Language of document : ECLI:EU:T:2022:191

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

30. März 2022(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer Unionsbildmarke, die zwei Tiere darstellt – Ältere Unionsbildmarke, die ein Tier darstellt – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑206/21,

Oliver Kalita, wohnhaft in Jochberg (Österreich),

Christian Haas, wohnhaft in Kitzbühel (Österreich),

vertreten durch Rechtsanwalt G. Donath,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Graul und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Kitzbühel Tourismus, Körperschaft des öffentlichen Rechts, mit Sitz in Kitzbühel, vertreten durch Rechtsanwalt M. Horak,


betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Februar 2021 (Sache R 863/2020‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Kitzbühel Tourismus auf der einen sowie Herrn Kalita und Herrn Haas auf der anderen Seite

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen und C. Iliopoulos (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 16. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 19. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 26. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. Dezember 2018 meldeten die Kläger, Herr Oliver Kalita und Herr Christian Haas, gemäß der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 14, 16, 25, 32, 33, 35 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 12: „Fahrzeuge und Beförderungsmittel“;

–        Klasse 14: „Edelsteine, Perlen und Edelmetalle sowie Imitationen hiervon; Juwelierwaren, Schmuckwaren; Schlüsselringe und Schlüsselketten sowie Anhänger hierfür; Schmuck- und Uhrenbehältnisse; Zeitmessgeräte; Mit Edelmetall plattierte Schmuckanhänger; Misbaha [Gebetsperlen]; Metalljetons für den öffentlichen Verkehr; Meditationsperlen; Künstlerisch gestaltete Gegenstände aus emailliertem Silber; Künstlerisch gestaltete Gegenstände aus emailliertem Gold; Künstlerisch gestaltete Gegenstände aus Edelsteinen; Kästen aus Edelmetall; Kupferjetons; Kunstgegenstände aus Edelmetall; Keramikscheiben zur Verwendung als Wertmarken; Iridiumlegierungen; Aus Edelmetallen oder Halbedelmetallen oder ‑steinen oder Imitaten hiervon hergestellte oder damit beschichtete Statuen und Figuren; Aus Edelmetallen oder Halbedelmetallen oder ‑steinen oder Imitaten hiervon hergestellte oder damit beschichtete Verzierungen; Dekorative Boxen aus Edelmetall; Dekorative Gegenstände [Schmuckgegenstände oder Juwelier- und Schmuckwaren] für den persönlichen Gebrauch; Erinnerungsembleme; Gebetskränze; Gedenkmünzen; Gedenkpokale aus Edelmetall; Gewinnerpokale aus Edelmetall; Goldmünzen; Grabtafeln aus Edelmetall; Identifikationsarmbänder [Schmuckwaren]; Namensschilder aus Edelmetall; Osmiumlegierungen; Palladiumlegierungen; Rhodiumlegierungen; Rosenkränze; Rutheniumlegierungen; Sammlermünzen; Schmuckanhänger aus Bronze; Silberkunstgegenstände; Silberlegierungen; Trophäen aus Edelmetall; Trophäen aus Edelmetalllegierungen“;

–        Klasse 16: „Dekorations- und Künstlerbedarfsmaterialien und ‑mittel; Druckereierzeugnisse; Filtermaterial aus Papier; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe sowie Architekturmodelle; Papier und Pappe; Papier- und Schreibwaren sowie Lehr- und Unterrichtsmittel; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs‑, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Untersetzer aus Pappe [Karton]; Platzkarten; Platzsets aus Pappe; Servietten aus Papier für Haushaltszwecke; Servietten aus Zellstoff für Haushaltszwecke; Serviettenpapier; Taschentuchpapier; Taschentücher aus Papier; Tischdekorationen aus Papier; Tischläufer aus Papier; Tischläufer aus Zellulose; Tischtücher aus Papier; Tischwäsche aus Papier; Toilettenpapier; Toilettenpapierrollen; Toilettensitzabdeckungen aus Papier; Trockentücher aus Papier; Tropfdeckchen aus Papier; Untersetzer aus Karton; Untersetzer aus Papier für Biergläser; Untersetzer aus Papier für Cocktails; Untersetzer aus Papier für Trinkgläser; Platzdeckchen aus Karton; Platzdeckchen [Sets] aus Papier; Plakate aus Papier und Pappe; Plakate aus Papier; Pergamentpapier; Parfümiertes oder nicht parfümiertes Schrankpapier; Parfümiertes Schrankpapier; Pappdekorationen für Lebensmittel; Papierwimpel; Papierwaschtücher; Papiertücher für Reinigungszwecke; Papiertücher für das Gesicht; Münzenmatten; Lätzchen aus Papier mit Ärmeln; Lätzchen aus Papier; Küchenrollen aus Papier; Karaffenuntersetzer aus Papier; Kaffeefilter aus Papier; Hygienische Handtücher aus Papier; Fähnchen aus Papier; Fahnen aus Papier; Einschlagpapier; Cocktailschirmchen aus Papier; Bierdeckel; Banner aus Papier“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Schuhwaren“;

–        Klasse 32: „Bier und Brauereiprodukte; Nichtalkoholische Getränke; Alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von Getränken“;

–        Klasse 33: „Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier; Alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken; Apfelwein“;

–        Klasse 35: „Betriebswirtschaftliche Analyse‑, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung“;

–        Klasse 41: „Bildung, Erziehung, Unterhaltung und Sport; Verlags- und Berichtswesen; Übersetzung und Dolmetschen“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Unionsmarken Nr. 2019/10 vom 16. Januar 2019 veröffentlicht.

5        Am 2. April 2019 erhob die Streithelferin, die Kitzbühel Tourismus, Körperschaft des öffentlichen Rechts, gemäß Art. 46 der Verordnung 2017/1001 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für alle oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen.

