Language of document : ECLI:EU:T:2018:486

Rechtssache T680/13

Dr. K. Chrysostomides & Co. LLC u. a.

gegen

Rat der Europäischen Union u. a.

„Außervertragliche Haftung – Wirtschafts- und Währungspolitik – Stabilitätshilfeprogramm für Zypern – Beschluss des EZB-Rats über die Bereitstellung einer Notfallliquiditätshilfe auf Ersuchen der Zentralbank von Zypern – Erklärungen der Eurogruppe vom 25. März, 12. April, 13. Mai und 13. September 2013 betreffend Zypern – Beschluss 2013/236/EU – Memorandum of Understanding zwischen Zypern und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus über spezifische wirtschaftspolitische Auflagen – Zuständigkeit des Gerichts – Zulässigkeit – Formerfordernisse – Ausschöpfung der internen Rechtsbehelfe – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Eigentumsrecht – Vertrauensschutz – Gleichbehandlung“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 13. Juli 2018

1.      Schadensersatzklage – Gegenstand – Antrag auf Ersatz eines der Union zurechenbaren Schadens – Zuständigkeit des Unionsrichters – Antrag auf Ersatz von durch die nationalen Behörden verursachten Schäden – Zuständigkeit der nationalen Gerichte

(Art. 13 Abs. 1 EUV; Art. 268 AEUV sowie 340 Abs. 2 und 3 AEUV)

2.      Schadensersatzklage – Gegenstand – Antrag auf Ersatz eines Schadens, der durch die Kommission oder die Europäische Zentralbank in Wahrnehmung der ihnen durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus übertragenen Aufgaben verursacht wurde – Zulässigkeit

(Art. 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

3.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit – Unterschied zur Nichtigkeitsklage – Beklagteneigenschaft – Kriterien für die Feststellung

(Art. 263 AEUV, 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

4.      Schadensersatzklage – Gegenstand – Antrag auf Ersatz eines Schadens, der durch die Euro-Gruppe in Ausübung der ihr nach dem Unionsrecht übertragenen Befugnisse verursacht wurde – Zulässigkeit

(Art. 3 EUV; Art. 119 Abs. 2 AEUV, 137 AEUV und 268 AEUV; dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügtes Protokoll Nr. 14, Art. 1)

5.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Koordinierung der Währungspolitik –Informelles Treffen der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, im Rahmen der Euro-Gruppe – Zweck – Zusammensetzung

(Art. 137 AEUV; dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügtes Protokoll Nr. 14, Art. 1; Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Art. 5 Abs. 1)

6.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Koordinierung der Wirtschaftspolitik – Europäischer Stabilitätsmechanismus – Einräumung von Befugnissen im Bereich der Gewährung von Finanzhilfen – Geltung des Völkerrechts – Zurechenbarkeit von Maßnahmen, die die Kommission und die Europäische Zentralbank gemäß den ihnen durch den Vertrag über den Stabilitätsmechanismus übertragenen Aufgaben ergriffen haben, an Kommission und Europäische Zentralbank – Ausschluss

(Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Art. 13 Abs. 4)

7.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Durchführung – Spezifische Maßnahmen zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und nachhaltigem Wachstum in Zypern – Integration der Geschäfte einer nationalen Bank in die nationale Zentralbank und Umwandlung von Einlagen in Aktien bei der nationalen Zentralbank – Kein Gestaltungsspielraum des betreffenden Mitgliedstaats

(Art. 136 Abs. 1 AEUV; Beschluss 2013/236 des Rates, Art. 2 Abs. 6 Buchst. b und d)

8.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Koordinierung der Wirtschaftspolitik – Europäischer Stabilitätsmechanismus – Zuweisung neuer Aufgaben an die Kommission und die Europäische Zentralbank – Keine Auswirkung auf die diesen Organen durch den EU- und den AEU-Vertrag übertragenen Befugnisse – Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der Wahrnehmung dieser Aufgaben im Rahmen einer Schadensersatzklage geltend zu machen

(Art. 17 Abs. 1 EUV; Art. 282 Abs. 2 AEUV; Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Art. 13 Abs. 3, 4 und 7)

9.      Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Konkrete Zusicherungen der Verwaltung – Begriff – Zusicherungen der Euro-Gruppe – Einbeziehung

10.    Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Bestimmung des Streitgegenstands – Kurze Darstellung der Klagegründe – Klage auf Ersatz von Schäden, die durch ein Unionsorgan verursacht worden sein sollen – Angaben, anhand deren sich das dem Organ vorgeworfene Verhalten, der Kausalzusammenhang und der tatsächliche und sichere Eintritt des verursachten Schadens feststellen lassen

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c)

11.    Schadensersatzklage – Selbständigkeit – Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs – Ausnahme – Möglichkeit für den Unionsrichter, Art und Umfang des geltend gemachten Schadens zu bestimmen

(Art. 268 AEUV und 340 Abs. 2 und 3 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c)

12.    Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen – Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang

(Art. 340 Abs. 2 AEUV)

13.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Koordinierung der Wirtschaftspolitik – Europäischer Stabilitätsmechanismus – Vereinbarung eines Memorandum of Understanding, in dem die Umwandlung ungesicherter Einlagen einer nationalen Bank in Aktien und das vorübergehende Einfrieren weiterer ungesicherter Einlagen dieser Bank vorgesehen sind – Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht der Einleger – Beurteilung des Vorhandenseins weniger restriktiver Maßnahmen – Berücksichtigung der Dringlichkeit der Lage

