat die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, vorbereitenden Charakter.

32      Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Zulässigkeit ihrer Klage gegen die Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, könne nicht damit bestritten werden, dass sie nicht am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hätten, ist darauf hinzuweisen, dass die den Maßnahmen rein vorbereitender Art etwa anhaftenden rechtlichen Mängel im Rahmen der Klage gegen die endgültige Handlung, deren Vorbereitung sie dienen, geltend gemacht werden können (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2020, Balti Gaas/Kommission und INEA, T‑236/17 und T‑596/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:612, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall begehren die Klägerinnen mit ihrem zweiten Klageantrag die Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung, was ihnen grundsätzlich die Möglichkeit gibt, jede Unregelmäßigkeit bei der Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, geltend zu machen, sofern der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung zulässig ist.

33      Folglich ist der erste Klageantrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückzugreifen, unzulässig.

 Zur Zulässigkeit des zweiten Klageantrags, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung gerichtet ist

34      In der Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, der zweite Klageantrag sei unzulässig, da die Klägerinnen kein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung hätten. Da die Klägerinnen nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hätten, hätten sie nämlich kein Rechtsschutzinteresse. Insoweit würde eine Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung nicht bedeuten, dass die Klägerinnen ausgewählt würden, da sie nicht zu den Bietern gehört hätten.

35      Nach Auffassung der Klägerinnen ist der zweite Klageantrag zulässig. Erstens könne die Zulässigkeit ihres Antrags nicht damit bestritten werden, dass sie nicht am Ausschreibungsverfahren teilgenommen hätten, da ihre Nichtteilnahme darauf zurückzuführen sei, dass die Kommission keine Auftragsbekanntmachung veröffentlicht habe. Sollte das Gericht den zweiten Klageantrag aus diesem Grund als unzulässig zurückweisen, hätte dies zur Folge, dass es für die Wettbewerber unmöglich sei, die Direktvergabe öffentlicher Aufträge anzufechten. Die Tatsache, dass sie nicht am Verfahren teilgenommen hätten, schließe es nicht aus, dass sie ein Rechtsschutzinteresse hätten. Die Nichtigerklärung insbesondere der angefochtenen Vergabeentscheidung hätte nämlich die Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen gegenüber ihren Wettbewerbern zur Folge.

36      Zweitens tragen die Klägerinnen vor, sie seien von der angefochtenen Vergabeentscheidung unmittelbar und individuell betroffen. Zum einen seien sie nämlich auf demselben Markt tätig wie die Bieter, denen der in Rede stehende Auftrag erteilt worden sei, und zum anderen seien sie in der Lage gewesen, den Qualitätskriterien der Vergabebekanntmachung entsprechende Roboter zu liefern. Sie seien daher geeignete Bewerber für die Teilnahme an dem von der Kommission durchgeführten Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Hinblick auf die Vergabe eines Rahmenvertrags gewesen.

37      Wie oben in Rn. 21 ausgeführt, sind nur Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die die Interessen Dritter durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung berühren, anfechtbare Handlungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist.

38      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzinteresse und die Klagebefugnis unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen darstellen, die eine natürliche oder juristische Person kumulativ erfüllen muss, um eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV erheben zu können (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zur Anfechtbarkeit

39      Wie oben aus Rn. 23 hervorgeht, stellt nur die Handlung, mit der ihr Urheber seine Auffassung unmissverständlich und endgültig in einer Form zum Ausdruck bringt, die ihre Rechtsnatur erkennen lässt, eine Entscheidung dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann.

