Language of document : ECLI:EU:T:2022:527

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

7. September 2022(*)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke R2R – Erklärung des Verfalls – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 – Nachweis der ernsthaften Benutzung – Berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung“

In der Rechtssache T‑353/21,

KTM Fahrrad GmbH mit Sitz in Mattighofen (Österreich), vertreten durch Rechtsanwältin V. Hoene,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Schäfer und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

KTM AG mit Sitz in Mattighofen, vertreten durch Rechtsanwalt R. Erfurt,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira sowie der Richter P. Zilgalvis und I. Dimitrakopoulos (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die KTM Fahrrad GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 20. April 2021 (Sache R 261/2020-5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 20. Februar 2007 meldete die FIGIEFA, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, beim EUIPO nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1], diese wiederum ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) eine Unionsmarke an.

3        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen R2R.

4        Die Marke wurde für u. a. folgende Waren der Klasse 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Fahrzeuge und Fahrzeugteile, soweit in Klasse 12 enthalten“.

5        Die Anmeldung wurde am 30. Juli 2007 veröffentlicht und die Marke am 11. Februar 2008 eingetragen.

6        Am 6. April 2018 wurde dem EUIPO die teilweise Übertragung der Marke für die von ihr erfassten Waren der Klasse 12 von FIGIEFA an die Klägerin angezeigt. Die Teilung der ursprünglichen Anmeldung wurde am 9. April 2018 eingetragen, wobei der abgetrennte Teil der ursprünglichen Marke unter der Nr. 17886364 (im Folgenden: angegriffene Marke) eingetragen wurde.

7        Am 5. Juni 2018 stellte die Streithelferin, die KTM AG, gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke.

8        Am 4. Dezember 2019 gab die Nichtigkeitsabteilung diesem Antrag statt und erklärte die angegriffene Marke mit Wirkung vom 5. Juni 2018 für verfallen.

9        Am 3. Februar 2020 legte die Klägerin bei der Beschwerdekammer des EUIPO nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung Nr. 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

10      Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

11      Als Erstes wies die Beschwerdekammer in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass nur die Waren der Klasse 12 „Fahrzeuge und Fahrzeugteile, soweit in Klasse 12 enthalten“, Gegenstand des Verfahrens vor ihr seien.

12      Als Zweites ging die Beschwerdekammer bei der Würdigung der Unterlagen zur Benutzung in Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die Klägerin lediglich den Nachweis für eine Bestellung von 80 Mountainbikes durch einen Kunden erbracht habe.

13      Als Drittes stellte die Beschwerdekammer in den Rn. 38 und 39 der angefochtenen Entscheidung fest, dass eine einzige Bestellung von 80 Fahrrädern durch einen einzelnen Kunden nicht ausreiche, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen. Der Verkauf von 80 Mountainbikes könne nicht als ernsthafter Versuch gewertet werden, auf dem Fahrradmarkt der Europäischen Union, auf dem jedes Jahr viele Millionen Fahrräder verkauft würden, einen Marktanteil zu erlangen oder zu erhalten.

14      Die Beschwerdekammer führte anschließend in Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung aus, dass jegliche Werbeaktivität der Klägerin, insbesondere die Teilnahme an Fahrradfachmessen und die Verteilung von Katalogen, erst nach Ablauf des relevanten Zeitraums aufgenommen worden sei. Schließlich war die Beschwerdekammer der Auffassung, dass keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke vorlägen (Rn. 41 und 44 der angefochtenen Entscheidung).


 Anträge der Parteien

15      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 4. Dezember 2019 einschließlich des Kostenausspruchs aufzuheben;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 4. Dezember 2019 einschließlich des Kostenausspruchs aufzuheben und den Antrag auf Erklärung des Verfalls zurückzuweisen, soweit Fahrzeuge und Fahrzeugteile, soweit in Klasse 12 enthalten, nämlich Landfahrzeuge und Fahrzeugteile hierfür, betroffen sind;

–        weiter hilfsweise, die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 4. Dezember 2019 einschließlich des Kostenausspruchs aufzuheben und den Antrag auf Erklärung des Verfalls zurückzuweisen, soweit Fahrzeuge und Fahrzeugteile, soweit in Klasse 12 enthalten, nämlich Fahrräder und Zweiradfahrzeuge und Fahrzeugteile hierfür, betroffen sind.

