URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
4. Februar 1998 (1)
„Schadensersatzklage Außervertragliche Haftung Milch Zusatzabgabe
Referenzmenge Umstellungsverpflichtung Zwangsversteigerung eines
Betriebes Schaden Kausalzusammenhang Verjährung“
In der Rechtssache T-246/93
Günther Bühring, wohnhaft in Elsfleth (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter:
Prof. Dr. Hagen Lichtenberg, Bergiusstraße 11, Bremen,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch Rechtsberater Arthur Brautigam als
Bevollmächtigten, Beistände: Rechtsanwälte Hans-Jürgen Rabe und Georg
M. Berrisch, Hamburg und Brüssel, Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro
Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen
Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Dierk Booß,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Beistände: Rechtsanwälte Hans-Jürgen
Rabe und Georg M. Berrisch, Hamburg und Brüssel, Zustellungsbevollmächtigter:
Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Ersatz des Schadens, den der Kläger durch die Anwendung der Verordnung
(EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die
Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im
Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der durch die Verordnung
(EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 (ABl. L 132, S. 11)
ergänzten Fassung erlitten hat, gemäß Artikel 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio, der Richterin V. Tiili und des Richters
R. M. Moura Ramos,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Juni 1997,
folgendes
Urteil
Rechtslage
- 1.
- Um einen Überschuß bei der Milcherzeugung in der Gemeinschaft zu verringern,
erließ der Rat am 17. Mai 1977 die Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 zur
Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und
Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1).
In dieser Verordnung wurde den Erzeugern als Gegenleistung für die Übernahme
einer für einen Zeitraum von fünf Jahren geltenden Verpflichtung zur
Nichtvermarktung oder Umstellung der Bestände eine Prämie angeboten.
- 2.
- Um der anhaltenden Überproduktion entgegenzuwirken, erließ der Rat am 31.
März 1984 die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 (ABl. L 90, S. 10) zur Änderung der
Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame
Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13). Durch den
neuen Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 wurde eine „Zusatzabgabe“ auf die
von den Erzeugern gelieferten Milchmengen eingeführt, die über eine
„Referenzmenge“ hinausgehen.
- 3.
- In der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über
Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung
(EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) wurde
für jeden Erzeuger auf der Grundlage der in einem Referenzjahr und zwar dem
Kalenderjahr 1981, wobei die Mitgliedstaaten die Möglichkeit hatten, statt dessen
das Kalenderjahr 1982 oder das Kalenderjahr 1983 zu wählen gelieferten
Erzeugung die Referenzmenge festgesetzt. Diese Verordnung wurde durch die
Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den
Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung
(EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) ergänzt.
- 4.
- Mit Urteilen vom 28. April 1988 in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988,
2321; im folgenden: Urteil Mulder I) und 170/86 (von Deetzen, Slg. 1988, 2355)
erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 857/84 in der durch die Verordnung
Nr. 1371/84 ergänzten Fassung wegen Verletzung des Grundsatzes des
Vertrauensschutzes für ungültig.
- 5.
- Um den genannten Urteilen nachzukommen, erließ der Rat die Verordnung
(EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr.
857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der
Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 84,
S. 2). Nach dieser Änderungsverordnung erhielten die Erzeuger, die
Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen eingegangen waren, eine
(auch „Quote“ genannte) „spezifische“ Referenzmenge.
- 6.
- Einer der Erzeuger, die die zur Feststellung der Ungültigkeit der Verordnung Nr.
857/84 führende Klage eingereicht hatten, hatte inzwischen zusammen mit anderen
Erzeugern gegen den Rat und die Kommission Klage auf Ersatz des durch die
Nichtzuteilung einer Referenzmenge aufgrund dieser Verordnung erlittenen
Schadens erhoben.
- 7.
- Mit Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und
C-37/90 (Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061; im folgenden: Urteil
Mulder II) entschied der Gerichtshof, daß die Gemeinschaft für diese Schäden
hafte. Er setzte den Parteien für die Einigung über die Höhe der Entschädigung
eine Frist von einem Jahr. Da die Parteien keine Einigung erzielten, wurde das
Verfahren wiedereröffnet, damit der Gerichtshof im Endurteil über die Bemessung
des Schadensersatzes entscheiden kann.
- 8.
