Language of document : ECLI:EU:C:2017:1022

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 20. Dezember 2017(1)

Rechtssache C‑574/16

Grupo Norte Facility SA

gegen

Angel Manuel Moreira Gómez

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Galicia [Oberster Gerichtshof von Galicien, Spanien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Sozialpolitik – Befristete Beschäftigung – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Grundsatz der Nichtdiskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer – Anspruch des Arbeitnehmers auf Entschädigung bei Beendigung des Arbeitsvertrags – Befristeter Arbeitsvertrag in Form eines Ersetzungsvertrags – Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Dauerbeschäftigten“






I.      Einleitung

1.        Der Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor Missbrauch und Diskriminierung ist seit geraumer Zeit ein soziales Anliegen der Europäischen Union, mit dem auch unser Gerichtshof wiederholt befasst war. In einer Zeit, in der eine steigende Zahl von Arbeitnehmern prekären Beschäftigungsverhältnissen ausgesetzt ist, kommt diesem Thema eine nicht zu unterschätzende politische und gesellschaftliche Bedeutung zu. Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch das Spannungsverhältnis auf, in dem sich die nationalen Gesetzgeber bewegen, wenn sie Vorschriften zum Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer erlassen, aber zugleich den Besonderheiten der verschiedenen Typen von Arbeitsverträgen Rechnung tragen und ein gewisses Maß an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen wollen.

2.        Konkret geht es um einen spanischen Arbeitnehmer, der im Wege eines befristeten „Ersetzungsvertrags“(2) beschäftigt wurde, um die wegen Altersteilzeit reduzierte Arbeitsleistung einer Kollegin auszugleichen. Dabei war die Laufzeit seines Ersetzungsvertrags bis zum Eintritt der Kollegin in den Ruhestand befristet. Nach diesem Zeitpunkt wurde der Arbeitnehmer nicht mehr weiter beschäftigt.

3.        Im Ausgangsverfahren steht nun die gesetzlich vorgesehene Entschädigung im Streit, welche die spanischen Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen von ihren Arbeitgebern beanspruchen können, wenn ihr Arbeitsverhältnis endet. Stein des Anstoßes ist, dass diese Entschädigung unterschiedlich hoch ausfällt, je nachdem, auf welche Weise das Arbeitsverhältnis zu Ende geht. Kündigt nämlich der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aus sachlichem Grund, so ist die besagte Entschädigung nach spanischem Recht großzügiger bemessen, als wenn der Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis – wie hier – bei Erreichen seines vereinbarten Endzeitpunkts schlicht auslaufen lässt. In manchen Fällen steht dem Arbeitnehmer beim Auslaufen seines befristeten Arbeitsvertrags sogar überhaupt keine Entschädigung zu.

4.        Das 2016 verkündete Urteil de Diego Porras(3) hat – für einen ähnlich gelagerten Fall – im Fehlen jeglicher Entschädigung für das Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags eine unionsrechtlich verbotene Diskriminierung gesehen. Nunmehr ist der Gerichtshof aufgerufen, seine damalige Rechtsprechung zu überdenken oder jedenfalls zu verfeinern. Dabei wird er auch auf die innere Kohärenz seiner zum Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ergangenen Judikatur zu achten haben.

5.        Im Wesentlichen gleiche Rechtsprobleme stellen sich in der Rechtssache Montero Mateos (C‑677/16)(4), in der ich ebenfalls am heutigen Tage meine Schlussanträge stelle, sowie in den anhängigen Rechtssachen Rodríguez Otero (C‑212/17) und de Diego Porras (C‑619/17).

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

6.        Den unionsrechtlichen Rahmen dieses Falles bildet die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge(5) (im Folgenden: Richtlinie 1999/70). Mit dieser Richtlinie wird ausweislich ihres Art. 1 die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden auch: Rahmenvereinbarung) durchgeführt, die am 18. März 1999 zwischen drei allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossen wurde und der Richtlinie als Anhang beigefügt ist.

7.        Insgesamt zielt die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge darauf ab, „die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse“ niederzulegen und dabei u. a. „durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern …“(6). Sie verleiht dem Willen der Sozialpartner Ausdruck, „einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert“(7).

8.        Dabei ist die Rahmenvereinbarung von der Erwägung getragen, „dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden“(8). Zugleich erkennt die Rahmenvereinbarung aber an, dass befristete Arbeitsverträge „für die Beschäftigung in bestimmten Branchen, Berufen und Tätigkeiten charakteristisch [sind] und … den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entsprechen [können]“(9). Sie versteht sich als „Beitrag auf dem Weg zu einem besseren Gleichgewicht zwischen ‚Flexibilität der Arbeitszeit und Sicherheit der Arbeitnehmer‘“(10).

9.        Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung legt deren Gegenstand wie folgt fest:

„Diese Rahmenvereinbarung soll:

a)      durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;

b)      einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert.“

10.      Zum Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung bestimmt deren Paragraf 2 Nr. 1:

„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“

11.      In Paragraf 3 der Rahmenvereinbarung sind folgende „Definitionen“ enthalten:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1.      ,befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder -verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

2.      ,vergleichbarer Dauerbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind.

Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.“

12.      Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung steht unter der Überschrift „Grundsatz der Nichtdiskriminierung“ und lautet auszugsweise wie folgt:

„1.      Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

2.      Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.

…“

13.      Ergänzend ist auf Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung hinzuweisen, der den „Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch“ gewidmet ist:

„1.      Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a)      sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b)      die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse;

c)      die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)      als ‚aufeinanderfolgend‘ zu betrachten sind;

b)      als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

B.      Nationales Recht

14.      Aus dem spanischen Recht sind die Vorschriften des Arbeitnehmerstatuts(11) in seiner zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitigen Arbeitsvertrags geltenden Fassung von Belang.

1.      Allgemeines

15.      Gemäß Art. 15 Abs. 1 des Arbeitnehmerstatuts kann ein Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet abgeschlossen werden, wobei die zulässigen Gründe für eine Befristung in dieser Vorschrift einzeln aufgeführt sind.

16.      In Art. 15 Abs. 6 des Arbeitnehmerstatuts ist außerdem folgende Bestimmung zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern mit Zeitverträgen und von Arbeitnehmern mit Verträgen auf bestimmte Dauer vorgesehen:

„Arbeitnehmer mit Zeitverträgen oder Verträgen auf bestimmte Dauer haben die gleichen Rechte wie Arbeitnehmer mit Verträgen mit unbestimmter Dauer, unbeschadet der jeweiligen Besonderheiten der Vertragsregelungen über die Vertragsbeendigung und der gesetzlichen Regelungen über Ausbildungsverträge. Soweit dies ihrem Wesen entspricht, werden diese Rechte in Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen im Verhältnis zur erbrachten Arbeitszeit anerkannt.