16      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung gerichtet ist

17      Im vorliegenden Fall beantragt die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung.

18      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 72 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 nur die Entscheidungen der Beschwerdekammern mit der Klage beim Unionsrichter anfechtbar sind, so dass im Rahmen einer solchen Klage nur Klagegründe zulässig sind, die sich gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer richten (vgl. Urteil vom 18. Juli 2017, Savant Systems/EUIPO – Savant Group [SAVANT], T‑110/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:521, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Folglich ist die Klage unzulässig, soweit sie gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung gerichtet ist, die Gegenstand der Beschwerde vor der Beschwerdekammer war.

 Zur Begründetheit

20      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 und zweitens einen Verstoß gegen deren Art. 95 Abs. 1 rügt.

 Zur Zulässigkeit der Anlagen zur Klageschrift

21      Die Streithelferin beantragt, bestimmte Beweismittel, die von der Klägerin erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden seien, als unzulässig zurückzuweisen, ohne aber näher auszuführen, um welche der Beweismittel es sich handelt.

22      Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin vor dem Gericht keine neuen Beweismittel vorgelegt hat. Sämtliche Anlagen zur Klageschrift wurden nämlich bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens als Beweismittel vorgelegt.

23      Dieser Antrag der Streithelferin ist folglich zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001

24      Die Klägerin macht der Sache nach geltend, die Beschwerdekammer habe dadurch gegen Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 verstoßen, dass sie die Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke falsch beurteilt habe.

25      Das EUIPO und die Streithelferin halten diesen Klagegrund für nicht stichhaltig.

26      Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 unterliegt die Unionsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, wenn der Inhaber die Unionsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Union benutzt oder er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt hat, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

27      Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird die Unionsmarke u. a. auf Antrag beim EUIPO für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Diese Bestimmung stellt jedoch klar, dass der Verfall der Rechte des Inhabers nicht geltend gemacht werden kann, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Antragstellung die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist.

28      Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der von ihrer Eintragung erfassten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei symbolische Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen, ausgeschlossen sind (Urteil vom 21. November 2013, Recaro/HABM – Certino Mode [RECARO], T‑524/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:604, Rn. 19; vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43, und Beschluss vom 27. Januar 2004, La Mer Technology, C‑259/02, EU:C:2004:50, Rn. 27). Eine ernsthafte Benutzung bildet einen Gegensatz zu einer nur geringfügigen Benutzung, die nicht für die Annahme genügt, dass eine Marke auf einem bestimmten Markt wirklich und tatsächlich benutzt wurde. Selbst wenn der Inhaber die Absicht hat, seine Marke wirklich und tatsächlich zu benutzen, liegt daher keine ernsthafte Benutzung der Marke vor, solange diese objektiv nicht tatsächlich und mit stabilem Erscheinungsbild des Zeichens auf dem Markt präsent ist, so dass die Verbraucher sie nicht als Hinweis auf die Herkunft der fraglichen Waren und Dienstleistungen wahrnehmen können (vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Martín Osete/EUIPO – Rey [AN IDEAL WIFE u. a.], T‑427/16 bis T‑429/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:455, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Eine ernsthafte Benutzung der Marke setzt somit voraus, dass diese auf dem Markt der geschützten Waren oder Dienstleistungen und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens benutzt wird. Die Benutzung der Marke muss sich auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, die bereits vertrieben werden oder deren Vertrieb von dem Unternehmen zur Gewinnung von Kunden insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen vorbereitet wird und unmittelbar bevorsteht (Urteil vom 3. Juli 2019, Viridis Pharmaceutical/EUIPO, C‑668/17 P, EU:C:2019:557, Rn. 39). Eine ernsthafte Benutzung der Marke erfordert nämlich, dass die Marke öffentlich und nach außen hin benutzt wird (vgl. Urteil vom 7. Juli 2016, Fruit of the Loom/EUIPO – Takko [FRUIT], T‑431/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:395, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Zu den Kriterien für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Beurteilung anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu erfolgen hat, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Recticel [λ], T‑215/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:518, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Bezüglich des Umfangs der Benutzung der angegriffenen Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, λ, T‑215/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:518, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Der erzielte Umsatz und die Zahl der unter der angegriffenen Marke verkauften Waren dürfen nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Die Benutzung der angegriffenen Marke braucht daher nicht immer umfangreich zu sein, um als ernsthaft eingestuft zu werden. Selbst eine geringfügige Benutzung kann also als ernsthaft eingestuft werden, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, λ, T‑215/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:518, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      In gleicher Weise kann die Angabe, dass der Markeninhaber die Vermarktung der betreffenden Waren aufgenommen habe und dass das Volumen des Handels mit diesen Waren deshalb gering gewesen sei, für die Beurteilung der Frage, ob diese Marke ernsthaft benutzt wurde, relevant sein, da die Anfangsphase der Vermarktung einer Ware länger als einige Monate dauern kann (Urteil vom 18. März 2015, Naazneen Investments/HABM – Energy Brands [SMART WATER], T‑250/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:160, Rn. 54). Daher ist es nicht möglich, von vornherein und abstrakt die mengenmäßige Grenze zu bestimmen, ab welcher eine Benutzung als ernsthaft anzusehen ist, so dass ein Mindestmaß der Benutzung, das das EUIPO oder auf eine entsprechende Klage hin das Gericht daran hindern würde, sämtliche Umstände des ihnen unterbreiteten Streitfalls zu würdigen, nicht festgesetzt werden kann (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, λ, T‑215/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:518, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Rahmen der Auslegung des Begriffs der ernsthaften Benutzung ist nämlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Normzweck des Erfordernisses, nach dem eine Marke ernsthaft benutzt werden muss, weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf abzielt, den Markenschutz nur umfangreichen geschäftlichen Verwertungen vorzubehalten (vgl. Urteile vom 24. Mai 2012, TMS Trademark-Schutzrechtsverwertungsgesellschaft/HABM – Comercial Jacinto Parera [MAD], T‑152/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:263, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, TVR Automotive/HABM – TVR Italia [TVR ITALIA], T‑398/13, EU:T:2015:503, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


