Language of document : ECLI:EU:C:2020:327

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

30. April 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges und gewerbliches Eigentum – Verordnung (EG) Nr. 469/2009 – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Voraussetzungen für die Erteilung – Art. 3 Buchst. a – Begriff ‚Erzeugnis[, das] durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist‘ – Beurteilungskriterien“

In der Rechtsache C‑650/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. November 2017, in dem Verfahren

Royalty Pharma Collection Trust

gegen

Deutsches Patent- und Markenamt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters N. Piçarra,


Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Royalty Pharma Collection Trust, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Bühler, M. Stief und A. Wünsche,

–        der französischen Regierung, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, J. Traband und E. Leclerc als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. A. M. de Ree als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, T. Scharf und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. 2009, L 152, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Royalty Pharma Collection Trust (im Folgenden: Royalty Pharma) und dem Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) über dessen Weigerung, ein ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden: ESZ) für Sitagliptin zur Behandlung von Diabetes mellitus zu erteilen.


 Rechtlicher Rahmen

 EPÜ

3        Art. 69 („Schutzbereich“) des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente sieht in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: EPÜ) vor:

„(1)      Der Schutzbereich des europäischen Patents und der europäischen Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(2)      Für den Zeitraum bis zur Erteilung des europäischen Patents wird der Schutzbereich der europäischen Patentanmeldung durch die in der veröffentlichten Anmeldung enthaltenen Patentansprüche bestimmt. Jedoch bestimmt das europäische Patent in seiner erteilten oder im Einspruchs‑, Beschränkungs- oder Nichtigkeitsverfahren geänderten Fassung rückwirkend den Schutzbereich der Anmeldung, soweit deren Schutzbereich nicht erweitert wird.“

4        Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ, der nach Art. 164 Abs. 1 des Übereinkommens Bestandteil desselben ist, sieht vor:

„Artikel 69 ist nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Artikel 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden.“

 Unionsrecht

5        Die Erwägungsgründe 3 bis 5, 7, 9 und 10 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten:

„(3)      Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der [Europäischen Union] und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

(4)      Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(5)      Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

(7)      Auf [Unionsebene] sollte eine einheitliche Lösung gefunden werden, um auf diese Weise einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, die neue Unterschiede zur Folge hätte, welche geeignet wären, den freien Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der [Union] zu behindern und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar zu beeinträchtigen.

(9)      Die Dauer des durch das [ESZ] gewährten Schutzes sollte so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines [ESZ] ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der [Union] eingeräumt werden.

(10)      In einem so komplexen und empfindlichen Bereich wie dem pharmazeutischen Sektor sollten jedoch alle auf dem Spiel stehenden Interessen einschließlich der Volksgesundheit berücksichtigt werden. Deshalb kann das [ESZ] nicht für mehr als fünf Jahre erteilt werden. Der von ihm gewährte Schutz sollte im Übrigen streng auf das Erzeugnis beschränkt sein, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde.“

6        Art. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Arzneimittel‘ einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der (die) als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet wird, sowie einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der (die) dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden;

b)      ‚Erzeugnis‘ den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

c)      ‚Grundpatent‘ ein Patent, das ein Erzeugnis als solches, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für das Verfahren zur Erteilung eines [ESZ] bestimmt ist;

…“

7        Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des [ESZ]“) der Verordnung Nr. 469/2009 sieht vor:

„Das [ESZ] wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

a)      das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

b)      für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen … erteilt wurde;

c)      für das Erzeugnis nicht bereits ein [ESZ] erteilt wurde;

d)      die unter Buchstabe b erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.“

8        Art. 4 („Schutzgegenstand“) der Verordnung Nr. 469/2009 bestimmt:

„In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das [ESZ] gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des [ESZ] genehmigt wurden.“

9        Art. 5 („Wirkungen des [ESZ]“) der Verordnung Nr. 469/2009 lautet:

„Vorbehaltlich des Artikels 4 gewährt das [ESZ] dieselben Rechte wie das Grundpatent und unterliegt denselben Beschränkungen und Verpflichtungen.“

10      Art. 13 („Laufzeit des [ESZ]“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 sieht vor:

„Das [ESZ] gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der [Union] entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11      Royalty Pharma ist Inhaber des am 24. April 1997 angemeldeten europäischen Patents (DE) EP 1 084 705 (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehendes Grundpatent). Dieses Patent offenbart ein Verfahren zur Senkung des Blutzuckerspiegels bei Säugern durch die Verabreichung von Inhibitoren des Enzyms Dipeptidyl-Peptidase IV (im Folgenden: DP IV), was zur Regulation des Blutzuckerspiegels beiträgt.