Werden bestimmte Ansprüche oder Arbeitsbedingungen in Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen nach Maßgabe des Dienstalters des Arbeitnehmers begründet, sind sie für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Art ihres Vertragsverhältnisses nach denselben Kriterien festzusetzen.“

17.      In Art. 49 des Arbeitnehmerstatuts („Beendigung des Vertrags“) sind zusammenfassend alle Umstände aufgelistet, die zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen können. Dazu gehören zum einen die Beendigung wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer oder Ausführung des vertragsmäßigen Werkes oder Dienstes (Art. 49 Abs. 1 Buchst. c) sowie zum anderen die Beendigung aus sachlichen Gründen (Art. 49 Abs. 1 Buchst. l), wobei jene sachlichen Gründe in Art. 52 des Arbeitnehmerstatuts im Einzelnen aufgelistet sind.

18.      Was die Beendigung des Arbeitsvertrags wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer oder Ausführung des vertragsmäßigen Werkes oder Dienstes anbelangt, so sieht Art. 49 Abs. 1 Buchst. c des Arbeitnehmerstatuts vor, dass der Arbeitnehmer – außer im Fall von Verträgen für eine Übergangszeit und Ausbildungsverträgen – Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe eines Betrags hat, der zwölf Tagesentgelten je Beschäftigungsjahr entspricht. Davon abweichend sieht die 13. Übergangsbestimmung zum Arbeitnehmerstatut(12) für befristete Arbeitsverträge, die vor einem bestimmten Stichtag geschlossen wurden, eine gestaffelte niedrigere Entschädigung von acht bis zwölf Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr vor; so beträgt die Entschädigung für befristete Arbeitsverträge, die bis zum 31. Dezember 2012 geschlossen wurden, neun Tagesentgelte je Beschäftigungsjahr.

19.      Was hingegen die Kündigung des Arbeitsvertrags aus sachlichen Gründen betrifft, so bestimmt Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts, dass „[d]em Arbeitnehmer … gleichzeitig mit der Übergabe der schriftlichen Mitteilung [des sachlichen Grundes] eine Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr zu gewähren [ist], wobei Zeiten von weniger als einem Jahr anteilig auf Monatsbasis abgerechnet werden und eine Obergrenze von zwölf Monatsentgelten gilt“.

2.      Der Ersetzungsvertrag

20.      Der Ersetzungsvertrag ist ein besonderer, in Art. 12 Abs. 6 und 7 des Arbeitnehmerstatuts geregelter Typ von Arbeitsvertrag. Er kann befristet oder unbefristet sein und wird zur Ergänzung der Arbeitszeit eines anderen Arbeitnehmers abgeschlossen, der Altersteilzeit in Anspruch genommen hat.

III. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

21.      Herr Angel Manuel Moreira Gómez war vom 1. November 2012 bis zum 18. September 2015 auf der Basis eines befristeten Ersetzungsvertrags bei der Firma Grupo Norte Facility S.A.(13) als Reinigungshilfskraft angestellt und wurde in dieser Zeit im Krankenhaus Montecelo in der spanischen Provinz Pontevedra eingesetzt.

22.      Mit diesem Ersetzungsvertrag sollte die um 75 % herabgesetzte Arbeitszeit von Frau María del Carmen Gómez Piñón, der Mutter von Herrn Moreira Gómez, ausgeglichen werden, die sich während jenes Zeitraums in Altersteilzeit befand.

23.      Als Grupo Norte Facility den Arbeitsvertrag am 18. September 2015 wegen des Erreichens des Endzeitpunkts seiner vereinbarten Laufzeit beendete, klagte Herr Moreira Gómez gegen diese Beendigung und argumentierte unter Berufung auf eine vermeintliche betriebliche Übung, er müsse nunmehr als Nachfolger seiner in den Ruhestand verabschiedeten Mutter auf der Basis eines unbefristeten Arbeitsvertrags übernommen werden.

24.      Der Juzgado de lo Social n° 2 von Pontevedra(14) (Spanien) gab der Klage von Herrn Moreira Gómez statt und verurteilte Grupo Norte Facility, den Arbeitnehmer wahlweise weiter zu beschäftigen oder ihm eine Entschädigung in Höhe von 4 818,47 Euro zu gewähren.

25.      Nunmehr ist der Rechtsstreit aufgrund eines Rechtsmittels von Grupo Norte Facility beim Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Spanien), dem vorlegenden Gericht, anhängig. Dieses Gericht weist die auf eine vermeintliche betriebliche Übung gestützte Argumentation von Herrn Moreira Gómez zurück. Es hält die Beendigung des Arbeitsvertrags von Herrn Moreira Gómez mit Blick auf die Vorschriften des innerstaatlichen Arbeitsrechts für rechtmäßig, hegt aber Zweifel bezüglich der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts zum Diskriminierungsschutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer.

IV.    Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

26.      Mit Beschluss vom 7. November 2016, eingegangen am 14. November 2016, hat der Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien, Spanien) dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1)      Sind nach dem Grundsatz der Äquivalenz befristet und unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer die Beendigung des Vertrags wegen „sachlicher Umstände“ nach Art. 49 Abs. 1 Buchst. c des Arbeitnehmerstatuts und die Beendigung aus „sachlichen Gründen“ nach Art. 52 des Arbeitnehmerstatuts als „vergleichbare Sachverhalte“ anzusehen, und stellt folglich die unterschiedliche Entschädigung in beiden Fällen eine nach der Richtlinie 1999/70/EG verbotene Ungleichbehandlung befristet und unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer dar?

2)      Wenn ja, ist dann davon auszugehen, dass die sozialpolitischen Ziele, mit denen die Schaffung der Modalität des Ersetzungsvertrags gerechtfertigt wird, auch die Ungleichbehandlung in Form einer geringeren Entschädigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Paragraf 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber frei darüber entscheidet, weshalb ein solcher Ersetzungsvertrag für bestimmte Zeit geschlossen wird?

3)      Sofern es keine sachliche Rechtfertigung im Sinne von Paragraf 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge gibt, ist dann zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie 1999/70 in der Ungleichbehandlung befristet und unbefristet Beschäftigter in Bezug auf die Entschädigung bei Vertragsbeendigung durch die oben genannte spanische Regelung eine nach Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbotene Diskriminierung zu sehen, so dass sie gegen den Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot verstößt, die zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehören?