40      Im vorliegenden Fall war, wie oben in Rn. 30 aufgezeigt, Grund für den Ausschluss der Klägerinnen vom Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung nicht die Entscheidung über den Rückgriff auf dieses Verfahren vom 18. September 2020, in der die zur Teilnahme an diesem Verfahren aufzufordernden und mithin auch die davon auszuschließenden Wirtschaftsteilnehmer noch nicht festgelegt worden waren. Vielmehr wurde in den von der Kommission an sechs Wirtschaftsteilnehmer gerichteten Aufforderungen zur Angebotsabgabe festgelegt, welche Wirtschaftsteilnehmer zur Teilnahme an diesem Verfahren aufgefordert wurden und welche nicht. In diesem Verfahren war jedoch die Vergabebekanntmachung, mit der die Vergabe des Auftrags an zwei Bieter mitgeteilt wurde, die Handlung, die es den Klägerinnen durch ihre Veröffentlichung ermöglichte, von dem Rückgriff auf dieses Verfahren für die Vergabe des Auftrags Kenntnis zu nehmen. Folglich hatte die angefochtene Vergabeentscheidung automatisch zur Folge, dass den Klägerinnen endgültig die Möglichkeit genommen wurde, an diesem Verfahren teilzunehmen, und sie von diesem Verfahren auszuschließen. Somit wirkte sich die angefochtene Vergabeentscheidung auf die Rechtsstellung der Klägerinnen aus, indem ihre Rechtsstellung als Wirtschaftsteilnehmer, die von dem in Rede stehenden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung ausgeschlossen wurden, endgültig festgelegt wurde.

41      Folglich stellt die angefochtene Vergabeentscheidung eine anfechtbare Handlung dar.

–       Zum Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen

42      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur dann zulässig, wenn diese Person ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und dass der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann. Der Nachweis eines solchen Interesses, das die wesentliche Grundvoraussetzung jeder Klage darstellt, muss vom Kläger erbracht werden, wobei auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist (Urteile vom 18. Oktober 2018, Gul Ahmed Textile Mills/Rat, C‑100/17 P, EU:C:2018:842, Rn. 37, und vom 27. März 2019, Canadian Solar Emea u. a./Rat, C‑236/17 P, EU:C:2019:258, Rn. 91).

43      Daher ist zu prüfen, ob den Klägerinnen eine etwaige Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung im vorliegenden Fall einen Vorteil verschaffen kann.

44      Die Kommission macht geltend, dass dies nicht der Fall sei, da eine solche Nichtigerklärung nicht bedeute, dass die Klägerinnen ausgewählt würden, da sie nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hätten.

45      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich zulässig ist, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen aufgrund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen kann. Jedoch wäre es unverhältnismäßig und sogar widersprüchlich, von einem Unternehmen, falls es im Rahmen des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung deshalb kein Angebot eingereicht hat, weil es nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurde, zu verlangen, an dem genannten Verfahren teilzunehmen, obwohl es für die Teilnahme an einem solchen Verfahren erforderlich ist, vom öffentlichen Auftraggeber zur Abgabe eines Angebots aufgefordert zu werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Januar 2022, Leonardo/Frontex, T‑849/19, EU:T:2022:28, Rn. 25 bis 28).

46      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerinnen von dem in Rede stehenden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung keine Kenntnis haben konnten und dass sie im Rahmen dieses Verfahrens nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurden. Daher kann ihnen nicht vorgeworfen werden, an diesem Verfahren nicht teilgenommen zu haben.

47      Außerdem ist zu prüfen, ob es sich bei den Klägerinnen um Wirtschaftsteilnehmer handelt, die auf dem Markt tätig sind, der Gegenstand des in Rede stehenden Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung war.

48      Insoweit geht aus der Vergabebekanntmachung vom 24. Dezember 2020 hervor, dass die in Rede stehende Auftragsvergabe die Beschaffung von 200 selbstfahrenden UV-Desinfektionsrobotern durch die Kommission zum Gegenstand hatte, um sie in den europäischen Krankenhäusern einsetzen zu können. Die Klägerinnen haben in ihrer Klageschrift angegeben, dass sie den „mobilen Desinfektionsroboter ‚Ultra-V‘, der UVC‑Lichtstrahlentechnologie für eine konstante Dekontaminationswirkung nutzt“, herstellten. Sie haben in der Anlage zu ihrer Klageschrift Nachweise in Bezug auf den Roboter „Ultra-V“ sowie wissenschaftliche Bewertungen dieses Roboters, die für den nationalen Gesundheitsdienst des Vereinigten Königreichs durchgeführt worden waren, vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Klägerinnen einen UV-Desinfektionsroboter herstellen.

