Language of document : ECLI:EU:T:2019:579

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

11. September 2019(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Begründungspflicht – Beurteilungsfehler“

In den verbundenen Rechtssachen T‑721/17 und T‑722/17

Sergey Topor-Gilka, wohnhaft in Moskau (Russland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt N. Meyer,

Kläger in der Rechtssache T‑721/17,

OOO WO Technopromexport mit Sitz in Moskau, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt N. Meyer,

Klägerin in der Rechtssache T‑722/17,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.‑P. Hix und E. Salia als Bevollmächtigte,

Beklagter,


unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch T. Henze, J. Möller und R. Kanitz, dann durch M. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

und

Europäische Kommission, vertreten durch L. Baumgart, M. Kellerbauer, T. Ramopoulos und E. Schmidt als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2017/1418 des Rates vom 4. August 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2017, L 203 I, S. 5), des Beschlusses (GASP) 2018/392 des Rates vom 12. März 2018 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2018, L 69, S. 48) und des Beschlusses (GASP) 2018/1237 des Rates vom 12. September 2018 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2018, L 231, S. 27)

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie der Richter D. Spielmann und Z. Csehi,

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die OOO WO Technopromexport (im Folgenden: OOO VO TPE), ist eine russische Ingenieursaktiengesellschaft, die zur staatlichen russischen Gesellschaft Rostec gehört und die u. a. im Bereich des Baus von Energieanlagen tätig ist.

2        Herr Sergey Topor-Gilka ist der Generaldirektor der OOO VO TPE.

3        Den vorliegenden Rechtssachen liegen restriktive Maßnahmen zugrunde, die zum Schutz der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine im Anschluss an die rechtswidrige Eingliederung zweier ukrainischer Verwaltungseinheiten, der Krim und Sewastopols, durch Annexion erlassen wurden.

4        Am 17. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16).

5        Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6).

6        In der Folge erließ der Rat am 8. September 2014 den Beschluss 2014/658/GASP zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2014, L 271, S. 47) und die Verordnung (EU) Nr. 959/2014 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2014, L 271, S. 1), um insbesondere die Kriterien zu ändern, nach denen natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen den betreffenden restriktiven Maßnahmen unterworfen werden konnten.

7        Zum einen sieht Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/145 vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um „natürlichen Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind oder solche Handlungen oder politischen Maßnahmen aktiv unterstützen oder umsetzen oder die die Arbeit von internationalen Organisationen in der Ukraine behindern, und den mit ihnen verbundenen Personen“, die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet zu verweigern. Zum anderen sieht Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b des Beschlusses 2014/145 das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen dieser natürlichen Personen oder der mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2014/145) sowie der „juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die materiell oder finanziell Handlungen unterstützen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2014/145) vor. Gemäß Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 2014/145 dürfen den in dessen Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.

8        Die Modalitäten dieser restriktiven Maßnahmen werden in den weiteren Absätzen von Art. 2 des Beschlusses 2014/145 festgelegt.

9        Die Verordnung Nr. 269/2014 in geänderter Fassung schreibt den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vor und legt deren Modalitäten in Worten fest, die mit denen des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung im Wesentlichen identisch sind. Der geänderte Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Verordnung übernimmt nämlich im Wesentlichen den geänderten Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis d dieses Beschlusses.

10      Am 23. Juni 2014 erließ der Rat den Beschluss 2014/386/GASP über Beschränkungen für Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion (ABl. 2014, L 183, S. 70) sowie die Verordnung (EU) Nr. 692/2014 über Beschränkungen für die Einfuhr von Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol in die Union als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion (ABl. 2014, L 183, S. 9).

11      In der Folge erließ der Rat am 18. Dezember 2014 den Beschluss 2014/933/GASP zur Änderung des Beschlusses 2014/386 (ABl. 2014, L 365, S. 152) und die Verordnung (EU) Nr. 1351/2014 zur Änderung der Verordnung Nr. 692/2014 (ABl. 2014, L 365, S. 46), um insbesondere die Beschränkungen und Verbote auf bestimmte Wirtschaftssektoren auszuweiten.

12      Der Beschluss 2014/386 und die Verordnung Nr. 692/2014, jeweils in geänderter Fassung, sehen ein Verbot von Investitionen in die Infrastruktur u. a. im Energiesektor und ein Ausfuhrverbot für wesentliche Ausrüstungen und Technologien für diesen Sektor vor. Insbesondere verbietet Art. 2b der Verordnung Nr. 692/2014 in geänderter Fassung, die in deren Anhang II aufgeführten Güter und Technologien an Personen oder Einrichtungen auf der Krim oder in Sewastopol oder zur Verwendung auf der Krim oder in Sewastopol zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen. Dieser Anhang II umfasst u. a. bestimmte Güter und Technologien, die für die Verwendung im Schlüsselbereich der Energie geeignet sind, darunter die in Position 8411 der Kombinierten Nomenklatur erfassten Gasturbinen.

13      Am 4. August 2017 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2017/1418 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2017, L 203 I, S. 5).

14      In den Erwägungsgründen 2 bis 5 des Beschlusses 2017/1418 heißt es insbesondere:

„(2)      Als Teil der Unionspolitik der Nichtanerkennung der rechtswidrigen Annexion der Krim und Sewastopols wurde die Lieferung wesentlicher Ausrüstung für die Errichtung, den Erwerb und die Entwicklung von Infrastrukturprojekten in wichtigen Sektoren, einschließlich des Energiesektors, auf der Krim und Sewastopol durch den Rat untersagt.

(3)      Gasturbinen, ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung neuer Kraftwerke auf der Krim, sind von Russland geliefert worden, wobei gegen die Bestimmungen des Vertrags über den ursprünglichen Verkauf der Turbinen durch ein in der Union ansässiges Unternehmen an Russland verstoßen wurde.

(4)      Mit diesen Kraftwerken sollen die Krim und Sewastopol eine unabhängige Stromversorgung erhalten und somit ihre Abtrennung von der Ukraine unterstützt und die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben werden. Zudem untergräbt dieses Handeln die Unionspolitik der Nichtanerkennung der rechtswidrigen Annexion der Krim und Sewastopols.

(5)      Infolgedessen sollten weitere Personen, Organisationen und Einrichtungen in die im Anhang des Beschlusses 2014/145/GASP enthaltene Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgenommen werden.“

15      Ebenfalls am 4. August 2017 erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1417 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2017, L 203 I, S. 1).

16      Mit dem Beschluss 2017/1418 und der Durchführungsverordnung 2017/1417 wurden die Namen der Kläger Topor-Gilka und OOO VO TPE in die Listen der Personen und Organisationen aufgenommen, gegen die sich die restriktiven Maßnahmen richten und die im Anhang des Beschlusses 2014/145 (im Folgenden: streitige Liste) und im Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 aufgeführt sind.

17      Im Beschluss 2017/1418 und in der Durchführungsverordnung 2017/1417 rechtfertigte der Rat den Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen Herrn Topor-Gilka damit, dass er ihn als „Generaldirektor von OAO ,VO TPE‘ bis zu dessen Insolvenz, Generaldirektor von OOO ,VO TPE‘“ bezeichnete und dafür die folgenden Gründe anführte:

„In seiner Eigenschaft als Generaldirektor von OAO ,VO TPE‘ führte [Herr Topor-Gilka] die Verhandlungen mit der Siemens Gas Turbine Technologies OOO über den Kauf und die Lieferung der Gasturbinen für ein Kraftwerk in Taman, Region Krasnodar, Russische Föderation. Er war verantwortlich für den Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim. Dies trägt zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol mit dem Ziel, deren Abtrennung von der Ukraine voranzutreiben, bei und untergräbt die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine.“

18      Was die OOO VO TPE betrifft, rechtfertigte der Rat den Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen sie dadurch, dass er sie als „Limited Liability Company ,Foreign Economic Association‘ ,Technopromexport‘“ bezeichnete und dafür die folgenden Gründe anführte:

„Derzeitiger Eigentümer der Gasturbinen, die ursprünglich von der Siemens Gas Turbine Technologies OOO an OAO ‚VO TPE‘ geliefert wurden. OOO ‚VO TPE‘ transportierte die Gasturbinen zwecks Installation auf der Krim weiter. Dies trägt zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol mit dem Ziel, deren Abtrennung von der Ukraine voranzutreiben, bei und untergräbt die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine.“

19      Mit Schreiben vom 4. August 2017 an die OOO VO TPE teilte der Rat ihr sowie Herrn Topor-Gilka, ihrem Generaldirektor, den Erlass des Beschlusses 2017/1418 und der Durchführungsverordnung 2017/1417 mit, führte die Gründe für die Aufnahme ihrer Namen in die streitige Liste an und wies auf die Möglichkeit hin, bei der zuständigen nationalen Behörde die Genehmigung der Freigabe bestimmter Gelder zu beantragen, beim Rat die Überprüfung der Aufnahme zu beantragen, oder den Beschluss des Rates vor dem Gericht anzufechten.