- Angesichts der großen Zahl betroffener Erzeuger und der Schwierigkeiten bei der
Aushandlung individueller Lösungen veröffentlichten der Rat und die Kommission
am 5. August 1992 die Mitteilung 92/C 198/04 (ABl. C 198, S. 4; im folgenden:
Mitteilung oder Mitteilung vom 5. August 1992). Unter Hinweis auf die
Auswirkungen des Urteils Mulder II, und um dessen volle Wirksamkeit zu
gewährleisten, brachten die Organe ihren Willen zum Ausdruck, die praktischen
Modalitäten für die Entschädigung der betroffenen Erzeuger zu erlassen. Sie
verpflichteten sich, bis zum Erlaß dieser Modalitäten gegenüber allen
entschädigungsberechtigten Erzeugern von der Geltendmachung der Verjährung
gemäß Artikel 43 der EWG-Satzung des Gerichtshofes abzusehen. Die
Verpflichtung war jedoch an die Bedingung geknüpft, daß der
Entschädigungsanspruch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Mitteilung oder
zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Erzeuger an eines der Organe wandte, noch
nicht verjährt war. Schließlich versicherten die Organe den Erzeugern, daß ihnen
keine Nachteile entstehen könnten, wenn sie sich zwischen der Veröffentlichung
der Mitteilung und dem Erlaß der praktischen Modalitäten für die Entschädigung
nicht meldeten.
Sachverhalt
- 9.
- Am 30. September 1979 ging der Kläger, der in Deutschland Milch erzeugte, im
Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 eine Verpflichtung zur Umstellung seines
Rinderbestands ein.
- 10.
- Die Verpflichtung des Klägers, die am 29. März 1984 endete, galt auch während
des aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 gewählten Referenzjahres. Da der Kläger
während dieses Jahres keine Milch erzeugt hatte, konnte er keine Referenzmenge
erhalten und infolgedessen auch keine von der Zusatzabgabe freie Milchmenge
vermarkten.
- 11.
- Der Kläger hatte bei mehreren Banken Kredite aufgenommen; nachdem es ihm
nicht gelungen war, seine Verpflichtungen zu erfüllen, ließen seine Gläubiger seinen
Betrieb am 25. März 1986 zwangsversteigern.
- 12.
- Am 26. Juni 1989, nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 764/89, beantragte
der Kläger die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge. Dieser Antrag wurde
von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems mit Bescheid vom 28. Juni 1989 mit
der Begründung abgelehnt, daß der Kläger keinen landwirtschaftlichen Betrieb
mehr besitze. Nach Zurückweisung des dagegen eingelegten Widerspruchs am 3.
Dezember 1992 erhob der Kläger am 29. Dezember 1992 beim Verwaltungsgericht
Oldenburg Klage gegen diesen Bescheid.
- 13.
- Außerdem erhob der Kläger Klage gegen die Landwirtschaftskammer Weser-Ems
auf Ersatz des Schadens, den er durch angebliche Fehler eines Angestellten dieser
Kammer bei der Stellung seines Antrags auf Umstellungsprämie erlitten hatte. Die
Klage wurde vom Landgericht und vom Oberlandesgericht Oldenburg wegen
Verjährung abgewiesen und anschließend vor den Bundesgerichtshof gebracht.
- 14.
- Mit der vorliegenden Klage nach Artikel 178 und 215 EWG-Vertrag begehrt der
Kläger Ersatz des Schadens, den er dadurch erlitten hat, daß die Verordnung Nr.
857/84 für Erzeuger in seiner Lage die Gewährung einer Referenzmenge nicht
vorsah.
Verfahren
- 15.
- Die Klageschrift ist am 30. April 1993 beim Gerichtshof eingereicht worden. Mit
am selben Tag eingereichter Antragsschrift hat der Kläger die Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe beantragt.
- 16.
- Durch Entscheidung des Gerichtshofes vom 14. September 1993 ist das Verfahren
bis zur Verkündung des Endurteils in den verbundenen Rechtssachen C-104/89
(Mulder u. a./Rat und Kommission) und C-37/90 (Heinemann/Rat und
Kommission) (siehe oben, Randnr. 7) ausgesetzt worden.
- 17.
- Durch Beschluß vom 27. September 1993 hat der Gerichtshof die Rechtssache
gemäß Artikel 3 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24.
Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen
Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom,
EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht
verwiesen. Die Rechtssache ist unter der Nummer T-246/93 in das Register des
Gerichts eingetragen worden.
- 18.
- Nach dem Erlaß prozeßleitender Maßnahmen in den Milchquotenstreitigkeiten hat
das Gericht mit Beschluß vom 14. September 1994 die Fortsetzung des Verfahrens
in der vorliegenden Rechtssache angeordnet.