35      Außerdem lässt sich die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteile vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 28, und vom 8. Juli 2020, Euroapotheca/EUIPO – General Nutrition Investment [GNC LIVE WELL], T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 35).

36      Die Rügen der Klägerin sind anhand dieser Erwägungen zu prüfen.

37      Einleitend ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum, für den die Klägerin eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen hatte, im vorliegenden Fall den fünf Jahren vor Stellung des Verfallsantrags entsprach, mithin vom 5. Juni 2013 bis einschließlich 4. Juni 2018 (im Folgenden: maßgeblicher Zeitraum).

38      Zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke hat die Klägerin im Lauf des Verwaltungsverfahrens u. a. die folgenden Beweismittel vorgelegt:

–        eine Auftragsbestätigung an die Gesellschaft Sportservice Erwin Stricker in Bozen vom 1. März 2018 über insgesamt 80 Mountainbikes (20 Fahrräder mit der Bezeichnung „R2R WILD CROSS LTD 20“ und 60 Fahrräder mit der Bezeichnung „R2R WILD CROSS LTD 24“) zu einem Gesamtpreis von 17 500 Euro mit einem Liefertermin zum 16. Juni 2018;

–        eine E‑Mail der Klägerin an die Gesellschaft Sportservice Erwin Stricker vom 5. März 2018, in der die Modelle „R2R WILDCROSS 24“ und „R2R WILDCROSS 20“ genannt werden;

–        einen an die Gesellschaft Sportservice Erwin Stricker ausgestellten Lieferschein für 80 Mountainbikes des Typs „R2R WILD CROSS“ vom 12. Juni 2018;

–        eine an die Gesellschaft Sportservice Erwin Stricker gerichtete Rechnung über 17 500 Euro für 80 Mountainbikes des Modells „R2R WILD CROSS“ vom 15. Juni 2018;

–        ein Schreiben eines Designers vom 28. September 2018, in dem bestätigt wird, dass er am 28. Februar 2018 beauftragt worden sei, Dekore mit der Bezeichnung „R2R“ für zwei Kinderräder zu entwerfen, und dass am 1. März 2018 ein weiterer Auftrag erteilt worden sei, inklusive der Umbenennung des Modells „WILD CROSS LTD“ in „WILD CROSS R2R“; Abbildungen von zwei Kinderrädern mit der Aufschrift „R2R“ sowie von Fahrradteilen mit der Aufschrift „R2R“ sind dem Schreiben beigefügt;