6        Der Widerspruch war u. a. auf die nachstehend wiedergegebene, am 15. September 2010 unter der Nr. 5329561 eingetragene Unionsbildmarke (im Folgenden: ältere Marke) gestützt:

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7        Die ältere Marke erfasst u. a. folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 14, 16, 25, 32, 33, 35 und 41:

–        Klasse 12: „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“;

–        Klasse 14: „Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“;

–        Klasse 16: „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse, Buchbinderartikel; Fotographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“;

–        Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“;

–        Klasse 33: „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“;

–        Klasse 35: „Werbung; Öffentlichkeitsarbeit; Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen für Wirtschafts- und Werbezwecke; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“;

–        Klasse 41: „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.

8        Als Widerspruchsgründe wurden die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 genannten Gründe geltend gemacht.

9        Am 6. April 2020 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch für alle von ihm erfassten Waren und Dienstleistungen mit der Begründung zurück, dass eine der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 im vorliegenden Fall nicht erfüllt sei, da die einander gegenüberstehenden Zeichen als unähnlich angesehen worden seien.

10      Am 7. Mai 2020 legte die Streithelferin beim EUIPO gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

11      Mit Entscheidung vom 2. Februar 2021 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Erste Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf, wies die Markenanmeldung in vollem Umfang zurück und erlegte den Klägern die der Streithelferin im Verfahren vor dem EUIPO entstandenen Kosten auf. Im Einzelnen entschied die Beschwerdekammer, zuerst das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 nur hinsichtlich der älteren Marke zu prüfen. Hierzu stellte sie erstens fest, dass sich das relevante Publikum aus dem allgemeinen Publikum aber auch aus dem Fachpublikum in der Europäischen Union zusammensetze und dass der Grad der von diesen maßgeblichen Verkehrskreisen aufgebrachten Aufmerksamkeit als durchschnittlich bis hoch anzusehen sei. Außerdem prüfte sie aus Gründen der Verfahrensökonomie die Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall im Hinblick auf den österreichischen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise. Zweitens seien die von den einander gegenüberstehenden Zeichen jeweils erfassten Waren und Dienstleistungen identisch oder hochgradig ähnlich.  Drittens seien die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich hochgradig ähnlich sowie begrifflich ähnlich, während ein klanglicher Vergleich nicht möglich sei. Viertens habe die ältere Marke aufgrund ihrer Bekanntheit eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt. Nach alledem kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bestehe und es daher weder erforderlich sei, die anderen von der Streithelferin zur Stützung des Widerspruchs geltend gemachten Marken noch den auf Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung gestützten Widerspruchsgrund zu prüfen.

 Anträge der Parteien

12      Die Kläger beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung abzuändern und damit die Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO vom 6. April 2020 wiederherzustellen;

–        jedenfalls dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

13      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Begründetheit

14      Die Kläger stützen ihre Klage im Wesentlichen auf zwei Gründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sowie einen Verstoß gegen deren Art. 8 Abs. 5 geltend machen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001

15      Das EUIPO rügt die Unzulässigkeit des zweiten Klagegrundes, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht wird, da die Beschwerdekammer mit der angefochtenen Entscheidung dem Widerspruch nur auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 stattgegeben habe.

16      Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 60 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass eine Prüfung des auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 gestützten Widerspruchsgrundes nicht veranlasst sei, da dem Widerspruch auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung stattzugeben sei. Folglich ist die Prüfung des Gerichts im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auf die Überprüfung der Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 beschränkt und kann sich daher mangels einer entsprechenden Beurteilung durch die Beschwerdekammer nicht auf die Frage erstrecken, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung im vorliegenden Fall erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2019, Billa/EUIPO – Boardriders IP Holdings [Billa], T‑524/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:838, Rn. 34).

17      Daraus folgt, dass der zweite Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht wird, zurückzuweisen ist.

18      Demnach ist auch das Vorbringen der Kläger zum Recht auf Markenparodie und zur Freiheit der Meinungsäußerung sowie zur Freiheit der Kunst insofern zurückzuweisen,  als es im Wesentlichen darauf abzielt, das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes für die Benutzung der angemeldeten Marke darzutun, da diese Frage nur für die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 relevant ist.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

19      Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

20      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Gefahr der Verwechslung umfassend zu beurteilen, basierend darauf, wie die betreffenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise wahrgenommen werden, und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken und eine Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

22      Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum in dem Gebiet zu beurteilen ist, in dem die ältere Marke Schutz genießt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. November 2020, LG Electronics/EUIPO – Staszewski [K7], T‑21/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:550, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betroffenen Art von Waren oder Dienstleistungen abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass für die Prüfung der Verwechslungsgefahr das Gebiet der Union maßgeblich sei, da es sich bei der älteren Marke um eine Unionsmarke handele (vgl. Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung). Aus Gründen der Verfahrensökonomie hat die Beschwerdekammer jedoch im Wesentlichen entschieden, dass die Verwechslungsgefahr im Hinblick auf den österreichischen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen sei (vgl. Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung). Im Übrigen setzten sich die maßgeblichen Verkehrskreise, hinsichtlich deren die Verwechslungsgefahr zu beurteilen sei, zunächst aus dem allgemeinen Publikum, aber auch aus dem Fachpublikum zusammen (vgl. Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung), und der von ihnen aufgebrachte Aufmerksamkeitsgrad sei durchschnittlich bis hoch (vgl. Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung). Es besteht kein Anlass, diese Beurteilungen, die im Übrigen von den Klägern nicht beanstandet werden, in Frage zu stellen.