- 19.
- Das schriftliche Verfahren ist am 16. Februar 1995 mit der Einreichung der
Gegenerwiderung abgeschlossen worden.
- 20.
- Mit Beschluß vom 4. Dezember 1995 hat das Gericht dem Kläger
Prozeßkostenhilfe bewilligt.
- 21.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die
mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Parteien
sind in der Sitzung vom 25. Juni 1997 angehört worden.
Anträge der Parteien
- 22.
- Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, ihm 2 362 400 DM Schadensersatz sowie 8 %
Zinsen daraus vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils an gerechnet zu
zahlen, wobei die Entschädigung einen Betrag von 1 500 000 DM wegen des
Verlusts des Betriebes nach dessen Zwangsversteigerung, einen Betrag von
504 000 DM wegen des dem Kläger entgangenen Gewinns, den dieser durch
das Verleasen der Referenzmenge hätte erzielen können, und einen Betrag
von 358 400 DM als Wert dieser ihm vorenthaltenen Referenzmenge
umfaßt;
den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 23.
- Der Rat und die Kommission beantragen,
die Klage als unzulässig abzuweisen;
hilfsweise die Klage als unbegründet abzuweisen;
dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
Zum Fehlen der Passivlegitimation
Vorbringen der Parteien
- 24.
- Die Beklagten tragen vor, wie sich aus der Rechtsprechung (Urteil des
Gerichtshofes vom 13. November 1973 in den verbundenen Rechtssachen 63/72 bis
69/72, Werhahn u. a./Rat, Slg. 1973, 1229, Randnrn. 6 bis 8) ergebe, könne nur die
Gemeinschaft Anspruchsgegner und damit Beklagte im Rahmen einer auf Artikel
215 EG-Vertrag gestützten Klage sein. Da in der Klageschrift der Rat und die
Kommission als Beklagte bezeichnet würden, werde die Klage gegen Organe
erhoben, die keine Passivlegitimation besäßen.
- 25.
- Der Kläger hat sich zu dieser Einrede der Unzulässigkeit nicht geäußert.
Beurteilung durch das Gericht
- 26.
- Nach ständiger Rechtsprechung wird die Gemeinschaft, wenn durch das Verhalten
eines oder mehrerer ihrer Organe ihre Haftung ausgelöst wird, vor den Gerichten
der Gemeinschaft durch das Organ oder die Organe vertreten, dem oder denen das
die Haftung auslösende Verhalten zur Last gelegt wird. Die Tatsache, daß die
Klage gegen die Organe und nicht ausdrücklich gegen die Gemeinschaft gerichtet
ist, kann die Unzulässigkeit der Klage nicht begründen, wenn hierdurch die
Verfahrensrechte nicht beeinträchtigt werden (Urteil Werhahn u. a./Rat, a. a. O.,
Randnrn. 7 und 8).
- 27.
- Im vorliegenden Fall haben die Beklagten keine Beeinträchtigung ihrer Rechte
geltend gemacht. Diese Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen Artikel 44 der Verfahrensordnung
Vorbringen der Parteien
- 28.
- Die Beklagten tragen vor, der Kläger beantrage gleichzeitig Ersatz des Schadens,
der sich aus der unterbliebenen Verwertung einer Referenzmenge durch ihn selbst
ergebe, und des Schadens, der sich aus der Nichtverwertung derselben Menge
durch Pächter ergebe. Dies laufe auf die Kumulierung von zwei Schadensposten
hinaus, die einander ausschlössen. Soweit die Klageschrift sich auf den Wert der
Referenzmenge beziehe, die dem Kläger vorenthalten worden sei, enthalte sie
keinen schlüssigen Vortrag; die Klage sei insoweit nach Artikel 44 der
Verfahrensordnung unzulässig.
- 29.
- Der Kläger macht geltend, eine Milchquote nach der Verordnung Nr. 857/87 stelle
ein eigenständiges betriebliches Wirtschaftsgut dar, dessen Substanzwert selbständig
neben dem Nutzungswert stehe und nicht entfalle, wenn die Nutzung der Quote
vorübergehend einem Dritten überlassen werde. Da der Kläger keine Quote nach
dieser Verordnung erhalten habe, umfasse der erlittene Schaden nicht nur die
entgangene Nutzung dieser Quote, sondern auch deren Substanzwert. Die
Klageschrift enthalte alle Angaben zu diesem Schadensposten.
