Language of document : ECLI:EU:T:2024:423

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

26. Juni 20240F(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer Unionsbildmarke, die ein geschlüpftes Küken darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑595/23,

beckberg GmbH mit Sitz in Nürnberg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt M. Krogmann,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch T. Klee als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov sowie des Richters D. Petrlík (Berichterstatter) und der Richterin S. Kingston,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die beckberg GmbH beantragt mit ihrer Klage gemäß Art. 263 AEUV, die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 18. Juni 2023 (Sache R 41/2023-5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) aufzuheben und abzuändern.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 28. September 2021 meldete die Klägerin beim EUIPO das folgende Bildzeichen als Unionsmarke an:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 9, 11 und 28 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Babyüberwachungsgeräte; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten“;

–        Klasse 11: „Beleuchtung; Nachtlichter; Nachtorientierungslichter; Still-Lichter; LED-Lampen; LED-Leuchten; Lampen; Leuchten; Tischleuchten; Deckenleuchten; Wandleuchten; Schreibtischleuchten; Kinderleuchten; Elektrische Taschenlampen; Batteriebetriebene Leuchten; Lichterketten; Neonröhren für die Beleuchtung; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten“;

–        Klasse 28: „Spielzeug, auch elektronisches Spielzeug; Spielwaren; Spiele; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten“.

4        Mit Entscheidung vom 8. November 2022 wies die Prüferin die Anmeldung der Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) zurück.

5        Am 6. Januar 2023 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin beim EUIPO Beschwerde ein.

6        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Fünfte Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Hierzu stellte sie fest, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren an allgemeine Verkehrskreise innerhalb der Europäischen Union richteten, deren Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich bis erhöht sei. Darüber hinaus vertrat sie zum einen die Auffassung, dass die angemeldete Marke mit dem Erscheinungsbild der angemeldeten Waren selbst bzw. der Aufmachung dieser Waren verschmelze, und zum anderen, dass sie nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit für Babyüberwachungsgeräte der Klasse 9 (im Folgenden Babyüberwachungsgeräte), verschiedene Beleuchtungswaren der Klasse 11 und Spielzeug der Klasse 28 abweiche. Aus diesen Gründen ist die Beschwerdekammer zu dem Schluss gelangt, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft besitze, so dass sie gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 nicht eingetragen werden könne.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        festzustellen, dass nur eine gegenteilige Entscheidung als die von der Beschwerdekammer getroffene Entscheidung rechtmäßig gewesen wäre;

–        die angemeldete Marke einzutragen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den zweiten und den dritten Antrag der Klägerin

9        Mit ihrem zweiten Antrag hat die Klägerin beantragt, „festzustellen, dass nur eine gegenteilige Entscheidung als die von der Beschwerdekammer getroffene Entscheidung rechtmäßig gewesen wäre“.

10      In diesem Zusammenhang genügt es, daran zu erinnern, dass das Gericht im Rahmen der auf Art. 263 AEUV gestützten Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt ist, Feststellungsurteile zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 9. Dezember 2003, Italien/Kommission, C‑224/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2003:658, Rn. 20 und 21, und Urteil vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, EU:T:2009:27, Rn. 23).

11      Daraus folgt, dass das Gericht für die Feststellung, auf die sich der zweite Antrag bezieht, nicht zuständig ist.

12      Mit ihrem dritten Antrag begehrt die Klägerin die Eintragung der angemeldeten Marke. Dieser Antrag kann dahin verstanden werden, dass er darauf abzielt, dass das Gericht die angefochtene Entscheidung im Sinne von Art. 72 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 dahin gehend abändert, dass es die Entscheidung erlässt, die die Beschwerdekammer nach den Bestimmungen dieser Verordnung hätte treffen müssen. Die insoweit zuständigen Dienststellen des EUIPO erlassen jedoch keine förmliche Entscheidung, mit der die Eintragung einer Unionsmarke festgestellt würde und gegen die eine Beschwerde eingelegt werden könnte. Folglich ist die Beschwerdekammer für einen Antrag auf Eintragung einer Unionsmarke nicht zuständig. Unter diesen Umständen obliegt es aber auch nicht dem Gericht, über einen Antrag auf Abänderung einer Entscheidung einer Beschwerdekammer in diesem Sinne zu entscheiden (Urteil vom 12. Juli 2023, Tavitova/EUIPO – Cordier [AURUS], T‑662/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:393, Rn. 16).

13      Folglich sind der zweite und der dritte Antrag der Klägerin wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

14      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen.