12      Sitagliptin gehört zu den DP-IV‑Inhibitoren. Dieses Erzeugnis wurde von einer Lizenznehmerin des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatents nach dem Anmeldetag dieses Patents entwickelt. Die Lizenznehmerin erhielt ein neues Patent für Sitagliptin, das als Grundpatent für die Erteilung eines ESZ diente.

13      Am 17. Dezember 2014 beantragte Royalty Pharma beim DPMA auf der Grundlage des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatents und einer am 21. März 2007 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden: Genehmigung) für das unter dem Namen Januvia vertriebene Arzneimittel ein ESZ für Sitagliptin.

14      Dieser Antrag wurde am 12. April 2017 vom DPMA mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzung nach Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 nicht erfüllt sei. Das Amt war der Auffassung, dass Sitagliptin zwar der in den Ansprüchen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatents angegebenen funktionellen Definition des DP-IV‑Inhibitors entspreche, es in diesem Patent aber an jeglicher spezifischer Offenbarung dieses Erzeugnisses fehle, so dass der konkrete Wirkstoff für den Fachmann daraus nicht hervorgehe.

15      Der Schutzgegenstand des Patents entspreche somit nicht dem später entwickelten und unter dem Namen Januvia vertriebenen Arzneimittel. Es würde daher den Zielen der Verordnung Nr. 469/2009 widersprechen, ein ESZ für ein Erzeugnis zu erteilen, das mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatent nicht offenbart worden sei.

16      Royalty Pharma legte gegen diese Entscheidung beim Bundespatentgericht (Deutschland) Beschwerde ein. Sie macht geltend, für die Inanspruchnahme des von einem in Kraft befindlichen Grundpatent verliehenen Schutzes sei es nicht erforderlich, dass dieses die chemische Bezeichnung oder die Struktur des geschützten Wirkstoffs angebe. Vielmehr reiche eine Darstellung der funktionellen Merkmale des Wirkstoffs hierfür aus. Sitagliptin entspreche der funktionellen Definition einer in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatent genannten Wirkstoffklasse. Jeder DP-IV‑Inhibitor zur Behandlung von Diabetes mellitus gehöre zum „Kern der patentgemäßen Erfindung“, die im Ausgangsverfahren in Rede stehe und alle spezifischen Verbindungen einschließe, die dieser Definition entsprächen. Der Gerichtshof habe Art. 3 der Verordnung Nr. 469/2009 nicht dahin ausgelegt, dass die Gewährung eines ESZ für einen Wirkstoff unter die Bedingung gestellt werde, dass der Wirkstoff in den Ansprüchen des Grundpatents in seiner individualisierten Form angegeben werde. Der Gerichtshof habe überdies die Bedeutung des Begriffs „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ betont.

17      Royalty Pharma merkt außerdem an, dass die Gerichte des Vereinigten Königreichs die Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Sinne auslegten. Allerdings gebe es zwischen den Mitgliedstaaten Auslegungsunterschiede, die sich zu verfestigen drohten, wenn der Gerichtshof diesen Gesichtspunkt nicht kläre.