Würdigung durch das Gericht
- 30.
- Nach Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung muß die Klageschrift den
Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten.
- 31.
- Die Klageschrift entspricht diesen Anforderungen.
- 32.
- In diesem Schriftsatz bezeichnet der Kläger nämlich die Artikel 178 und 215 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage seiner Klage, macht die Haftung der Beklagten
aufgrund der Anwendung der Verordnung Nr. 857/84 in der durch die Verordnung
Nr. 1371/84 ergänzten Fassung geltend, beschreibt den der Rechtssache zugrunde
liegenden Sachverhalt, bezeichnet drei Schadensposten, deren Ersatz beantragt
wird, beziffert jeden dieser Posten und beantragt die Verurteilung der Beklagten
zur Zahlung der entsprechenden Beträge.
- 33.
- Die Frage, ob der Kläger gleichzeitig Ersatz des Schadens, der sich aus der
unterbliebenen Verwertung einer Referenzmenge durch ihn selbst ergibt, und des
Schadens, der sich aus der unterbliebenen Verwertung derselben Menge durch
Pächter ergibt, fordern kann, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage
der Begründetheit, über die gegebenenfalls bei der Prüfung der Begründetheit zu
entscheiden ist.
- 34.
- Diese Einrede der Unzulässigkeit ist somit zurückzuweisen.
Zur Haftung der Gemeinschaft
Vorbringen der Parteien
- 35.
- Der Kläger trägt vor, er gehöre zu der Gruppe von Landwirten, die dadurch einen
Schaden erlitten hätten, daß die Verordnung Nr. 857/84 keine Referenzmenge für
die Landwirte vorgesehen habe, die wegen der nach der Verordnung Nr. 1078/77
übernommenen Verpflichtungen im Referenzjahr keine Milch geliefert hätten. Der
vorliegende Sachverhalt entspreche daher der Lage in den Rechtssachen, die Anlaß
zum Urteil Mulder II gegeben hätten; die Beklagten hafteten für den verursachten
Schaden.
- 36.
- Die Zwangsversteigerung seines Betriebes sei nicht die Folge einer Überschuldung
oder eines Mißmanagements gewesen, die ihm zuzurechnen wären. Sein Betrieb sei
bei Auslaufen der Umstellungsverpflichtung durchaus lebensfähig gewesen. Der
Kläger stützt sich auf Prüfberichte der Landwirtschaftskammer Weser-Ems und des
Niedersächsischen Bauernbundes und macht geltend, daß es ihm möglich gewesen
wäre, die Milcherzeugung wiederaufzunehmen. Zwar habe er sich aufgrund der
Verluste, die er infolge seines Antrags auf Umstellungsprämie erlitten habe,
verschulden müssen, die Beklagten selbst hafteten aber für diese Verluste im
Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 1078/77.
- 37.
- Es bestehe demzufolge ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der
Nichtzuteilung einer Referenzmenge und der Zwangsversteigerung des Betriebes
des Klägers. Für die Aufrechterhaltung des Betriebes sei die Zuteilung der Quote
eine grundlegende Voraussetzung gewesen; die fehlende Quote habe die
Grundlagen der betrieblichen Tätigkeit beseitigt.
- 38.
- Die Beklagten bestreiten die Behauptungen des Klägers.
- 39.
- Was den mit dem Verlust des landwirtschaftlichen Betriebes durch die
Zwangsversteigerung zusammenhängenden Schadensposten angeht, tragen sie vor,
die Voraussetzungen des Artikels 215 Absatz 2 EG-Vertrag seien nicht erfüllt. Der
Kläger sei nämlich allein verantwortlich; zumindest fehle es an dem nach der
Rechtsprechung erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Verordnung Nr.
857/84 und dem Schaden, der durch sie ausgelöst worden sein solle.
- 40.
- Allein die wirtschaftlichen Entscheidungen, die der Kläger 1979 getroffen habe,
hätten zur Zwangsversteigerung seines Hofes geführt. Seit Anfang 1984 sei er
derart verschuldet gewesen, daß es ihm unmöglich gewesen wäre, die zur
Wiederaufnahme des Betriebes erforderlichen Investitionen zu tätigen. Das werde
durch den Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts Brake vom 16. Mai 1986 bestätigt,
der zeige, daß die Verbindlichkeiten des Klägers im Jahr 1984 den Wert des
Inventars des Betriebes überstiegen hätten.