20      Am 5. August 2017 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach dem Beschluss 2017/1418 und der Durchführungsverordnung 2017/1417 unterliegen.

21      Am 14. September 2017 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2017/1561 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2017, L 237, S. 72) und die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1549 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2017, L 237, S. 44).

22      Mit dem Beschluss 2017/1561 und der Durchführungsverordnung 2017/1549 wurden die restriktiven Maßnahmen gegen die Kläger bis zum 15. März 2018 verlängert.

23      In zwei am 15. September 2017 an die Kläger gesondert gerichteten Schreiben teilte der Rat diesen den Erlass des Beschlusses 2017/1561 und der Durchführungsverordnung 2017/1549 mit und wies sie auf die Möglichkeit hin, bei der zuständigen nationalen Behörde die Genehmigung der Freigabe bestimmter Gelder zu beantragen, beim Rat die Überprüfung der Aufnahme in die Liste zu beantragen, oder den Beschluss des Rates vor dem Gericht der Europäischen Union anzufechten.

24      Am 15. September 2017 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach den angefochtenen Rechtsakten unterliegen.

 Ereignisse nach Erhebung der vorliegenden Klagen

25      Mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 teilte der Rat Herrn Topor-Gilka mit, dass er beabsichtige, die restriktiven Maßnahmen gegen ihn mit einer neuen angepassten Begründung zu verlängern, und forderte ihn auf, eine etwaige Stellungnahme dazu bis zum 12. Januar 2018 einzureichen.

26      Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 beantragte der Prozessbevollmächtigte von Herrn Topor-Gilka beim Rat, Zugang zu den Dokumenten und Informationen zu erhalten, die die Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen diesen rechtfertigten.

27      Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 antwortete der Rat auf den oben in Rn. 26 genannten Antrag und teilte ihm mit, dass die Informationen, auf die er sich gestützt habe, in den diesem Schreiben beigefügten Dokumenten enthalten seien.

28      Am 12. März 2018 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2018/392 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2018, L 69, S. 48) und die Durchführungsverordnung (EU) 2018/388 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2018, L 69, S. 11).

29      Mit dem Beschluss 2018/392 und der Durchführungsverordnung 2018/388 wurden die restriktiven Maßnahmen gegen die Kläger bis zum 15. September 2018 verlängert.

30      Die Gründe für die Beibehaltung des Namens der OOO VO TPE blieben unverändert, wohingegen die Gründe für die Aufnahme des Namens von Herrn Topor-Gilka in die Liste – wie der Rat in seinem Schreiben vom 21. Dezember 2017 angekündigt hatte – wie folgt geändert wurden:

„In seiner Eigenschaft als Generaldirektor von OAO ,VO TPE‘ führte er die Verhandlungen mit Siemens Gas Turbine Technologies OOO über den Kauf und die Lieferung der Gasturbinen für ein Kraftwerk in Taman, Region Krasnodar, Russische Föderation. Später war er als Generaldirektor von OOO ‚VO TPE‘ verantwortlich für den Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim. Dies trägt zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol mit dem Ziel, deren Abtrennung von der Ukraine voranzutreiben, bei und untergräbt die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine.“

31      Mit Schreiben vom 13. März 2018 teilte der Rat den Klägern den Erlass der oben in Rn. 30 genannten Rechtsakte mit und wies sie auf die Möglichkeit hin, bei der zuständigen nationalen Behörde die Genehmigung der Freigabe bestimmter Gelder zu beantragen, beim Rat die Überprüfung der Aufnahme in die Liste zu beantragen, oder den Beschluss des Rates vor dem Gericht anzufechten.

32      Am 13. März 2018 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union auch zwei Mitteilungen an die Personen und Organisationen, die den restriktiven Maßnahmen nach dem Beschluss 2018/392 und nach der Durchführungsverordnung 2018/388 unterliegen.

33      Am 12. September 2018 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2018/1237 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2018, L 231, S. 27) und die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1230 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2018, L 231, S. 1).

34      Mit dem Beschluss 2018/1237 und der Durchführungsverordnung 2018/1230 wurden die restriktiven Maßnahmen gegen die Kläger bis zum 15. März 2019 verlängert. Die Gründe für die Beibehaltung ihrer Namen blieben unverändert.

35      Mit Schreiben vom 14. September 2018 teilte der Rat den Klägern den Erlass der oben in Rn. 34 genannten Rechtsakte mit und wies sie auf die Möglichkeit hin, bei der zuständigen nationalen Behörde die Genehmigung der Freigabe bestimmter Gelder zu beantragen, beim Rat die Überprüfung der Aufnahme in die Liste zu beantragen, oder den Beschluss des Rates vor dem Gericht anzufechten.

 Verfahren und Anträge der Parteien

36      Mit Klageschrift, die am 17. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Herr Topor-Gilka eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2017/1418 erhoben, die unter der Rechtssachennummer T‑721/17 in das Register eingetragen worden ist.

37      Mit Klageschrift, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die OOO VO TPE eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2017/1418 erhoben, die unter der Rechtssachennummer T‑722/17 in das Register eingetragen worden ist.

38      Am 21. Dezember 2017 hat der Rat Klagebeantwortungen in der Rechtssache T‑721/17 und in der Rechtssache T‑722/17 eingereicht.

39      Am selben Tag hat der Rat gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts begründete Anträge gestellt, bestimmte Anlagen zu den Klageschriften in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssachen nicht zu zitieren.

40      Mit Beschluss des Präsidenten der Sechsten Kammer des Gerichts vom 11. Januar 2018 sind die Rechtssachen T‑721/17 und T‑722/17 nach Art. 68 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

41      Mit Schriftsätzen, die am 25. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Europäische Kommission beantragt, in den vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden.

42      Mit Schriftsätzen, die am 1. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, in den vorliegenden Rechtssachen als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden.

43      Mit Entscheidung vom 22. März 2018 gemäß Art. 144 Abs. 4 der Verfahrensordnung hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts diese Streitbeitritte zugelassen.

44      Am 23. März 2018 haben die Kläger die Erwiderung eingereicht.

45      Die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland haben ihre Streithilfeschriftsätze am 4. bzw. am 6. Mai 2018 eingereicht. Die Kläger und der Rat haben dazu fristgemäß Stellung genommen.

46      Mit Schriftsatz, der am 7. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Klageschriften gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung angepasst, um auch die Nichtigerklärung des Beschlusses 2018/392 zu beantragen (im Folgenden: erste Anpassung).

47      Am 18. Mai 2018 hat der Rat die Gegenerwiderung eingereicht.

48      Am 6. bzw. am 20. Juni 2018 haben der Rat und die Kommission zur ersten Anpassung Stellung genommen.

49      Am 22. Juni 2018 ist das schriftliche Verfahren abgeschlossen worden.

50      Mit Schriftsatz, der am 16. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

51      Mit Schriftsatz, der am 19. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Klageschriften gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung angepasst, um auch die Nichtigerklärung des Beschlusses 2018/1237 zu beantragen.

52      Am 12. bzw. am 21. November 2018 haben der Rat und die Kommission zur zweiten Anpassung der Klageschriften Stellung genommen.

53      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

54      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. März 2019 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

55      In den verbundenen Rechtssachen T‑721/17 und T‑722/17 beantragen die Kläger,

–        den Beschluss 2017/1418, den Beschluss 2018/392 und den Beschluss 2018/1237 (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse) für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen.

56      Der Rat beantragt in den verbundenen Rechtssachen T‑721/17 und T‑722/17,

–        die Klagen abzuweisen;

–        die Anpassungen der Klageschriften zurückzuweisen;

–        hilfsweise, für den Fall einer teilweisen Nichtigerklärung des Beschlusses 2017/1418 oder des Beschlusses 2018/392 und des Beschlusses 2018/1237, die Wirkungen dieser Beschlüsse bis zur Wirksamkeit von deren Nichtigerklärung aufrechtzuerhalten;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

57      In den verbundenen Rechtssachen T‑721/17 und T‑722/17 beantragen die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission,

–        die Klagen abzuweisen;

–        die Anpassungen der Klageschriften zurückzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

58      Zur Stützung ihrer Klagen machen die Kläger drei Gründe geltend, mit denen sie erstens einen Beurteilungsfehler, zweitens eine Verletzung der Begründungpflicht und drittens die Verletzung des Verteidigungsrechts und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz rügen.

59      Ohne formell eine Einrede der Unzulässigkeit mit gesondertem Schriftsatz auf der Grundlage von Art. 130 der Verfahrensordnung zu erheben, bestreitet der Rat, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, die Zulässigkeit der vorliegenden Klagen, soweit der Hauptantrag der Kläger, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse gerichtet sei, über den Hilfsantrag, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse gerichtet sei, soweit diese die Kläger beträfen, hinausgehe.