–        einen Screenshot eines Mobiltelefonbildschirms vom 2. April 2018, auf dem Fahrradrahmen mit der Aufschrift „R2R“ zu sehen sind;

–        Ausdrucke der Websites eurobike-show.de und www.velototal.de mit Veröffentlichungen betreffend die Messen EUROBIKE 2017 und 2018 sowie ZEG Bike Show 2018;

–        eine eidesstattliche Versicherung vom 22. Oktober 2018 durch Herrn Stefan Limbrunner, den Geschäftsführer der Klägerin seit dem 1. Mai 2017, gemäß der (i) die Fahrradmodelle „R2R“ im Juli 2018 auf verschiedenen Messen offiziell präsentiert worden seien und ihr Verkauf gestartet worden sei; (ii) Einzelstücke der „R2R“-Modelle bereits während der Fachmessen geordert worden seien; (iii) im Juli 2018 insgesamt mehr als 500 Stück des Modells „R2R Wild Cross“ zu einem Gesamtpreis von mehr als 80 000 Euro sowie mehr als jeweils 100 Stück der Modelle „R2R Sport“ und „R2R Cross“ zu einem Gesamtpreis von mehr als 400 000 Euro bestellt worden seien;

–        23 Rechnungen an verschiedene Empfänger, die nach dem maßgeblichen Zeitraum (also nach dem 4. Juni 2018) liegen und sich auf Fahrräder der Modelle „R2R“ beziehen.

39      Die Beschwerdekammer hat festgestellt, dass das einzige von der Klägerin vorgelegte Beweismittel zur ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke aus dem maßgeblichen Zeitraum die drei Monate vor Ende dieses Zeitraums erfolgte Bestellung von 80 Mountainbikes durch einen Kunden war (Auftragsbestätigung vom 1. März 2018). Sie war allerdings der Auffassung, dass dieses Beweismittel nicht ausreiche, um die Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen, und zwar auch dann, wenn sich die Waren der Klägerin in der Markteinführungsphase befunden hätten, da jegliche Werbeaktivität erst nach Ablauf des maßgeblichen Zeitraums aufgenommen worden sei. Dem Vorbringen der Klägerin, sie habe vor Beginn der Verkaufssaison 2019 und insbesondere vor den Fachmessen im Sommer 2018 keine Möglichkeit gehabt, ihre Fahrräder zu bewerben, maß die Beschwerdekammer für den Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke keine Relevanz bei; darin manifestiere sich vielmehr eine Unternehmensstrategie.

40      Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Beschwerdekammer habe den Umstand außer Acht gelassen, dass das Zeichen R2R eine Modellmarke der Klägerin sei, für die ein Modell habe geschaffen und die unter dem Modellnamen am Markt habe etabliert werden müssen. Die Beschwerdekammer habe entsprechend nicht berücksichtigt, dass zur Neuentwicklung eines Modells umfangreiche Vorarbeiten gehörten, die im vorliegenden Fall während des maßgeblichen Zeitraums durchgeführt worden seien, und dass der Einsatz einer solchen Marke bereits spätestens mit Abschluss dieser Entwicklungsarbeiten erfolge und nicht erst mit dem Verkauf von Fahrrädern.

41      Als Zweites meint die Klägerin, der Beschwerdekammer sei mit der Annahme, dass die von einem einzelnen Kunden drei Monate vor Ende des maßgeblichen Zeitraums aufgegebene Bestellung von 80 Mountainbikes nicht ausreiche, um eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen, ein Beurteilungsfehler unterlaufen. Erstens handle es sich bei einem Fahrrad um ein höherpreisiges Verbrauchergut, zweitens habe sie mit der Entwicklung des Modells „R2R“ die erforderlichen Vertriebsmöglichkeiten geschaffen, und drittens sei die Handelssaison zum Zeitpunkt des Erwerbs der Marke (im Februar 2018) auf ihrem Höhepunkt gewesen und sie habe mithin nur die nachfolgende, nämlich die Saison 2019 anpeilen können. Wiederverkäufer bestellten Fahrräder für die Handelssaison vor allem im Rahmen von Fachmessen, die jeden Sommer stattfänden, und sie habe folglich bis zum Juni 2018 weder eine zusätzliche Produktion, ausgenommen Kleinstmengen, noch überhaupt Werbekampagnen in Betracht ziehen können.