- 41.
- Somit sei der Betrieb des Klägers bereits bei Auslaufen der
Umstellungsverpflichtung im März 1984 nicht mehr lebensfähig gewesen. Daß dem
Kläger später keine Referenzmenge zugeteilt worden sei, habe sich daher auf den
wirtschaftlichen Niedergang seines Betriebes nicht mehr ausgewirkt.
- 42.
- In Anbetracht der wirtschaftlichen Lage des Klägers habe die Nichtzuteilung einer
Referenzmenge allenfalls seine finanziellen Schwierigkeiten vergrößern und zur
Zwangsversteigerung des Betriebes beitragen können. Dies reiche jedoch nicht aus,
um eine Haftung der Gemeinschaft für normatives Handeln zu begründen.
- 43.
- Dabei werde der Kausalzusammenhang insoweit unterbrochen, da ein Schaden, den
der Kläger durch fehlende Weitsicht oder durch Mißmanagement zumindest
mitverursacht habe, in erster Linie auf ein Verhalten des Geschädigten
zurückzuführen sei (Urteile des Gerichtshofes vom 4. Februar 1975 in der
Rechtssache 169/73, Compagnie Continentale France/Rat, Slg. 1975, 117, 135, und
vom 29. September 1982 in der Rechtssache 26/81, Oleifici Mediterranei/EWG, Slg.
1982, 3057, 3079).
- 44.
- Zum zweiten geltend gemachten Schadensposten, der sich darauf bezieht, daß der
Kläger die Referenzmenge in der Zeit zwischen dem 1. April 1984 und dem 31.
März 1993 nicht habe verleasen können, tragen die Beklagten vor, dafür könne es
keinen Schadensersatz geben.
- 45.
- Das Verleasen der Referenzmenge hätte nämlich nur für den Zeitraum zwischen
dem Ende der Umstellungsverpflichtung und dem 25. März 1986, dem Tag der
Zwangsversteigerung des Betriebes, ins Auge gefaßt werden können. Während
dieses Zeitraums habe Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 in Verbindung mit
Artikel 7 der Verordnung Nr. 857/84 das Verleasen von Referenzmengen aber
nicht zugelassen; dies habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. Oktober 1991
in der Rechtssache C-44/89 (von Deetzen, Slg. 1991, I-5119) nicht als Verstoß
gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes angesehen. Während des Zeitraums,
in dem der Kläger eine Referenzmenge hätte erhalten können, sei es folglich nicht
möglich gewesen, diese Menge zu verleasen.
- 46.
- Was den dritten geltend gemachten Schadensposten angeht, der nach Angabe des
Klägers dem Wert der ihm vorenthaltenen Referenzmenge entspricht, tragen die
Beklagten vor, er könne allenfalls dem entgangenen Gewinn entsprechen, der sich
daraus ergeben habe, daß der Kläger die Referenzmenge nicht selbst habe
verwerten können. Seit der Zwangsversteigerung seines Betriebes im Jahr 1986
habe der Kläger jedoch keine Milch mehr erzeugen und dementsprechend für die
folgenden Milchwirtschaftsjahre auch keine Referenzmengen mehr erhalten
können.
Würdigung durch das Gericht
- 47.
- Wie die Beklagten in ihrer Mitteilung vom 5. August 1992 (Nrn. 1 und 3) selbst
anerkannt haben, geht aus dem Urteil Mulder II hervor, daß die Gemeinschaft
jedem Erzeuger haftet, der dadurch einen zu ersetzenden Schaden erlitten hat, daß
er aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 an der Milchlieferung gehindert war (siehe
auch Urteil des Gerichts vom 16. April 1997 in der Rechtssache T-20/94,
Hartmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-595, Nr. 71).
- 48.
- Nach den zu den Akten gegebenen, von den Beklagten nicht beanstandeten
Unterlagen befindet sich der Kläger in der gleichen Lage wie die Erzeuger, auf die
sich das Urteil Mulder II bezieht. Nachdem er im Rahmen der Verordnung Nr.
1078/77 eine Umstellungsverpflichtung eingegangen war, wurde ihm bei Ablauf
dieser Verpflichtung die Zuteilung einer Referenzmenge aufgrund der Verordnung
Nr. 857/84 verweigert.
- 49.
- Somit hat er Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Anwendung dieser
Verordnung entstandenen Schadens durch die Beklagten.
- 50.