18      Das Bundespatentgericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof zur Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 entschieden habe, dass der Schutzgegenstand des Grundpatents zu betrachten sei, der in Auslegung der Ansprüche dieses Patents zu ermitteln sei. Die Ansprüche hätten hierbei die Doppelfunktion, den Gegenstand des vom Patent gewährten Schutzes zu definieren und das Ausmaß dieses Schutzes, das über diesen Gegenstand hinausgehe, zu bestimmen. Das vorlegende Gericht versteht die Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin, dass für die Auslegung dieses Artikels dem Schutzgegenstand Rechnung zu tragen sei und nicht dem Ausmaß des Schutzes. Ein Wirkstoff erfülle die in diesem Artikel aufgestellte Bedingung somit nur dann, wenn er in den Ansprüchen des Grundpatents derart konkret umschrieben sei, dass er offensichtlich zum Schutzgegenstand des Patents gehöre.

19      Das vorlegende Gericht geht entgegen dem Vorbringen von Royalty Pharma davon aus, dass der Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ für die Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 nicht relevant sei. Auch der zu DP-IV‑Inhibitoren ergangene Beschluss des Bundesgerichtshofs (Deutschland) vom 11. September 2013 (X ZB 8/12) beantworte die Frage der Auslegung dieses Artikels nicht. Dort werde lediglich das Erfordernis einer hinreichenden Beschreibung klargestellt, wenn in den Patentansprüchen eine funktionelle Definition verwendet werde.

20      Das vorlegende Gericht unterstreicht jedoch grundlegende Unterschiede, die bei der Auslegung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 entwickelten Kriterien zwischen den Mitgliedstaaten bestünden. Es verweist u. a. auf die vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Chancery [Patentgericht], Vereinigtes Königreich), hierzu vertretene Auslegung, nach der der Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ auf Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 Anwendung finde.

21      Unter diesen Umständen hat das Bundespatentgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist ein Erzeugnis nur dann gemäß Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt, wenn es zu dem durch die Patentansprüche definierten Schutzgegenstand gehört und dem Fachmann somit als konkrete Ausführungsform zur Verfügung gestellt wird?

2.      Ist es dementsprechend für die Erfordernisse des Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 nicht ausreichend, wenn das fragliche Erzeugnis zwar die in den Patentansprüchen enthaltene, allgemeine funktionelle Definition einer Wirkstoffklasse erfüllt, darüber hinaus aber nicht individualisiert als konkrete Ausführungsform der mit dem Grundpatent unter Schutz gestellten Lehre zu entnehmen ist?

3.      Ist ein Erzeugnis bereits deshalb nicht durch Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen enthaltene funktionelle Definition fällt, jedoch erst nach dem Anmeldezeitpunkt des Grundpatents aufgrund eigenständiger erfinderischer Tätigkeit entwickelt wurde?

22      Nach der Verkündung des Urteils vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), hat der Gerichtshof das Bundespatentgericht um Stellungnahme gebeten, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen in Anbetracht dieses Urteils aufrechterhalte und gegebenenfalls aus welchen Gründen.

23      Mit Schreiben vom 21. August 2018 hat das Bundespatentgericht dem Gerichtshof mitgeteilt, dass es das Ersuchen aufrechterhalte. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die Förderung einer einheitlichen Praxis zu den unterschiedlichen Fallgestaltungen von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 auf der Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich sei. Dem Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), lasse sich unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs und der Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache, in der es ergangen sei, nicht eindeutig entnehmen, ob dem Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ für die Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 irgendeine Relevanz zukomme. Daher sei eine Klarstellung dieses Punktes durch den Gerichtshof angebracht.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

24      Mit Schriftsatz, der am 23. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Royalty Pharma nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.


25      Zur Stützung ihres Antrags beruft sich Royalty Pharma auf zwei Argumente. Zum einen habe der Generalanwalt seine Schlussanträge insoweit auf eine fehlerhafte Darstellung des Sachverhalts gestützt, als er in deren Nr. 14 ausgeführt habe, Royalty Pharma habe für Sitagliptin einen ESZ-Antrag auf der Basis des Grundpatents EP 1 412 357 gestellt, um das es im Urteil vom 8. Dezember 2011, Merck Sharp & Dohme (C‑125/10, EU:C:2011:812), gegangen sei, obgleich dieser Antrag auf der Basis des Grundpatents EP 1 084 705 gestellt worden sei. Zum anderen sei der Generalanwalt von der mit dem Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), begründeten Rechtsprechung abgewichen.

