Language of document : ECLI:EU:F:2014:223

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION

(Dritte Kammer)

25. September 2014

Rechtssache F‑101/13

Carla Osorio u. a.

gegen

Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD)

„Öffentlicher Dienst – Dienstbezüge – Bedienstete des EAD, die in einem Drittland Dienst tun – Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der die Liste der Drittländer geändert wird, in denen die Lebensbedingungen den gewöhnlichen Lebensbedingungen in der Union entsprechen – Handlung mit allgemeiner Geltung – Zulässigkeit der Klage – Jährliche Beurteilung der Zulage für die Lebensbedingungen – Aufhebung“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, mit der Frau Osorio und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger die Aufhebung der Entscheidung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 19. Dezember 2012 beantragen, soweit damit dem in Mauritius diensttuenden Personal ab dem 1. Juli 2013 die Zulage für die Lebensbedingungen gestrichen wird

Entscheidung:      Die Klage wird abgewiesen. Frau Osorio und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger tragen ihre eigenen Kosten. Der Europäische Auswärtige Dienst trägt seine eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Beamtenklage – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Klage gegen eine Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der den in bestimmten Drittländern diensttuenden Beamten die Zulage für die Lebensbedingungen gestrichen wird – Einbeziehung

(Beamtenstatut, Art. 90 und 91, und Anhang X, Art. 10, in der Fassung der Verordnung Nr. 1023/2013)

2.      Beamte – Dienstbezüge – Besoldung der in einem Drittland diensttuenden Beamten – Zulage für die Lebensbedingungen – Voraussetzungen für die Gewährung – Pflicht der Organe zum Erlass allgemeiner Durchführungsbestimmungen – Verstoß – Geltendmachung durch einen Beamten, der die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Gewährung der Zulage anficht – Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Art. 110, und Anhang X, Art. 1 Abs. 3, in der Fassung der Verordnung Nr. 1023/2013)

3.      Beamte – Dienstbezüge – Besoldung der in einem Drittland diensttuenden Beamten – Zulage für die Lebensbedingungen – Voraussetzungen für die Gewährung – Festlegung durch eine Einrichtung der Union in einem Anpassungszeitraum ohne den Erlass allgemeiner Durchführungsbestimmungen – Zulässigkeit

(Beamtenstatut, Anhang X Art. 10 Abs. 1, in der Fassung der Verordnung Nr. 1023/2013)

1.      Die Beamten und die sonstigen Bediensteten sind berechtigt, Klage gegen eine sie beschwerende allgemeine Maßnahme der Anstellungsbehörde zu erheben, wenn diese Maßnahme zum einen keine Durchführungsmaßnahme erfordert, um Rechtswirkungen zu erzeugen, oder den mit ihrer Umsetzung betrauten Behörden bei ihrer Anwendung keinen Ermessensspielraum belässt und sie zum anderen die Interessen der Beamten durch eine qualifizierte Veränderung ihrer Rechtsstellung unmittelbar beeinträchtigt.

Das ist der Fall bei einer nach Art. 10 des Anhangs X des Statuts erlassenen Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der den in bestimmten Delegationen und Büros der Union in Drittländern diensttuenden Beamten die Zulage für die Lebensbedingungen gestrichen wird. Eine solche Entscheidung ist so genau und unbedingt, dass sie keine besondere Durchführungsmaßnahme erfordert, um gegenüber den in den betreffenden Drittländern diensttuenden Beamten Rechtswirkungen zu erzeugen.

Insoweit erfordert die Umsetzung der Entscheidung zwar den Erlass von Verwaltungsmaßnahmen mit individueller Geltung, um die Zulage aufzuheben, doch kann der Erlass dieser Maßnahmen, in Bezug auf den die für die Verwaltung zuständigen Stellen keinen Ermessensspielraum haben, der Beeinträchtigung der Rechtsstellung der betreffenden Beamten, die mit dem Verlust der Zulage für die Lebensbedingungen ab dem Wirksamkeitsdatum der Entscheidung rechnen mussten, nicht den Charakter der Unmittelbarkeit nehmen.