 Zulässigkeit

60      Mit ihrem ersten Klageantrag beantragen die Kläger die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse, während sie mit ihrem zweiten Klageantrag, hilfsweise, die teilweise Nichtigerklärung dieser Beschlüsse beantragen, soweit mit ihnen ihre Namen in die streitige Liste aufgenommen und auf dieser belassen wurden.

61      Der Rat, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, macht geltend, dass die Klagen sowie die Anpassungen mangels Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unzulässig seien, soweit die angefochtenen Beschlüsse auch andere Personen als die Kläger beträfen.

62      In Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Rat erläutert, dass seine Einrede der Unzulässigkeit nur den Antrag auf Nichtigerklärung im ersten Klageantrag betreffe und dass die Zulässigkeit des zweiten, hilfsweise, gestellten Antrags nicht bestritten werde.

63      Die Kläger haben trotz einer entsprechenden ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung zu dieser Einrede Stellung genommen.

64      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen des Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

65      Soweit die angefochtenen Beschlüsse die Kläger betreffen, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass es sich bei ihnen gleichzeitig um Rechtsakte mit allgemeiner Geltung, die einer Gruppe von allgemein und abstrakt bestimmten Adressaten u. a. verbietet, den Personen und Organisationen, deren Namen in den Listen der Anhänge dieser Rechtsakte aufgeführt sind, Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und um ein Bündel von Einzelentscheidungen gegen diese Personen und Organisationen handelt (Urteil vom 23. April 2013, Gbagbo u. a./Rat, C‑478/11 P bis C‑482/11 P, EU:C:2013:258, Rn. 56). Außerdem ist zu beachten, dass bei Rechtsakten wie den angefochtenen Beschlüssen, die auf der Grundlage von Bestimmungen hinsichtlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erlassen wurden, deren einzelfallbezogener Charakter den Zugang zum Richter der Europäischen Union nach Art. 275 Abs. 2 AEUV und Art. 263 Abs. 4 AEUV eröffnet.

66      Daraus folgt, dass die Kläger, deren Namen auf der streitigen Liste stehen, die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse nur insoweit beantragen können, als sie sie betreffen. Sie sind hingegen nicht klagebefugt, die Nichtigerklärung dieser Beschlüsse zu beantragen, soweit sie andere Personen betreffen.

67      Folglich ist in Übereinstimmung mit dem Rat und der Bundesrepublik Deutschland davon auszugehen, dass der erste Klageantrag der Kläger unzulässig ist, soweit er einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse enthält, dessen Tragweite über die des zweiten Klageantrags hinausgeht.

68      Demzufolge ist nur der im zweiten Klageantrag enthaltene Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse, soweit sie die Kläger betreffen, in der Sache zu prüfen.

 Begründetheit

69      Es sind zunächst der zweite und der dritte Klagegrund, die die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse betreffen, zusammen, und dann der erste Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund und zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht bzw. Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Rechts auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

70      Im Rahmen des zweiten Klagegrundes machen die Kläger geltend, dass die Begründung der angefochtenen Beschlüsse nicht den Anforderungen von Art. 296 Abs. 2 AEUV in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung genüge, da sie vage und nicht ausreichend detailliert sei. Insbesondere enthalte der erste Teil der Begründung nur eine Feststellung, die es nicht ermögliche, nachzuvollziehen, inwiefern die Kläger die Kriterien für die Aufnahme in die Liste erfüllt hätten. Außerdem macht Herr Topor-Gilka geltend, dass die Begründung unrichtig sei, da er seinerzeit Generaldirektor der OAO VO TPE gewesen sei, während die OOO VO TPE geltend macht, allein ihre Rechtsstellung als Eigentümerin der Gasturbinen könne nicht ausreichen. Der zweite Teil der Begründung, der den Weitertransport der Turbinen zwecks Installation auf die Krim betreffe, enthalte auch eine Feststellung, anhand der sich nicht bestimmen lasse, warum die Namen der Kläger in die streitige Liste aufgenommen worden seien und auf welche tatsächliche Grundlage sich der Rat gestützt habe. Der dritte Teil der Begründung schließlich sei allgemein gefasst und lasse nicht den Grund erkennen, warum die Kläger nach Ansicht des Rates zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol beigetragen hätten, um deren Abspaltung von der Ukraine voranzutreiben.

71      In Bezug auf den Beschluss 2018/392 führt Herr Topor-Gilka in der ersten Anpassung aus, dass die Korrektur der Begründung für die Aufnahme seines Namens in die Liste nichts an den in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründen ändere.

72      Im Rahmen des dritten Klagegrundes machen die Kläger geltend, dass der Rat ihre Verteidigungsrechte und ihr Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzt habe und diese Verletzung eine Folge der Verletzung der Begründungspflicht durch den Rat sei.

73      Der Rat, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

74      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, wie sie in Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgesehen ist, dem Zweck dient, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und außerdem dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Rechtsakts zu ermöglichen. Die so verstandene Begründungspflicht ist ein wesentlicher Grundsatz des Unionsrechts, von dem Ausnahmen nur aufgrund zwingender Erwägungen möglich sind. Die Begründung ist dem Betroffenen daher grundsätzlich gleichzeitig mit dem ihn beschwerenden Rechtsakt mitzuteilen; ihr Fehlen kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für den Rechtsakt während des Verfahrens vor dem Unionsrichter erfährt (Urteil vom 7. Dezember 2011, HTTS/Rat, T‑562/10, EU:T:2011:716, Rn. 32).

75      Was die im Rahmen der GASP erlassenen restriktiven Maßnahmen angeht, ist zu betonen, dass der Erfüllung der Begründungspflicht, da der betroffenen Person oder Organisation vor dem Erlass eines Ausgangsbeschlusses über die Aufnahme in die Liste kein Anhörungsrecht zusteht, eine umso größere Bedeutung zukommt, als sie die einzige Gewähr dafür bietet, dass der Betroffene zumindest nach dem Erlass eines solchen Beschlusses die ihm zur Überprüfung von dessen Rechtmäßigkeit zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe sachgerecht in Anspruch nehmen kann (Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 51).

76      Soweit nicht der Mitteilung bestimmter Umstände zwingende Erwägungen der Sicherheit der Union oder ihrer Mitgliedstaaten oder der Gestaltung ihrer internationalen Beziehungen entgegenstehen, hat daher der Rat die Person oder Organisation, gegen die sich restriktive Maßnahmen richten, von den besonderen und konkreten Gründen in Kenntnis zu setzen, aus denen er zu der Auffassung gelangt, dass sie erlassen werden müssten. Er hat somit die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen abhängt, und die Erwägungen anzuführen, die ihn zu ihrem Erlass veranlasst haben (Urteil vom 9. Juli 2009, Melli Bank/Rat, T‑246/08 und T‑332/08, EU:T:2009:266, Rn. 144).

77      Außerdem muss die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2011, Bank Melli Iran/Rat, C‑548/09 P, EU:C:2011:735, Rn. 76, 86 und 87).

78      Die Begründung eines Rechtsakts des Rates, mit dem eine restriktive Maßnahme verhängt wird, muss die besonderen und konkreten Gründe nennen, aus denen der Rat in Ausübung seines Ermessens annimmt, dass der Betroffene einer solchen Maßnahme zu unterwerfen sei (Urteil vom 25. März 2015, Central Bank of Iran/Rat, T‑563/12, EU:T:2015:187, Rn. 55, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 52).

79      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende ausdrückliche Nennung des auf eine Person angewandten Kriteriums nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach sich zieht, sofern sich aus der vom Rat herangezogenen Begründung hinreichend klar ableiten lässt, welches Kriterium er auf diese Person angewandt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 51).

80      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass, wie der Rat hervorhebt, der allgemeine Kontext, der ihn dazu veranlasst hat, die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen zu erlassen, in den Erwägungsgründen 1 bis 4 des Beschlusses 2014/145, auf den der Beschluss 2017/1418 ausdrücklich verweist, und in den Erwägungsgründen 1 bis 3 der Verordnung Nr. 269/2014 sowie in den Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs und des Rates, auf die diese Erwägungsgründe auch ausdrücklich Bezug nehmen, dargestellt wird. Insbesondere geht aus diesen Erwägungsgründen hervor, dass die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen infolge der grundlosen Verletzung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch die Russische Föderation erlassen wurden.

81      Die rechtlichen Kriterien, die es ermöglichen, juristische Personen oder Organisationen in die Liste im Anhang des Beschlusses 2014/145 aufzunehmen, werden in Art. 1 Abs. 1 und in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b dieses Beschlusses in geänderter Fassung (im Folgenden: streitige Kriterien) genannt. Diese Kriterien erfassen insbesondere „natürliche… Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind oder solche Handlungen oder politischen Maßnahmen aktiv unterstützen oder umsetzen oder die die Arbeit von internationalen Organisationen in der Ukraine behindern, und [die] mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen“ sowie „juristische… Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die materiell oder finanziell Handlungen unterstützen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“.