49      Dennoch hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass die Klägerinnen nicht zur Teilnahme am fraglichen Vergabeverfahren hätten aufgefordert werden können, da Gegenstand dieses Verfahrens die Beschaffung autonomer Roboter gewesen sei, die sich selbst fortbewegen könnten, was bei dem von ihnen hergestellten „Ultra-V“-Roboter nicht der Fall sei.

50      Hierzu ist festzustellen, dass dieses Erfordernis weder in den Kriterien, die die Kommission bei der Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Unternehmen angewandt hat, noch in den in der Vergabebekanntmachung vom 24. Dezember 2020 veröffentlichten Zuschlagskriterien enthalten ist. Nach Ansicht der Kommission war dieses Erfordernis jedoch der eigentliche Gegenstand der fraglichen Auftragsvergabe, da in dieser Vergabebekanntmachung unter der Überschrift II.1.4 („Kurze Beschreibung“) angegeben sei, dass die Kommission bis zu 200 einfach zu bedienende, selbstfahrende UV‑Desinfektionsroboter anschaffen werde.

51      Aus den von den Klägerinnen vorgelegten Nachweisen ergibt sich, dass der von ihnen hergestellte „Ultra-V“-Roboter das Tätigwerden eines Bedieners nur in der dem Desinfektionsprozess vorausgehenden Vorbereitungsphase erfordert. Der Roboter funktioniere nämlich mit Hilfe von sechs „Spectromes“ genannten Sensoren, die von dem Bediener vor der Desinfektion im Raum platziert würden. Auf Nachfrage haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Bediener vor der Desinfektion nur die Sensoren im Raum platzieren müsse und der Roboter sich dann selbständig zu diesen Sensoren bewege, so dass er sich an jeden Raum anpassen könne, wodurch diese UV-Desinfektionslösung effizienter werde. Außerdem würden die Sensoren nur einmal angebracht und müssten nicht vor jeder weiteren Desinfektion desselben Raums erneut angebracht werden. Daraus ergebe sich, dass der „Ultra-V“-Roboter während des eigentlichen Desinfektionsprozesses kein menschliches Tätigwerden erfordere.

52      Nach alledem – und da in der Vergabebekanntmachung vom 24. Dezember 2020 der erforderliche Grad der Autonomie der Roboter nicht angegeben ist – ist davon auszugehen, dass es sich bei dem von den Klägerinnen hergestellten „Ultra-V“-Roboter um einen einfach zu bedienenden und selbstfahrenden Roboter entsprechend den in der Vergabebekanntmachung angeführten Vorgaben handelt.

53      Daraus folgt, dass die Klägerinnen genügend Nachweise für ihre Tätigkeit auf dem Markt für autonome UV-Desinfektionsroboter, die Gegenstand des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung waren, vorgelegt haben.

54      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung eines Rechtsakts hat, um vom Unionsrichter feststellen zu lassen, dass ihm gegenüber rechtswidrig gehandelt wurde, weil diese Feststellung als Grundlage einer etwaigen Klage auf angemessenen Ersatz des durch die angefochtene Handlung entstandenen Schadens dienen kann (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Mit ihrem ersten Klagegrund beanstanden die Klägerinnen aber gerade, dass auf das genannte Ausnahmeverfahren zurückgegriffen wurde, und machen geltend, dass die in Anhang I Nr. 11.1 Abs. 2 Buchst. c der Haushaltsordnung vorgesehenen Voraussetzungen, um auf dieses Verfahren zurückzugreifen, nicht erfüllt gewesen seien.