27.      Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben Grupo Norte Facility, die spanische Regierung und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Am 8. November 2017 fand für die Rechtssachen C‑574/16 und C‑677/16 eine gemeinsame mündliche Verhandlung statt, in der Grupo Norte Facility, Frau Montero Mateos, die Agentur für Soziale Dienste der Autonomen Gemeinschaft Madrid(15), die spanische Regierung und die Kommission vertreten waren.

28.      Auf Antrag Spaniens tagt der Gerichtshof in diesem Verfahren gemäß Art. 16 Abs. 3 seiner Satzung als Große Kammer.

V.      Würdigung

29.      Mit seinen drei Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es eine unionsrechtlich verbotene Diskriminierung darstellt, wenn einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer im Fall der Beendigung seines Arbeitsvertrags durch Auslaufen dieses Vertrags wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer, wegen Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder wegen Eintritts des vereinbarten Ereignisses eine geringere Entschädigung zusteht als einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag, ob befristet oder unbefristet, durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichen Grund beendet wird.

30.      Hintergrund dieser Fragen ist der Umstand, dass ein Arbeitnehmer gemäß dem spanischen Arbeitnehmerstatut im Fall der Kündigung seines Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber aus einem sachlichen Grund einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr hat (Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts), wohingegen dasselbe Gesetz dem Arbeitnehmer im Fall des bloßen Auslaufens seines befristeten Arbeitsvertrags lediglich eine geringere Entschädigung von acht bis zwölf Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr zugesteht, ja sogar überhaupt keinen Anspruch auf Entschädigung kennt, wenn ein befristeter „Arbeitsvertrag für eine Übergangszeit“(16) oder ein Ausbildungsvertrag ausläuft (Art. 49 Abs. 1 Buchst. c des Arbeitnehmerstatuts).

A.      Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer (erste Frage)

31.      Im Mittelpunkt des Interesses steht im vorliegenden Fall die erste Frage, mit der der Gerichtshof aufgerufen ist, sich vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer gemäß Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zur Vergleichbarkeit zweier Situationen zu äußern. Die erste dieser Situationen betrifft das bloße Auslaufen eines befristeten Ersetzungsvertrags nach spanischem Recht, die zweite die Kündigung eines – befristeten oder unbefristeten – Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber aus sachlichen Gründen. Im Kern zielt diese Vorlagefrage darauf ab, zu erörtern, ob die unterschiedliche Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Ansprüche auf Entschädigung in den beiden genannten Fällen zu einer Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer gegenüber Dauerbeschäftigten führt.

1.      Zur Zulässigkeit der ersten Frage

32.      Grupo Norte Facility bestreitet die Zulässigkeit dieser ersten Frage, weil der Gerichtshof damit ihrer Ansicht nach weniger zur Auslegung des Unionsrechts als vielmehr zur Auslegung des innerstaatlichen spanischen Arbeitsrechts befragt wird, genauer gesagt zum Vergleich zwischen den in Art. 49 Abs. 1 Buchst. c und in Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts geregelten Situationen.

33.      Dieser Einwand greift aber nicht durch. Zwar ist es dem Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Vorabentscheidungsverfahren verwehrt, sich zur Auslegung nationalen Rechts zu äußern(17). Doch geht es im Rahmen dieser ersten Frage weniger um die Auslegung von Vorschriften des spanischen Arbeitsrechts als vielmehr um die unionsrechtlichen Schlüsse, die der nationale Richter aus der von ihm selbst geschilderten innerstaatlichen Rechtslage zu ziehen hat(18). Dazu kann und soll der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren dem vorlegenden Gericht sachdienliche Hinweise geben(19).

34.      Damit ist die erste Frage zulässig.

2.      Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung

35.      Die Rahmenvereinbarung findet Anwendung auf befristete Arbeitsverträge. Dies ergibt sich schon aus ihrem Titel und wird durch die Definition ihres Anwendungsbereichs in ihrem Paragrafen 2 Nr. 1 bestätigt: Danach gilt die Rahmenvereinbarung für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Definition.

36.      Dem Ausgangsrechtsstreit liegt unstreitig ein befristeter Arbeitsvertrag in der Form eines Ersetzungsvertrags zugrunde, wie er in Spanien gemäß den Vorschriften des Arbeitnehmerstatuts vorgesehen ist.

37.      Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht allerdings Uneinigkeit über die Frage, ob speziell der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auf einen Fall wie den vorliegenden anwendbar sein kann. Denn Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verbietet konkret die Schlechterstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre Beschäftigungsbedingungen.

38.      Die spanische Regierung ist der Meinung, mit diesem Begriff seien nur Arbeitsbedingungen(20) im engeren Sinne gemeint, nicht hingegen sonstige Beschäftigungsbedingungen(21) wie etwa die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Beendigung von befristeten Arbeitsverträgen oder ‑verhältnissen.

39.      Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Maßgebend für das Verständnis des Begriffs der Beschäftigungsbedingungen in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ist nämlich nach der Rechtsprechung allein das Kriterium der Beschäftigung, d. h. der Umstand, dass die auf einen Arbeitnehmer anwendbaren Regelungen oder die von ihm beanspruchten Leistungen an sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber anknüpfen(22).

40.      Die verschiedenen Sprachfassungen der Rahmenvereinbarung verwenden teils Formulierungen, die dem Wort Arbeitsbedingungen entsprechen, teils aber auch solche, die dem Wort Beschäftigungsbedingungen gleichen(23), ohne dass damit in erkennbarer Weise zwei gesonderte Konzepte verfolgt werden sollen. Eine solche Unterscheidung ließe sich im Übrigen auch schwerlich mit den Zielen der Rahmenvereinbarung sowie der Gesamtsystematik des europäischen Arbeitsrechts in Einklang bringen.

41.      Denn die Rahmenvereinbarung soll durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern(24). Sie verleiht dem Willen der Sozialpartner Ausdruck, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert(25). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass in der Rahmenvereinbarung besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Europäischen Union enthalten sind, die jedem Arbeitnehmer als Mindestschutzbestimmungen zugute kommen müssen(26). Dementsprechend darf der Grundsatz der Nichtdiskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer nicht restriktiv ausgelegt werden(27).