82      Was speziell die Aufnahme weiterer Personen, Organisationen und Einrichtungen in die streitige Liste durch den Beschluss 2017/1418 betrifft, geht aus dessen Erwägungsgründen 2 bis 5 (vgl. oben, Rn. 14) hervor, dass die Namen der Personen und der Organisationen in diese Liste aufzunehmen waren, die von der Lieferung von Gasturbinen betroffen waren, die für die Entwicklung neuer Kraftwerke auf der Krim wesentlich waren, mit denen die Krim und Sewastopol eine unabhängige Stromversorgung erhalten sollten und somit ihre Abtrennung von der Ukraine unterstützt und deren territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit und gleichzeitig die Unionspolitik der Nichtanerkennung der rechtswidrigen Annexion der Krim und Sewastopols untergraben werden sollte.

83      Da die oben in den Rn. 80 und 82 erwähnten Rechtsakte im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden und ausdrücklich in den angefochtenen Beschlüssen, die den Klägern individuell mitgeteilt wurden, genannt werden, können diese sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis vom Kontext und den allgemeinen Kriterien gehabt zu haben, die zunächst ihre Aufnahme und sodann die Beibehaltung ihrer Namen auf der streitigen Liste rechtfertigten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 57).

84      Zweitens ist festzustellen, dass die spezifische Begründung, die gegenüber den Klägern herangezogen wird, um die Aufnahme ihrer Namen in die streitige Liste durch den ersten angefochtenen Beschluss zu rechtfertigen, oben in Rn. 17, was Herrn Topor-Gilka betrifft, und oben in Rn. 18, was die OOO VO TPE betrifft, dargestellt wird.

85      Wie der Rat vorträgt, setzt sich diese Begründung im Wesentlichen aus drei Teilen zusammen, und nur der dritte Teil ist für beide Kläger gleich.

86      In Bezug auf Herrn Topor-Gilka ist festzustellen, dass im ersten Teil der Begründung auf seine Eigenschaft als Generaldirektor der OOO VO TPE und auf die Tatsache Bezug genommen wird, dass er die Verhandlungen mit der Siemens Gas Turbine Technologies OOO (im Folgenden: Siemens) über den Kauf und die Lieferung von Gasturbinen für ein Kraftwerk in Taman in Russland geführt habe, und dass es im zweiten Teil der Begründung heißt, er sei für den Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim verantwortlich.

87      In Bezug auf die OOO VO TPE ist festzustellen, dass im ersten Teil der Begründung auf ihre Eigenschaft als derzeitige Eigentümerin der ursprünglich von Siemens an die OAO VO TPE gelieferten Gasturbinen verwiesen wird und es im zweiten Teil der Begründung heißt, dass sie diese Turbinen zwecks Installation auf der Krim weitertransportiert habe.

88      Im dritten Teil der Begründung schließlich, der für beide Kläger gleich ist, werden die Folgen des Weitertransports und der Verwendung der Gasturbinen auf der Krim präzisiert. Darin heißt es nämlich, dass dies zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol mit dem Ziel beitrage, deren Abtrennung von der Ukraine voranzutreiben, wodurch die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben werde.

89      Hierzu ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Kläger in der vom Rat ihnen gegenüber herangezogenen Begründung zwar ähnliche Erwägungen angeführt werden wie die, auf die die restriktiven Maßnahmen gegen die übrigen in die streitige Liste aufgenommenen Personen oder Organisationen gestützt wurden, sie sollen jedoch ihre konkrete Situation umreißen und sind daher ausreichend (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Yanukovych/Rat, T‑346/14, EU:T:2016:497, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Der Rat hat nämlich erklärt, dass die Kläger durch den Weitertransport der Gasturbinen zwecks ihrer Installation auf der Krim, um dort eine unabhängige Stromversorgung zu schaffen, Handlungen unterstützt hätten, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedroht hätten, und dass die Aufnahme ihrer Namen in die streitige Liste deshalb auf die streitigen Kriterien habe gestützt werden können.

91      Da die Gründe für die Entscheidung des Rates im Beschluss 2017/1418 eindeutig angegeben und später, was Herrn Topor-Gilka betrifft, im Beschluss 2018/392 präzisiert wurden, ist das Gericht in der Lage, die Stichhaltigkeit der angefochtenen Beschlüsse zu beurteilen.

92      Des Weiteren ist die Frage, ob die Begründung stichhaltig ist, nicht im Rahmen dieses Klagegrundes, sondern im Rahmen des ersten Klagegrundes zu prüfen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Gründe zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Denn die Begründung eines Rechtsakts soll förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen dieser Rechtsakt beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, nicht aber dessen Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 5. November 2014, Mayaleh/Rat, T‑307/12 und T‑408/13, EU:T:2014:926, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, da die Stichhaltigkeit der vom Rat gegenüber den Klägern angeführten Gründe im Rahmen des Klagegrundes zu prüfen ist, mit dem ein Beurteilungsfehler geltend gemacht wird.

94      Da, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts hin ausdrücklich anerkannt haben, der zweite und der dritte Klagegrund eng miteinander verbunden sind, wobei der dritte auf eine angebliche Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gestützt ist, der sich aus der Verletzung der Begründungspflicht ergebe, kann der dritte Klagegrund wie der zweite nur zurückgewiesen werden, da das Gericht keine Verletzung der Begründungspflicht seitens des Rates festgestellt hat.

 Zum ersten Klagegrund: Beurteilungsfehler

95      Im Rahmen dieses Klagegrundes machen die Kläger im Wesentlichen geltend, der Rat habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem er angenommen habe, dass die streitigen Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt seien. Hierzu tragen sie mehrere Rügen vor, die im Wesentlichen darauf abzielen, zum einen die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung des Rates, die Namen der Kläger in die streitige Liste aufzunehmen und dann darauf zu belassen, in Frage zu stellen, und zum anderen, die Tatsache anzuzweifeln, dass die Begründung, die für die Aufnahme ihrer Namen in die Liste gegeben wurde, nicht unter diese Kriterien fällt.

96      Vorab behaupten die Kläger, dass sich die Aufnahme ihrer Namen in die streitige Liste nicht mit einem Verweis auf die Verordnung Nr. 1351/2014 rechtfertigen lasse, weil diese einen anderen Personenkreis betreffe.

97      Sodann widmen sie sich nach einem beiden Klageschriften gemeinsamen Schema nacheinander den Fragen im Zusammenhang mit der ihnen vom Rat vorgeworfenen Vertragsverletzung, mit der Lieferung der Turbinen auf die Krim und mit der unabhängigen Stromversorgung der Krim.

98      Was erstens die Frage der angeblichen Vertragsverletzung betrifft, macht Herr Topor-Gilka zunächst geltend, dass er bei der Unterzeichnung des Vertrags über den Kauf und die Lieferung von Gasturbinen zwischen Siemens und der OAO VO TPE am 10. März 2015 (im Folgenden: Vertrag vom 10. März 2015) Generaldirektor des letztgenannten Unternehmens gewesen sei und nicht, wie es in den Gründen des Beschlusses 2017/1418 heiße, der OOO VO TPE. Was insbesondere die mutmaßliche Nichteinhaltung des Lieferorts betrifft, machen die Kläger geltend, dass dieser Aspekt zwar tatsächlich ein wesentlicher Bestandteil dieses Vertrags gewesen sei, so dass sich die Frage stelle, ob eine unterstellte Lieferung an einen anderen Ort als Taman eine Vertragsverletzung darstellen könne. Insoweit sei nicht alleine auf diesen Vertrag, sondern auch auf das anwendbare Recht abzustellen. Vorliegend sei dies das russische Recht, so dass auch alleine dieses Recht zu einer Vertragsverletzung führen könne.

99      In der Erwiderung weisen die Kläger darauf hin, dass das Schiedsgericht der Stadt Moskau mit Entscheidung vom 17. Januar 2018 die Klage von Siemens auf Nichtigerklärung des Vertrags vom 10. März 2015 und auf Herausgabe (Rückgabe) der in diesem Vertrag genannten Gasturbinen zurückgewiesen habe. Nach Ansicht jenes Gerichts habe eine absichtliche Irreführung der OOO VO TPE beim Abschluss dieses Vertrags nicht nachgewiesen werden können. Insbesondere widerspreche die angebliche Pflicht zur Einhaltung der von der Union auferlegten restriktiven Maßnahmen den Grundlagen der Rechtsordnung (der öffentlichen Ordnung) der Russischen Föderation und schädige somit deren Souveränität.