- Aus dem Urteil Mulder II geht hervor, daß Ersatz für den Schaden zu leisten ist,
der sich daraus ergibt, daß dem Geschädigten in der Zeit zwischen der Anwendung
der Verordnung Nr. 857/84 in ihrer ursprünglichen Fassung auf den einzelnen
Erzeuger und der Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge an diese Erzeuger
aufgrund der Verordnung Nr. 764/89 eine Referenzmenge vorenthalten worden ist.
- 51.
- Der Kläger, dem 1984 eine Referenzmenge aufgrund der Verordnung Nr. 857/84
zu Unrecht verweigert worden war, konnte jedoch nach dem 25. März 1986, dem
Tag, an dem der Betrieb, für den er 1978 eine Umstellungsverpflichtung
eingegangen war, zwangsversteigert wurde, keinen Anspruch mehr auf eine
derartige Menge haben. Da die Referenzmenge in Verbindung mit einer
bestimmten Fläche zugeteilt wird (Urteile des Gerichtshofes vom 27. Januar 1994
in der Rechtssache C-98/91, Herbrink, Slg. 1994, I-223, Randnr. 13, und vom 17.
April 1997 in der Rechtssache C-15/95, Earl de Kerlast, Slg. 1997, I-1961, Randnr.
17), konnte dem Kläger nämlich eine solche Menge von dem Zeitpunkt an, in dem
er nicht mehr Eigentümer dieser Fläche war, nicht mehr zugeteilt werden.
- 52.
- Der zu ersetzende Schaden, den der Kläger dadurch erlitten hat, daß ihm diese
Menge vorenthalten worden ist, kann folglich nur der bis zum 25. März 1986
eingetretene Schaden sein.
- 53.
- Vor der Festsetzung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist zu prüfen, ob und
inwieweit der Anspruch des Klägers verjährt ist.
Zur Verjährung
Vorbringen der Parteien
- 54.
- Der Kläger macht geltend, die Beklagten könnten sich nicht auf Verjährung
berufen, da sie in ihrer Mitteilung vom 5. August 1992 darauf verzichtet hätten.
Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlange, daß die Gemeinschaftsorgane die
Stellungnahmen, die sie abgegeben hätten und die einen Vertrauenstatbestand bei
den Erzeugern geschaffen hätten, gegen sich gelten ließen. Sie könnten sich daher
später nicht auf Verjährung berufen.
- 55.
- Zudem seien die Ansprüche des Klägers nicht verjährt. Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofes (Urteile vom 27. Januar 1982 in den verbundenen Rechtssachen
256/80, 257/80, 265/80, 267/80 und 5/81, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission,
Slg. 1982, 85, und in der Rechtssache 5/81, De Franceschi/Rat und Kommission,
Slg. 1982, 117; im folgenden: Urteile Birra Wührer und De Franceschi) beginne der
Lauf der Verjährungsfrist erst in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte Kenntnis
vom Schaden und der Schädigungshandlung habe. Es sei unbedingt erforderlich,
daß der Geschädigte die tatsächlichen und rechtlichen Umstände hinreichend
beurteilen könne. Im vorliegenden Fall sei dies erst mit der Bekanntmachung des
Urteils Mulder II möglich gewesen; erst von diesem Zeitpunkt an habe
festgestanden, daß die Gemeinschaftsorgane gegenüber den Erzeugern haftbar
gewesen seien.
- 56.
- Selbst wenn man annehme, daß die Verjährung mit der Zwangsversteigerung des
Betriebes 1986 begonnen habe, sei sie durch die Verordnung Nr. 764/89
unterbrochen worden; durch diese nach dem Urteil Mulder I erlassene Verordnung
hätten die sich aus den Mängeln der Verordnung Nr. 857/84 in ihrer ursprünglichen
Fassung ergebenden Schadensersatzansprüche geregelt werden sollen.
- 57.
- Hierbei beruft der Kläger sich im übrigen auf die Klage, die er vor dem
zuständigen nationalen Gericht gegen den Bescheid erhoben habe, durch den ihm
eine Referenzmenge im Rahmen der Verordnung Nr. 764/89 verweigert worden sei
(siehe oben, Randnr. 12).
- 58.
- Schließlich macht er geltend, sein Anspruch könne auch in Anbetracht dessen nicht
verjährt sein, daß er sich bereits 1992 nach dem Erlaß des Urteils Mulder II an die
Kommission gewandt habe, um über die Möglichkeit einer gütlichen Einigung zuverhandeln.
- 59.