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1; Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Art. 12)

14.    Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Einschränkung der Ausübung der in der Charta niedergelegten Rechte und Freiheiten – Voraussetzungen – Erfordernis, dass die Einschränkung gesetzlich vorgesehen sein muss – Umfang

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 52 Abs. 1 und 3)

15.    Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtsetzungsakt, der Entscheidungen technischer Natur und komplexe Beurteilungen voraussetzt – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine höherrangige, den Einzelnen schützenden Rechtsnorm – Erfordernis einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der Grenzen des weiten Gestaltungsspielraums des Unionsgesetzgebers

(Art. 340 AEUV)

16.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Koordinierung der Wirtschaftspolitik – Europäischer Stabilitätsmechanismus – Vereinbarung eines Memorandum of Understanding, in dem die Umwandlung ungesicherter Einlagen einer nationalen Bank in Aktien und das vorübergehende Einfrieren weiterer ungesicherter Einlagen dieser Bank vorgesehen sind – Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht der Einleger – Vorliegen vergleichbarer Situationen – Unterschiedliche Behandlung der anderen Mitgliedstaaten der Eurozone, die eine Finanzhilfe erhalten – Verstoß – Voraussetzungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17 Abs. 1; Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Art. 12)

17.    Nichtigkeitsklage – Gründe – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Fehlende oder unzureichende Begründung – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen

(Art. 263 AEUV und 296 AEUV)

18.    Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beurteilung der Begründungspflicht anhand der Umstände des Einzelfalls – Notwendigkeit, sämtliche tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte anzuführen – Fehlen

(Art. 296 AEUV)

19.    Europäische Zentralbank – Befugnisse des Europäischen Systems der Zentralbanken – Festlegung der Voraussetzungen für die Rekapitalisierung und die Abwicklung von Finanzinstituten – Ausschluss

(Art. 282 Abs. 1 AEUV; dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügtes Protokoll Nr. 4, Art. 14.4)

20.    Handlungen der Organe – Rechtsnatur – Bestimmung aufgrund des Inhalts der Maßnahme –Absichtserklärung, die weder in der Reihe L noch in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht wurde – Keine Rechtsverbindlichkeit

21.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen –Gewährung von Finanzhilfe an einen Mitgliedstaat in Schwierigkeiten unter der Bedingung, dass dieser Mitgliedstaat bestimmte Maßnahmen zur Wiederherstellung der Finanzstabilität ergreift – Keine Anordnung solcher Maßnahmen bei der Gewährung von Finanzhilfe an andere Mitgliedstaaten – Verstoß – Fehlen

(Beschluss 2013/236 des Rates)

22.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Gleichbehandlung – Begriff – Beweislast

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 20 und 21)

23.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Durchführung – Spezifische Maßnahmen zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und nachhaltigem Wachstum in Zypern – Zerschlagung einer notleidenden Bank und Rekapitalisierung einer anderen notleidenden Bank durch Umwandlung der ungesicherten Einlagen bei der ersten Bank in Eigenkapital – Übernahme der sich aus der Finanzhilfe ergebenden Verbindlichkeiten der ersten Bank durch die zweite Bank – Unterschiedliche Behandlung der Inhaber ungesicherter Einlagen der beiden Banken im Vergleich zu Gläubigern, deren Forderungen auf die Finanzhilfe zurückgehen – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Beschluss 2013/236 des Rates; Memorandum of Understanding vom 26. April 2013)

24.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Gleichbehandlung – Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit – Verbot – Unanwendbarkeit auf Sachverhalte, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen – Grenzen – Beitrag eines Unionsorgans zur Beibehaltung oder Umsetzung einer solchen Behandlung – Unzulässigkeit

(Art. 18 AEUV)

25.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Gleichbehandlung – Verstoß – Begriff

26.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Durchführung – Spezifische Maßnahmen zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und nachhaltigem Wachstum in Zypern – Zerschlagung einer notleidenden Bank und Rekapitalisierung einer anderen notleidenden Bank durch Umwandlung der ungesicherten Einlagen bei der ersten Bank in Eigenkapital –Unterschiedliche Behandlung der Inhaber ungesicherter Einlagen der beiden Banken im Vergleich zu Inhabern von Einlagen bei griechischen Zweigstellen dieser Banken – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Beschluss 2013/236 des Rates; Memorandum of Understanding vom 26. April 2013)

27.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Durchführung – Spezifische Maßnahmen zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und nachhaltigem Wachstum in Zypern – Zerschlagung einer notleidenden Bank und Rekapitalisierung einer anderen notleidenden Bank durch Umwandlung der ungesicherten Einlagen bei der ersten Bank in Eigenkapital – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Richtlinie 94/19 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinien 2005/1 und 2009/14 geänderten Fassung, Erwägungsgrund 16 und Art. 7 Abs. 1a; Beschluss 2013/236 des Rates; Memorandum of Understanding vom 26. April 2013)

28.    Gerichtliches Verfahren – Beweis – Beweislast

(Verfahrensordnung des Gerichts [2015], Art. 85)

29.    Wirtschafts- und Währungspolitik – Währungspolitik – Durchführung – Spezifische Maßnahmen zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und nachhaltigem Wachstum in Zypern – Zerschlagung einer notleidenden Bank und Rekapitalisierung einer anderen notleidenden Bank durch Umwandlung der ungesicherten Einlagen bei der ersten Bank in Eigenkapital – Unterschiedliche Behandlung der Inhaber ungesicherter Einlagen der beiden Banken im Vergleich zu den Gesellschaften des genossenschaftlichen Bankensektors, die nicht Gegenstand des „bail-in“ waren – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Beschluss 2013/236 des Rates)