100    In diesem Zusammenhang weisen die Kläger auch das Vorbringen des Rates als ins Leere gehend zurück, dass die Berufung auf die Nichtigkeit des Verbots der Weiterverbringung der Turbinen einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Siemens habe nämlich im Schiedsverfahren geltend gemacht, dass der Vertrag vom 10. März 2015 unwirksam sei und deshalb die Herausgabe der gelieferten Gasturbinen verlangt. Die OOO VO TPE ihrerseits habe sich diesem Anspruch nur zur Wehr gesetzt, was für sich genommen nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Und wenn, greife der Rechtsgedanke des widersprüchlichen Verhaltens, des venire contra factum proprium, bei beiden Vertragsparteien, da es beide russische Gesellschaften seien, die sich beide auf der Grundlage der russischen Rechtsordnung bewegen sollten. Wenn die OAO VO TPE bewusst mit dem Ziel der Umgehung des Verbots der Weiterverbringung der Turbinen gehandelt haben sollte, hätte Siemens nämlich spiegelbildlich ein solches Verbot in den Vertrag mit aufgenommen, obwohl sie gewusst habe, dass es gegen die russische öffentliche Ordnung verstoße und deshalb unwirksam sei.

101    Zweitens werfen die Kläger dem Rat vor, nicht belegt zu haben, dass die OOO VO TPE die Turbinen auf die Krim zwecks ihrer Installation an Ort und Stelle weitergeliefert habe. Ein solcher Beweis lasse sich nicht durch sehr diffuse und allgemein gehaltene und zudem nicht übereinstimmende Presseberichte und ‑artikel erbringen. Solche Dokumente könnten allenfalls zu bloßen Vermutungen führen, die nach der Rechtsprechung nicht ausreichten, um eine Entscheidung über die Anwendung von restriktiven Maßnahmen zu stützen. Im Übrigen seien die von Siemens verbreiteten Artikel nicht glaubhaft, da Siemens ein Eigeninteresse daran habe, darzustellen, dass sie für den Weitertransport der Turbinen auf die Krim keine Verantwortung trage. Zudem stütze sich der vom Rat behauptete „zeitliche und logische Zusammenhang“ zwischen dem Vertrag vom 10. März 2015, der Verabschiedung des am 13. Juli 2015 vom russischen Premierminister unterzeichneten Dekrets Nr. 703, das die Freigabe von Haushaltsmitteln für den Bau und die Modernisierung von Produktionsanlagen auf den Gebieten der elektrischen und thermischen Energie, u. a. auf der Krim, zugunsten des russischen Unternehmens Rostec zum Inhalt gehabt habe und in dem vorgesehen gewesen sei, dass Rostec einen Teil dieser Mittel als Subvention an die OOO VO TPE weitergeben solle, die als Entwickler der Stromversorgungsprojekte benannt worden sei (im Folgenden: Dekret Nr. 703), und dem Vertrag vom 16. Oktober 2015 zwischen der OAO VO TPE und der OOO VO TPE (im Folgenden: Vertrag vom 16. Oktober 2015) auf nicht verifizierbare Quellen.

102    In Erwiderung auf das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass die Russische Föderation bestätigt haben solle, dass es sich bei den auf die Krim weitertransportierten Turbinen um Turbinen der Firma Siemens gehandelt habe, machen die Kläger geltend, dass sich aus dieser Äußerung nicht ergebe, dass es sich hier um genau dieselben Turbinen handele, die Siemens an die OAO VO TPE geliefert habe, bzw. um die Turbinen, die die OAO VO TPE später an die OOO VO TPE verkauft habe.

103    Letztendlich stütze sich der Rat zum einen auf Presseberichte, die jedoch kein Indizienbündel bilden könnten, denn sie basierten ihrerseits auf Presseberichten, die sich auf unklare Quellen stützten, und zum anderen auf das angebliche Vorliegen eines „zeitlichen und logischen Zusammenhangs“, der nur eine bloße Vermutung sei.

104    Drittens machen die Kläger in Bezug auf die unabhängige Stromversorgung der Krim, die angeblich mit den Turbinen realisiert werde, geltend, dass die vorliegenden Rechtssachen – völlig unabhängig von einem Handeln oder einer Verantwortlichkeit ihrerseits – die Inbetriebnahme oder die Sicherung des Betriebs einer oder mehrerer Kraftwerke bzw. Kraftwerksblöcke in Sewastopol beträfen. Hierzu weisen sie darauf hin, dass die russische Regierung durch das Dekret Nr. 703 klargestellt habe, dass sie sich für die Sicherstellung der Energieversorgung auf der Krim und in Sewastopol in Anbetracht der zahlreichen Störungen in der Energieversorgung und insbesondere dem Auslaufen des russisch-ukrainischen Energieversorgungsvertrags vom 31. Dezember 2015, die der Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung der Ukraine entgegengestanden hätten, in der Verantwortung sehe.

105    Eine solche Zielsetzung sei zwar auf den ersten Blick auch geeignet, die Abtrennung der Krim von der Ukraine zu unterstützen, eine hierauf gestützte isolierte Sanktion sei jedoch rechtswidrig, da sie fundamentalen Grundsätzen des Völkerrechts widerspreche. Die Entscheidung der Ukraine, die Krim und Sewastopol nicht mehr mit Energie zu beliefern, sei von dieser eigenständig und souverän getroffen worden, was bedeute, dass die Russische Föderation die Energieversorgung habe sichern müssen. Ob die Ukraine nun einen Anteil an der aktuellen Situation der Energieversorgung habe oder nicht, dürfte unter Umständen unerheblich für die Entscheidung sein, ob das Schaffen einer unabhängigen Energieversorgung der Krim durch die Russische Föderation nicht trotzdem den Beschlüssen des Rates zuwiderlaufe, alles zu sanktionieren, was zu einer Abtrennung der Krim von der Ukraine führe. Eine solche Schlussfolgerung verkenne jedoch die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 269/2014 die Beachtung der Grundrechte und Grundsätze, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannt worden seien, garantiere.

106    Würde sich erweisen, dass das Handeln der Russischen Föderation bei der Herstellung einer sicheren Energieversorgung auf der Krim mit den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts im Einklang stehe, könnte der dieses Handeln sanktionierende Beschluss des Rates im Umkehrschluss als rechtswidrig angesehen werden. Im vorliegenden Fall bestehe dieses Recht aus der Landkriegsordnung, die dem am 18. Oktober 1907 in Den Haag unterzeichneten Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs als Anlage beigefügt sei, und dem Vierten am 12. August 1949 in Genf unterzeichneten Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten. Diese beiden Abkommen fänden in allen Fällen eines erklärten Krieges oder bewaffneten Konflikts unter der Voraussetzung Anwendung, dass die Besatzungsmacht eine tatsächliche und vollständige Kontrolle des besetzten Gebiets ausübe, was bei der Russischen Föderation im Hinblick auf die Krim der Fall sei. Insbesondere sei die Russische Föderation u. a. nach Art. 43 der vorgenannten, dem Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs als Anlage beigefügten Landkriegsordnung, und den Art. 55 und 56 der oben genannten Vierten Genfer Konvention verpflichtet, die Energieversorgung der Bevölkerung sowie sämtlicher öffentlicher Einrichtungen auf der Krim sicherzustellen.

107    Im Übrigen gehe aus einem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen über die Situation der Menschenrechte auf der Krim und in Sewastopol hervor, dass der Zugang zu Energie Teil des Rechts auf eine angemessene Unterkunft/Behausung sei und dass die Stromausfälle auf der Krim zu weitreichenden Störungen in Bereichen der Lebensmittelkonservierung, der Beleuchtung, der Gesundheitsversorgung, den öffentlichen Transportmitteln und der wirtschaftlichen Tätigkeit geführt hätten. Es werde in diesem Bericht auch darauf hingewiesen, dass die Russische Föderation als Besatzungsmacht nach dem humanitären Völkerrecht dazu verpflichtet sei, eine ausreichende Hygiene sowie die Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen. Da die Herstellung einer sicheren Energieversorgung somit eine Pflicht sei, die sich aus dem humanitären Völkerrecht ergebe, das nach der Charta auch der Rat zu beachten habe, könne das Handeln einer konkreten Person, die daran mitgewirkt haben solle, nicht sanktioniert werden.

108    Daher hätte der Rat bei der Entscheidung, ob die Herstellung einer sicheren Energieversorgung geeignet gewesen sei, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben oder zu bedrohen, zum einen berücksichtigen müssen, dass ein dringendes humanitäres Bedürfnis an einer sicheren Stromversorgung bestehe, und zum anderen, dass die Russische Föderation nach dem humanitären Völkerrecht zu einer solchen Versorgung verpflichtet sei. Daraus folge, dass der Rat dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, dass er der Auffassung gewesen sei, dass mit dem Bau zweier Kraftwerke das Ziel verfolgt worden sei, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben.