(vgl. Rn. 14 bis 16)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteile de Dapper u. a./Parlament, 54/75, EU:C:1976:127; Diezler u. a./WSA, 146/85 und 431/85, EU:C:1987:457, Rn. 6 und 7; und Brown/Gerichtshof, 125/87, EU:C:1988:136, Rn. 16

2.      Die allgemeinen Durchführungsbestimmungen im Sinne von Art. 110 des Statuts beziehen sich in erster Linie auf diejenigen Ausführungsmaßnahmen, die in einigen besonderen Vorschriften des Statuts ausdrücklich vorgesehen sind, und soweit nichts ausdrücklich bestimmt ist, kann die Verpflichtung, unter den formellen Voraussetzungen dieses Artikels Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, nur ausnahmsweise gegeben sein, nämlich dann, wenn die Bestimmungen des Statuts derart unklar und ungenau sind, dass sie sich nicht ohne Willkür anwenden lassen.

Insoweit haben die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 3 des Anhangs X des Statuts allgemeine Geltung, und die allgemeinen Durchführungsbestimmungen, deren Erlass er vorsieht, betreffen den gesamten Anhang X, einschließlich der Bestimmungen über die Gewährung der Zulage für die Lebensbedingungen. Daher ist eine Einrichtung der Union bei der Umsetzung dieser Bestimmungen gemäß Art. 1 Abs. 3 des Anhangs X des Statuts verpflichtet, allgemeine Bestimmungen zur Durchführung des Art. 10 des Anhangs X des Statuts zu erlassen.

Das Fehlen allgemeiner Durchführungsbestimmungen kann von einem Beamten, der eine Entscheidung über die Neufestsetzung des Betrags der den in Drittländern diensttuenden Beamten gezahlten Zulage anficht, allerdings nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn ihn die gerügte Unregelmäßigkeit persönlich betreffen kann. Insoweit ist hervorzuheben, dass der Hauptzweck der allgemeinen Durchführungsbestimmungen darin besteht, Kriterien festzulegen, von denen sich die Verwaltung bei der Ausübung ihres Ermessens leiten lassen soll oder die die Bedeutung von Statutsbestimmungen erläutern sollen, die derart unklar und ungenau sind, dass sie sich nicht ohne Willkür anwenden lassen. Da die Ungenauigkeit einer Bestimmung für sich allein nicht ausreichen kann, um zu ihrer willkürlichen Anwendung zu führen, hätte der Betroffene nur dann ein Interesse an der Geltendmachung einer solchen Rüge, wenn ihn der fehlende Erlass allgemeiner Durchführungsbestimmungen seitens des Europäischen Auswärtigen Dienstes dadurch persönlich beschwert hätte, dass er dazu geführt hätte, dass die Anstellungsbehörde Art. 10 des Anhangs X des Statuts parteiisch und willkürlich auf seine Situation angewandt hätte.

(vgl. Rn. 21, 23, 29 und 33)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil Deboeck/Kommission, 90/74, EU:C:1975:109

Gericht erster Instanz: Urteil Ianniello/Kommission, T‑308/04, EU:T:2007:347, Rn. 38

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil Behmer/Parlament, F‑47/07, EU:F:2009:103, Rn. 47

3.      Indem der Unionsgesetzgeber davon abgesehen hat, hinsichtlich der in Anhang X des Statuts vorgesehenen Zulage für die Lebensbedingungen ein Kriterium für die Bestimmung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zwischen den Unionsländern und Drittländern festzulegen, wollte er der Anstellungsbehörde im Rahmen der von ihr künftig zu erlassenden allgemeinen Durchführungsbestimmungen des Statuts ein weites Ermessen belassen. Daher konnte eine Einrichtung der Union, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung über die Neufestsetzung des Betrags der den in Drittländern diensttuenden Beamten gezahlten Zulage in einem Anpassungszeitraum befand, zur Beurteilung dieser Gleichwertigkeit rechtsfehlerfrei und innerhalb der Grenzen ihres Ermessens andere Kriterien als die in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 4 des Anhangs X des Statuts ausdrücklich aufgelisteten Parameter berücksichtigen.

Insoweit verstoßen die Verwendung von Daten über das Niveau der in den fraglichen Drittländern erreichten wirtschaftlichen Entwicklung und die eingesetzte Methode, die einem auf den Vergleich der Niveaus der wirtschaftlichen Entwicklung gestützten umfassenden wirtschaftlichen Ansatz den Vorzug gibt und die von anderen internationalen Einrichtungen oder bestimmten Staaten für ihr diplomatisches Personal durchgeführten Analysen zur Bestimmung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zwischen den Unionsländern und Drittländern berücksichtigt, nicht gegen Art. 10 Abs. 1 des Anhangs X des Statuts.

(vgl. Rn. 57, 58 und 60)