26      Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien im Einklang mit Art. 83 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht oder eine Partei eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist. Demgegenüber sehen die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung für die Parteien nicht die Möglichkeit vor, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen (Urteil vom 21. März 2019, Abraxis Bioscience, C‑443/17, EU:C:2019:238, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Was die zu berichtigenden tatsächlichen Fehler betrifft, so sind diese für die Entscheidung, die der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens trifft, nicht von entscheidender Bedeutung und folglich nicht geeignet, eine Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zu rechtfertigen. Zu dem Vorbringen, der Generalanwalt habe seine eigene Auslegung des Urteils vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), vorgenommen, ist festzustellen, dass Royalty Pharma mit diesem Vorbringen in Wirklichkeit auf bestimmte Gesichtspunkte der Schlussanträge des Generalanwalts erwidern möchte. Aus der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geht indessen hervor, dass die das Verfahren vor dem Gerichtshof regelnden Vorschriften keine solche Stellungnahme vorsehen.

28      Im Übrigen hält sich der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts für ausreichend unterrichtet, um die Fragen des vorlegenden Gerichts zu beantworten, und ist der Ansicht, dass das gesamte entscheidungserhebliche Vorbringen bereits im Lauf des Verfahrens erörtert worden ist.

29      Der Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens ist daher zurückzuweisen.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

30      Vorab ist anzumerken, dass das vorlegende Gericht, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, beschlossen hat, sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechtzuerhalten, um für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gewisse Klarstellungen zur Tragweite des Urteils vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), zu erhalten. Konkret möchte das Gericht wissen, ob der Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ für die Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 relevant ist. In jenem Urteil habe der Gerichtshof eine Entscheidung getroffen, ohne die von Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:278), insbesondere in deren Nr. 73, geäußerte Kritik an der Verwendung dieses Begriffs zur Bestimmung des Gegenstands des von einem Grundpatent gewährten Schutzes aufzugreifen. Das vorlegende Gericht leitet daraus ab, dass der Gerichtshof den Begriff implizit dadurch bestätigt haben könnte, dass er dessen Anwendung für die Beurteilung, ob eine Wirkstoffkombination unter den von einem Grundpatent gewährten Schutz fallen könne, nicht ausdrücklich ausgeschlossen habe. Es unterstreicht außerdem, dass Fragen zu dem Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ die Quelle einer in mehrfacher Hinsicht divergierenden Auslegungspraxis von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 durch die zuständigen nationalen Gerichte und Behörden seien.

31      Hierzu ist anzumerken, dass der Gerichtshof den Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ bei der Beantwortung der Frage, die ihm in der Rechtssache, in der das Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 34 und 35), ergangen ist, vorgelegt wurde, nicht verwendet hat, obgleich das vorlegende Gericht dies im Vorabentscheidungsersuchen angeregt hatte. Im Gegenteil: In jenem Urteil hat der Gerichtshof auf die wesentliche Rolle verwiesen, die den Ansprüchen gemäß Art. 69 EPÜ und Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ zukommt, und damit bestätigt, dass sich der Gegenstand des Schutzes durch ein ESZ auf die technischen Merkmale der durch das Grundpatent geschützten Erfindung, wie sie nach diesem Patent beansprucht werden, beschränken muss (Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 46) und nicht auf den „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ auszudehnen ist.

32      Damit hat sich der Gerichtshof eindeutig auf eine Auslegung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 gestützt, in der dem Begriff „Kern der erfinderischen Tätigkeit“ keine Relevanz zukommt.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

33      Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es einer in einem der Ansprüche des Grundpatents verwendeten allgemeinen funktionellen Definition entspricht und notwendigerweise zu der durch dieses Patent geschützten Erfindung gehört, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist.

34      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die wesentliche Rolle der Ansprüche für die Entscheidung darüber, ob ein Erzeugnis durch ein Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, beständig hervorgehoben hat (Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Speziell zum europäischen Patent ist festzustellen, dass dessen Schutzbereich nach Art. 69 EPÜ durch die Ansprüche eines solchen Patents bestimmt wird. In Art. 1 des Protokolls über die Auslegung dieses Art. 69 heißt es dazu, dass diese Ansprüche einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden sollen. Sie sollen somit weder lediglich als Richtlinie dienen noch dahin verstanden werden, dass der Schutzbereich eines Patents anhand des engen Wortsinns der Patentansprüche zu ermitteln ist (Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 35).