109    Der Rat, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission, treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

110    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die durch Art. 47 der Charta gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle insbesondere erfordert, dass sich der Unionsrichter vergewissert, dass die Entscheidung, mit der restriktive Maßnahmen erlassen oder aufrechterhalten werden und die eine individuelle Betroffenheit der betreffenden Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119).

111    Der Unionsrichter hat bei dieser Prüfung gegebenenfalls von der zuständigen Unionsbehörde vertrauliche oder nicht vertrauliche Informationen oder Beweise anzufordern, die für eine solche Prüfung relevant sind (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112    Im Streitfall ist es nämlich Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person oder Organisation, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 121).

113    Hierzu braucht die betreffende Behörde dem Unionsrichter nicht sämtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit den Gründen zusammenhängen, die in dem Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, angegeben werden. Die vorgelegten Informationen oder Beweise müssen jedoch die Gründe stützen, die gegen die betroffene Person oder Organisation vorliegen (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 122).

114    Übermittelt die zuständige Unionsbehörde relevante Informationen oder Beweise, muss der Unionsrichter die inhaltliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person oder Organisation, würdigen (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 124).

115    Der vorliegende Klagegrund ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

116    Vorab ist das Vorbringen der Kläger zurückzuweisen, die Aufnahme und Beibehaltung ihrer Namen auf der streitigen Liste könne nicht unter Verweis auf die Verordnung Nr. 1351/2014 gerechtfertigt werden. Wie der Rat zutreffend hervorhebt, trifft es zwar zu, dass der zweite Erwägungsgrund des Beschlusses 2017/1418 indirekt auf die Verordnung Nr. 1351/2014 und genauer gesagt auf ihren Art. 2a Bezug nimmt, mit dem u. a. Art. 2b der Verordnung Nr. 692/2014 geändert wird, demzufolge es verboten ist, u. a. bestimmte Güter und Technologien, die im Energiesektor verwendet werden können, u. a. Gasturbinen, an Personen oder Einrichtungen auf der Krim oder in Sewastopol oder zur dortigen Verwendung zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen. Da die streitigen Maßnahmen nur auf dem Beschluss 2014/145 in geänderter Fassung beruhen, wirkt es sich jedoch nicht aus, dass die Kläger zu den möglichen Adressaten der Verordnung Nr. 692/2014 in der durch die Verordnung Nr. 1351/2014 geänderten Fassung gehören.

117    Wie bereits oben in Rn. 85 ausgeführt wurde, gliedert sich im vorliegenden Fall die Begründung des Rates, mit der die Aufnahme der Namen der Kläger in die streitige Liste gerechtfertigt wird, in drei Teile.

118    Bezüglich Herrn Topor-Gilka ist die Begründung, was den Beschluss 2017/1418 betrifft, diejenige, die oben in Rn. 17 wiedergegeben wird, und, was den Beschluss 2018/392 betrifft, die leicht veränderte, die oben in Rn. 30 wiedergegeben wird. Was die OOO VO TPE betrifft, ist die Begründung für die Aufnahme ihres Namens, die durch die Beschlüsse 2018/392 und 2018/1237 nicht geändert wurde, die oben in Rn. 18 wiedergegebene.

119    Es ist zunächst die Stichhaltigkeit des ersten Teils der Herrn Topor-Gilka betreffenden Begründung zu prüfen.

120    Erstens ergibt sich die von Herrn Topor-Gilka bei der OAO VO TPE bis zu deren Insolvenz und bei der OOO VO TPE ausgeübte Funktion des Generaldirektors aus der Organisationsstruktur dieser beiden Unternehmen, wie sie auf deren Website dargestellt wird, was im Übrigen von dem Betreffenden nicht bestritten wird. Hierzu ist in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass eine etwaige Ungenauigkeit hinsichtlich der Reihenfolge, in der Herr Topor-Gilka die Funktion des Generaldirektors in diesen beiden Unternehmen, deren Bezeichnung quasi identisch ist und die dieselbe Anschrift und dieselbe Muttergesellschaft haben, jeweils ausgeübt hat, keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2013, Nabipour u. a./Rat, T‑58/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:640, Rn. 166).

121    Zweitens wird im Wesentlichen nicht bestritten, dass Herr Topor-Gilka zum einen in der Phase der Verhandlungen über den Vertrag vom 10. März 2015 eine bedeutende Rolle gespielt hat und in seiner Eigenschaft als Generaldirektor der Hauptansprechpartner von Siemens für den Kauf der Gasturbinen war, und zum anderen, dass er beim Abschluss des Vertrags vom 16. Oktober 2015 Generaldirektor der OOO VO TPE war.

122    Daraus folgt, dass Herr Topor-Gilka nicht nur unmittelbar an den Handlungen der OOO VO TPE beteiligt war, sondern auch die Hauptfunktion der Leitung dieser Gesellschaft innehatte und dadurch die Verantwortung für ihr Handeln übernahm (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2013, Nabipour u. a./Rat, T‑58/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:640, Rn. 110).

123    Drittens sah der Vertrag vom 10. März 2015, von dem dem Rat bestimmte Auszüge zur Verfügung standen, u. a. die Verwendung der vier Gasturbinen für den Bau von neuen Kraftwerken auf der Halbinsel Taman vor und schloss jede andere Verwendung oder jede Verbringung auf die Krim aus, was im Übrigen durch bestimmte internationale Presseberichte und Pressemitteilungen, die zu den Akten genommen wurden und alle im Juli 2017 veröffentlicht worden waren, bestätigt wird.

124    Daraus folgt, dass der erste Teil der Herrn Topor-Gilka betreffenden Begründung, die im Übrigen von ihm nicht wirklich beanstandet wurde, auf einer soliden tatsächlichen Grundlage basiert.

125    Sodann ist der erste Teil der Begründung zu prüfen, die die OOO VO TPE betrifft.

126    Wie oben in Rn. 123 klargestellt worden ist, steht erstens fest, dass in Erfüllung des Vertrags vom 10. März 2015 Gasturbinen ursprünglich von Siemens an die OAO VO TPE geliefert wurden.

127    Zweitens ist festzustellen, dass das Vorbringen, dass die OOO VO TPE der „aktuelle Eigentümer“ der Gasturbinen sei und sie somit bei der OAO VO TPE erworben habe, auf Tatsachen beruht, von denen der Rat Kenntnis erlangt hatte, bevor er die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen erließ. Aus dem Vertrag vom 16. Oktober 2015, auf den im Übrigen das Schiedsgericht der Stadt Moskau in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2017 Bezug nimmt und dessen Schlussfolgerung von der OOO VO TPE übrigens selbst bestätigt wird, geht nämlich hervor, dass er die Lieferung der vier ursprünglich von Siemens an die OAO VO TPE gelieferten Gasturbinen zum Gegenstand hatte. Des Weiteren ist festzustellen, dass die Klauseln dieses Vertrags zum großen Teil denen des Vertrags vom 10. März 2015 entsprachen.

128    Daraus folgt, dass der erste Teil der die OOO VO TPE betreffenden Begründung, die im Übrigen von ihr nicht wirklich beanstandet wurde, auf einer soliden tatsächlichen Grundlage basiert.

129    In Bezug auf den zweiten Teil der Begründung, der den Weitertransport der Gasturbinen zwecks ihrer Installation auf die Krim betrifft, ist festzustellen, dass abgesehen von einer kleinen Nuance in der Formulierung bezüglich der Verantwortung von Herrn Topor-Gilka bei dieser Verbringung dieser Teil der Begründung im Wesentlichen für die Kläger dieselbe ist.

130    In Bezug auf diese Nuance ist in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass die Verantwortung von Herrn Topor-Gilka, soweit er am Weitertransport der Gasturbinen in voller Kenntnis der Sachlage mitgewirkt hat, den Funktionen als Generaldirektor innewohnt, die er in beiden oben genannten Unternehmen (vgl. oben, Rn. 120) ausgeübt hat, die im Anschluss an ihren ursprünglichen Verkauf durch Siemens nacheinander Eigentümerinnen dieser Gasturbinen waren.

131    Erstens ist festzustellen, dass dem Rat, wie er vorträgt, beim Erlass des Beschlusses 2017/1418 mehrere Informationsquellen zur Verfügung standen (vgl. oben, Rn. 123) und dass es in diesen Quellen eindeutig heißt, dass die Gasturbinen von der OOO VO TPE auf die Krim transportiert wurden, um dort für den Bau von Kraftwerken verwendet zu werden. Außerdem bestätigen offizielle russische Quellen diesen Transport und geben an, dass die OOO VO TPE Kraftwerke auf der Krim baut.

132    Zweitens wird alles Vorstehende im Wesentlichen von den Klägern bestätigt, da sie in ihren Schriftsätzen auf die Existenz der Verträge vom 10. März und vom 16. Oktober 2015 sowie auf das Dekret Nr. 703 Bezug nehmen (vgl. oben, Rn. 101).

