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Vorabentscheidungsersuchen des Investigatory Powers Tribunal – London (Vereinigtes Königreich), eingereicht am 31. Oktober 2017 – Privacy International/Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs u. a.

(Rechtssache C-623/17)

Verfahrenssprache: Englisch

Vorlegendes Gericht

Investigatory Powers Tribunal – London

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Privacy International

Beklagte: Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs, Secretary of State for the Home Department, Government Communications Headquarters (GCHQ), Security Service (MI5), Secret Intelligence Service (MI6)

Vorlagefragen

Wenn

a.    die Fähigkeiten der Sicherheits- und Nachrichtendienste, ihnen zur Verfügung gestellte Massen-Telekommunikationsdaten zu nutzen, für den Schutz der nationalen Sicherheit des Vereinigten Königreichs, u. a. auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung, der Spionagebekämpfung und der Bekämpfung der nuklearen Proliferation, wesentlich sind;

b.    ein wesentliches Merkmal der Nutzung von Massen-Telekommunikationsdaten durch die Sicherheits- und Nachrichtendienste darin besteht, zuvor unbekannte Bedrohungen der nationalen Sicherheit mittels nicht-zielgerichteter Massen-Techniken zu entdecken, die sich auf das Sammeln von Massen-Telekommunikationsdaten an einem Ort stützen; ihr Hauptnutzen liegt in der schnellen Zielidentifizierung und Entwicklung und in der Bereitstellung einer Grundlage für das Tätigwerden im Fall einer unmittelbaren Bedrohung;

c.    der Betreiber eines elektronischen Kommunikationsnetzwerks danach nicht verpflichtet ist, Massen-Telekommunikationsdaten, die nur vom Staat (den Sicherheits- und Nachrichtendiensten) gespeichert werden, (über die gewöhnlichen geschäftlichen Verpflichtungen hinaus) zu speichern;

d.    das nationale Gericht (vorbehaltlich bestimmter ausgelassener Fragestellungen) festgestellt hat, dass die Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Nutzung von Massen-Telekommunikationsdaten durch die Sicherheits- und Nachrichtendienste mit den Anforderungen der EMRK1 in Einklang stehen, und

e.    das nationale Gericht festgestellt hat, dass das Vorschreiben der Anforderungen, die in den Rn. 119 bis 125 des Urteils vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a. (C-203/15 und C-698/15, EU:C:2016:970), spezifiziert werden – wenn sie anwendbar sein sollten –, die Maßnahmen, die für die Gewährleistung der nationalen Sicherheit von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten ergriffen werden, durchkreuzen und dadurch die nationale Sicherheit des Vereinigten Königreichs gefährden würden:

1.    Fällt in Anbetracht von Art. 4 EUV und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG2 über die Privatsphäre und elektronische Kommunikation (im Folgenden: e-Datenschutzrichtlinie) eine Verpflichtung in einer Anweisung eines Secretary of State (Minister) an einen Betreiber eines elektronischen Kommunikationsnetzwerks, Massen-Telekommunikationsdaten an die Sicherheits- und Nachrichtendienste eines Mitgliedstaats zur Verfügung zu stellen, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und der e-Datenschutzrichtlinie?

2.    Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist eine der im Urteil Watson aufgestellten Anforderungen oder irgendeine andere Anforderung zusätzlich zu den in der EMRK aufgestellten auf eine solche Anweisung eines Secretary of State anwendbar? Und, wenn ja, wie und inwieweit sind solche Anforderungen anwendbar unter Berücksichtigung des wesentlichen Bedürfnisses der Sicherheits- und Nachrichtendienste, den Erwerb großer Datenmengen und Techniken automatisierter Datenverarbeitung zu nutzen, um die nationale Sicherheit zu schützen, und unter Berücksichtigung dessen, in welchem Maß solche Fähigkeiten, die im Übrigen mit der EMRK in Einklang stehen, durch das Vorschreiben solcher Anforderungen bedenklich behindert werden können?

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1     Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

2     Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. 2002, L 201, S. 37).