1.      Nach Art. 268 AEUV sowie Art. 340 Abs. 2 und 3 AEUV sind die Unionsgerichte im Bereich der außervertraglichen Haftung nur für Streitsachen über den Ersatz der Schäden zuständig, die die Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union oder deren Bedienstete in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursacht haben. Der in Art. 340 Abs. 2 AEUV verwandte Begriff „Organ“ darf nicht so verstanden werden, dass er nur die in Art. 13 Abs. 1 AEUV aufgezählten Organe der Union meint. Er erfasst in Anbetracht des durch den AEU-Vertrag geschaffenen Systems der außervertraglichen Haftung auch alle anderen Einrichtungen und sonstige Einrichtungen der Union, die durch die Verträge geschaffen wurden und zur Verwirklichung der Ziele der Union beitragen. Demzufolge sind die von diesen Einrichtungen und sonstigen Stellen in Ausübung ihrer Befugnisse getätigten Handlungen in Einklang mit den in Art. 340 Abs. 2 AEUV erwähnten allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten der Union zuzurechnen.

Das Gericht kann folglich nicht über eine Schadensersatzklage entscheiden, die gegen die Union gerichtet ist und auf die Rechtswidrigkeit einer Handlung oder einer Verhaltensweise eines Organs, einer Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union oder deren Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit gestützt ist. Für die von nationalen Behörden in Ausübung ihrer eigenen Amtstätigkeit verursachten Schäden kommt daher nur eine Haftung der nationalen Behörden in Betracht, und für Klagen auf Ersatz solcher Schäden sind allein die nationalen Gerichte zuständig. Dagegen ist nicht ausgeschlossen, dass die Unionsgerichte über eine Klage auf Ersatz von Schäden entscheiden können, die durch eine Handlung oder Verhaltensweise verursacht wurden, mit der eine nationale Behörde eine Regelung der Union umsetzt. In einem derartigen Fall ist zur Begründung der Zuständigkeit der Unionsgerichte zu prüfen, ob die behauptete Rechtswidrigkeit, auf die die Klage gestützt wird, wirklich von einem Organ, einer Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union oder einem ihrer Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit ausgeht und nicht in Wirklichkeit der betreffenden nationalen Behörde zur Last gelegt werden kann. Dies ist der Fall, wenn die nationalen Behörden im Hinblick auf die Umsetzung einer unter dieser Rechtswidrigkeit leidenden Regelung der Union über keinerlei Ermessen verfügten.

(vgl. Rn. 81-84)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 85)

3.      Die Zuständigkeit, die der Unionsrichter in Rechtsstreitigkeiten nach Art. 263 AEUV wahrnimmt, unterscheidet sich sowohl nach ihrem Gegenstand als auch nach den möglichen Klagegründen von derjenigen Zuständigkeit, die dem Unionsrichter in den Streitigkeiten über die außervertragliche Haftung nach den Art. 268 AEUV und 240 AEUV übertragen ist. Die Klage auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer außervertraglichen Haftung der Union für Handlungen oder Unterlassungen ihrer Organe ist nämlich als ein gegenüber anderen Klagen selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen und von Voraussetzungen abhängig gemacht worden, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind. Während die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV die Beseitigung einer bestimmten Maßnahme zum Ziel hat, hat die auf Art. 340 AEUV gestützte Schadensersatzklage den Ersatz des Schadens zum Gegenstand, den ein Unionsorgan verursacht hat.

Daher kann grundsätzlich jede Handlung eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union oder eines ihrer Bediensteten in Ausführung seiner Amtstätigkeit, unabhängig davon, ob sie mit einer Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV angefochten werden kann, Gegenstand einer Schadensersatzklage im Sinne von Art. 268 AEUV sein. Auch kann eine Verhaltensweise ohne Entscheidungscharakter, die geeignet ist, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, Grundlage für eine Schadensersatzklage sein, obwohl sie nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann. Hieraus folgt, dass in dem vom AEU-Vertrag geschaffenen System von Rechtsbehelfen die Klage aus außervertraglicher Haftung einen Ausgleichszweck verfolgt, der insbesondere auch gegenüber Handlungen und Verhaltensweisen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union oder eines Bediensteten in Ausübung seiner Amtstätigkeit, die nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV sein können, einen effektiven Rechtsschutz für den Bürger sicherstellen soll. Angesichts der unterschiedlichen und ergänzenden Zwecke dieser beiden Klagearten kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Begriff „Organ“ im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV zwingend auf die Organe, Einrichtungen und andere Stellen der Union im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV beschränkt.