- Die Beklagten tragen vor, der Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten
Schadens sei verjährt. Der Lauf der in Artikel 43 der EWG-Satzung vorgesehenen
Verjährungsfrist beginne bei einem durch einen Rechtsetzungsakt verursachten
Schaden in dem Zeitpunkt, in dem dem Kläger ein sicherer Schaden entstanden sei
(Urteile Birra Wührer und De Franceschi, Randnr. 10).
- 60.
- Im vorliegenden Fall sei der angebliche Schaden durch die Verordnung Nr. 857/84
verursacht worden. Er sei aber bereits mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung am
1. April 1984 hinreichend konkretisiert gewesen, da von diesem Tag an
festgestanden habe, daß der Kläger keine Referenzmenge erhalten werde.
Zumindest habe der Lauf der Frist aber am 26. März 1986, dem Tag nach der
Zwangsversteigerung des Betriebes, begonnen. Der Anspruch des Klägers sei daher
am 26. März 1991, fünf Jahre nach der Zwangsversteigerung und somit vor der
Erhebung der Klage verjährt gewesen.
- 61.
- Entgegen dem Vorbringen des Klägers seien weder der Zeitpunkt der Feststellung
der Ungültigkeit der Verordnung Nr. 857/84 durch den Gerichtshof im Urteil
Mulder I und der Zeitpunkt der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs im
Urteil Mulder II der Beginn der Verjährungsfrist. Nur die Kenntnis des
schadenstiftenden Ereignisses, nicht die Feststellung der Ungültigkeit der
Verordnung oder der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs sei zu
berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der
Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539, Randnr. 50).
- 62.
- Auch hätte nur die rechtzeitige Erhebung der Klage den Lauf der Verjährungsfrist
unterbrechen können.
- 63.
- Aus Artikel 43 Satz 2 der EWG-Satzung gehe hervor, daß der Erlaß von
Rechtsakten nicht zur Unterbrechung der Verjährung führe. Der Erlaß der
Verordnung Nr. 764/89 sei daher für die Verjährung unerheblich.
- 64.
- Auch trete die Verjährungsunterbrechung nicht bereits aufgrund der Erhebung
einer Klage vor nationalen Gerichten ein. Im übrigen habe sich diese Klage im
vorliegenden Fall nicht auf die Haftung der Gemeinschaft bezogen.
- 65.
- Der in der Mitteilung vom 5. August 1992 enthaltene Einredeverzicht habe nur
solche Ansprüche betroffen, die in diesem Zeitpunkt oder in dem Zeitpunkt, zu
dem sich der Erzeuger an eines der Organe gewandt habe, noch nicht verjährt
gewesen seien. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei aber am 26.
März 1991, vor der Veröffentlichung dieser Mitteilung, verjährt; der Kläger habe
sich nicht rechtzeitig an die Organe gewandt.
Würdigung durch das Gericht
- 66.
- Die Verjährung nach Artikel 43 der EWG-Satzung, der gemäß Artikel 46 der
EWG-Satzung für das Verfahren vor dem Gericht gilt, beginnt, wenn alle
Voraussetzungen der Ersatzpflicht erfüllt sind, insbesondere in Fällen, in denen
die Haftung auf einen Rechtsetzungsakt zurückgeht nicht vor Eintritt der
Schadensfolgen dieses Aktes (Randnrn. 10 der Urteile Birra Wührer und De
Franceschi, und Randnr. 7 des Urteils Hartmann/Rat und Kommission, a. a. O.).
- 67.
- Im vorliegenden Fall ist der Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, daß
er keine Referenzmenge verwerten konnte, von dem Tag an eingetreten, an dem
der Kläger die Milchlieferungen hätte wiederaufnehmen können, wenn ihm die
Referenzmenge nicht verweigert worden wäre, d. h. ab 1. April 1984, dem Tag, an
dem die Verordnung Nr. 857/84 auf ihn angewendet wurde. An diesem Tag waren
daher die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die
Gemeinschaft erfüllt; damit begann die Verjährung.
- 68.