 Zum ersten Teil: Darstellung der Form der erfassten Waren durch die angemeldete Marke

15      Im Rahmen des ersten Teils des einzigen Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke einen unrichtigen Prüfungsmaßstab angewandt habe. Die Marke gebe nämlich nicht die erfassten Waren oder ihre Verpackungen wieder, sondern es handele sich um eine abstrakte zweidimensionale Zeichnung ohne Bezug zu diesen Waren, das „eine ungewöhnliche Synthese aus Ei und Küken mit Schale“ darstelle. Unter diesen Umständen habe die Beschwerdekammer im Rahmen ihrer Prüfung der Unterscheidungskraft zu Unrecht das Kriterium aus der Rechtsprechung angewandt, wonach diese Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweichen müsse.

16      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

17      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

18      Der dem Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zugrunde liegende Begriff des Allgemeininteresses und die Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden, gehen offensichtlich ineinander überein (vgl. Urteil vom 29. März 2023, Perfetti Van Melle/EUIPO [Darstellung eines zylindrischen Behälters mit wellenförmigen Linien], T‑199/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:173, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen, zu beurteilen (Urteil vom 30. März 2022, Daimler/EUIPO [Darstellung dreizackiger Sterne auf schwarzem Hintergrund IV], T‑279/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:196, Rn. 12).

20      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zur Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zunächst in den Rn. 18 und 19 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren an die breite Öffentlichkeit richteten, deren Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich bis erhöht sei und die aus allen Verbrauchern innerhalb der Union bestehe. Außerdem hat die Beschwerdekammer in den Rn. 25 bis 27 dieser Entscheidung ausgeführt, dass es eine offenkundige Tatsache sei, dass Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug als Tierfiguren ausgestaltet werden könnten, zumal solche Waren insbesondere in Kinderzimmern oder von Kindern benutzt würden. Die Beschwerdekammer schloss daraus, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wenn sie mit der angemeldeten Marke im Zusammenhang mit den von ihr erfassten Waren konfrontiert würden, davon ausgehen würden, dass die Marke das Erscheinungsbild dieser Waren darstelle. Folglich hat die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 die Kriterien für Marken angewandt, die mit dem Erscheinungsbild der erfassten Waren verschmelzen, und somit geprüft, ob die angemeldete Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.

21      Die Klägerin bestreitet nicht die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren an die breite Öffentlichkeit richteten, deren Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich bis erhöht sei und die aus allen Verbrauchern innerhalb der Union bestehe.

22      Die Klägerin macht hingegen geltend, dass die angemeldete Marke nicht als schematische Darstellung der von ihr erfassten Waren angesehen werden könne, so dass die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft dieser Marke nicht auf der Grundlage des Kriteriums der erheblichen Abweichung der Marke von der Norm oder der Branchenüblichkeit hätte beurteilen dürfen.

23      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, nicht von denen unterscheiden, die auf die übrigen Markenkategorien angewandt werden (vgl. Urteil vom 30. März 2022, Daimler/EUIPO [Darstellung dreizackiger Sterne auf schwarzem Hintergrund IV], T‑279/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:196, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Wenn nämlich grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer Marke nachzuweisen, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht (vgl. Urteil vom 24. November 2016, Azur Space Solar Power/EUIPO [Darstellung von weißen Linien und Ziegeln auf schwarzem Hintergrund], T‑578/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:674, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 fehlt (Urteil vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 31).

26      Folglich besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, auch Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung (vgl. Urteil vom 24. November 2016, Darstellung von weißen Linien und Ziegeln auf schwarzem Hintergrund, T‑578/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:674, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Der entscheidende Gesichtspunkt für die Prüfung der Anwendbarkeit der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung ist nicht, als was die betreffende Marke eingestuft wird – Bild‑, dreidimensionale oder sonstige Marke –, sondern, dass sie mit dem Erscheinungsbild der Ware selbst verschmilzt. Außer auf dreidimensionale Marken ist diese Rechtsprechung demnach auch auf Bildmarken, die aus einer zweidimensionalen Wiedergabe der gekennzeichneten Ware bestehen, anwendbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. März 2022, Darstellung dreizackiger Sterne auf schwarzem Hintergrund IV, T‑279/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:196, Rn. 20).

28      Konkret ist die oben in Rn. 26 angeführte Rechtsprechung anwendbar, wenn ein nicht unerheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, der mit einer dreidimensionalen, Bild- oder sonstigen Marke im Zusammenhang mit den betreffenden Waren konfrontiert wird, diese als Darstellung der Form dieser Waren wahrnimmt (vgl. Urteil vom 29. März 2023, Darstellung eines zylindrischen Behälters mit wellenförmigen Linien, T‑199/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:173, Rn. 21).