42      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

43      Zunächst ist festzustellen, dass eine Marke nach der oben in den Rn. 28 und 29 angeführten Rechtsprechung ernsthaft benutzt wird, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der von ihrer Eintragung erfassten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, öffentlich und nach außen hin benutzt wird. Das gilt auch dann, wenn die angegriffene Marke als „Modellmarke“ zur Bezeichnung eines bestimmten Modells unter den Waren ihrer Inhaberin benutzt wird.

44      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe es versäumt, die umfangreichen, im maßgeblichen Zeitraum durchgeführten Vorarbeiten für die Entwicklung eines neuen Fahrradmodells zu berücksichtigen, wie etwa die Beauftragung eines Designers für den Entwurf von Dekoren für Fahrräder mit der Bezeichnung „R2R“.

45      Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die Feststellung der Beschwerdekammer, der relevante Markt sei der Fahrradmarkt der Europäischen Union, auf dem jedes Jahr viele Millionen Fahrräder verkauft würden, nicht beanstandet hat. Außerdem hat die Klägerin in keiner Weise belegt und noch nicht einmal vorgetragen, dass die 80 Fahrräder, die sie zu recht niedrigen Preisen an die Gesellschaft Sportservice Erwin Stricker verkauft hat, besondere Merkmale aufgewiesen hätten, wonach sie für ein begrenztes oder fachkundiges Publikum bestimmt gewesen wären, was trotz der im Vergleich zum Umfang der einschlägigen Handelstätigkeit im Unionsgebiet sehr geringen Anzahl der bestellten Fahrräder eine ernsthafte Benutzung hätte belegen können.

46      Was zweitens das Vorbringen zur Entwicklung eines neuen Modells und zu den vorbereitenden Maßnahmen der Klägerin betrifft, um die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Verkäufen zu schaffen, ist – wie oben in Rn. 29 ausgeführt – darauf zu verweisen, dass bloß vorbereitende Maßnahmen innerhalb eines Unternehmens nicht ausreichen können, um die ernsthafte Benutzung einer Marke, deren Inhaber es ist, zu belegen, soweit sie nicht im maßgeblichen Zeitraum mit einer ausreichenden Vermarktung der betreffenden Ware unter dieser Marke einhergehen, die über an potenzielle Verbraucher gerichtete, nach außen gerichtete Handlungen erfolgt. Der Entwurf und die Entwicklung von Modellen während des maßgeblichen Zeitraums ohne diese internen vorbereitenden Maßnahmen begleitende, nach außen auf den Markt gerichtete Handlungen (Werbekampagnen und/oder Warenbestellungen) während dieses Zeitraums können für sich genommen auch dann nicht als eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke angesehen werden, wenn die Klägerin die Absicht hatte, die Marke wirklich und tatsächlich zu benutzen, und obgleich sie in den auf den maßgeblichen Zeitraum folgenden Monaten Bestellungen erhalten hatte. Die allermeisten der von der Klägerin zur ernsthaften Benutzung vorgelegten Beweismittel bezogen sich nämlich, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, auf Handlungen nach dem 4. Juni 2018.

47      Schließlich hat die Klägerin ihren Vortrag zur Saisonalität des im vorliegenden Fall maßgeblichen Fahrradmarkts und zu deren mutmaßlichem Einfluss auf das Funktionieren dieses Marktes nicht untermauert. Hierzu ist festzustellen, dass der bloße Umstand, dass der Umfang der Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit großen, im Sommer stattfindenden Fahrradmessen erheblich höher ausfallen kann, nicht bedeutet, dass sich das Funktionieren des Fahrradmarkts unter Ausschluss der Monate März bis Mai, der letzten Monate des maßgeblichen Zeitraums, auf diese Jahreszeit beschränken würde. Des Weiteren ist dieses Vorbringen im Rahmen der Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke nicht relevant, sondern gehört zur Frage, ob berechtigte Gründe für deren Nichtbenutzung vorliegen.

48      Nach alledem ist die Beschwerdekammer im Rahmen ihrer Gesamtwürdigung der Ernsthaftigkeit der Benutzung der angegriffenen Marke rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Ernsthaftigkeit dieser Benutzung im maßgeblichen Zeitraum nicht nachgewiesen habe.