 Zum Vergleich der Waren und Dienstleistungen

25      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die ihr Verhältnis untereinander kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 23). Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betroffenen Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 25 bis 42 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen identisch oder hochgradig ähnlich seien. Es besteht kein Anlass, diese Beurteilung, die im Übrigen von den Klägern nicht beanstandet wird, in Frage zu stellen.

 Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen

27      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken bedeutet nicht, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 42). Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn dieser Bestandteil allein schon geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:539, Rn. 43).

29      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine hochgradige bildliche Ähnlichkeit sowie eine begriffliche Ähnlichkeit bestehe, während ein klanglicher Vergleich der Zeichen nicht möglich sei.

30      Die Kläger treten dieser Beurteilung teilweise entgegen, da sich ihrer Auffassung nach die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich und begrifflich unähnlich sind.

31      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Kläger entgegen. Nach Ansicht des EUIPO sind die einander gegenüberstehenden Zeichen zum einen bildlich ähnlich. Zum anderen ergebe sich schon aus der Übernahme der älteren Marke in die angemeldete Marke eine begriffliche Übereinstimmung. Die Streithelferin führt aus, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen eine hochgradige bildliche Ähnlichkeit aufwiesen, da ihre Unterschiede gering seien. Außerdem sei die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen begrifflich identisch seien.

32      Die ältere Marke ist eine Bildmarke, die aus der stilisierten Darstellung einer Gams besteht, die auf einem Sockel steht, der ein Vorgebirge, einen Felsen oder eine Wolke darstellen kann. Die Gams ist im Profil abgebildet, wobei ihr Kopf nach hinten blickt. Es sind nur zwei Beine der Gams sichtbar. Diese werden durch gerade Linien (ohne sichtbare Knie) dargestellt, die mit dem Sockel ein Trapez bilden. Die Gams und der Sockel sind rot.

33      Die angemeldete Marke ist eine Bildmarke, die aus der stilisierten Darstellung zweier Gämsen besteht, deren Konturen durch schwarze Linien auf weißem Hintergrund gezeichnet sind. Die erste Gams ist im Profil abgebildet, wobei ihr Kopf nach hinten blickt. Ihre beiden einzigen sichtbaren Beine werden durch gerade Linien (ohne sichtbare Knie) dargestellt, die an ihren Enden zusammenlaufen und ein Dreieck bilden. Die zweite Gams ist ebenfalls im Profil abgebildet, steht auf ihren Hinterbeinen hinter der ersten Gams und blickt nach vorne. Obwohl die Position der beiden Gämsen unterschiedlich ist, ist ihre Stilisierung dieselbe. Schließlich ist die angemeldete Marke farblos, und nur die schwarzen Konturen der beiden Gämsen sind sichtbar.

–       Zur bildlichen Ähnlichkeit

34      Zum bildlichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen hat die Beschwerdekammer erstens ausgeführt, dass die angemeldete Marke die einfache geometrische Darstellungsform der älteren Marke genau übernehme, insbesondere die geradlinigen Konturen, die spitz (dreieckig) zusammenlaufenden Striche, und den als kleine Spitze ausgestalteten Schwanz (vgl. Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens seien die Unterschiede in der Darstellung der einander gegenüberstehenden Zeichen sehr geringfügig und kaum zu erkennen (vgl. Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung). Dies gelte für die Hörner der Gämsen, wie sie in jedem der einander gegenüberstehenden Zeichen dargestellt seien, deren Krümmung etwas anders sei, und für den Neigungswinkel des Bauches der zweiten Gams der angemeldeten Marke (vgl. Rn. 47 der angefochtenen Entscheidung). Solche Unterschiede schlössen die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen nicht aus, da die maßgeblichen Verkehrskreise in aller Regel keinen unmittelbaren Vergleich der Marken vornehmen könnten (vgl. Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung). Drittens hat die Beschwerdekammer in Bezug auf die angemeldete Marke festgestellt, dass, obwohl die zweite Gams in einer anderen Position als die erste Gams stehe, ihre Stilisierung identisch sei und es sich bei beiden um gleichartige Tiere handele (vgl. Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung). Unter Berücksichtigung all dieser Merkmale ist die Beschwerdekammer im Gegensatz zur Widerspruchsabteilung in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine hochgradige bildliche Ähnlichkeit bestehe, ungeachtet des Umstands, dass die angemeldete Marke im Wesentlichen farblos sei, während die ältere Marke rot sei.

35      Die Kläger sind wie die Widerspruchsabteilung der Ansicht, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich unähnlich seien. Insoweit werfen sie der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, bei ihrer Prüfung die zahlreichen bildlichen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen nicht berücksichtigt und somit keine Gesamtbetrachtung dieser Zeichen vorgenommen zu haben.

36      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Kläger entgegen. Das EUIPO räumt ein, dass sich die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrem Gesamteindruck durch das Vorhandensein der zweiten Gams in der angemeldeten Marke, die rote Farbe der älteren Marke und das Vorhandensein des Sockels in der älteren Marke, auf dem die Gams stehe, unterschieden. Dennoch bestehe zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine bildliche Ähnlichkeit, da die Gams der älteren Marke in der angemeldeten Marke nahezu identisch wiedergegeben werde. Die Streithelferin ist wie die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die bildliche Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen hoch sei, da die angemeldete Marke die Gams der Widerspruchsmarken identisch wiedergebe. Zunächst sei der angefochtenen Entscheidung nicht lediglich die ältere Marke zugrunde gelegt worden, sondern auch andere von der Streithelferin angeführte Marken, die nicht alle eine rote Farbgebung hätten und nicht alle einen Sockel enthielten, auf dem die von ihnen dargestellte Gams stehe. Zudem seien die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen, die sich aus den Beinen, den Hörnern und dem Schwanz der in jedem der Zeichen dargestellten Gämsen ergäben, gering oder kaum wahrnehmbar. Schließlich stelle der Umstand, dass sich die zweite Gams der angemeldeten Marke in einer anderen Position als die erste Gams dieser Marke befinde, die Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen nicht in Frage, da die Konturen und die Stilisierung der in beiden Zeichen dargestellten Gämsen in hohem Maße ähnlich seien.