36      Dazu hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 grundsätzlich dem nicht entgegensteht, dass ein Wirkstoff, der einer in den Ansprüchen eines vom Europäischen Patentamt erteilten Grundpatents enthaltenen funktionellen Definition entspricht, als durch dieses Patent geschützt angesehen werden kann; dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Ansprüche, die nach Art. 69 EPÜ und dem Protokoll über dessen Auslegung u. a. im Licht der Beschreibung der Erfindung auszulegen sind, den Schluss zulassen, dass sie sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise (Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Der Gerichtshof hat daraus den Schluss gezogen, dass für die Beurteilung, ob ein bestimmtes Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist, zu prüfen ist, ob dieses Erzeugnis, falls es nicht ausdrücklich in den Patentansprüchen erwähnt wird, notwendigerweise und spezifisch von einem dieser Ansprüche erfasst wird. Hierfür müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss das Erzeugnis für den Fachmann im Licht der Beschreibung und der Zeichnungen des Grundpatents notwendigerweise von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst sein. Zum anderen muss der Fachmann in der Lage sein, das Erzeugnis im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben nach dem Stand der Technik bei der Einreichung oder am Prioritätstag des Patents in spezifischer Weise zu identifizieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 52).

38      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass Sitagliptin im Ausgangsverfahren zwar nicht ausdrücklich in den Ansprüchen des Grundpatents erwähnt wird, aber der in einem der Patentansprüche verwendeten funktionellen Definition entspricht. Unter diesen Umständen fällt Sitagliptin vorbehaltlich der von dem vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen als DP-IV‑Inhibitor notwendigerweise unter die von dem Grundpatent abgedeckte Erfindung. Damit ist die erste im Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a. (C‑121/17, EU:C:2018:585), aufgestellte Bedingung erfüllt.

39      Zweifelhaft ist hingegen, ob Sitagliptin, das in der Patentschrift des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatents nicht individuell bezeichnet ist, die zweite der beiden in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten kumulativen Bedingungen erfüllt. Im Einzelnen beziehen sich die Zweifel des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen auf die Frage, ob Sitagliptin – wenn man auf den Anmelde- oder den Prioritätstag des Grundpatents abstellt und alle durch dieses Patent offengelegten Angaben berücksichtigt – für den Fachmann in spezifischer Weise identifizierbar ist, obgleich es in der Patentschrift des Grundpatents nicht als konkrete Ausführungsform individualisiert ist. Dem vorlegenden Gericht kommt es somit auf die Feststellung an, welcher Grad an spezifischer Offenbarung des Erzeugnisses mit Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 verlangt wird.

40      Um zu bestimmen, ob die zweite in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung erfüllt ist, hat das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen, ob der Gegenstand des betreffenden ESZ sich innerhalb der Grenzen dessen bewegt, was ein Fachmann am Anmelde- oder am Prioritätstag des Grundpatents unmittelbar und eindeutig aus der Patentschrift dieses Patents, so wie es angemeldet wurde, unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag und unter Berücksichtigung des Stands der Technik am Anmelde- oder am Prioritätstag ableiten kann.

41      Daraus ergibt sich, dass die Erteilung eines ESZ grundsätzlich auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn das Erzeugnis, das Gegenstand des ESZ ist, nicht individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Grundpatents zu entnehmen ist.

42      Wenn das Erzeugnis durch die Ansprüche des Grundpatents nicht ausdrücklich offengelegt wird, sondern unter eine allgemeine funktionelle Definition wie die in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundpatent verwendete fällt, muss der Fachmann allerdings in der Lage sein, unmittelbar und zweifelsfrei aus der Patentschrift – wie eingereicht – abzuleiten, dass das Erzeugnis, das Gegenstand des ESZ ist, unter den Schutzgegenstand dieses Patents fällt.