49      Folglich ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001

50      Im Rahmen des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin erstens geltend, die Beschwerdekammer hätte weiter gehende Ermittlungen zum Fahrradmarkt anstellen müssen. Dies wäre erforderlich gewesen, da es für die Beurteilung der Benutzung der angegriffenen Marke auf die Verwendungen ankomme, die in der Fahrradbranche als gerechtfertigt angesehen würden. Die Beschwerdekammer hätte sich daher mit der Tragweite des Vortrags der Klägerin beschäftigen müssen, dass die Händler aufgrund der Saisonalität der Branche und der Modellwechsel die Fahrräder für die nächste Handelssaison am Ende/Beginn einer Saison bestellten. Zweitens sei die Beschwerdekammer aufgrund dieses Versäumnisses fälschlicherweise davon ausgegangen, dass keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke in den letzten Monaten des maßgeblichen Zeitraums vorgelegen hätten. Insoweit wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen zur Saisonalität des Fahrradmarkts. Der Vertrieb hänge von der Produktion der Fahrräder auf Grundlage der von den Händlern für die kommende Handelssaison insbesondere auf den Sommermessen abgegebenen Bestellungen ab. Folglich habe sie bis Juni 2018 abgesehen von Kleinstmengen keine zusätzlichen Produktionen oder auch Werbekampagnen planen können. Die Beschwerdekammer habe die Benutzung der angegriffenen Marke nach Ende des maßgeblichen Zeitraums damit zu Unrecht als „Unternehmensstrategie“ bezeichnet.

51      Zur Stützung ihres zweiten Klagegrundes beruft sich die Klägerin auf Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001, nach dem das EUIPO im Verfahren vor dem Amt den Sachverhalt von Amts wegen ermittle.

52      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

53      Im Rahmen des zweiten Klagegrundes nimmt die Klägerin im Wesentlichen das Vorbringen aus ihrem ersten Klagegrund zu ihren vorbereitenden Maßnahmen, der Saisonalität und den Besonderheiten des Fahrradmarkts wieder auf. Diese Argumente wurden bereits oben in den Rn. 46 und 47 geprüft und verworfen. In jedem Fall ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung die Termine für die Ausrichtung von Fahrradmessen im Jahr 2018 berücksichtigt hat. Sie hat auch die Bedeutung von Fachmessen für den relevanten Markt anerkannt, wobei sie ausdrücklich auf bestimmte, von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Beweise Bezug genommen hat. In mehrseitigen Verfahren ist das EUIPO hingegen nicht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.

54      Folglich ist die Behauptung der Klägerin zurückzuweisen, die Beschwerdekammer habe es versäumt, weiter gehende Ermittlungen zum Fahrradmarkt anzustellen, und hätte das Vorbringen der Klägerin zur Bedeutung von Fahrradmessen im Verhältnis zur Handelssaison berücksichtigen müssen. Die vorbereitenden Maßnahmen, die die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum zur Entwicklung eines neuen Modells durchgeführt hat, können nämlich, wie oben in Rn. 46 ausgeführt, für sich genommen, auch wenn die Klägerin die Absicht hatte, die Marke wirklich und tatsächlich zu benutzen, und obgleich sie insbesondere im Zusammenhang mit Fahrradmessen unmittelbar nach dem maßgeblichen Zeitraum als Folge dieser vorbereitenden Maßnahmen Bestellungen erhalten hatte, nicht als Beleg einer ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke angesehen werden. Daher hätte eine ergänzende Marktanalyse durch die Beschwerdekammer weder die Beurteilung des Vorbringens der Klägerin ändern können noch hätte sie zu dem Ergebnis führen können, dass die Klägerin eine mit ihrer Teilnahme an Fahrradmessen und mit nachfolgenden Bestellungen in Zusammenhang stehende ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke während des maßgeblichen Zeitraums nachgewiesen hätte.

55      Zur Rüge hinsichtlich des Vorliegens eines berechtigten Grundes für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke ist einleitend darauf hinzuweisen, dass Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 Verfahrensvorschriften enthält, die sich u. a. mit der Ermittlung des Sachverhalts durch das EUIPO beschäftigen. In diesem Abs. 1 finden sich hingegen keine Bestimmungen über das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung einer Marke. Demnach ist es ohne Belang, dass sich die Klägerin als Rechtsgrundlage für ihre Argumentation zum Vorliegen eines berechtigten Grundes für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke auf diesen Absatz beruft.