133    Letztlich bestreiten die Kläger nicht, dass ein Weitertransport der ursprünglich von Siemens gelieferten Gasturbinen auf die Krim stattgefunden hat, sondern vielmehr den fehlenden Beweis für diesen Weitertransport, da sich der Rat nur auf sehr diffuse und allgemein gehaltene und zudem nicht übereinstimmende Presseberichte und Pressemitteilungen gestützt habe.

134    Hierzu ist zu bemerken, dass anhand der Pressemitteilung der Agentur Reuters vom 5. Juli 2017 und der vom Rat vorgelegten Ausschnitte, u. a. den in den Dokumenten mit den Aktenzeichen „Coreu CFSP/0085/17“ und „CFSP/0087/17“ genannten Artikeln und Pressemitteilungen, nämlich insbesondere den auf Spiegel Online am 7. Juli 2017, in der New York Times vom 10. Juli 2017, im Magazin Ostexpert vom 10. Juli 2017, auf RP Online am 11. Juli 2017 und im Manager Magazin vom 12. Juli 2017 erschienenen Artikeln, festgestellt werden kann, dass die dort enthaltenen Informationen nicht vage und abstrakt sind, wie die Kläger vortragen, sondern im Gegenteil konkret, präzise und übereinstimmend sind.

135    Daraus folgt, dass dem Vorbringen der Kläger, die vom Rat vorgelegten Unterlagen enthielten nur unbestimmte und abstrakte Behauptungen, nicht gefolgt werden kann.

136    Was ferner die Rüge betrifft, die vom Rat genannten Artikel und Pressemitteilungen gingen alle auf dieselbe Quelle zurück, und zwar Pressemitteilungen von Siemens, weshalb es ihnen an Objektivität und Beweiskraft fehle, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung für den Unionsrichter der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich ist. Außerdem ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Informationen zu untersuchen, wobei insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen sind und zu prüfen ist, ob es seinem Inhalt nach sinnvoll und glaubhaft erscheint (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2016, Jaber/Rat, T‑154/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:629, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

137    Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass die Anhaltspunkte, deren Beweiskraft von den Klägern bestritten wird, aus verschiedenen Informationsquellen unterschiedlicher Herkunft stammen. Nach einer gefestigten Rechtsprechung darf zum Beleg bestimmter Tatsachen – im vorliegenden Fall die Tatsache, dass Gasturbinen auf die Krim weitertransportiert wurden, um dort für den Bau von Kraftwerken verwendet zu werden – auf Presseartikel zurückgegriffen werden, wenn diese aus mehreren unterschiedlichen Quellen stammen und hinreichend konkrete, präzise und übereinstimmende Angaben zu den darin beschriebenen Tatsachen wie im vorliegenden Fall enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem ist hervorzuheben, dass es, da in Drittländern keine Ermittlungsbefugnisse bestehen, zumindest äußerst schwierig ist, konkrete Beweise wie die über den Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim zusammenzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 153).

138    Ferner werden die vom Rat vorgelegten Anhaltspunkte, wie oben in Rn. 132 festgestellt worden ist, zum einen durch die von den Klägern in ihren Schriftsätzen vorgebrachten Argumente und zum anderen durch Dokumente, die aus offiziellen russischen Quellen stammen und die zu den Akten genommen wurden, bestätigt. Die Kläger bestreiten nicht die Tatsache, dass die in den Kraftwerken von Simferopol (Ukraine) und Sewastopol verwendeten Turbinen diejenigen sind, die ursprünglich von Siemens an die OAO VO TPE geliefert wurden.

139    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger in ihren Schriftsätzen zwar pauschal die Beweiskraft der vom Rat vorgelegten Auszüge bestreiten, aber nicht den geringsten Hinweis liefern, der deren Glaubhaftigkeit in Frage stellen könnte.

140    Daraus folgt, dass das Vorbringen der Kläger zur fehlenden Beweiskraft der vom Rat vorgelegten Informationen, mit dem u. a. geltend gemacht wird, sie gingen alle auf eine Quelle zurück, zurückzuweisen ist.

141    Schließlich ist zu bemerken, dass zumindest, was die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse 2018/392 und 2018/1237 anbelangt, der Rat die Entscheidung, die Namen der Kläger auf der streitigen Liste zu belassen, auf weitere ebenfalls bedeutsame Anhaltspunkte gestützt hat. Es handelt sich u. a. um die Mitteilungen der russischen Presseagentur TASS vom 8. September und vom 14. Dezember 2017, in denen Aussagen des russischen Vizeenergieministers wiedergegeben werden und in denen es u. a. heißt, dass die für die Kraftwerke in Simferopol und Sewastopol bestimmten Turbinen von Siemens geliefert worden seien, um einen Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 11. Januar 2018, um einen Artikel von 5hotnews vom 15. März 2018 und um die Entscheidung des Schiedsgerichts der Stadt Moskau vom 17. Januar 2018.

142    In Bezug auf die Entscheidung des Schiedsgerichts der Stadt Moskau vom 17. Januar 2018 ist festzustellen, dass diese gegebenenfalls zwar nur berücksichtigt werden kann, was die Rechtmäßigkeit des Beschlusses 2018/1237 betrifft, da die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte, mit denen die Unionsorgane restriktive Maßnahmen erlassen, grundsätzlich nur anhand der Sach- und Rechtslage beurteilt werden darf, aufgrund deren diese Rechtsakte erlassen wurden, der Unionsrichter jedoch einen Umstand, den die mit den restriktiven Maßnahmen belegte Person als Entlastungsbeweis vorgebracht hat, berücksichtigen kann, um die auf der Sach- und Rechtslage bei Erlass der angefochtenen Rechtsakte beruhende Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsakte zu bestätigen (vgl. Urteil vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Somit können die vom Rat vorgelegten Informationen auch unter Berücksichtigung der objektiven Schwierigkeit, mangels Ermittlungsbefugnissen in dem betreffenden Drittland konkrete Beweise zusammenzutragen (vgl. oben, Rn. 137 am Ende), zusammen genommen als glaubhaft im Sinne der oben in Rn. 136 angeführten Rechtsprechung angesehen werden.

144    In Bezug auf das Vorbringen der Kläger, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass nach russischem Recht die Lieferung der Turbinen an einem anderen Ort als dem vertraglich vereinbarten keine Verletzung der vertraglichen Bestimmungen darstelle, ist festzustellen, dass die rechtliche Qualifizierung einer solchen Lieferung im russischen Recht im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse ohne Belang ist und in keinem Fall das Vorliegen eines Beurteilungsfehlers seitens des Rates untermauern kann.

145    Wie die Kommission hervorhebt, dürfen die verschiedenen Anhaltspunkte, mit denen die Entscheidung über die Aufnahme in die streitige Liste begründet wird, nicht isoliert betrachtet werden, sondern in ihrem allgemeinen Kontext und auch im Licht des allgemeinen Grundes für die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen. Dieser besteht im Wesentlichen darin, dass die Turbinen entgegen dem im Beschluss 2014/386 und in der Verordnung Nr. 692/2014 ausgesprochenen Verbot auf die Krim weitertransportiert und dort zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung verwendet wurden.

146    In dieser Hinsicht spielt die Erwähnung des Umstands im Beschluss 2017/1418, dass der Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim im Kern einen Verstoß gegen den Vertrag vom 10. März 2015 darstelle, entgegen dem Vorbringen der Kläger keine entscheidende, sondern eher eine beschreibende und kontextuelle Rolle. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit dieser Erwähnung klargestellt werden sollte, dass Siemens für diesen illegalen Weitertransport keine Verantwortung treffe. In Übereinstimmung mit dem Rat und der Kommission ist im Übrigen festzustellen, dass die Tatsache, dass „gegen die Bestimmungen des Vertrags über den ursprünglichen Verkauf der Turbinen durch ein in der Union ansässiges Unternehmen an Russland verstoßen wurde“, nur im dritten Erwägungsgrund des Beschlusses 2017/1418 genannt wird und nicht in der individuellen Darstellung der Gründe in der vierten Spalte der streitigen Liste in geänderter Fassung. Dieses Argument ist mithin unerheblich.

147    Jedenfalls ist festzustellen, dass die Kläger nicht die Tatsache bestreiten, dass der Weitertransport der Turbinen einen Verstoß gegen den Vertrag vom 10. März 2015 darstellt. Aus Art. 32 in Verbindung mit Art. 1.1 des Vertrags vom 10. März 2015 geht nämlich im Wesentlichen hervor, dass der Weitertransport der Turbinen oder ihre Verwendung in anderen Ländern als dem Bestimmungsort der Lieferung, nämlich Russland, oder für andere Projekte nicht gestattet ist und dass, falls der Käufer verlangen sollte, das Material an einem anderen Ort zu verwenden, eine solche Änderung vom Lieferanten genehmigt werden müsste.