42.      Die Kohärenz des europäischen Arbeitsrechts gebietet außerdem, den Begriff der Arbeits- oder Beschäftigungsbedingungen nicht losgelöst von seiner Bedeutung in verwandten unionsrechtlichen Bestimmungen auszulegen(28). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/78/EG(29) und 2006/54/EG(30) hinzuweisen, die den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf verschiedene Diskriminierungsmerkmale wie das Geschlecht, das Alter und die sexuelle Orientierung konkretisieren. Auch dort werden nach gefestigter Rechtsprechung die Entlassungsbedingungen mit erfasst. Nicht zuletzt die vom Arbeitgeber in Anknüpfung an das Beschäftigungsverhältnis – kraft Arbeitsvertrags oder kraft Gesetzes – zu leistenden Zahlungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fallen damit in den Geltungsbereich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung(31). Nichts anderes kann letztlich für den Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gelten(32).

43.      Alles in allem sind also die Rahmenvereinbarung im Allgemeinen sowie der in ihr enthaltene Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Besonderen auf eine Entschädigung anwendbar, welche die Arbeitnehmer bei Beendigung ihrer Arbeitsverträge kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes von ihren Arbeitgebern beanspruchen können. In diesem Sinne hat auch der Gerichtshof bereits geurteilt(33).

44.      Damit bewegt sich ein Fall wie der vorliegende, in dem genau über eine solche Entschädigung gestritten wird, im Geltungsbereich von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung.

45.      Allerdings kann der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung für besagte Entschädigung nur insoweit eine Rolle spielen, als es um den Vergleich zwischen befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten geht. Ohne Belang ist hingegen im Zusammenhang mit Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, dass auch die befristet beschäftigten Arbeitnehmer untereinander im Hinblick auf die streitige Entschädigung ungleich behandelt werden, je nachdem, ob ihr Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichem Grund beendet wird oder aber schlicht wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer, wegen Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder wegen Eintritts des vereinbarten Ereignisses ausläuft. Denn etwaige Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Kategorien von befristet beschäftigten Arbeitnehmern werden vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß der Rahmenvereinbarung nicht erfasst(34).

3.      Die Prüfung der Vergleichbarkeit der Lage von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und von Dauerbeschäftigten im Hinblick auf die Entschädigung bei Vertragsbeendigung

46.      Zu prüfen bleibt, als zentrales Problem des vorliegenden Falles, ob sich befristet beschäftigte Arbeitnehmer und Dauerbeschäftigte in einer vergleichbaren Lage befinden(35). Denn wie sich schon dem Wortlaut des Paragrafen 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung entnehmen lässt, verbietet das Unionsrecht die Diskriminierung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten, schreibt aber keinerlei Gleichbehandlung zwischen nicht miteinander vergleichbaren befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten vor(36). Nur bei Vergleichbarkeit der Situationen kann also in der unterschiedlichen Ausgestaltung der gesetzlichen Entschädigung, wie sie im Ausgangsverfahren streitig ist, eine Diskriminierung befristet Beschäftigter liegen.

47.      Ausgangspunkt der Überlegungen zur Vergleichbarkeit zwischen befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten, die dem vorlegenden Gericht obliegen(37), ist gemäß der Definition des Begriffs „vergleichbarer Dauerbeschäftigter“ in Paragraf 3 Nr. 2 Unterabs. 1 der Rahmenvereinbarung, ob beide im jeweiligen Betrieb in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit bzw. Beschäftigung tätig sind. Dies ist unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen zu klären(38).

48.      Im vorliegenden Fall steht es außer Zweifel, dass sich der befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit Blick auf die konkret zu verrichtende Tätigkeit – insbesondere die Art seiner Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen – in der gleichen Lage befindet wie ein Dauerbeschäftigter im selben Betrieb. Denn Herr Moreira Gómez verrichtete als Reinigungshilfskraft die identische Tätigkeit wie seine Mutter, Frau Gómez Piñón, mit der er sich während ihrer Altersteilzeit ein und dieselbe Arbeitsstelle im Verhältnis 75 % zu 25 % teilte. Von dieser Prämisse geht zu Recht auch das nationale Gericht in seinem Vorlagebeschluss aus.

49.      Es wäre jedoch vorschnell, in einem Fall wie dem vorliegenden allein unter Verweis auf die von ihnen verrichtete Tätigkeit und auf die Identität der ihnen zugewiesenen Arbeitsstelle zu schlussfolgern, dass beide Arbeitnehmer sich insgesamt in einer in jeder Hinsicht vergleichbaren Lage befinden und somit der befristet Beschäftigte diskriminiert wird, wenn für ihn weniger günstige gesetzliche Regelungen zur Entschädigung bei Vertragsbeendigung gelten. Entscheidend ist nämlich, ob sich befristet beschäftigte Arbeitnehmer und Dauerbeschäftigte auch und gerade im Hinblick auf die streitgegenständliche Entschädigung – und speziell im Hinblick auf das Ereignis, das zu einer solchen Entschädigung führt – in einer vergleichbaren Lage befinden.

50.      Bei der Beurteilung dieser Frage sind letztlich dieselben Kriterien anzulegen, die auch sonst in Diskriminierungsfragen zum Tragen kommen(39). Denn der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wie er im Paragrafen 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ausbuchstabiert wird, ist nichts anderes als eine besondere Ausprägung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung(40).

51.      Insbesondere gilt deshalb nach gefestigter Rechtsprechung, dass die Vergleichbarkeit der Sachverhalte u. a. im Lichte des Gegenstands und des Zwecks der Maßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen ist; außerdem sind die Grundsätze und die Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem die in Rede stehende Maßnahme unterfällt(41).

52.      Damit schließen die Kriterien für den Vergleich der diversen Leistungen des Arbeitgebers, die befristet beschäftigten Arbeitnehmern einerseits und Dauerbeschäftigten andererseits kraft Arbeitsvertrags oder kraft Gesetzes zustehen, notwendigerweise auch die tatsächliche und rechtliche Situation ein, in der die jeweiligen Leistungen des Arbeitgebers beansprucht werden sollen(42).

53.      Der vorliegende Fall bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, speziell diesen Aspekt, der meines Erachtens im Urteil de Diego Porras(43) zu kurz gekommen ist, zu vertiefen und seine Rechtsprechung in diesem Punkt zu überdenken.

54.      Zweifelsohne gibt es zahlreiche finanzielle und soziale Leistungen des Arbeitgebers, die nach ihrem Gegenstand und ihrem Zweck sowohl befristet beschäftigten Arbeitnehmern als auch Dauerbeschäftigten in gleicher Weise zustehen. Dazu gehört sicherlich in erster Linie der Arbeitslohn, aber auch etwaige Betriebstreueprämien und soziale Vergünstigungen wie etwa Zuschüsse für Verpflegung und Transport sowie der Zugang zu Betriebssportstätten und zur Kinderbetreuung. Denn mit ihnen wird entweder die geleistete Arbeit im Betrieb honoriert oder die Integration in das Arbeitsleben und in den Betrieb gefördert, wobei gegebenenfalls der Pro-rata-temporis-Grundsatz zur Anwendung kommen kann (Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung)(44).