56      Die Klägerin scheint allerdings der Sache nach insoweit einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 geltend zu machen, als darin vorgesehen ist, dass eine eingetragene Marke nicht für verfallen erklärt wird, wenn berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung während des zu berücksichtigenden Zeitraums vorliegen. Da der erste Klagegrund auf Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 gestützt wird, ist nämlich davon auszugehen, dass sich die Klägerin auch implizit auf diesen Artikel beruft, um im zweiten Klagegrund ihre Rüge zum Vorliegen eines berechtigten Grundes für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke zu untermauern.

57      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können allein die Hindernisse, die einen ausreichend unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen, ihre Benutzung unmöglich oder unzumutbar machen und vom Willen des Markeninhabers unabhängig sind, als „berechtigte Gründe“ für die Nichtbenutzung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 angesehen werden. Es ist jeweils im konkreten Fall zu prüfen, ob eine Änderung der Unternehmensstrategie zur Umgehung des jeweiligen Hindernisses die Benutzung der Marke unzumutbar machen würde (Urteile vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, EU:C:2007:340, Rn. 54, und vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 96).

58      Aus der Rechtsprechung ergibt sich weiterhin, dass sich der Begriff „berechtigte Gründe“ auf nicht mit dem Markeninhaber zusammenhängende Gründe bezieht, nicht aber auf Umstände, die mit seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zusammenhängen (vgl. Urteil vom 18. März 2015, SMART WATER, T‑250/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:160, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner kann der Wechsel des Markeninhabers keinen berechtigten Grund für die Nichtbenutzung der Marke darstellen (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2016, Eveready Battery Company/EUIPO – Hussain [POWER EDGE], T‑824/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:614, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Es obliegt dem in Anspruch genommenen Markeninhaber, beim EUIPO hinreichende Beweise für das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung der Marke vorzulegen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2021, Acciona/EUIPO – Agencia Negociadora PB [REACCIONA], T‑362/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:399, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit genügt es, wenn berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke während eines Teils des maßgeblichen Zeitraums vorliegen, um zu verhindern, dass diese Marke für verfallen erklärt wird (Urteil vom 13. Dezember 2018, C=Holdings/EUIPO – Trademarkers [C=commodore], T‑672/16, EU:T:2018:926, Rn. 65).

60      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass es während der letzten Monate des maßgeblichen Zeitraums in Anbetracht der Saisonalität und der Besonderheiten des Fahrradmarkts einen berechtigten Grund für die Nichtbenutzung der Marke gegeben habe.

61      Die Klägerin hat allerdings, wie oben in Rn. 47 festgestellt, ihren Vortrag zur Saisonalität des Fahrradmarkts und zu deren mutmaßlichem Einfluss auf das Funktionieren dieses Marktes nicht untermauert. Abgesehen davon gelten die allgemeinen Bedingungen des relevanten Marktes, nach denen die Nachfrage und die Vermarktung der betreffenden Waren während bestimmter Zeiträume des Jahres deutlich höher sein sollen, für alle Wirtschaftsteilnehmer der Branche und gehören zu den allgemeinen Marktbedingungen. Folglich weisen sie keinen hinreichend unmittelbaren Zusammenhang mit einer eingetragenen Marke auf, so dass sie nicht als berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung während anderer Zeiträume des Jahres eingestuft werden können. Daher eignet sich die wirtschaftliche Bedeutung der großen Fahrradmessen im Sommer nicht, um das Vorliegen eines berechtigten Grundes für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke in den Vormonaten darzutun. Da der Klägerin der Nachweis eines solchen Grundes nicht gelungen ist, ist die vorliegende Rüge somit als unbegründet zurückzuweisen.

62      Daher ist der zweite Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

63      Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über die Zulässigkeit der Anträge der Klägerin auf Zurückweisung des Verfallsantrags zu befinden wäre.

 Kosten

64      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

65      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die KTM Fahrrad GmbH trägt die Kosten.

Costeira

Zilgalvis

Dimitrakopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. September 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.