Die Identifizierung der Einrichtungen der Union, die als „Organ“ im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV angesehen werden können, muss vielmehr anhand der spezifischen Kriterien der genannten Bestimmung erfolgen, die sich von denen unterscheiden, die für die Identifizierung der Einrichtungen und sonstigen Stellen im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV gelten. Für Art. 263 AEUV bezieht sich das maßgebliche Kriterium auf die Befugnis der beklagten Stelle zur Vornahme von Handlungen, die dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen gegenüber Dritten zu entfalten. Dagegen ist für Art. 340 Abs. 2 AEUV zu ermitteln, ob die Stelle der Union, der die beanstandete Handlung oder Verhaltensweise zugerechnet werden kann, durch die Verträge geschaffen wurde und zur Verwirklichung der Ziele der Union beiträgt

(vgl. Rn. 109-112)

4.      Die Handlungen und Verhaltensweisen der Euro-Gruppe in Ausübung ihrer Befugnisse nach dem Unionsrecht können der Union zugerechnet werden. Art. 1 des Protokolls (Nr. 14) betreffend die Euro-Gruppe, das dem AEUV beigefügt ist, bestimmt nämlich, dass die Minister, aus denen die Euro-Gruppe besteht, zu Sitzungen zusammentreten, um Fragen im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen spezifischen Verantwortung im Bereich der einheitlichen Währung zu erörtern. Diese Fragen betreffen nach Art. 119 Abs. 2 AEUV die Tätigkeit der Union im Sinne der Ziele gemäß Art. 3 EUV, zu denen die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion gehört, deren Währung der Euro ist. Hieraus folgt, dass die Euro-Gruppe eine Stelle der Union ist, die durch die Verträge förmlich geschaffen wurde und zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft beiträgt.

(vgl. Rn. 113)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 123-125)

6.      Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, wollten mit Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus dieser internationalen Organisation, die Rechtspersönlichkeit besitzt, konkrete und ausschließliche Befugnisse im Bereich der Gewährung von Finanzhilfen für in Schwierigkeiten befindliche Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einräumen. Die Wahrnehmung dieser Befugnisse unterliegt den auf eine Organisation für zwischenstaatliche Zusammenarbeit anwendbaren Regeln des Völkerrechts, während das Unionsrecht nur insoweit gilt, als der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus dies ausdrücklich vorsieht. Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, haben somit die Gewährung einer Finanzhilfefazilität eindeutig außerhalb sowohl des Betätigungsfelds der Union als auch ihres normativen Rahmens angesiedelt.

Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, haben zwar für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Interesse des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf Organe der Union zurückgegriffen, d. h. auf die Kommission und die Europäische Zentralbank. Die diesen Organen im Rahmen des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus übertragenen Funktionen umfassen jedoch keine Entscheidungsbefugnis im eigentlichen Sinne, und die Tätigkeiten dieser beiden Organe im Rahmen des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichten nur den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Da es sich um ein Memorandum of Understanding zwischen dem Stabilitätsmechanismus und einem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, handelt, sind die in einem solchen Protokoll niedergelegten Anforderungen nur dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, nicht der Kommission zuzurechnen.

(vgl. Rn. 128, 129, 167)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 178-181, 186, 191)

8.      Die der Kommission und der Europäischen Zentralbank im Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus übertragenen Aufgaben verfälschen nicht die Befugnisse, die den genannten Organen durch den EUV und den AEUV eingeräumt wurden. Was insbesondere die Kommission betrifft, so überträgt Art. 13 Abs. 3 und 4 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus der Kommission die Aufgabe, die Vereinbarkeit des vom Europäischen Stabilitätsmechanismus geschlossenen Memorandum of Understanding mit dem Unionsrecht sicherzustellen, so dass sie im Rahmen des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ihre Rolle als Hüterin der Verträge behält, wie sie sich aus Art. 17 Abs. 1 EUV ergibt. Sie muss daher davon Abstand nehmen, ein Memorandum of Understanding zu unterzeichnen, dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht sie bezweifelt.

Infolgedessen darf ein Kläger der Kommission im Rahmen einer Schadensersatzklage rechtswidrige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Annahme eines Memorandum of Understanding im Namen des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Last legen. Rechtswidrigen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Annahme eines Memorandum of Understanding sind nicht die einzigen rechtswidrigen Verhaltensweisen eines Organs der Union im Rahmen des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die die außervertragliche Haftung dieses Organs auslösen können. Rechtswidrige Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Überwachung der Anwendung von in einem Memorandum of Understanding vorgesehenen Maßnahmen durch die Europäische Zentralbank und die Kommission stehen, können diesen im Rahmen einer Schadensersatzklage zur Last gelegt werden. Das Aushandeln und die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding durch die Kommission sowie die Überwachung der Anwendung der darin vorgesehenen Maßnahmen durch die Europäische Zentralbank und die Kommission nach Art. 13 Abs. 7 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus können somit die Haftung der Union auslösen.

(vgl. Rn. 201-204)

9.      Bei dem Grundsatz des Vertrauensschutzes handelt es sich um einen höherrangigen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der die einzelnen schützen soll und bei dessen Verletzung durch ein Organ der Union die Haftung der Union ausgelöst werden kann. Das Recht, sich auf diesen Grundsatz zu berufen, setzt voraus, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben. Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich nämlich jeder berufen, bei dem ein Unionsorgan durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat.

Folglich kann die seitens der Euro-Gruppe erfolgte Übermittlung eindeutiger Zusicherungen zu Maßnahmen, die in einem Memorandum of Understanding vorgesehen sind, das zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und einem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, geschlossen wurde, die Haftung der Union auslösen. Zusicherungen bezüglich der Gewährung einer Finanzhilfefazilität an einen solchen Mitgliedstaat stammen hingegen, da die Gewährung einer solchen Fazilität zu den Befugnissen des Europäischen Stabilitätsmechanismus und nicht der Euro-Gruppe gehört, nicht von einer zuständigen Behörde.