148    Die Kläger bestreiten vielmehr die Tatsache, dass eine solche Verletzung gemäß dem im vorliegenden Fall anwendbaren russischen Recht gegeben sein könnte, demzufolge jede Transaktion, die auf das Ziel gerichtet ist, gegen die Grundlagen des Rechts und der Ordnung oder der Moral, zu verstoßen, als nichtig anzusehen ist. Zur Stützung dieses Vorbringens berufen sich die Kläger auf die Entscheidung des Schiedsgerichts der Stadt Moskau vom 17. Januar 2018, mit der die Klage von Siemens auf Nichtigerklärung des Vertrags vom 10. März 2015 und auf Herausgabe der ursprünglich von ihr gelieferten Gasturbinen abgewiesen wurde.

149    Hierzu ist erstens zu bemerken, dass das Gericht nicht an das Ergebnis einer solchen Entscheidung gebunden sein kann. Zweitens ist festzustellen, dass das Schiedsgericht der Stadt Moskau zum einen ausdrücklich festgestellt hat, dass der oben in Rn. 148 genannte Vertrag eine Klausel enthielt, die den Weitertransport der Gasturbinen auf die Krim ausschloss, und zum anderen den Antrag von Siemens zwar zurückgewiesen hat, aber zur Frage der Gültigkeit des Verbots, diese Turbinen weiterzutransportieren, nicht direkt Stellung genommen und insbesondere nicht ausgeführt hat, dass ein solcher Weitertransport keine Verletzung der Vertragsbestimmungen darstelle.

150    Daraus folgt, dass auch der zweite Teil der Begründung auf einer ausreichend soliden tatsächlichen Grundlage basiert.

151    In Bezug auf den dritten Teil der Begründung, und zwar den bezüglich des Umstands, dass der Weitertransport der Gasturbinen zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol beitrage, ist festzustellen, dass der Rat auf der Grundlage der im Vertrag vom 10. März 2015 enthaltenen Informationen davon ausgehen durfte, dass die Gasturbinen jeweils die eigentliche Turbine und den Generator sowie weitere wesentliche Bestandteile enthielten und dass diese Elemente zum Bau neuer Kraftwerke mit einer Leistung von 230 Megawatt (MW) bestimmt waren. Der Bau von Kraftwerken, die mehrere Gasturbinen mit dieser Leistung enthalten, hat beträchtliche Folgen für die Stromversorgung der von diesen Kraftwerken versorgten Region. Da die Gasturbinen zur Verwendung auf der Krim bestimmt sind, wird deren Stromversorgung ohne Zweifel erleichtert. Somit trägt der Weitertransport der Turbinen in dieses Gebiet zur Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol bei.

152    Wie der Rat zutreffend hervorhebt, lagen ihm überdies weitere präzise Informationen aus dem russischen Energieministerium über die Energiesituation der Krim und die Tatsache vor, dass zwei zusätzliche Kraftwerke zur Verringerung der Energieabhängigkeit der Krim sowie ihrer Entwicklung beitragen würden. Zudem verweist der russische Energieminister in einem Dokument vom 25. Juli 2017, das zu den Akten genommen wurde und auf das sich der Rat stützt, auf eine Gesamtkapazität der Kraftwerke von 940 MW, die im Wesentlichen der Kapazität der ursprünglich von Siemens gelieferten Gasturbinen entspricht, von denen nach den Angaben im Vertrag vom 10. März 2015 jede eine Kapazität von 230 MW besitzt. Wie der Rat geltend macht, entspricht diese Information auch den Bestimmungen des Dekrets Nr. 703, das für den Bau von Kraftwerken mit einer Leistung von mindestens 900 MW durch die OOO VO TPE auf der Krim eine Subvention vorsieht (vgl. oben, Rn. 101)

153    Im dritten Teil der Begründung heißt es auch, dass die Schaffung einer unabhängigen Stromversorgung für die Krim und Sewastopol durch den Weitertransport der Gasturbinen zum Ziel habe, ihre Abtrennung von der Ukraine voranzutreiben, und die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabe.

154    Was erstens das Vorantreiben der Abtrennung der Krim und Sewastopols von der Ukraine betrifft, ist in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass nicht bestritten wird, dass die Schaffung einer solchen Stromversorgung zur Folge hat, dass die Krim und Sewastopol nicht oder zumindest nicht mehr in demselben Maß von der Stromversorgung aus der Ukraine abhängig sein werden.

155    Somit hat der Rat keine Beurteilungsfehler dadurch begangen, dass er der Ansicht war, dass das verfolgte Ziel darin bestanden habe, die Abtrennung der Krim und Sewastopols von der Ukraine verstärkt voranzutreiben.

156    Was zweitens die Behauptung betrifft, diese Abtrennung untergrabe die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine, folgt diese, wie der Rat hervorhebt, aus allen zuvor genannten tatsächlichen Anhaltspunkten.

157    Daher basiert auch der dritte Teil der Begründung auf ausreichend soliden Tatsachen.

158    Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Kläger in Frage gestellt werden, dass Russland als Besatzungsmacht nach dem im vorliegenden Fall anwendbaren humanitären Völkerrecht verpflichtet sei, u. a. die Versorgung der Krim und Sewastopols mit Strom sicherzustellen, was zur Folge hätte, dass die Handlungen der Kläger, die zur Schaffung einer solchen Versorgung beigetragen hätten, nicht sanktioniert werden könnten.

159    Zunächst ist klarzustellen, dass selbst nach den Antworten der Kläger auf die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen auszuschließen ist, dass sie mit diesem Vorbringen beabsichtigten, eine Einrede der Rechtswidrigkeit – ihre Zulässigkeit unterstellt – des in Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung genannten Kriteriums für die Aufnahme in die Liste zu erheben. Die Kläger tragen nämlich im Wesentlichen vor, dass der Rat dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, dass er die Auffassung vertreten habe, dass ihre Handlungen nicht durch die geltend gemachten Bestimmungen des humanitären Völkerrechts gerechtfertigt seien.

160    In Bezug auf die Stichhaltigkeit dieses Vorbringens ist jedoch in Übereinstimmung mit der Kommission festzustellen, dass unabhängig von der Frage, ob eine solche sich aus den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts ergebende Pflicht vorliegt, welchen Umfang sie hat und ob die Kläger sich auf sie berufen können – wozu die Kläger keine weiteren Angaben machen –, die Beurteilung der Handlungen der Russischen Föderation im Hinblick auf das Völkerrecht Gegenstand weder der angefochtenen Beschlüsse noch, infolgedessen, des vorliegenden Rechtsstreits ist. Ebenso ist das von dem Beschluss 2014/386 und der Verordnung Nr. 692/2014 vorgesehene Verbot, Lieferungen in bestimmten Schlüsselbereichen vorzunehmen, weder direkt noch indirekt Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, da Gegenstand der von den Klägern erhobenen Klagen die Aufnahme ihrer Namen in die streitige Liste durch die angefochtenen Beschlüsse ist.

161    Wie der Rat geltend macht, hat im Übrigen der Erlass restriktiver Maßnahmen gegen die Kläger keinen Einfluss auf die Stromversorgung der Krim. Selbst unter der Annahme, dass das von dem Beschluss 2014/386 und der Verordnung Nr. 692/2014 vorgesehene Verbot des Verkaufs und der Lieferung hätte berücksichtigt werden müssen, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 4d des Beschlusses 2014/386 und Art. 2e der Verordnung Nr. 692/2014 jeweils in geänderter Fassung Genehmigungen für Ausnahmen erteilt werden können, um u. a. die Gesundheit und die Sicherheit von Personen sicherzustellen.

162    Nach alledem ist festzustellen, dass der Rat keine Beurteilungsfehler dadurch begangen hat, dass er die Namen der Kläger in die streitige Liste aufgenommen und darauf belassen hat, da ihre rechtliche Situation den Kriterien für die Aufnahme entspricht, die, was Herrn Topor-Gilka betrifft, in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung und, was die OOO VO TPE betrifft, in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b dieses Beschlusses in geänderter Fassung genannt werden.

163    Demzufolge ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen und die Klage ist insgesamt abzuweisen, ohne dass es notwendig wäre, die vom Rat gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung zu prüfen.

 Kosten

164    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen neben ihren eigenen Kosten gemäß dem Antrag des Rates dessen Kosten aufzuerlegen.

165    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission tragen daher jeweils ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Sergey Topor-Gilka und die OOO WO Technopromexport tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die dem Rat der Europäischen Union entstanden sind.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Gervasoni


Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Ereignisse nach Erhebung der vorliegenden Klagen

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zulässigkeit

Begründetheit

Zum zweiten Klagegrund und zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht bzw. Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Rechts auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

Zum ersten Klagegrund: Beurteilungsfehler

Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.