56      Daraus folgt, dass der Antrag der Klägerinnen auf Nichtigerklärung darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die Kommission ihnen gegenüber im Rahmen des in Rede stehenden Vergabeverfahrens einen Rechtsverstoß begangen hat, so dass eine solche Feststellung als Grundlage für ihren Schadensersatzantrag dienen kann. Die Klägerinnen haben dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt und erklärt, dass die Erlangung von Schadensersatz durch die Kommission es ermöglichen würde, das Gleichgewicht auf dem Markt wiederherzustellen.

57      Nach alledem haben die Klägerinnen ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung.

–       Zur Klagebefugnis der Klägerinnen

58      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

59      Da die angefochtene Vergabeentscheidung an die Zuschlagsempfänger und nicht an die Klägerinnen gerichtet ist und eine solche Vergabeentscheidung keinen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung darstellt, ist zu prüfen, ob die Klägerinnen von dieser Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen sind.

60      Was als Erstes die Frage betrifft, ob die Klägerinnen von der angefochtenen Vergabeentscheidung unmittelbar betroffen sind, ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Erfordernis, dass eine natürliche oder juristische Person von der Maßnahme, die Gegenstand der Klage ist, unmittelbar betroffen sein muss, verlangt, dass zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 14. Juli 2022, Italien und Comune di Milano/Rat und Parlament [Sitz der Europäischen Arzneimittel-Agentur], C‑106/19 und C‑232/19, EU:C:2022:568, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Es ist nacheinander zu prüfen, ob die Klägerinnen jedes dieser beiden Erfordernisse erfüllen.

62      Erstens ist zu prüfen, ob sich die angefochtene Vergabeentscheidung unmittelbar auf die Rechtsstellung der Klägerinnen auswirkt.

63      Insoweit ergibt sich aus Rn. 40 des vorliegenden Urteils, dass den Klägerinnen durch die angefochtene Vergabeentscheidung endgültig die Möglichkeit genommen wurde, sich an dem in Rede stehenden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zu beteiligen, und sie dadurch von diesem ausgeschlossen wurden. Somit wirkte sich die angefochtene Vergabeentscheidung auf die Rechtsstellung der Klägerinnen aus, indem ihre Rechtsstellung als Wirtschaftsteilnehmer, die von dem in Rede stehenden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung ausgeschlossen wurden, endgültig festgelegt wurde.

64      Die Rechtsstellung der Klägerinnen kann jedoch durch die angefochtene Vergabeentscheidung nur insoweit unmittelbar berührt werden, als sie nachweisen können, dass sie auf dem betreffenden Markt tätige Wirtschaftsteilnehmer sind.

65      Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen, wie sich aus den Rn. 47 bis 53 des vorliegenden Urteils ergibt, genügend Nachweise für ihre Tätigkeit auf dem Markt der autonomen UV-Desinfektionsroboter vorgelegt.

66      Zweitens wurden in der angefochtenen Vergabeentscheidung zwei Wirtschaftsteilnehmer mit sofortiger und bindender Wirkung endgültig als Zuschlagsempfänger für den in Rede stehenden Auftrag bestimmt. Da diese Vergabeentscheidung insoweit Rechtswirkungen erzeugt, ohne dass es einer ergänzenden Maßnahme bedarf, ist das zweite oben in Rn. 60 genannte Erfordernis erfüllt.

67      Daraus folgt, dass die angefochtene Vergabeentscheidung die Klägerinnen unmittelbar betroffen hat.

68      Was als Zweites die Frage betrifft, ob die Klägerinnen von der angefochtenen Vergabeentscheidung individuell betroffen sind, geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass, wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen kann, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 238; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. Januar 2022, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑594/19 P, EU:C:2022:40, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Daher ist zu prüfen, ob die angefochtene Vergabeentscheidung die Klägerinnen entweder wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt.