(vgl. Rn. 205, 206, 404, 427)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 215, 216)

11.    Die Schadensersatzklage nach Art. 268 AEUV sowie Art. 340 Abs. 2 und 3 AEUV ist im Hinblick auf das gesamte System des Individualrechtsschutzes zu beurteilen, und ihre Zulässigkeit kann daher in bestimmten Fällen von der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs abhängig sein, der zur Verfügung steht, um die Nichtigerklärung einer Entscheidung der nationalen Behörde zu erlangen, sofern die nationalen Rechtsbehelfe den Schutz der Betroffenen wirksam sicherstellen und zum Ersatz des geltend gemachten Schadens führen können.

Die Fälle einer Unzulässigkeit aufgrund Nicht-Erschöpfung der innerstaatlichen Klagemöglichkeiten beschränken sich auf den Fall, in dem es dem Unionsrichter aufgrund der Nicht-Erschöpfung der innerstaatlichen Klagemöglichkeiten verwehrt ist, Art und Umfang des vor ihm geltend gemachten Schadens zu bestimmen, so dass die Anforderungen von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung nicht erfüllt sind. Ist der Unionsrichter in der Lage, Art und Umfang des geltend gemachten Schadens zu bestimmen, ist die Klage nicht allein deswegen als unzulässig anzusehen, weil der Kläger die innerstaatlichen Klagemöglichkeiten nicht erschöpft hat – ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die betreffenden Handlungen und Verhaltensweisen Gegenstand einer Klage vor den nationalen Gerichten sein können.

Allenfalls könnte unter diesen Umständen angenommen werden, dass die Erhebung einer Klage vor einem nationalen Gericht durch einen oder mehrere Kläger, mit der der Ersatz desselben Schadens wie mit der Klage vor dem Unionsrichter begehrt wird, Auswirkungen bei der Prüfung der Begründetheit dieser Klage haben kann. Hat eine Person zwei Schadensersatzklagen wegen ein und desselben Schadens erhoben, die eine Klage gegen eine nationale Behörde vor einem nationalen Gericht und die andere gegen ein Organ der Union vor dem Unionsrichter, und besteht die Gefahr, dass aufgrund einer unterschiedlichen Beurteilung dieses Schadens durch die beiden angerufenen Gerichte diese Person unzureichend oder übermäßig entschädigt wird, muss der Unionsrichter vor der Entscheidung über den Schaden abwarten, bis das nationale Gericht mit einer verfahrensbeendenden Entscheidung über die bei ihm erhobene Klage entschieden hat. Der Unionsrichter muss in einem solchen Fall vor seiner Entscheidung über Vorliegen und Umfang des Schadens die Entscheidung des nationalen Richters abwarten. Dagegen ist es ihm möglich, auch vor der Entscheidung des nationalen Richters festzustellen, ob das dem beklagten Organ vorgeworfene Verhalten eine außervertragliche Haftung der Union auslösen kann.

(vgl. Rn. 238-241)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 245)

13.    Eine Beschränkung des Eigentumsrechts darf nicht unverhältnismäßig sein. Einerseits muss sie einem dem Gemeinwohl dienenden Ziel entsprechen sowie zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sein. Andererseits darf der „Wesensgehalt“, d. h. die Substanz, des Eigentumsrechts nicht beeinträchtigt werden.

Zu einem Memorandum of Understanding zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und einem in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, ergibt sich aus Art. 12 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, dass die Annahme eines solchen Memorandums einem dem Gemeinwohl dienenden Ziel der Union entspricht, und zwar dem, die Stabilität des Bankensystems des Euro-Währungsgebiets insgesamt sicherzustellen. Finanzdienstleistungen spielen nämlich in der Wirtschaft der Union eine zentrale Rolle. Da die Banken eine wesentliche Finanzierungsquelle für Unternehmen darstellen und häufig untereinander eng verbunden sind, besteht das Risiko, dass die Insolvenz einer oder mehrerer Banken rasch auf andere Banken – sowohl im Herkunftsstaat als auch in anderen Mitgliedstaaten – übergreift und in der Folge negative Auswirkungen auch in anderen Wirtschaftssektoren spürbar werden.

In diesem Zusammenhang ist im Fall eines Memorandum of Understanding, das u. a. die Rekapitalisierung einer Bank durch die Umwandlung nicht gesicherter Einlagen in Eigenkapital vorsieht, bei der Beurteilung, ob Maßnahmen in Betracht kommen, die das Eigentumsrecht weniger beschränken, zu berücksichtigen, dass für die nationalen Behörden die Notwendigkeit bestand, beim Erlass der durch das Memorandum of Understanding vorgesehenen Maßnahmen schnell zu handeln. Die Schnelligkeit, mit der diese Maßnahmen erlassen wurden, war kein Hinweis auf den Verstoß gegen das Recht auf eine ordnungsgemäße Verwaltung, sondern belegt vielmehr die Dringlichkeit der Lage, in der sich der betreffende Mitgliedstaat befindet. Es geht nämlich darum, die unmittelbar bevorstehende Gefahr eines Zusammenbruchs der betroffenen Banken abzuwenden, um die Stabilität des nationalen Finanzsystems zu erhalten und damit ein Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten der Eurozone zu verhindern. Die Ausarbeitung eines differenzierten Abschlagssystems verlangte von den nationalen Behörden besonders schwierige und ungewisse Schritte, um sicherzustellen, dass die rekapitalisierte Bank aufgrund der gewählten Prozentsätze und Schwellenwerte die im Memorandum of Understanding genannte Kernkapitalquote erreichen kann, und setzte damit die Rekapitalisierung dieser Bank erheblichen Risiken aus.