29      Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass die angemeldete Marke aus einem Küken besteht, das einen gerundeten und kahlen Kopf mit kleinen schwarzen Augen und einem ovalen Schnabel hat und in einer Eierschale sitzt, die mit einem Rand versehen ist, der oben gleichmäßig gewellt und unten abgeflacht ist.

30      Wie sich zum anderen aus den in den Rn. 4, 26 und 29 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Produktübersichten der Waren, die von der angemeldeten Marke erfasst sind, sowie aus bestimmten Produktübersichten, die die Klägerin dem EUIPO vorgelegt hat, ergibt, ist es für die von der angemeldeten Marke erfassten Waren, nämlich Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug, branchenüblich, dass zahlreiche Waren als Tiere, darunter auch Küken, ausgestaltet werden.

31      Dass es in dieser Branche zahlreiche Waren wie die oben in Rn. 30 genannten gibt, wirkt sich jedoch auf die Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise dahin aus, dass diese Verkehrskreise oder zumindest ein nicht unerheblicher Teil von ihnen diese Marke als Darstellung der Form dieser Waren wahrnehmen werden, wenn sie mit dieser Marke im Zusammenhang mit den Waren, für die sie angemeldet wurde, konfrontiert werden.

32      Unter diesen Umständen konnte die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke fehlerfrei in Anwendung der oben in den Rn. 23 bis 26 angeführten Rechtsprechung beurteilen, insbesondere dadurch, dass sie geprüft hat, inwieweit diese Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.

33      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

34      Die Klägerin kann zunächst nicht geltend machen, dass die Benutzung der angemeldeten Marke gemeinsam mit dem Wortzeichen, das auf vier zur Stützung ihrer Klage vorgelegten Fotografien von Verpackungen erscheint, belege, dass es sich bei dieser Marke in Wirklichkeit um ein abstraktes zweidimensionales Logo handele, das keine Wiedergabe von Waren darstelle.

35      Ohne dass über die vom EUIPO bestrittene Zulässigkeit dieser Beweise entschieden zu werden braucht, genügt nämlich der Hinweis, dass sich diese Fotografien auf die tatsächliche Benutzung der angemeldeten Marke in Verbindung mit einem Wortzeichen beziehen. Die tatsächliche Benutzung ist jedoch kein im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 relevanter Faktor. Eine solche Benutzung eines angemeldeten Zeichens ist nämlich nur im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung zu beurteilen, da diese Bestimmung die Eintragung einer zunächst nicht unterscheidungskräftigen Marke erlaubt, wenn diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat (Urteil vom 6. Juni 2019, Ortlieb Sportartikel/EUIPO [Darstellung eines achteckigen Polygons], T‑449/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:386, Rn. 34 und 35).

36      Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin jedoch weder vor den Dienststellen des EUIPO noch vor dem Gericht darauf berufen, dass die angemeldete Marke durch ihre Benutzung Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 erlangt habe.

37      Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass, wie die Klägerin geltend macht, ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke als ein Zeichen ohne Bezug zur Form der von dieser Marke erfassten Waren auffassen kann, ändert dies sodann nichts daran, dass aus den oben in den Rn. 29 bis 31 genannten Gründen ein weiterer, nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise sie als Darstellung der Form dieser Waren wahrnehmen wird.

38      Schließlich kann sich die Klägerin nicht auf die angebliche Originalität der angemeldeten Marke berufen, da auch dieser Umstand, wie oben aus den Rn. 29 bis 31 hervorgeht, nicht ausschließt, dass ein nicht unerheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise diese Marke als Darstellung des Erscheinungsbilds der erfassten Waren wahrnehmen wird.

39      Nach alledem ist der erste Teil des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: erhebliche Abweichung der angemeldeten Marke von der Norm oder der Branchenüblichkeit

40      Mit dem zweiten Teil des einzigen Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die angemeldete Marke, selbst wenn sie als Darstellung der Form der erfassten Waren der Klassen 9, 11 und 28 wahrgenommen werde, keiner Form entspreche, die der Verbraucher dieser Waren erwarte oder die er nach der „allgemeinen Lebenserfahrung“ erwarten könne, so dass diese Marke hinreichende Unterscheidungskraft besitze.