70      Insoweit können nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine Entscheidung eine Gruppe von Personen berührt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung anhand von den Mitgliedern der Gruppe eigenen Merkmalen feststanden oder feststellbar waren, diese Personen von der Entscheidung insoweit individuell betroffen sein, als sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören (Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM, C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 71 und 72; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 158 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Unter den besonderen Umständen eines Rückgriffs des öffentlichen Auftraggebers auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung ist ein Wirtschaftsteilnehmer, der nicht zur Teilnahme an diesem Verfahren aufgefordert wurde, obwohl er die Kriterien erfüllen konnte, die der öffentliche Auftraggeber bei der Auswahl der Unternehmen angewandt hat, an die eine Aufforderung zur Angebotsabgabe gerichtet wurde, als zu einem beschränkten Kreis von Wettbewerbern gehörend anzusehen, die ein Angebot hätten abgeben können, wenn sie zur Teilnahme am Verfahren aufgefordert worden wären.

72      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der Klagebeantwortung erläutert, die Kriterien für die Bestimmung der zur Teilnahme an dem in Rede stehenden Verfahren aufgeforderten Wirtschaftsteilnehmer seien die CE‑Kennzeichnung, eine Produktionskapazität von mindestens 20 Einheiten pro Monat und Erfahrung mit dem Einsatz von Robotern in Krankenhäusern in mindestens zehn Fällen gewesen. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass es sich bei diesen Kriterien auch um die Auswahlkriterien handele, die im Rahmen des fraglichen Verfahrens angewandt worden seien.

73      Somit wurden die Kriterien der Kommission zur Beurteilung der Frage, welche Wirtschaftsteilnehmer zum Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung aufgefordert wurden, den Klägerinnen im Rahmen des Gerichtsverfahrens zur Verfügung gestellt. Außerdem haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob sie diese Kriterien erfüllten und ob sie insoweit Nachweise vorgelegt hätten, auf Anlage A.8 zu ihrer Klageschrift verwiesen.

74      Was erstens das Kriterium der CE‑Kennzeichnung betrifft, haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass ihr Roboter „Ultra-V“ über die CE‑Kennzeichnung verfüge, da eine von ihnen eine niederländische Gesellschaft sei, die ihre Roboter in der Union zum Einsatz bringe. Außerdem enthält die Bedienungsanleitung des Roboters „Ultra-V“, wie die Klägerinnen in der Klageschrift geltend gemacht haben, das Logo der CE‑Kennzeichnung. Daher ist davon auszugehen, dass der Roboter dieses Kriterium erfüllt.

75      Was zweitens das Kriterium der Produktionskapazität betrifft, haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie dieses Kriterium erfüllten und sogar in der Lage seien, ihre Produktionskapazität zu erhöhen. Die Klägerinnen haben jedoch weder in der Klageschrift einschließlich ihrer Anlage A.8 noch in der Erwiderung einen Nachweis dafür erbracht, dass ihre Produktionskapazität monatlich 20 Roboter erreichen könnte.

76      Drittens ist zum Kriterium ihrer Erfahrung mit dem Einsatz von Robotern in Krankenhäusern festzustellen, dass die Klägerinnen Studien von Universitätskrankenhäusern des Vereinigten Königreichs und einen Bericht zweier Hygienespezialisten des North West Anglia NHS Foundation Trust vorgelegt haben, aus denen u. a. hervorgeht, dass sie zumindest seit April 2015 Roboter in Krankenhäusern des Gesundheitsdiensts des Vereinigten Königreichs eingesetzt haben. Anhand dieser Nachweise lässt sich jedoch nicht die genaue Zahl der eingesetzten Roboter ermitteln.