37      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von den Klägern geltend gemachten bildlichen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen im Wesentlichen die folgenden sind:

–        die Anzahl der dargestellten Tiere;

–        die Farbe der Zeichen: schwarz und weiß bei der angemeldeten Marke und rot bei der älteren Marke;

–        die Art der Darstellung: eine Konturzeichnung bei der angemeldeten Marke und eine farbige Zeichnung bei der älteren Marke;

–        die Darstellung von Gämsen auf Bodenhöhe in der angemeldeten Marke und die Darstellung einer auf einen Sockel gestellten Gams in der älteren Marke;

–        die unterschiedliche Darstellung der Hörner und des Schwanzes der Gämsen;

–        eine dreieckige Darstellung der Beine der ersten Gams der angemeldeten Marke, während in der älteren Marke die Beine der Gams mit dem Sockel ein Trapez bilden;

–        die angewinkelte Darstellung der Vorder- und Hinterbeine der zweiten Gams der angemeldeten Marke.

38      Aus der vorstehenden Rn. 34 geht hervor, dass die Beschwerdekammer im Wesentlichen alle diese Unterschiede mit Ausnahme des Sockels, auf dem die Gams in der älteren Marke steht, berücksichtigt hat, was vom EUIPO und der Streithelferin nicht bestritten wird.

39      Wie im Übrigen aus dem oben in Rn. 36 angeführten Vorbringen des EUIPO hervorgeht, ist dieser Sockel aber kein zu vernachlässigender Bestandteil und trägt ebenso zur Unterscheidung der einander gegenüberstehenden Zeichen bei wie das Vorhandensein der zweiten Gams in der angemeldeten Marke und die rote Farbe der älteren Marke.

40      Daher hätte die Beschwerdekammer diesen Sockel in Anwendung der oben in Rn. 28 angeführten Rechtsprechung bei der Beurteilung der bildlichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen berücksichtigen müssen.

41      Mithin ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die einander gegenüberstehenden Zeichen bei der Beurteilung ihrer bildlichen Ähnlichkeit nicht jeweils als Ganzes betrachtet hat, wie es Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 im Einklang mit der oben in Rn. 28 angeführten Rechtsprechung verlangt.

42      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Streithelferin in Frage gestellt werden, wonach der Sockel als Unterscheidungsmerkmal in der Struktur der einander gegenüberstehenden Zeichen nicht Bestandteil aller Widerspruchsmarken sei. Wie oben in Rn. 11 festgestellt und aus den Rn. 17, 44 und 60 der angefochtenen Entscheidung klar hervorgeht, hat die Beschwerdekammer die Prüfung der Verwechslungsgefahr nämlich nur auf die ältere Marke gestützt, die eine stark stilisierte rote Gams darstellt, die auf einem ebenfalls roten Sockel steht (siehe oben, Rn. 32).

43      Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine hochgradige bildliche Ähnlichkeit bestehe, rechtsfehlerhaft ist.

–       Zur klanglichen Ähnlichkeit

44      In Rn. 49 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass ein klanglicher Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen aufgrund ihrer rein bildlichen Natur unmöglich sei. Diese Beurteilung, die im Übrigen von den Parteien nicht beanstandet wird, ist nicht in Frage zu stellen.

–       Zur begrifflichen Ähnlichkeit

45      In Rn. 50 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausgeführt, dass das in jedem der einander gegenüberstehenden Zeichen dargestellte Objekt einen ähnlichen Begriff vermittle, nämlich den einer stark stilisierten Gams, was ausreiche, um eine begriffliche Ähnlichkeit zwischen den Zeichen herzustellen.

46      Die Kläger sind dagegen der Auffassung, dass sich die einander gegenüberstehenden Zeichen begrifflich unähnlich seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Zeichen dasselbe Tier darstellten, verleihe die Abbildung von zwei Gämsen in deckender Position der angemeldeten Marke als Ganzes einen gänzlich unterschiedlichen Sinn und Kontext als den durch die ältere Marke vermittelten, die eine einzelne Gams darstelle.

47      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Kläger entgegen. Für das EUIPO ergibt sich schon aus der identischen Übernahme der älteren Marke in der angemeldeten Marke eine Übereinstimmung im Sinngehalt. Die Streithelferin ist der Ansicht, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen begrifflich identisch seien.

48      Zum einen ist die – im Übrigen von den Parteien nicht beanstandete – Beurteilung der Beschwerdekammer, wonach die ältere Marke insgesamt den Begriff einer stilisierten Gams vermittele, nicht in Frage zu stellen.

49      Zum anderen kann in Bezug auf die angemeldete Marke nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise annehmen wird, dass sie nur den Begriff zweier stilisierter Gämsen vermittelt, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen angenommen hat (siehe oben, Rn. 45).

50      Für diesen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise ist die Beschwerdekammer folglich zu Recht davon ausgegangen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen begrifflich ähnlich seien.

51      Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein anderer Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke als Vermittlung des Begriffs zweier stilisierter Gämsen in deckender Position wahrnehmen wird, wie die Kläger zu Recht geltend machen.

52      Insoweit ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer im Rahmen der Darstellung der angemeldeten Marke selbst ausgeführt hat, dass die erste Gams von der zweiten Gams „bestiegen wird“ (vgl. Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem machen das EUIPO und die Streithelferin in ihren jeweiligen Klagebeantwortungen geltend, dass die angemeldete Marke eine bewusste sexuelle Konnotation aufweise.