55.      Um eine solche Leistung handelt es sich jedoch, vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht, bei der streitgegenständlichen Entschädigung nicht. Denn soweit ersichtlich, ist die von einem spanischen Arbeitgeber nach dem Arbeitnehmerstatut unter bestimmten Umständen geschuldete Entschädigung für die Beendigung eines Arbeitsvertrags nach ihrem Gegenstand und ihrem Zweck keine Betriebstreueprämie, sondern ein Ausgleich dafür, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert.

56.      Gemessen an diesem Gegenstand und Zweck der Entschädigung befinden sich befristet beschäftigte Arbeitnehmer einerseits und Dauerbeschäftigte andererseits entgegen dem ersten Anschein nicht in einer vergleichbaren Situation. Dies liegt keineswegs nur an der temporären Natur der befristeten Beschäftigung, die als solche und abstrakt betrachtet kein Unterscheidungsmerkmal sein darf(45), sondern ganz konkret an einer unterschiedlich hohen Vorhersehbarkeit des Arbeitsplatzverlusts, mit der unterschiedlich hohe Entschädigungsansprüche einhergehen können.

57.      Zwar steht es außer Frage, dass der Verlust des Arbeitsplatzes in jedem Fall – sowohl für einen befristet beschäftigten Arbeitnehmer als auch für einen Dauerbeschäftigten – ein höchst unerfreuliches, ja einschneidendes Ereignis darstellt, das nicht selten mit erheblichen persönlichen und sozialen Härten einhergeht.

58.      Jedoch ist für einen befristet beschäftigten Arbeitnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes mit Erreichen der vereinbarten Vertragsdauer, mit Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder mit Eintritt des vereinbarten Ereignisses von Beginn an zu erwarten und kommt keineswegs überraschend. Der Arbeitnehmer selbst hat an der vertraglichen Vereinbarung mitgewirkt, die früher oder später unausweichlich zum Auslaufen seines Arbeitsverhältnisses führt, selbst wenn er womöglich die Hoffnung hegt, von seinem Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Im vorliegenden Fall war das Ende der Laufzeit des Arbeitsvertrags sogar an ein kalendarisch bestimmtes Datum – den Tag des Eintritts der in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmerin in den Ruhestand – geknüpft und somit besonders klar vorhersehbar.

59.      Demgegenüber ist die (vorzeitige) Beendigung eines – befristeten oder unbefristeten – Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichen Grund (z. B. wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers, die eine Verringerung der Belegschaft unausweichlich machen) in aller Regel kein Ereignis, das der Arbeitnehmer konkret vorhersehen kann.

60.      Darüber hinaus ist im Falle einer Kündigung aus sachlichem Grund die gesetzlich vorgesehene Entschädigung nicht zuletzt dazu bestimmt, einen Ausgleich für die frustrierten Erwartungen des Arbeitnehmers hinsichtlich der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses zu schaffen, das eigentlich fortdauern sollte. Solche frustrierten Erwartungen bestehen hingegen nicht beim bloßen Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags mit Erreichen der vereinbarten Vertragsdauer, mit Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder mit Eintritt des vereinbarten Ereignisses.

61.      Ohnehin kann von frustrierten Erwartungen von vornherein keine Rede sein, wenn die Beschäftigung eines Arbeitnehmers – wie hier – auf einem einzigen befristeten Ersetzungsvertrag beruhte, dessen Dauer überdies weniger als drei Jahre betrug(46). Auch konnte sich Herr Moreira Gómez nach Angaben des vorlegenden Gerichts auf keine irgendwie geartete betriebliche Übung berufen, die dazu geführt hätte, dass er nach dem Ablauf des Ersetzungsvertrags seine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beanspruchen konnte.

62.      Wollte man den Mitgliedstaaten verwehren, ihre Arbeitsgesetzgebung in Anknüpfung an die genannten Unterschiede und Interessenlagen differenziert auszugestalten, so würde die Unterscheidung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen untergraben. Wie aber die Kommission zutreffend hervorhebt, entspricht diese Unterscheidung den Wertvorstellungen des Unionsgesetzgebers und der europäischen Sozialpartner, wonach befristete Beschäftigung nicht per se als verpönt oder gar als illegal anzusehen ist. Vielmehr beruht die Rahmenvereinbarung auf dem Gedanken, dass befristete Arbeitsverträge „für die Beschäftigung in bestimmten Branchen, Berufen und Tätigkeiten charakteristisch [sind] und … den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entsprechen [können]“(47). Sie versteht sich auch als „Beitrag auf dem Weg zu einem besseren Gleichgewicht zwischen ‚Flexibilität der Arbeitszeit und Sicherheit der Arbeitnehmer‘“(48).

4.      Zwischenergebnis

63.      Alles in allem lässt sich somit zur Auslegung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung festhalten, dass es keine Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer darstellt, wenn ihnen beim Auslaufen ihrer Arbeitsverträge wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer, wegen Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder wegen Eintritts des vereinbarten Ereignisses keine oder eine geringere Entschädigung zusteht als Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge, ob befristet oder unbefristet, durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichen Grund beendet werden.

B.      Die möglichen Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung (zweite Frage)

64.      Die zweite Frage bezieht sich auf den Begriff der sachlichen Gründe, die nach Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung eine unterschiedliche Behandlung zwischen befristet beschäftigten Arbeitnehmern und vergleichbaren Dauerbeschäftigten rechtfertigen können. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Unterschiede in den Entschädigungsansprüchen von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten aus sachlichen Gründen gerechtfertigt werden können, wenn man bedenkt, dass der jeweilige Arbeitgeber nach freiem Ermessen entscheiden kann, ob er den Ersetzungsvertrag zum Ausgleich der verringerten Arbeitsleistung eines in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmers befristet oder unbefristet abschließt.

65.      Diese Frage wird nur für den Fall gestellt, dass sich befristet beschäftigte Arbeitnehmer und Dauerbeschäftigte im Hinblick auf die gesetzliche Entschädigung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes überhaupt in einer vergleichbaren Situation befinden. Da ich dem Gerichtshof im Rahmen der ersten Frage schon vorschlage, eine solche Vergleichbarkeit zu verneinen und somit keine Diskriminierung anzunehmen, wende ich mich dieser zweiten Frage nur hilfsweise zu.