77      Selbst wenn die Klägerinnen mindestens zehn Roboter in den Krankenhäusern eingesetzt haben sollten, ändert dies somit nichts daran, dass sie nicht nachgewiesen haben, dass das monatliche Volumen ihrer Produktionskapazität für den „Ultra-V“-Roboter den Wert erreichte, den die Kommission für die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Wirtschaftsteilnehmer festgelegt hat.

78      Daraus folgt, dass die Klägerinnen keine ausreichenden Nachweise dafür beigebracht haben, dass sie in der Lage waren, die Kriterien zu erfüllen, die die Kommission für die Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer herangezogen hat, denen Aufforderungen zur Angebotsabgabe im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung übersandt wurden. Folglich haben sie nicht den Nachweis erbracht, dass sie zu einem begrenzten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehörten, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden und ein Angebot abgeben konnten. Daraus folgt, dass die Klägerinnen von der angefochtenen Vergabeentscheidung nicht individuell betroffen sind.

79      Folglich ist der zweite Klageantrag, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung gerichtet ist, unzulässig.

 Zur Zulässigkeit des dritten und des vierten Klageantrags, die auf die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, die streitigen Rahmenverträge zu schließen, und die Nichtigerklärung dieser Rahmenverträge gerichtet sind

80      Die Kommission macht geltend, der dritte und der vierte Klageantrag seien unzulässig, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, die streitigen Rahmenverträge zu schließen, und die Nichtigerklärung dieser Rahmenverträge durch das Gericht gerichtet seien. Die Nichtigerklärung der angefochtenen Vergabeentscheidung führe nicht zur Nichtigkeit der bereits unterzeichneten Verträge, da diese Verträge nur dem für den Vertrag zuständigen Richter unterlägen und nicht vom Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV für nichtig erklärt werden könnten.

81      Zur Frage, ob die Entscheidung, die Rahmenverträge zu schließen, eine anfechtbare Handlung darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter nach Art. 263 AEUV nur die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe und Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union prüft, die verbindliche Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen sollen.

82      Nach ständiger Rechtsprechung sind Anträge auf Nichtigerklärung – im Rahmen von Art. 263 AEUV – von Handlungen der Organe, die in einem rein vertraglichen Rahmen vorgenommen wurden, von dem sie untrennbar sind, unzulässig (vgl. Beschluss vom 3. Oktober 2018, Pracsis und Conceptexpo Project/Kommission und EACEA, T‑33/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:656, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 17. Juni 2010, CEVA/Kommission, T‑428/07 und T‑455/07, EU:T:2010:240, Rn. 52, und vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 26).

83      Im vorliegenden Fall beantragen die Klägerinnen die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 19. November 2020, die streitigen Rahmenverträge zu schließen, und die Nichtigerklärung dieser zwischen der Kommission und den ausgewählten Bietern geschlossenen Rahmenverträge. Insoweit genügt die Feststellung, dass zum einen die Unterzeichnung der Rahmenverträge per definitionem dem Vertragsprozess inhärent ist, ohne dass insoweit im vorliegenden Fall eine von diesem Prozess abtrennbare Entscheidung identifiziert werden kann, und dass zum anderen diese Rahmenverträge all ihre Wirkungen im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien der betreffenden Verträge, in Bezug auf die die Klägerinnen Dritte sind, entfalten und sich darin erschöpfen.

84      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der dritte und der vierte Klageantrag unzulässig sind, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Entscheidung, die Rahmenverträge zu schließen, sowie auf die Nichtigerklärung der zwischen der Kommission und den ausgewählten Bietern geschlossenen Rahmenverträge gerichtet sind.