53      Daraus folgt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen für den Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, der die angemeldete Marke als Vermittlung des Begriffs zweier Gämsen in deckender Position wahrnehmen wird, eine geringe begriffliche Ähnlichkeit aufweisen.

54      Nach alledem ist das auf die begriffliche Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen gestützte Vorbringen der Kläger zurückzuweisen, da diese Zeichen ähnlich oder geringfügig ähnlich sind, je nachdem, ob die maßgeblichen Verkehrskreise in der angemeldeten Marke nur zwei stilisierte Gämsen oder zwei stilisierte Gämsen in deckender Position wahrnehmen.

 Zur Kennzeichnungskraft der älteren Marke

55      In den Rn. 52 und 53 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausgeführt, dass die ältere Marke, deren Bekanntheit die Streithelferin rechtlich hinreichend dargetan habe, dem österreichischen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise weitgehend bekannt sei und daher über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge.

56      Die Kläger treten dieser Beurteilung entgegen. Erstens habe sich die Beschwerdekammer, um die Bekanntheit des Ortes Kitzbühel (Österreich) zu untermauern, in Rn. 52 der angefochtenen Entscheidung auf das Logo des „Kitzbühel Hahnenkamm-Rennens“ gestützt, das nicht verfahrensgegenständlich sei. Zweitens stütze sich die Ausführung der Beschwerdekammer, dass „die ältere Marke … bei mehr als 80 % der Österreicher bekannt [ist]“, auf eine im Jahr 2015 durchgeführte Bekanntheitsstudie der Tirol Werbung, die die Streithelferin im Widerspruchsverfahren vorgelegt habe und die die Bekanntheit einer anderen Marke als die der älteren Marke betreffe, da die Marke neben dem Bildbestandteil, der eine stilisierte Gams darstelle, den Wortbestandteil „Kitzbühel“ enthalte. Somit reiche diese Studie im Wesentlichen nicht zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marke aus. Drittens habe die Beschwerdekammer ihre Beurteilung der Bekanntheit der älteren Marke auf irrelevante Gesichtspunkte gestützt und weder die maßgeblichen Verkehrskreise, für die diese Bekanntheit bestehe, noch die Waren und Dienstleistungen, die von dieser Bekanntheit erfasst sein sollten, identifiziert. Schließlich könne viertens nicht ausgeschlossen werden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die ältere Marke als Hinweis auf den Ort Kitzbühel und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen wahrnähmen.

57      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Kläger entgegen. Das EUIPO macht insbesondere geltend, dass die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke durchschnittlich sei. Außerdem rügt das EUIPO im Wesentlichen die Unzulässigkeit der von den Klägern erstmalig vor dem Gericht geltend gemachten Ausführungen, mit denen zum einen die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke und zum anderen ihre Bekanntheit bestritten werden solle. Schließlich ergebe sich aus den von der Streithelferin im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen, dass es sich bei der Darstellung der Gams der älteren Marke um das Markensymbol des bekannten Wintersportorts Kitzbühel handele, dem in Österreich eine große Bekanntheit zukomme. Selbst wenn nur eine durchschnittliche inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen wäre, sei das Bestehen einer Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall jedenfalls zu bejahen. Die Streithelferin macht geltend, aus den von ihr vorgelegten Beweisen (den Tabellen mit den Umsatzzahlen, den Werbekampagnen und der oben in Rn. 56 angeführten Bekanntheitsstudie) gehe hervor, dass die Widerspruchsmarken seit langem und intensiv benutzt würden und den maßgeblichen Verkehrskreisen bekannt seien.

58      Zunächst ist festzustellen, dass die Kläger mit dem Vortrag, die maßgeblichen Verkehrskreise nähmen die ältere Marke als Hinweis auf den Ort Kitzbühel und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen wahr,  im Wesentlichen die Eintragungsfähigkeit dieser Marke bestreiten, da sie keine Kennzeichnungskraft aufweise.

59      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Eintragung einer älteren Marke erfolgt ist, impliziert, dass sie einen Mindestgehalt an Unterscheidungskraft aufweist, da nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Ein Markenanmelder kann die Gültigkeit der älteren Marke jedoch nicht im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens in Frage stellen. Handelt es sich, wie bei der älteren Marke, speziell um eine ältere Unionsmarke, kann deren Gültigkeit aus diesem Grund nur im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung gemäß Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b in Frage gestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2019, Wanda Films und Wanda Visión/EUIPO – Dalian Wanda Group [WANDA FILMS], T‑533/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:727, Rn. 64, und vom 9. September 2020, Gothe und Kunz/EUIPO – Aldi Einkauf [FAIR ZONE], T‑589/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:397, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Daraus folgt, dass die oben in Rn. 58 genannte Rüge der Kläger zurückzuweisen ist, ohne dass über die oben in Rn. 57 angeführte Unzulässigkeitseinrede des EUIPO entschieden zu werden braucht.

61      Zur Zulässigkeit der Rügen der Kläger in Bezug auf die Beurteilung der Bekanntheit der älteren Marke durch die Beschwerdekammer ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 188 („Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Gericht“) der Verfahrensordnung des Gerichts die im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht eingereichten Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern können.

62      Im vorliegenden Fall weist das EUIPO zutreffend darauf hin, dass die Kläger die Bekanntheit der älteren Marke erstmalig vor dem Gericht bestritten haben.

63      Allerdings ist festzustellen, dass die Frage der aufgrund ihrer Bekanntheit erlangten erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke von der Beschwerdekammer auf der Grundlage der von der Streithelferin vor dem EUIPO vorgelegten Beweise und Argumente geprüft wurde. Diese Frage war somit Teil des vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstands im Sinne von Art. 188 der Verfahrensordnung.