Außerdem kann das Erfordernis, den Betroffenen eine angemessene Gelegenheit zu bieten, ihr Anliegen den zuständigen Stellen vorzutragen, nicht dahin ausgelegt werden, dass die Betroffenen unter allen Umständen in der Lage sein müssen, vor dem Erlass der Maßnahmen, die ihr Eigentumsrecht beeinträchtigen, ihren Standpunkt gegenüber den zuständigen Behörden geltend zu machen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die betreffenden Maßnahmen keine Sanktionen darstellen und in einen Zusammenhang besonderer Dringlichkeit fallen. In dieser Hinsicht würde die Durchführung eines Verfahrens zur vorherigen Konsultation, bei dem Tausende von Einlegern und Aktionären der betroffenen Banken vor dem Erlass der nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der im Memorandum of Understanding vorgesehenen Maßnahmen bei der Zentralbank des betroffenen Mitgliedstaats ihren Standpunkt zur Geltung bringen könnten, die Anwendung der Maßnahmen, mit denen dieser Zusammenbruch verhindert werden sollte, unweigerlich verzögern. Die Verwirklichung des Ziels, die Stabilität des nationalen Finanzsystems zu wahren und damit ein Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten der Eurozone zu verhindern, wäre erheblichen Risiken ausgesetzt.

(vgl. Rn. 255, 282, 290, 310)

14.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 272)

15.    Wenn die Organe der Union in einem komplexen und sich ständig weiterentwickelnden Rahmen Entscheidungen technischer Natur treffen und komplexe Prognosen und Beurteilungen vornehmen müssen, ist ihnen hinsichtlich Art und Umfang der Maßnahmen, die sie unterstützen oder deren Beibehaltung oder kontinuierliche Umsetzung sie verlangen, ein weites Ermessen einzuräumen. In diesem Zusammenhang erfordert die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens, dass das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich verkannt hat.

(vgl. Rn. 291)

16.    Die Maßnahmen, an die die Gewährung einer Finanzhilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus (oder anderer internationaler Organisationen, Einrichtungen oder Organe der Union oder Staaten) zur Lösung der finanziellen Schwierigkeiten eines Mitgliedstaats angesichts einer notwendigen Rekapitalisierung seines Bankensystems gekoppelt sein kann, können sich von Fall zu Fall je nach den erworbenen Erfahrungen und den besonderen Umständen grundlegend voneinander unterscheiden. Zu diesen zählen insbesondere die wirtschaftliche Lage des begünstigten Staates, die Bedeutung der Hilfe für dessen gesamte Wirtschaft, die Aussichten der betroffenen Banken auf eine Wiederherstellung der Rentabilität und die Gründe, die zu den bei ihnen aufgetretenen Schwierigkeiten geführt haben sowie gegebenenfalls die unverhältnismäßige Größe des Bankensektors des begünstigten Staates gemessen an dessen Volkswirtschaft, die Entwicklung der internationalen Wirtschaftslage oder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zukünftiger Interventionen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (oder anderer internationaler Organisationen, Einrichtungen oder Organe der Union oder Staaten) zur Stützung anderer bedürftiger Staaten, die eine vorsorgliche Beschränkung der für die einzelne Intervention bereitgestellten Beträge erforderlich machen kann.

Folglich kann hinsichtlich der Vereinbarkeit eines zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und einem Staat, der eine Finanzhilfe erhalten hat, geschlossenen Memorandum of Understanding mit dem Eigentumsrecht ein Vergleich der (absoluten und relativen) Höhe der Finanzhilfe, die auf der einen Seite der betreffende Empfängerstaat und auf der anderen Seite andere Empfängerstaaten erhalten haben, nicht sachgerecht vorgenommen werden, ohne zu belegen, dass die Finanzsektoren der anderen Staaten, deren Währung der Euro ist, die eine Finanzhilfe erhalten haben, durch eine überdimensionale Größe im Verhältnis zur Größe der jeweiligen Volkswirtschaften dieser Länder gekennzeichnet sind. Außerdem ist nachzuweisen, dass die erworbenen Erfahrungen und die Unterschiede in der wirtschaftlichen Lage der betroffenen Staaten, deren Währung der Euro ist, in den Aussichten der betroffenen Banken auf eine Wiederherstellung der Rentabilität, in der Entwicklung der internationalen Wirtschaftslage oder in der erhöhten Wahrscheinlichkeit zukünftiger Interventionen des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Stützung anderer bedürftiger Staaten, die eine vorsorgliche Beschränkung der für die einzelne Intervention bereitgestellten Beträge erforderlich machen kann, eine Ungleichbehandlung zwischen dem betreffenden Empfängerstaat und den anderen Staaten, die eine Finanzhilfe erhalten haben, nicht rechtfertigen kann.

(vgl. Rn. 311-313)

17.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 390)

18.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 392-395)

19.    Die nationalen Zentralbanken nehmen zwei Arten von Aufgaben wahr, nämlich erstens die Aufgaben, die in der Satzung des Europäischen Zentralbankensystems und der Europäischen Zentralbank vorgesehen sind, und zweitens die, die es nicht sind. Letztere können weder dem Europäischen Zentralbankensystem noch dem Eurosystem zugerechnet werden. Art. 14.4 der Satzung des Europäischen Zentralbankensystems und der Europäischen Zentralbank sieht nämlich vor, dass die nationalen Zentralbanken andere als die in dieser Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen können, es sei denn, der EZB-Rat stellt mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen fest, dass diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des Europäischen Zentralbankensystems vereinbar sind. Die Aufgaben, die von den nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrgenommen werden, gelten nicht als Aufgaben des Europäischen Zentralbankensystems.