85      Nach alledem sind die Anträge auf Nichtigerklärung als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf Schadensersatz

86      Die Klägerinnen beantragen Schadensersatz wegen des Verlusts einer Chance, sich um einen öffentlichen Auftrag zu bewerben, weil die Kommission rechtswidrig auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückgegriffen habe. Nach Ansicht der Klägerinnen ist dieser Schaden als tatsächlich und sicher anzusehen, da sie endgültig eine Chance auf die Vergabe des Auftrags verloren hätten. Da sich die Kommission geweigert habe, die technischen Kriterien und Vergabekriterien offenzulegen, auf deren Grundlage der Auftrag erteilt worden sei, könnten sie nicht belegen, dass sie den Auftrag tatsächlich erhalten hätten. Die Klägerinnen beantragen daher in erster Linie, der Kommission aufzugeben, die Auftragsspezifikationen mitzuteilen, auf deren Grundlage die streitigen Rahmenverträge vergeben wurden, und im Wege der Zwischenentscheidung über die Haftung der Kommission zu entscheiden, da diese rechtswidrig auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zurückgegriffen habe, um in einem späteren Stadium die Höhe des Schadensersatzes zu bestimmen. Hilfsweise beantragen sie die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3 000 000 Euro.

87      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

88      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Union nach Art. 340 Abs. 2 AEUV im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, ersetzt.

89      Nach gefestigter Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für rechtswidriges Verhalten ihrer Organe vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich von der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Vorliegen des Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft werden müssen (vgl. Urteil vom 15. Oktober 2013, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑474/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:528, Rn. 215 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 106 und 164 bis 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Im vorliegenden Fall ist es angebracht, zunächst die zweite oben in Rn. 89 genannte Voraussetzung für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union zu prüfen, bei der es darum geht, ob die Klägerinnen das tatsächliche Vorliegen der von ihnen geltend gemachten Schäden nachgewiesen haben.

91      Was die Voraussetzung des tatsächlichen Vorliegens eines Schadens betrifft, kann die Haftung der Union nur ausgelöst werden, wenn der Kläger einen „tatsächlichen und sicheren“ Schaden erlitten hat. Der Kläger hat dem Unionsrichter die Beweismittel zum Nachweis des Vorliegens und des Umfangs eines solchen Schadens vorzulegen (vgl. Urteil vom 8. November 2011, Idromacchine u. a./Kommission, T‑88/09, EU:T:2011:641, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Hierzu ist festzustellen, dass der von den Klägerinnen geltend gemachte Schaden der Verlust einer Chance ist, ein Angebot für einen öffentlichen Auftrag abzugeben. Wie die Kommission geltend macht, verschafft die Abgabe eines Angebots dem Bieter jedoch keinen Vorteil, da sie ihm nicht garantiert, dass er den Auftrag erhält. Daher stellt der Verlust einer Chance, ein Angebot abzugeben, keinen tatsächlichen und sicheren Schaden dar, der Gegenstand einer Entschädigung sein kann, sondern einen hypothetischen Schaden.

93      Soweit die Klägerinnen im Wesentlichen einen Schaden wegen des Verlusts der Chance geltend machen, den Zuschlag für den Auftrag zu erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung ein solcher Verlust der Chance, den Zuschlag für einen Auftrag zu erhalten, nur dann als tatsächlicher und sicherer Schaden angesehen werden könnte, wenn kein Zweifel daran bestünde, dass die Klägerinnen ohne das behauptete fehlerhafte Verhalten des Organs den Zuschlag für den betreffenden Auftrag erhalten hätten (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 22. Juni 2011, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑409/09, EU:T:2011:299, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Die Klägerinnen räumen selbst ein, dass bei der Berechnung ihres Schadens die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen sei, dass sie den Zuschlag erhalten hätten. Insoweit entspricht die Höhe des Schadensersatzes, den die Klägerinnen hilfsweise beantragen, dem Nettogewinn, den sie erzielt hätten, wenn ihnen der Auftrag erteilt worden wäre.

95      Es ist zu prüfen, ob die Klägerinnen Nachweise dafür vorgelegt haben, dass sie den Auftrag erhalten hätten, wenn sie zur Teilnahme an dem fraglichen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung aufgefordert worden wären.