64      Die Kläger sind daher befugt, die Beurteilung der Beschwerdekammer zur erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die diese aufgrund ihrer Bekanntheit erlangt habe, vor dem Gericht zu beanstanden.

65      Folglich ist das Vorbringen der Kläger zu prüfen, mit dem sie beabsichtigen darzutun, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer hinsichtlich der erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei.

66      Als Erstes machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer habe die Bekanntheit der älteren Marke auf der Grundlage von Beweisen bejaht, die nicht relevant seien, da sie Zeichen beträfen, die nicht verfahrensgegenständlich seien.

67      Nach der Rechtsprechung kann sich der Inhaber einer eingetragenen Marke zum Nachweis der Bekanntheit dieser Marke auf Beweise für ihre Benutzung in anderer Form und insbesondere in Form einer anderen eingetragenen Marke berufen, wenn die betroffenen Verkehrskreise die betreffenden Produkte weiterhin als von demselben Unternehmen stammend wahrnehmen (Urteil vom 1. März 2018, Shoe Branding Europe/EUIPO – adidas [Position zweier paralleler Streifen auf einem Schuh], T‑629/16, EU:T:2018:108, Rn. 76, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 5. Mai 2015, Spa Monopole/HABM – Orly International [SPARITUAL], T‑131/12, EU:T:2015:257, Rn. 33). Um festzustellen, ob dies der Fall ist, muss geprüft werden, ob die Elemente, die die zwei Marken voneinander unterscheiden, nicht verhindern, dass die betroffenen Verkehrskreise die betreffenden Produkte weiterhin als von einem bestimmten Unternehmen stammend wahrnehmen (vgl. Urteile vom 1. März 2018, Position zweier paralleler Streifen auf einem Schuh, T‑629/16, EU:T:2018:108, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Dezember 2019, Amigüitos pets & life/EUIPO – Société des produits Nestlé [THE ONLY ONE by alphaspirit wild and perfect], T‑40/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:890, Rn. 108).

68      Im vorliegenden Fall hat sich die Beschwerdekammer zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marke im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

–        Kitzbühel sei als einer der bedeutendsten Wintersportorte Österreichs bekannt;

–        zahlreiche Sportvereine und große erfolgreiche Sportveranstaltungen trügen zur Bekanntheit von Kitzbühel bei, wie das Hahnenkamm-Rennen, dessen Logo nachstehend abgebildet ist:

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–        die ältere Marke sei für den Ski Club Kitzbühel geschaffen worden;

–        die von der Streithelferin eingereichten Unterlagen belegten, dass die ältere Marke bei mehr als 80 % der Österreicher bekannt sei.

69      Somit ist in Übereinstimmung mit den Klägern festzustellen, dass sich die Beschwerdekammer zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marke im Wesentlichen auf Beweise gestützt hat, die andere Zeichen betreffen, nämlich zum einen das oben in Rn. 68 abgebildete Logo des Hahnenkamm-Rennens und zum anderen eine Marke, die laut der im Jahr 2015 durchgeführten Bekanntheitsstudie der Tirol Werbung mehr als 80 % der Österreicher bekannt sei (siehe oben, Rn. 68) und nachstehend abgebildet ist:

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70      Die von der oben in Rn. 67 angeführten Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung betreffend die Frage, ob die Elemente, die diese Marken der Streithelferin voneinander unterscheiden, verhindern oder nicht, dass die betroffenen Verkehrskreise die betreffenden Waren und Dienstleistungen weiterhin als von der Streithelferin stammend wahrnehmen, ist von der Beschwerdekammer jedoch nicht geprüft worden (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Dezember 2019, THE ONLY ONE by alphaspirit wild and perfect, T‑40/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:890, Rn. 109 und 110).

71      Daher ist die angefochtene Entscheidung insoweit mit einem Beurteilungsfehler behaftet, als sie die Bekanntheit der älteren Marke aus Beweisen für die Bekanntheit anderer Zeichen (d. h. der oben in den Rn. 68 und 69 abgebildeten Zeichen) abgeleitet hat, ohne die in dieser Hinsicht relevanten Feststellungen getroffen zu haben.

72      Nach alledem ist der ersten Rüge der Kläger (siehe oben, Rn. 66) stattzugeben.

73      Als Zweites machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer habe die Bekanntheit der älteren Marke bejaht, ohne die maßgeblichen Verkehrskreise sowie die Waren und Dienstleistungen, für die diese Bekanntheit vorliegen solle, identifiziert zu haben.

74      Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 53 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Streithelferin habe betont, dass die ältere Marke „insbesondere für ‚Sportveranstaltungen, Bekleidung, Kopfbedeckungen‘ bekannt sei“, und festgestellt hat, dass die ältere Marke vom „österreichischen Verbraucher“ weithin erkannt werde und über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge. Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat die Beschwerdekammer somit im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Bekanntheit der älteren Marke zumindest auf diese Dienstleistungen und Waren erstrecke.

75      Zum anderen hat die Beschwerdekammer in Rn. 53 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die ältere Marke „von dem österreichischen Verbraucher weithin erkannt“ werde. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist der Ausdruck „österreichischer Verbraucher“ so zu verstehen, dass er den österreichischen Teil der oben in Rn. 24 definierten maßgeblichen Verkehrskreise bezeichnet, die von den mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen angesprochen werden. Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat die Beschwerdekammer somit die maßgeblichen Verkehrskreise genannt, in denen die ältere Marke bekannt sei.