- Die Auffassung des Klägers, die Verjährung laufe erst ab der Feststellung der
Ungültigkeit der Verordnung Nr. 857/84 durch das Urteil Mulder I, geht fehl. Wie
das Gericht bereits entschieden hat, würde diese Auffassung nämlich dazu führen,
daß das Recht zur Erhebung einer Schadensersatzklage von der vorherigen
Nichtigerklärung oder Feststellung der Ungültigkeit der schadenstiftenden
Handlung abhängig wäre. Sie verkennt damit die Eigenständigkeit der
Schadensersatzklage nach den Artikeln 178 und 215 EG-Vertrag gegenüber der
Nichtigkeitsklage, die die Erhebung einer Schadensersatzklage ohne vorherige
Nichtigkeitsklage erlaubt und folglich einen verstärkten Schutz der Bürger
gewährleistet (siehe Urteil Hartmann/Rat und Kommission, a. a. O., Randnr. 128).
- 69.
- Was die Frage angeht, wann der Schaden eingetreten ist, ist festzustellen, daß nicht
der gesamte Schaden zum gleichen Zeitpunkt entstanden ist. Vielmehr sind,
solange der Kläger keine Referenzmenge erhalten konnte, täglich Einzelschäden
entstanden (siehe Urteil Hartmann/Rat und Kommission, a. a. O., Randnr. 132).
Der Schadensersatzanspruch betrifft daher alle die Tage, während deren eine
Vermarktung nicht möglich war.
- 70.
- Da der Kläger seinen Betrieb am 25. März 1986 verloren hat, hatte er jedoch von
diesem Zeitpunkt an keinen Anspruch mehr auf eine Referenzmenge (siehe oben,
Randnrn. 51 und 52). Er hat folglich nach diesem Zeitpunkt keinen mit der
Anwendung der Verordnung Nr. 857/84 zusammenhängenden Schaden mehr
erlitten; sein gesamter Schaden einschließlich des Verlustes des Betriebes waren
bereits bekannt. Die Verjährung war daher fünf Jahre nach dem 25. März 1986,
d. h. am 25. März 1991 vollendet.
- 71.
- Vor diesem Zeitpunkt hat der Kläger keine der in Artikel 43 der EWG-Satzung
vorgesehenen Unterbrechungshandlungen vorgenommen; er hat weder eine
Klageschrift bei einem Gericht der Gemeinschaften eingereicht noch seinen
Anspruch vorher gegenüber dem zuständigen Organ der Gemeinschaft geltend
gemacht.
- 72.
- Die Klage bei den nationalen Gerichten, auf die sich der Kläger beruft, stellt keine
Unterbrechungshandlung dar. Nur die Anrufung eines Gerichts der Gemeinschaften
hätte nämlich diese Wirkung haben können. Darüber hinaus richtete sich diese
Klage gegen den Akt der nationalen Behörden, mit dem dem Kläger eine
Referenzmenge nach der Verordnung Nr. 764/89 verweigert worden war. Sie kann
daher keine Auswirkungen auf die vorliegende Schadensersatzklage haben.
- 73.
- Die Behauptung des Klägers, er habe 1992 Verhandlungen mit der Kommission
aufgenommen, ist nicht belegt. Insbesondere legt der Kläger kein Schriftstück vor,
das eine vorherige Geltendmachung seines Anspruchs im Sinne von Artikel 43 der
EWG-Satzung darstellen könnte.
- 74.
- Schließlich ist die Verjährung entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht
durch die Verordnung Nr. 764/89 unterbrochen worden. Diese Verordnung sieht
lediglich die Zuteilung einer Referenzmenge an bestimmte Erzeuger vor. Sie kann
sich folglich nicht auf den Ersatz von vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen
Schäden auswirken. Im übrigen kommt in dieser Verordnung nirgends eine Absicht
der Organe zum Ausdruck, den Ablauf der Verjährungsfristen zu hemmen.
- 75.
- Mangels Unterbrechung oder Hemmung der spätestens am 25. März 1991
eingetretenen Verjährung ist die am 8. September 1993 eingereichte Klage somit
verspätet erhoben worden, als der damit geltend gemachte Anspruch bereits
verjährt war.
- 76.
- Dabei kann der Kläger den Beklagten das Recht, die Verjährung geltend zu
machen, nicht mit der Begründung absprechen, daß sie darauf in der Mitteilung
vom 5. August 1992 verzichtet hätten. Darin haben sich die Organe nämlich nur
unter der Voraussetzung dazu verpflichtet, die Einrede der Verjährung nicht zu
erheben, daß der Schadensersatzanspruch im Zeitpunkt der Veröffentlichung der
Mitteilung noch nicht verjährt war.
- 77.
- Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kosten
- 78.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen
unterlegen ist, sind ihm dem Antrag der Beklagten gemäß die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Februar 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Saggio