Die Festlegung der Bedingungen für die Rekapitalisierung oder die Abwicklung der Finanzinstitutionen ist in der Satzung des Europäischen Zentralbankensystems und der Europäischen Zentralbank nicht unter den Aufgaben der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Zentralbankensystems aufgeführt. Es handelt sich somit um Aufgaben, die die nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen. Daher konnte ein umsichtiger und besonnener Leser bei vernünftiger Betrachtung nicht davon ausgehen, dass eine von einer nationalen Zentralbank aufgestellte Behauptung über die Festlegung der Bedingungen für die Rekapitalisierung oder die Abwicklung von Finanzinstitutionen dem Eurosystem zuzurechnen war und dieses verpflichtete. Weder Art. 282 Abs. 1 AEUV noch die Formulierung der Aufgabe des Eurosystems stellen diese Schlussfolgerung in Frage. Folglich kann bei verständiger Betrachtung aus Art. 282 Abs. 1 AEUV nicht abgeleitet werden, dass das Eurosystem im Fall einer Rekapitalisierung oder Abwicklung nationaler Banken die Werterhaltung der Einlagen bei diesen Banken gewährleistet.

(vgl. Rn. 415-417, 419)

20.    Bei der Formulierung der Aufgabe der Europäischen Zentralbank und des Eurosystems handelt es sich um eine bloße Absichtserklärung ohne jede rechtliche Wirkung, die aus diesem Grund weder in der Reihe L des Amtsblatts der Europäischen Union, in der rechtlich verbindliche Rechtsakte veröffentlicht werden sollen, noch in der Reihe C veröffentlicht wurde, in der Informationen, Empfehlungen und Stellungnahmen betreffend die Union veröffentlicht werden. Die genannte Formulierung hat nämlich ihrer Art nach einen reinen Orientierungscharakter und ist nicht dazu bestimmt, ihren Verfassern Verpflichtungen aufzuerlegen oder sämtliche Aufgaben und Befugnisse der Mitglieder des Eurosystems abschließend zu erfassen.

(vgl. Rn. 420)

21.    Der bloße Umstand, dass in früheren Phasen einer internationalen Finanzkrise die Gewährung einer Finanzhilfe durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht vom Erlass von Maßnahmen abhängig war, die mit den einem Empfängerstaat auferlegten Maßnahmen vergleichbar waren, kann als solcher nicht als eine klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherung angesehen werden, die ein berechtigtes Vertrauen der Aktionäre und Einleger der von diesen Maßnahmen betroffenen Banken begründen kann, dass die Gewährung einer Finanzhilfe an diesen Staat nicht von diesen Maßnahmen abhängig sein würde.

Die Maßnahmen, an die die Gewährung einer Finanzhilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus (oder anderer internationaler Organisationen, Einrichtungen oder Organe der Union oder Staaten) zur Lösung der finanziellen Schwierigkeiten eines Mitgliedstaates angesichts einer notwendigen Rekapitalisierung seines Bankensystems gekoppelt sein kann, können sich von Fall zu Fall je nach den erworbenen Erfahrungen und den besonderen Umständen grundlegend voneinander unterscheiden. Mangels eindeutiger, ausdrücklicher Verpflichtung der zuständigen Behörden kann daher nicht angenommen werden, dass die Aktionäre und Einleger der von den fraglichen Maßnahmen betroffenen Banken vernünftigerweise erwarten konnten, dass die Gewährung einer Finanzhilfefazilität von identischen Voraussetzungen oder gar von solchen abhängig sein würde, die denen ähneln, von denen die Gewährung einer Finanzhilfe an andere Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, abhängig war.

(vgl. Rn. 432, 433)

22.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 440-442)

23.    Im Hinblick auf die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes befinden sich zum einen ein privater Wirtschaftsteilnehmer, der, wie die Inhaber nicht gesicherter Einlagen bei von den in einem Memorandum of Understanding des Europäischen Stabilitätsmechanismus vorgesehenen Maßnahmen betroffenen nationalen Banken und die Aktionäre einer anderen nationalen Bank, die über diese nicht gesicherten Einlagen rekapitalisiert wurde, nur in seinem privaten Vermögensinteresse handelte, und zum anderen eine Zentralbank des Eurosystems, deren Entscheidungen allein von im Allgemeininteresse liegenden Zielen geleitet waren, in einer unterschiedlichen Lage. Allein der Umstand, dass Einleger und eine Zentralbank des Eurosystems, deren Entscheidungen von den genannten Zielen geleitet werden, eine gleiche Forderung gegenüber derselben Bank haben, kann diese Schlussfolgerung nicht entkräften, so dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht erfordern kann, dass diese beiden Kategorien von Personen gleich behandelt werden.

(vgl. Rn. 449)

24.    Das Unionsrecht verwehrt es in Situationen, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Unionsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, nicht, dass die Angehörigen dieses Mitgliedstaats von diesem eine weniger günstige Behandlung erfahren als die Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats. Dies gilt jedoch nicht für Handlungen oder Unterlassungen, durch die ein oder mehrere Organe der Union zu dieser Behandlung beitragen und ihre Aufrechterhaltung oder ihre fortgesetzte Ausführung verlangen.