76      Daher ist die oben in Rn. 73 angeführte zweite Rüge der Kläger zurückzuweisen.

77      Als Drittes werfen die Kläger der Beschwerdekammer schließlich im Wesentlichen vor, die Bekanntheit der älteren Marke bejaht zu haben, ohne alle relevanten Gesichtspunkte beurteilt zu haben.

78      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass eine Marke, um die Voraussetzung der Bekanntheit zu erfüllen, einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt sein muss, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen angesprochen werden soll. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen – also insbesondere der von der älteren Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Werbeaufwand des Unternehmens für diese Marke – ohne dass zu verlangen ist, dass die Marke einem bestimmten Prozentsatz des in dieser Weise definierten Publikums bekannt ist oder sich ihre Bekanntheit auf das gesamte betroffene Schutzgebiet erstreckt, sofern diese Bekanntheit nur in einem wesentlichen Teil dieses Gebiets vorliegt (Urteil vom 19. Juni 2008, Mülhens/HABM – Spa Monopole [MINERAL SPA], T‑93/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:215, Rn. 33, vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 14. September 1999, General Motors, C‑375/97, EU:C:1999:408, Rn. 24 bis 29). Es kann jedoch nicht verlangt werden, dass sich der Nachweis der Bekanntheit einer Marke auf alle diese Umstände bezieht (vgl. Urteil vom 26. Juni 2019, Balani Balani u. a./EUIPO – Play Hawkers [HAWKERS], T‑651/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:444, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Es ist hingegen eine Gesamtwürdigung der Beweise vorzunehmen, die vom Inhaber einer älteren Marke zum Nachweis der Bekanntheit dieser Marke vorgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2012, Rubinstein und L’Oréal/HABM, C‑100/11 P, EU:C:2012:285, Rn. 72). Ein Bündel von Beweisen vermag die nachzuweisenden Tatsachen zu belegen, obwohl jeder einzelne dieser Beweise für sich genommen nicht geeignet wäre, den Nachweis zu erbringen, dass diese Tatsachen zutreffen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2019, HAWKERS, T‑651/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:444, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Streithelferin vor der Widerspruchsabteilung als Beweis für die Bekanntheit der älteren Marke folgende Unterlagen vorgelegt hat:

–        einen Wikipedia-Auszug über Alfons Walde;

–        einen Artikel der Wiener Zeitung über Alfons Walde vom 26. Januar 2019;

–        einen Wikipedia-Auszug über das Hahnenkamm-Rennen;

–        eine eidesstattliche Erklärung von Notburga Leithner vom 29. Oktober 2019 mit mehreren Screenshots zu Waren, die über die Website der Streithelferin verkauft wurden, und eine Tabelle mit dem durch den Verkauf dieser Waren in den Jahren 2014 bis 2019 erzielten Umsatz;

–        eine Bekanntheitsstudie der Tirol Werbung aus dem Jahr 2015;

–        Beispiele für Werbekampagnen für den Skiort Kitzbühel.

81      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer, wie oben in den Rn. 67 bis 71 festgestellt, einen Fehler begangen hat, indem sie die Bekanntheit der älteren Marke aus Beweisen zu anderen Zeichen abgeleitet hat, ohne die in dieser Hinsicht erforderlichen Feststellungen getroffen zu haben. Daher ist es nicht erwiesen, dass diese Beweise für den Nachweis der Bekanntheit der älteren Marke relevant sind.

82      Sodann ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sich die von der Beschwerdekammer herangezogenen Beweise sämtlich auf den Skiort Kitzbühel oder auf die beiden oben in den Rn. 68 und 69 abgebildeten Zeichen beziehen.

83      Obwohl es in Rn. 53 der angefochtenen Entscheidung heißt, dass „[n]ach den eingereichten Unterlagen … die ältere Marke … bei mehr als 80 % der Österreicher bekannt [ist]“, bestreitet das EUIPO insoweit nicht, dass sich diese Schlussfolgerung aus der im Jahr 2015 durchgeführten Bekanntheitsstudie der Tirol Werbung ergibt, die sich auf die oben in Rn. 69 abgebildete Bildmarke Kitzbühel bezieht.

84      Zum anderen geht aus den vorstehenden Rn. 68 und 80 hervor, dass die Beschwerdekammer ihre Beurteilung der Bekanntheit der älteren Marke nicht auf alle von der Streithelferin insoweit vor dem EUIPO vorgelegten Beweise gestützt hat.

85      Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nicht alle von der Streithelferin vor der Widerspruchsabteilung vorgelegten Unterlagen geprüft hat, darunter die eidesstattliche Erklärung von Notburga Leithner vom 29. Oktober 2019 (siehe oben, Rn. 80, vierter Gedankenstrich), der mehrere Screenshots zu Waren beigefügt waren, die über die Website der Streithelferin verkauft wurden und auf denen die ältere Marke angebracht war, sowie eine Tabelle mit dem durch den Verkauf dieser Waren in den Jahren 2014 bis 2019 erzielten Umsatz.

86      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer keine umfassende Beurteilung aller von der Streithelferin vorgelegten Beweise für die Bekanntheit der älteren Marke vorgenommen hat, während die oben in Rn. 68 angeführten Beweise, auf die sie sich zur Feststellung dieser Bekanntheit gestützt hat, nicht ausreichend sind.

87      Daher ist der oben in Rn. 77 angeführten dritten Rüge der Kläger stattzugeben.

88      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer zur erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die diese aufgrund ihrer Bekanntheit erlangt haben soll, fehlerhaft ist.

 Zur Verwechslungsgefahr

89      Nach ständiger Rechtsprechung impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. April 2008, Ferrero Deutschland/HABM, C‑108/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:234, Rn. 45).