96      Die Klägerinnen machen insoweit geltend, dass sie nicht über die technischen Kriterien und Zuschlagskriterien verfügt hätten, auf deren Grundlage der Auftrag vergeben worden sei, und haben im Übrigen mit ihrem fünften Klageantrag beantragt, der Kommission aufzugeben, die Auftragsspezifikationen mitzuteilen, auf deren Grundlage die streitigen Rahmenverträge vergeben worden seien. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerinnen über die Zuschlagskriterien verfügten, die im Rahmen der in Rede stehenden Auftragsvergabe verwendet und in der Vergabebekanntmachung vom 24. Dezember 2020 veröffentlicht wurden.

97      Im vorliegenden Fall wurde in Abschnitt II.1.4 („Kurze Beschreibung“) der Vergabebekanntmachung vom 24. Dezember 2020 angegeben, dass der Auftragsgegenstand für die Kommission darin bestehe, bis zu 200 einfach zu bedienende, selbstfahrende UV-Desinfektionsroboter anzuschaffen. In Abschnitt II.2.5 („Zuschlagskriterien“) enthielt diese Vergabebekanntmachung eine kurze Beschreibung der Zuschlagskriterien für den in Rede stehenden Auftrag. Im Einzelnen handelte es sich um drei qualitative Kriterien, nämlich erstens die technische Exzellenz und die Reife des Desinfektionsroboters (insbesondere die Qualität des Desinfektionsprozesses, die Effizienz und Geschwindigkeit des Desinfektionsprozesses, die Autonomie des Roboters, die Reichweite, die Benutzerfreundlichkeit), zweitens die Qualität des Ansatzes, die Versorgung des ausgewählten Krankenhauses innerhalb von vier Wochen nach der Bestellung sicherzustellen und die anschließende Schulung des Krankenhauspersonals, Unterstützung und Wartung bereitzustellen, und drittens die Antwortzeit bei der Bereitstellung von technischer Unterstützung und Wartung.

98      Die Klägerinnen tragen vor, sie seien ein international tätiges Unternehmen im Bereich der Medizintechnik, der Verhütung und Kontrolle von Infektionen und stellten einen mobilen Desinfektionsroboter mit der Bezeichnung „Ultra-V“ her, der eine UVC‑Lichtstrahlentechnologie verwende. Außerdem machen sie geltend, dass sie auf alle oben in Rn. 97 angeführten Zuschlagskriterien angemessen hätten antworten können.

99      In Bezug auf die Zuschlagskriterien der Qualität und der Schnelligkeit der Versorgung des ausgewählten Krankenhauses und der anschließenden Schulung des Krankenhauspersonals sowie der Antwortzeit bei der Bereitstellung von technischer Unterstützung und Wartung haben die Klägerinnen jedoch nichts vorgetragen, was ihre Behauptung in Rn. 20 ihrer Klageschrift, sie seien in der Lage gewesen, diese Kriterien zu erfüllen, stützen könnte.

100    Nach alledem haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass kein Zweifel daran bestanden hätte, dass sie den Zuschlag für diesen Auftrag erhalten hätten, wenn sie im Rahmen des in Rede stehenden Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden wären.

101    Es ist daher nicht erforderlich, der Kommission aufzugeben, die Auftragsspezifikationen mitzuteilen, auf deren Grundlage die streitigen Rahmenverträge vergeben wurden.

102    Daraus folgt, dass die für die außervertragliche Haftung der Union nach Art. 340 Abs. 2 AEUV bestehende Voraussetzung des tatsächlichen Vorliegens eines Schadens nicht erfüllt ist.

103    Da die Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV kumulativ erfüllt sein müssen, brauchen die übrigen hierzu in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nicht geprüft zu werden.

104    Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Schadensersatz zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

105    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Inivos Ltd und die Inivos BV tragen die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Spielmann

 

      Mastroianni

 

Brkan            

 

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Februar 2024.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.