41      Die angemeldete Marke weise nämlich ungewöhnliche und charakteristische Merkmale auf. Ihre Form erinnere an ein Ei, das mit kleinen schwarzen Augen und einem ovalen Schnabel versehen sei, wodurch es gleichzeitig als der gedrungene, breite und kahle Kopf eines Kükens angesehen werden könne, das ohne Gliedmaßen in einer kelchartig geformten, mit einem oberen Rand versehenen Eierschale sitze. Zudem seien die Oberflächen der Schale und des Kükens vollständig glatt und sanft gerundet. Aufgrund dieser Besonderheiten sei die angemeldete Marke originell und neu und hebe sich erheblich von den branchenüblichen Gestaltungen ab. Der Verbraucher könne diese Marke daher von den erfassten Waren unterscheiden, die stattdessen eiförmig seien oder zumindest eine naturalistische Tierform aufwiesen.

42      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

43      Wie sich aus der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung ergibt, fehlt einer Marke, deren Form mit der Form der erfassten Waren verschmilzt, die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn sie nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.

44      Insoweit ist es nicht erforderlich, nachzuweisen, dass eine mit der angemeldeten Marke identische oder fast identische Form bereits auf dem Markt vorhanden ist, sondern es ist zu prüfen, ob die betreffende Branche durch eine große Formenvielfalt gekennzeichnet ist und diese Marke lediglich als eine Variante davon angesehen wird (Urteil vom 26. März 2020, Muratbey Gida/EUIPO [Form eines geflochtenen Käses], T‑572/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:129, Rn. 21). Denn dadurch, dass sich der Verbraucher auf dem Markt mit zahlreichen bestehenden Erscheinungsformen konfrontiert sieht, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass er eine bestimmte Form als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller ansieht anstatt als Ausdruck der Vielfalt auf diesem Markt (vgl. Urteil vom 30. März 2022, Daimler/EUIPO [Darstellung von Dreizacksternen auf schwarzem Hintergrund I], T‑277/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:194, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Außerdem ist auf den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dieser Grundsatz hindert jedoch nicht daran, zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2022, Voco/EUIPO [Form einer Verpackung], T‑700/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:565, Rn. 38).

46      Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit für Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug abweiche und daher als eine Variante der in dieser Branche vorhandenen Waren wahrgenommen werden könne, die oft als Tiere oder Tierfiguren ausgestaltet seien. Insoweit hat sich die Beschwerdekammer auf offenkundige Tatsachen sowie auf mehrere Beispiele der von der angemeldeten Marke erfassten Waren gestützt, deren Übersichten in den Rn. 4, 26 und 29 der angefochtenen Entscheidung zu finden sind, um festzustellen, dass die Merkmale dieser Marke nicht nur für die von ihr erfassten Waren branchenüblich seien, sondern auch von den relevanten Verbrauchern erwartet würden. Darüber hinaus vertrat sie die Auffassung, dass es irrelevant sei, dass die angemeldete Marke keine naturalistische Tierform darstelle, da diese Marke jedenfalls der Gestaltung entspreche, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung für die angemeldeten Waren, die für Kinder bestimmt seien, zu erwarten sei. Die Beschwerdekammer schloss daraus, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 besitze.

47      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es, wie sich aus den oben in Rn. 30 genannten Produktübersichten ergibt, branchenüblich ist, dass Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug tierförmig ausgestaltet sind.

48      Außerdem geht aus den in Rn. 30 genannten Produktübersichten hervor, dass diese Waren verschiedene Formen aufweisen, von denen sich einige insbesondere von natürlichen Tierformen unterscheiden. So können solche Waren glatte und gerundete Oberflächen haben und als Tiere ohne Gliedmaßen oder mit im Verhältnis zum restlichen Körper überproportional kleinen Gliedmaßen dargestellt werden. Sie können auch Köpfe, Augen, Schnauzen oder auch Schnäbel haben, deren Größe und Farbe sich von denen der dargestellten Tiere in Wirklichkeit unterscheiden.

49      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Branche für Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug durch ein großes Spektrum von Waren gekennzeichnet ist, die als verschiedene Formen von Tieren ausgestaltet sind, von denen einige insbesondere von ihren natürlichen Formen abweichen.

50      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die angemeldete Marke als Küken dargestellt wird, dessen Form ebenfalls von der natürlichen Form dieses Tieres abweicht. Dieses Küken verfügt nämlich über einen kahlen, abgerundeten und im Vergleich zum Rest des Körpers relativ breiten Kopf. Es ist auch mit kleinen schwarzen Augen und einem ovalen Schnabel versehen und befindet sich in einer Eierschale, deren Oberfläche glatt und gerundet ist und deren Rand oben gleichmäßig gewellt und unten abgeflacht ist.

51      Diese Merkmale weisen jedoch für sich genommen und in ihrer Gesamtheit keine erheblichen Abweichungen von den branchenüblichen Gestaltungen von Babyüberwachungsgeräten, Beleuchtung und Spielzeug auf, die, wie oben in den Rn. 47 und 48 ausgeführt, von den natürlichen Formen der dargestellten Tiere abweichen können.