Somit kann in Bezug auf ein vom Europäischen Stabilitätsmechanismus geschlossenes Memorandum of Understanding, das u. a. die Rekapitalisierung einer nationalen Bank über nicht gesicherte Einlagen einer anderen nationalen Bank vorsieht, selbst wenn man annimmt, dass das Vorbringen zur diskriminierenden Ungleichbehandlung der Einleger der Banken des betreffenden Mitgliedstaats einerseits und der Inhaber von Einlagen bei Zweigstellen dieser Banken in einem anderen Mitgliedstaats andererseits als Hinweis auf eine Situation verstanden werden kann, die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass eine Diskriminierung der Aktionäre und Einleger der betreffenden Banken als eine unionsrechtlich nicht verbotene „umgekehrte Diskriminierung“ anzusehen sei.

(vgl. Rn. 461-463)

25.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 465)

26.    Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht.

Was die Frage betrifft, ob die durch ein vom Europäischen Stabilitätsmechanismus geschlossenes Memorandum of Understanding bewirkte unterschiedliche Behandlung einerseits der Inhaber von Einlagen bei von den in diesem Memorandum of Understanding niedergelegten Maßnahmen betroffenen nationalen Banken und andererseits der Inhaber von Einlagen bei Zweigstellen dieser Banken in einem anderen Mitgliedstaat auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, ist festzustellen, dass das Ziel, eine allgemeine Destabilisierung des Finanzsystems des zweiten Mitgliedstaats infolge eines Übergreifens vom Bankensystem des ersten Mitgliedstaats zu verhindern, als objektiv und angemessen angesehen werden kann. Was die Verhältnismäßigkeit dieser unterschiedlichen Behandlung betrifft, ist festzustellen, dass sie zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht.

Dass die Finanzhilfefazilität zum einen nach dem Memorandum of Understanding davon abhängig gemacht wurde, dass die Behörden des zweiten Mitgliedstaats eine Maßnahme erlassen, mit der ein Abschlag auf die Einlagen bei den betroffenen Banken in diesem Mitgliedstaat angeordnet wird, und zum anderen von keiner vergleichbaren Voraussetzung für die Einlagen im ersten Mitgliedstaat abhängig war, war folglich objektiv gerechtfertigt und stellt somit keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar.

(vgl. Rn. 469-473)

27.    Hinsichtlich einer in einem Memorandum of Understanding des Europäischen Stabilitätsmechanismus vorgesehenen Maßnahme, die vorsieht, dass die Verbindlichkeiten einer nationalen Bank gegenüber den Einlegern mit einer Einlage von jeweils höchstens 100 000 Euro auf eine andere, in Schwierigkeiten befindliche nationale Bank übertragen werden, während die Einlagen von mehr als 100 000 Euro bei der ersten Bank bis zu deren Abwicklung verbleiben, ist festzustellen, dass diese Maßnahme unterschiedslos für alle Einleger der ersten Bank gilt und somit keine unterschiedliche Behandlung dieser Einleger nach der Höhe der Einlagen, die sie bei dieser Bank unterhalten, vorliegt.

Der bloße Umstand, dass die Übertragung der Einlagen bei der ersten Bank auf die zweite Bank an eine einheitliche Obergrenze von 100 000 Euro je Einleger gebunden ist und infolgedessen unterschiedliche Auswirkungen auf diese Einleger entsprechend der Höhe ihrer Einlagen haben kann, kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen. Jeder Unterschied dieser Art folgt nämlich aus der Anwendung der Sicherungsobergrenze von 100 000 Euro gemäß Art. 7 Abs. 1a der Richtlinie 94/19 über Einlagensicherungssysteme in der Fassung der Richtlinien 2005/1 und 2009/14. Es handelt sich hierbei um ein sowohl objektives als auch den Erfordernissen des allgemeinen Funktionierens des Bankensystems der Union angepasstes Kriterium.

Hinsichtlich einer in dem Memorandum of Understanding vorgesehenen Maßnahme zur Umwandlung von Aktien der zweiten Bank, wonach der Abschlag auf die nicht gesicherten Einlagen dieser Bank nur bei den Einlegern erfolgt, deren Einlagen 100 000 Euro übersteigen, ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung der Einleger der zweiten Bank je nachdem, ob die Höhe der Einlagen bei dieser den Betrag von 100 000 Euro überschreitet oder nicht. Diese unterschiedliche Behandlung stellt jedoch keine nach dem Unionsrecht verbotene Ungleichbehandlung dar, da sich die Einleger, deren Einlagen bei den betroffenen Banken den Betrag von 100 000 Euro übersteigen, in einer rechtlich anderen Lage befinden als die Einleger, deren Einlagen bei den betroffenen Banken diesen Betrag nicht übersteigen. Nach Art. 7 Abs. 1a der Richtlinie 94/19 sind nämlich die Einlagen der Letztgenannten im Fall der Nichtverfügbarkeit der Einlagen durch das nationale Einlagensicherungssystem vollständig geschützt, während die Einlagen der Erstgenannten dies nur bis zu einer Höhe von 100 000 Euro sind.

(vgl. Rn. 482-485)

28.    Grundsätzlich hat derjenige, der zur Begründung eines Antrags Tatsachen anführt, diese zu beweisen.

(vgl. Rn. 501)

29.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 504-508)