43      Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es einer in einem der Ansprüche des Grundpatents verwendeten allgemeinen funktionellen Definition entspricht und notwendigerweise zu der durch dieses Patent geschützten Erfindung gehört, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist, soweit das Erzeugnis durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag des Grundpatents und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist.

 Zur dritten Frage

44      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis nicht durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen enthaltene funktionelle Definition fällt, aber nach der Anmeldung des Grundpatents nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde.

45      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand des von dem Grundpatent verliehenen Schutzes für die Anwendung der in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 aufgestellten Bedingung am Anmelde- oder am Prioritätstag des Patents zu bestimmen ist. Wenn die Möglichkeit bestünde, Ergebnisse von nach der Anmeldung oder dem Prioritätstag des Patents durchgeführten Forschungen zu berücksichtigen, könnte der Inhaber eines ESZ nämlich unberechtigterweise in den Genuss eines Schutzes für diese Ergebnisse kommen, obgleich sie weder zum einen noch zum anderen dieser Zeitpunkte bekannt waren.

46      Der Gerichtshof hat betont, dass das ESZ den durch das Patent gewährten Schutzbereich nicht über die von ihm geschützte Erfindung hinaus ausweiten soll. Es widerspräche dem Ziel der Verordnung Nr. 469/2009, wonach die Gewährung der zusätzlichen Ausschließlichkeitsfrist mittels eines ESZ die Forschung fördern soll und im Hinblick darauf den Zweck hat, eine Amortisierung der Investitionen in die Forschung zu ermöglichen, ein ESZ für ein Erzeugnis zu erteilen, das nicht von der durch das Grundpatent geschützten Erfindung erfasst ist, da ein solches ESZ nicht die mit diesem Patent beanspruchten Forschungsergebnisse beträfe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Teva UK u. a., C‑121/17, EU:C:2018:585, Rn. 39 und 40).

47      Daraus ergibt sich, dass ein Erzeugnis, das Gegenstand eines ESZ oder der Anmeldung eines ESZ ist und das nach der Anmeldung oder dem Prioritätstag des Grundpatents nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde, nicht unter den Gegenstand des von diesem Patent verliehenen Schutzes fallen kann.

48      Der Umstand, dass ein solches Erzeugnis unter die in den Ansprüchen des Grundpatents angegebene funktionelle Definition fällt, kann diese Auslegung nicht in Frage stellen. Wie sich aus der Antwort auf die erste und die zweite Frage ergibt, kann ein Erzeugnis nämlich nur dann als durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 angesehen werden, soweit es durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag des Grundpatents und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist.

49      Dies ist jedoch bei einem Erzeugnis, das nach der Anmeldung oder dem Prioritätstag des Grundpatents nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde, nicht der Fall.

50      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis nicht durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen angegebene funktionelle Definition fällt, aber nach der Anmeldung des Grundpatents nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde.

 Kosten

51      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es einer in einem der Ansprüche des Grundpatents verwendeten allgemeinen funktionellen Definition entspricht und notwendigerweise zu der durch dieses Patent geschützten Erfindung gehört, ohne dass es aber individualisiert als konkrete Ausführungsform aus der Lehre des Patents zu entnehmen ist, soweit das Erzeugnis durch einen Fachmann unter Zugrundelegung seiner allgemeinen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich am Anmelde- oder am Prioritätstag des Grundpatents und unter Berücksichtigung des Stands der Technik zu diesem Zeitpunkt im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben in spezifischer Weise zu identifizieren ist.

2.      Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis nicht durch ein in Kraft befindliches Grundpatent im Sinne dieser Bestimmung geschützt ist, wenn es zwar unter die in den Patentansprüchen angegebene funktionelle Definition fällt, aber nach der Anmeldung des Grundpatents nach einer eigenständigen erfinderischen Tätigkeit entwickelt wurde.

Vilaras

Rodin

Šváby

Jürimäe

 

Piçarra

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. April 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Vierten Kammer

A. Calot Escobar

 

M. Vilaras


*      Verfahrenssprache: Deutsch.