52      Dies gilt umso mehr, als aus den Produktübersichten in den Rn. 4, 26 und 29 der angefochtenen Entscheidung und aus bestimmten von der Klägerin vor dem EUIPO angeführten Produktübersichten hervorgeht, dass eine Reihe der erfassten Waren auf dem Markt als Küken dargestellt wird, deren Konturen von ihrer natürlichen Form abweichen.

53      Unter diesen Umständen ist das Erscheinungsbild der angemeldeten Marke als bloße Variante der nicht natürlichen Tierformen anzusehen, die Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug aufweisen können, so dass diese Marke nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.

54      Nach alledem konnte die Beschwerdekammer fehlerfrei feststellen, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 besitzt.

55      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

56      Erstens trifft es zwar zu, dass einige der Waren der betreffenden Branche, wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, als Tiere ausgestaltet werden, die ihrer natürlichen Form näher sind, während andere Waren, wie z. B. Babyüberwachungsgeräte, über auffällige Bedientasten, Kameralinsen und Displays verfügen. In Anbetracht der oben in Rn. 44 angeführten Rechtsprechung belegt dieser Umstand jedoch nur, dass diese Branche durch eine große Formenvielfalt gekennzeichnet ist. Dagegen ist er nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass die angemeldete Marke als eine Variante einiger dieser Formen angesehen werden kann (siehe oben, Rn. 47 bis 52).

57      Zweitens trifft es auch zu, dass aus einigen Produktübersichten, die die Klägerin dem EUIPO vorgelegt hat, hervorgeht, dass Babyüberwachungsgeräte, Beleuchtung und Spielzeug in anderen Formen ausgestaltet werden können als Tiere.

58      Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass die Norm und die Branchenüblichkeit nicht allein auf die statistisch am häufigsten vorkommende Form reduziert werden können, sondern alle Formen umfassen, denen der Verbraucher gewöhnlich auf dem Markt begegnet (Urteil vom 25. November 2020, Brasserie St Avold/EUIPO [Form einer dunklen Flasche], T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 55 und 56).

59      Wie sich aus den oben in den Rn. 30 und 52 genannten Produktübersichten ergibt, gehören zu diesen Formen u. a. diejenigen von Tieren und insbesondere diejenigen, die von natürlichen Tierformen abweichen, so dass es genügt, dass das Erscheinungsbild der angemeldeten Marke von diesen letztgenannten Formen nicht erheblich abweicht, um ihr die Unterscheidungskraft abzusprechen.

60      Drittens kann die Klägerin nicht geltend machen, dass die Form der angemeldeten Marke originell sei und dass ihre Eigenart und ihr Erscheinungsbild sie von sämtlichen von ihr erfassten Waren unterscheide. Der breite, abgeflachte und kahle Kopf des in dieser Marke dargestellten Kükens kann dieser nämlich keinen hinreichenden Grad an Originalität verleihen, um davon ausgehen zu können, dass sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht. Wie aus den in den Rn. 4, 26 und 29 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Produktübersichten und einigen von der Klägerin vor dem EUIPO angeführten Produktübersichten hervorgeht, werden einige der erfassten Waren als Küken dargestellt, deren Merkmale denen des in der angemeldeten Marke dargestellten Kükens ähnlich sind.

61      Viertens ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Umstand, dass bestimmte von der Prüferin berücksichtigte und in den Rn. 4 und 25 der angefochtenen Entscheidung genannte Produktübersichten nicht für die Verkehrskreise der Union bestimmt waren, selbst wenn dies zuträfe, unerheblich. Zum einen beruhte die Beurteilung der Beschwerdekammer, wonach die Form der angemeldeten Marke nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche, vor allem auf offenkundigen Tatsachen, die jeder kennen kann. Zum anderen wird dieser Sachverhalt durch zahlreiche andere Produktübersichten in den Rn. 4, 26 und 29 dieser Entscheidung veranschaulicht, die Internetseiten entnommen waren, die für die deutschen, die spanischen und die irischen Verkehrskreise bestimmt waren, was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet. Diese Produktübersichten reichten aber für sich allein aus, um die Beurteilung der Beschwerdekammer zu stützen.

62      Unter diesen Umständen ist der zweite Teil des einzigen Klagegrundes und damit der einzige Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

63      Nach Art. 134 § 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

64      Die Klägerin ist zwar unterlegen, das EUIPO hat ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten aber nur für den Fall beantragt, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt wird. Mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Kornezov

Petrlík

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juni 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

      M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.