66.      Mit dem Hinweis auf sachliche Gründe, wie er u. a. in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung enthalten ist, bringen die europäischen Sozialpartner – und letztlich auch der Unionsgesetzgeber – den grundlegenden Gedanken zum Ausdruck, dass befristete Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern nicht benutzt werden dürfen, um den betroffenen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die vergleichbaren Dauerbeschäftigten zuerkannt werden(49).

67.      Vereinfacht ausgedrückt, erkennt die Rechtsprechung zu Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung(50) als sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung zwischen befristet beschäftigten Arbeitnehmern und vergleichbaren Dauerbeschäftigten sowohl die von den Arbeitnehmern zu erfüllenden Aufgaben an als auch legitime sozialpolitische Ziele des jeweiligen Mitgliedstaats. Außerdem kann die Ungleichbehandlung selbst beim Vorliegen sachlicher Gründe nur gerechtfertigt werden, wenn sie an genau bezeichnete, konkrete Umstände anknüpft und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

68.      In einem Fall wie dem vorliegenden liegt es auf der Hand, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der gesetzlichen Entschädigungsansprüche von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten sich nicht mit den von ihnen jeweils zu erledigenden Aufgaben erklären lässt (diese sind bei einem Ersetzungsvertrag identisch), sondern auf sozialpolitischen Erwägungen beruht. Ausschlaggebend war für den spanischen Gesetzgeber offenbar zum einen das Bestreben, die Eingliederung Arbeitsuchender in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und damit letztlich ein möglichst hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen, zum anderen sollte die Finanzierung der spanischen Sozialversicherungssysteme auf eine bessere Grundlage gestellt werden. Dabei handelt es sich zweifelsohne um legitime sozialpolitische Ziele.

69.      Das vorlegende Gericht zweifelt denn auch weniger an der Legitimität der vom spanischen Gesetzgeber verfolgten sozialpolitischen Ziele als vielmehr an der Eignung und Erforderlichkeit einer differenzierten Entschädigungsregelung zur Erreichung dieser Ziele. Es begründet seine Zweifel mit dem Umstand, dass spanische Arbeitgeber nach freiem Ermessen entscheiden können, ob sie in einem Fall von Altersteilzeit den Ersetzungsvertrag für den neu einzustellenden Arbeitnehmer befristet oder unbefristet ausgestalten.

70.      Bei vordergründiger Betrachtung scheint es in der Tat, als habe der spanische Gesetzgeber seine sozialpolitischen Ziele in diesem Punkt nicht in kohärenter und systematischer Weise verwirklicht(51): Wenn zur Erreichung jener Ziele auch unbefristete Ersetzungsverträge geschlossen werden können, warum sollten dann bestimmte Arbeitnehmer, denen nur befristete Ersetzungsverträge angeboten wurden, hinsichtlich der gesetzlichen Entschädigungsansprüche benachteiligt werden?

71.      Zu bedenken ist aber, dass das Instrument des Ersetzungsvertrags deutlich weniger attraktiv würde und damit auch deutlich schlechter zur Verwirklichung der angestrebten sozialpolitischen Ziele beitragen könnte, wenn der Gesetzgeber den Arbeitgebern nicht auch eine befristete Variante des Ersetzungsvertrags mit für sie weniger weit reichenden finanziellen Konsequenzen anbieten würde.

72.      Es mag sein, dass manche Arbeitgeber in missbräuchlicher Weise zur Variante des befristeten Ersetzungsvertrags greifen, wenn sie einen ständigen und dauernden Bedarf zu decken haben und somit eigentlich einen unbefristeten Vertrag abschließen müssten(52). Dafür bestehen allerdings im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

73.      Ohnehin ist die Bekämpfung etwaiger Missbräuche, die ohne jeden Zweifel ein wichtiges Anliegen des Unionsgesetzgebers und der europäischen Sozialpartner darstellt, Gegenstand einer eigenständigen Regelung in Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung. Außerdem bedeutet der Umstand allein, dass die Möglichkeit der Befristung von Ersetzungsverträgen womöglich von bestimmten Arbeitgebern missbraucht werden könnte, noch nicht, dass jeder in einem befristeten Ersetzungsvertrag beschäftigte Arbeitnehmer in Bezug auf seine Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten diskriminiert wird. Wie die Kommission zutreffend bemerkt, sollte der Unterschied zwischen Diskriminierungsschutz gemäß Paragraf 4 Nr. 1 und Missbrauchsbekämpfung gemäß Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung nicht verwischt werden.

74.      Die zweite Frage sollte folglich – für den Fall, dass sie relevant ist – bejaht werden.

C.      Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (dritte Frage)

75.      Die dritte und letzte Frage des vorlegenden Gerichts ist nach der Systematik des Vorabentscheidungsersuchens nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage zu bejahen und die zweite zu verneinen wäre. Nach meinen obigen Ausführungen ist dies nicht der Fall. Dementsprechend erörtere ich die dritte Frage, wie schon die zweite, nachfolgend nur hilfsweise.

76.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es gegen Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie gegen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung verstößt, dass die nach spanischem Recht vom Arbeitgeber zu zahlende Entschädigung bei Beendigung eines Arbeitsvertrags unterschiedlich hoch ist, je nachdem, ob diese Beendigung auf einer Kündigung aus sachlichem Grund beruht oder dem Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags geschuldet ist.

1.      Zulässigkeit der dritten Frage

77.      In Bezug auf diese dritte Frage erhebt Grupo Norte Facility erneut eine Unzulässigkeitsrüge und wirft dem vorlegenden Gericht vor, es wolle mit seiner Frage ein Gutachten zu allgemeinen und hypothetischen Problemen einholen(53). Im Wesentlichen stößt sich Grupo Norte Facility daran, dass der nationale Richter mit seiner Frage ganz allgemein auf einen Vergleich zwischen den in Art. 49 Abs. 1 Buchst. c sowie in Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts geregelten Situationen abzielt und nicht auf einen konkreten Einzelfall.

78.      Wie schon im Rahmen der ersten Frage ausgeführt(54), ist diese Rüge nicht stichhaltig. Hinzuzufügen ist, dass sich der Bezug der dritten Frage zu einem konkreten Einzelfall – dem Fall von Herrn Moreira Gómez – ohne jeden Zweifel aus dem Gesamtzusammenhang des Vorabentscheidungsersuchens ergibt, mag auch die Frage als solche ihrem Wortlaut nach allein auf die beiden streitigen spanischen Gesetzesbestimmungen Bezug nehmen.