90      Außerdem kommt der Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer älteren Marke besondere Bedeutung zu, da die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je stärker die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein geringer Grad an Kennzeichnungskraft erfordert umgekehrt einen erhöhten Ähnlichkeitsgrad zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen oder den betroffenen Waren und Dienstleistungen, um auf eine Verwechslungsgefahr schließen zu können. Die Überschätzung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke durch die Beschwerdekammer könnte folglich geeignet sein, zur Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu führen.

91      Die Beschwerdekammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass angesichts der offensichtlichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, der äußersten Ähnlichkeit oder Identität der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie des Umstands, dass diese Marke in der angemeldeten Marke fast identisch reproduziert und inkorporiert werde, ein „großes Risiko der Verwechslungsgefahr“ bestehe (vgl. Rn. 55 bis 58 der angefochtenen Entscheidung).

92      Darüber hinaus hat die Beschwerdekammer in Rn. 56 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die beiden Gämsen in der angemeldeten Marke eine selbständige, kennzeichnende Stellung behielten und dass schon deshalb eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf die identischen oder ähnlichen Waren und Dienstleistungen gegeben sei.

93      Die Kläger stellen das Bestehen einer Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall in Abrede. In diesem Zusammenhang rügen sie, die Beschwerdekammer sei davon ausgegangen, dass die ältere Marke in der angemeldeten Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalte. Außerdem schließt nach Ansicht der Kläger die fehlende Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und im Wesentlichen das Fehlen einer inhärenten Kennzeichnungskraft der älteren Marke jede Verwechslungsgefahr aus. Darüber hinaus genüge die bloße Gefahr einer gedanklichen Verbindung noch nicht, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

94      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

95      Erstens ist das Vorbringen der Kläger, die Gefahr einer gedanklichen Verbindung genüge nicht, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, als ins Leere gehend zurückzuweisen, da die angefochtene Entscheidung nicht auf das Bestehen einer Gefahr der gedanklichen Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen, sondern auf die Feststellung des Bestehens einer Verwechslungsgefahr gestützt ist (vgl. Rn. 58 der angefochtenen Entscheidung).

96      Zweitens ist in Übereinstimmung mit den Klägern festzustellen, dass die oben in Rn. 92 wiedergegebene Beurteilung der Beschwerdekammer unklar ist. Selbst wenn die Beschwerdekammer, wie die Kläger meinen, zum Ausdruck bringen wollte, dass die ältere Marke in der angemeldeten Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalte,  würde dieser Umstand allein nicht ausreichen, um die Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall zu begründen, da diese sich aus einer umfassenden Beurteilung aller relevanten Faktoren ergibt (siehe oben, Rn. 89 und 90).

97      Jedenfalls setzt die Anwendung des Begriffs der selbständig kennzeichnenden Stellung, der sich aus dem Urteil vom 6. Oktober 2005, Medion (C‑120/04, EU:C:2005:594, Rn. 37), ergibt, voraus, dass die ältere Marke in der angemeldeten Marke enthalten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. September 2016, Kozmetika Afrodita/EUIPO – Núñez Martín und Machado Montesinos [KOZMeTIKA AFRODITA], T‑574/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:574, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung), was vorliegend nicht der Fall ist. Die erste Gams der angemeldeten Marke unterscheidet sich nämlich von der der älteren Marke, da die rote Farbe und der Sockel fehlen (siehe oben, Rn. 32 und 33).

98      Drittens geht aus den vorstehenden Rn. 32 bis 43 hervor, dass die Feststellung der Beschwerdekammer, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine hochgradige bildliche Ähnlichkeit bestehe, rechtsfehlerhaft ist.

99      Viertens ist darauf hinzuweisen, dass die originäre oder durch ihre Benutzung oder Bekanntheit erhöhte Kennzeichnungskraft einer älteren Marke einer der Faktoren ist, die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind (siehe oben, Rn. 90).

100    Im vorliegenden Fall geht zum einen aus den vorstehenden Rn. 70, 71 und 81 bis 86 hervor, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer zur erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die diese aufgrund ihrer Bekanntheit erlangt haben soll, fehlerhaft ist.

101    Zum anderen ist festzustellen, dass weder die Entscheidung der Widerspruchsabteilung noch die angefochtene Entscheidung eine Beurteilung des Grades der originären Kennzeichnungskraft der älteren Marke enthält.

102    In Anbetracht der oben in den Rn. 98 und 100 angeführten Fehler der Beschwerdekammer, des Fehlens jeglicher Angaben zum Grad der originären Kennzeichnungskraft der älteren Marke und zum Grundsatz der Wechselbeziehung zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Betracht kommenden Faktoren (siehe oben, Rn. 89 und 90), ist davon auszugehen, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer zum Bestehen einer Verwechslungsgefahr fehlerhaft ist.

103    Daher ist dem ersten Klagegrund der Kläger stattzugeben und die angefochtene Entscheidung mithin aufzuheben.

104    Da dem Hauptantrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung stattgegeben worden ist, braucht über den von den Klägern hilfsweise gestellten zweiten Antrag betreffend die Abänderung dieser Entscheidung nicht entschieden zu werden.

 Kosten

105    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Unterliegen mehrere Parteien, so entscheidet nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung das Gericht über die Verteilung der Kosten.

106    Da das EUIPO und die Streithelferin insofern unterlegen sind, als die angefochtene Entscheidung aufgehoben wird, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kläger ihre eigenen Kosten sowie zu gleichen Teilen die Kosten der Kläger aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. Februar 2021 (Sache R 863/2020-1) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten sowie die Hälfte der Herrn Oliver Kalita und Herrn Christian Haas entstandenen Kosten.

3.      Die Kitzbühel Tourismus, Körperschaft des öffentlichen Rechts, trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Herrn Kalita und Herrn Haas entstandenen Kosten.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Iliopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. März 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

H. Kanninen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.