79.      Darüber hinaus dürfte der nationale Richter bei seiner vergleichsweise allgemeinen Formulierung der dritten Frage im Hinterkopf gehabt haben, dass der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren nicht zur Anwendung des Rechts auf den Einzelfall zuständig ist, sondern nur zur Auslegung des einschlägigen Unionsrechts Auskunft geben kann. Dass er diesem Umstand Rechnung getragen hat, darf dem Verfasser des Vorabentscheidungsersuchens nun nicht zum Vorwurf gemacht werden(55).

80.      Insgesamt bestehen somit an der Zulässigkeit der dritten Frage keine Zweifel.

2.      Inhaltliche Würdigung der dritten Frage

81.      Der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung, der inzwischen auch in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte verankert ist, besagt nach ständiger Rechtsprechung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung wäre objektiv gerechtfertigt(56).

82.      Die kontroverse Frage, ob dieser allgemeine Rechtsgrundsatz bzw. die genannten Vorschriften der Charta in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem privaten Arbeitgeber – also in einem horizontalen Rechtsverhältnis – unmittelbare Wirkungen entfalten(57), kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn inhaltlich kann der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung hier zu keinem anderen Ergebnis führen als der besondere Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung (vgl. auch Art. 52 Abs. 2 der Charta der Grundrechte).

83.      Wie aber bereits im Rahmen der ersten Frage zu Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ausgeführt, handelt es sich bei der Beendigung eines Arbeitsvertrags, ob befristet oder unbefristet, durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichen Grund um einen Vorgang, der im Hinblick auf seine Vorhersehbarkeit mit dem bloßen Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer, wegen Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder wegen Eintritts des vereinbarten Ereignisses nicht vergleichbar ist(58).

84.      Folglich können auch der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. die Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte nicht gebieten, dass der gesetzliche Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Entschädigung in beiden Fällen gleich hoch sein muss. Die dritte Frage müsste also – sollte sie relevant werden – verneint werden.

VI.    Ergebnis

85.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien, Spanien) wie folgt zu beantworten:

Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang zur Richtlinie 1999/70/EG ist dahin auszulegen, dass es keine Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer darstellt, wenn ihnen beim Auslaufen ihrer Arbeitsverträge wegen Erreichens der vereinbarten Vertragsdauer, wegen Erfüllung der vereinbarten Aufgabe oder wegen Eintritts des vereinbarten Ereignisses keine oder eine geringere Entschädigung zusteht als Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge, ob befristet oder unbefristet, durch arbeitgeberseitige Kündigung aus einem sachlichen Grund beendet werden.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Spanisch: contrato de relevo.


3      Urteil vom 14. September 2016 (C‑596/14, EU:C:2016:683).


4      Die Rechtssache Montero Mateos betrifft lediglich einen anderen Vertragstyp des spanischen Arbeitsrechts, namentlich den Arbeitsvertrag für eine Übergangszeit („contrato de trabajo de interinidad“).


5      ABl. 1999, L 175, S. 43.


6      14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70.


7      Dritter Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung.


8      Zweiter Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung; vgl. auch Nr. 6 ihrer Allgemeinen Erwägungen.


9      Nr. 8 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung; vgl. auch den zweiten Absatz ihrer Präambel.


10      Erster Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung; vgl. auch Nrn. 3 und 5 ihrer Allgemeinen Erwägungen.


11      Texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores, aprobado por el Real Decreto Legislativo 1/1995 (Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut, gebilligt durch das Königliche gesetzesvertretende Dekret 1/1995) vom 24. März 1995 (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654).


12      Heute ist die gleiche Regelung in der achten Übergangsbestimmung enthalten.


13      Vormals Limpiezas Pisuerga Grupo Norte Limpisa S.A.


14      Arbeitsgericht Nr. 2 Pontevedra.


15      Agencia Madrileña de Atención Social de la Consejería de Políticas Sociales y Familia de la Comunidad Autónoma de Madrid (Beklagte des Ausgangsrechtsstreits in der Rechtssache C‑677/16).


16      Der befristete Arbeitsvertrag für eine Übergangszeit spielt, wie bereits erwähnt, in der parallelen Rechtssache Montero Mateos (C‑677/16) eine Rolle.


17      Vgl., statt vieler, Urteile vom 11. März 2010, Attanasio Group (C‑384/08, EU:C:2010:133, Rn. 16), und vom 26. November 2014, Mascolo u. a. (C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 81).


18      Nur am Rande sei bemerkt, dass unter den Verfahrensbeteiligten keinerlei Streit darüber zu erkennen ist, wie die einschlägigen Vorschriften des spanischen Arbeitsrechts zu verstehen sind.


19      Das Bestreben des Gerichtshofs, den innerstaatlichen Gerichten sachdienliche Hinweise zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts zu geben, entspricht ständiger Rechtsprechung; vgl., statt vieler, Urteile vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7 (C‑380/05, EU:C:2008:59, Rn. 49 bis 51), vom 11. März 2010, Attanasio Group (C‑384/08, EU:C:2010:133, Rn. 17 und 19), vom 13. Juli 2017, Kleinsteuber, C‑354/16, EU:C:2017:539, Rn. 61), und vom 26. Juli 2017, Europa Way und Persidera (C‑560/15, EU:C:2017:593, Rn. 35 und 36).


20      Spanisch: condiciones de trabajo.


21      Spanisch: condiciones de empleo.


22      Urteile vom 10. Juni 2010, Bruno und Pettini (C‑395/08 und C‑396/08, EU:C:2010:329, Rn. 45 und 46), vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 35), vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 25), und vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 28).


23      So ist etwa in der deutschen Sprachfassung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nicht von Arbeitsbedingungen, sondern von Beschäftigungsbedingungen die Rede. Dasselbe trifft etwa auf die französische (conditions d’emploi), die italienische (condizioni di impiego), die portugiesische (condições de emprego) und die englische Sprachfassung (employment conditions) zu.


24      Paragraf 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung und 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70.


25      Dritter Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung.


26      Urteil vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso (C‑307/05, EU:C:2007:509, Rn. 27 und 38); ähnlich Urteile vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 114), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 24).


27      Urteile vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso (C‑307/05, EU:C:2007:509, Rn. 38 in Verbindung mit Rn. 37), vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 114), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 24).


28      Im selben Sinne Urteil vom 10. Juni 2010, Bruno und Pettini (C‑395/08 und C‑396/08, EU:C:2010:329, Rn. 45 und 46).


29      Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).


30      Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23).


31      Vgl., statt vieler, die Urteile vom 16. Februar 1982, Burton (19/81, EU:C:1982:58, Rn. 9), vom 8. Juni 2004, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑220/02, EU:C:2004:334, Rn. 36), und vom 12. Oktober 2010, Ingeniørforeningen i Danmark (C‑499/08, EU:C:2010:600, Rn. 21).


32      Im selben Sinne Urteil vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 28).


33      Urteil vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 31 und 32); ähnlich schon Urteile vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 35 bis 37, ebenfalls zu einer Entschädigungsregelung), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 27 bis 29, zur Kündigungsfrist).


34      Beschluss vom 11. November 2010, Vino (C‑20/10, EU:C:2010:677, Rn. 57).


35      So auch Urteile vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 43), vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 30), und vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 39 und 40).


36      Urteil vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 42), und Beschluss vom 30. April 2014, D’Aniello u. a. (C‑89/13, EU:C:2014:299, Rn. 28); ähnlich auch Urteil vom 18. Oktober 2012, Valenza (C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 48), sowie der im Urteil vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 39 und 40), aufscheinende Gedanke.


37      Urteile vom 18. Oktober 2012, Valenza (C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 43), vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 32), und vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 42).


38      Urteile vom 8. September 2011, Rosado Santana (C‑177/10, EU:C:2011:557, Rn. 66), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 31), sowie Beschlüsse vom 18. März 2011, Montoya Medina (C‑273/10, EU:C:2011:167, Rn. 37), und vom 9. Februar 2017, Rodrigo Sanz (C‑443/16, EU:C:2017:109, Rn. 38); im selben Sinne bereits Urteil vom 31. Mai 1995, Royal Copenhagen (C‑400/93, EU:C:1995:155, Rn. 33).


39      Vgl. auch meine Schlussanträge in den Rechtssachen Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2015:854, Rn. 38), Pilkington Group u. a./Kommission (C‑101/15 P, EU:C:2016:258, Rn. 66) und Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:386, Rn. 47), in denen ich jeweils ausführe, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausgelegt und angewandt werden kann.


40      In diesem Sinne etwa Urteil vom 8. September 2011, Rosado Santana (C‑177/10, EU:C:2011:557, Rn. 65), wo die ständige Rechtsprechung zum allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung übertragen wird.


41      Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26), vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission (C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 167), und vom 26. Juli 2017, Persidera (C‑112/16, EU:C:2017:597, Rn. 46).


42      In diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 44 und 45).


43      Urteil vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, insbesondere Rn. 40 bis 44 und 51).


44      Außerdem kann die Inanspruchnahme bestimmter Leistungen des Arbeitgebers von einer Mindestbetriebszugehörigkeit abhängig gemacht werden, sofern diese Voraussetzung nach objektiven und transparenten Kriterien bestimmt wird und nicht gezielt auf den Ausschluss befristet beschäftigter Arbeitnehmer gemünzt ist.


45      Gemäß Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dürfen befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht nur deswegen schlechter behandelt werden, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt; vgl. auch Urteile vom 22. Dezember 2010, Gavieiro Gavieiro und Iglesias Torres (C‑444/09 und C‑456/09, EU:C:2010:819, Rn. 56 und 57), vom 18. Oktober 2012, Valenza (C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 52), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 37 und 38).


46      In der parallel verhandelten Rechtssache Montero Mateos (C‑677/16) war ein befristeter Arbeitsvertrag mit einer Gesamtdauer von neun Jahren und sechs Monaten betroffen. Wie ich jedoch in meinen Schlussanträgen vom heutigen Tage in jener Rechtssache ausführe, sollte die rechtliche Bewertung in beiden Fällen die gleiche sein.


47      Nr. 8 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung; vgl. auch den zweiten Absatz ihrer Präambel.


48      Erster Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung; vgl. auch Nrn. 3 und 5 ihrer Allgemeinen Erwägungen.


49      Urteile vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso (C‑307/05, EU:C:2007:509, Rn. 37), vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 41), und vom 13. März 2014, Nierodzik (C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 23).


50      Urteile vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso (C‑307/05, EU:C:2007:509, Rn. 53 und 58), vom 22. April 2010, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (C‑486/08, EU:C:2010:215, Rn. 42), vom 22. Dezember 2010, Gavieiro Gavieiro und Iglesias Torres (C‑444/09 und C‑456/09, EU:C:2010:819, Rn. 55), vom 18. Oktober 2012, Valenza (C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 51), und vom 14. September 2016, de Diego Porras (C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 45).


51      Das Gebot der kohärenten und systematischen Verwirklichung der verfolgten Ziele sieht der Gerichtshof in gefestigter Rechtsprechung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an; vgl. Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, EU:C:2009:141, Rn. 55), vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri (C‑169/08, EU:C:2009:709, Rn. 42), und vom 13. Juli 2016, Pöpperl (C‑187/15, EU:C:2016:550, Rn. 33). Wie ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe, lässt sich diese zu den Grundfreiheiten entwickelte Rechtsprechung auch auf das Sekundärrecht übertragen (vgl. dazu meine Schlussanträge in den Rechtssachen Persidera, C‑112/16, EU:C:2017:250, Rn. 66 mit Fn. 46, und Kommission/Österreich, C‑187/16, EU:C:2017:578, Rn. 71).


52      Vgl. grundlegend dazu Urteil vom 23. April 2009, Angelidaki u. a. (C‑378/07 bis C‑380/07, EU:C:2009:250, insbesondere Rn. 103, 106 und 107).


53      In diesem Zusammenhang bezieht sich Grupo Norte Facility auf die ständige Rechtsprechung, wonach der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren nicht zur Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen berufen ist (vgl. etwa Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman, C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 60, vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 42, und vom 13. Juli 2017, Kleinsteuber, C‑354/16, EU:C:2017:539, Rn. 61).


54      Vgl. dazu oben, Rn. 32 bis 34 dieser Schlussanträge.


55      Ähnlich auch Urteil vom 12. Dezember 2013, Carratù (C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 24).


56      Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23), vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 55), und vom 26. Juli 2017, Persidera (C‑112/16, EU:C:2017:597, Rn. 46).


57      Diese Problematik wurde insbesondere anhand der Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709), und vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21), lebhaft diskutiert. Vgl. außerdem, aus jüngerer Zeit, Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33), vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2), und vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278).


58      Vgl. dazu oben, Rn. 46 bis 62 dieser Schlussanträge.