Language of document : ECLI:EU:C:2024:3

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

9. Januar 2024(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag auf Zulassung, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts nicht dargetan wird – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑611/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. Oktober 2023,

Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH mit Sitz in Krefeld (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin G. Rother,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

Marmara Import-Export GmbH mit Sitz in Ratingen (Deutschland),

Streithelferin im ersten Rechtszug,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen, des Richters G. Xuereb und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts A. Collins

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 26. Juli 2023, Yayla Türk/EUIPO – Marmara Import-Export (Sütat) (T‑315/22, EU:T:2023:432, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. März 2022 (Sache R 1184/2021-5) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Marmara Import-Export GmbH und der Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH abgewiesen hat.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3        Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4        Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5        Gemäß Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

6        Die Rechtsmittelführerin stützt ihren Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels darauf, dass mit ihrem Rechtsmittel für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen aufgeworfen würden.

7        Erstens macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe bei der Annahme, die Marke „Sütat“ sei beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1), seine Überprüfung auf eine unzutreffende Beurteilung des Verkehrsverständnisses und des Bedeutungsgehalts dieser Marke gestützt.

8        Insoweit falle die Marke „Sütat“ als Zeichen, das zur Gruppe der Fantasiebezeichnungen gehöre und assoziative Vorstellungen wecke, nicht unter ein absolutes Eintragungshindernis und habe Unterscheidungskraft. Das Gericht habe, indem es der Marke durch die auf seinem eigenen Sprachverständnis beruhende Übertragung ins Türkische fälschlicherweise die Bedeutung „Milchgeschmack“ zuschreibe, ohne dies zusätzlich auf der Grundlage der Sichtweise der angesprochenen türkischsprachigen Verkehrskreise zu überprüfen, den Bedeutungsgehalt dieser Marke falsch bestimmt und nicht erkannt, dass abzugrenzen sei zwischen Marken mit anspielenden assoziativen Elementen einerseits und rein beschreibenden Angaben andererseits. Der Begriff „Verkehrsverständnis“ verlange, dass der zutreffenden Würdigung des Sachverhalts sowie den insoweit zu beachtenden Anforderungen grundlegende Bedeutung beigemessen werde, um die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts zu fördern. Weiter führt die Rechtsmittelführerin aus, dass die ausländischen Zeichen mit besonderer Sorgfalt zu prüfen seien, insbesondere wenn die betroffenen Sprachen keine Amtssprachen der Union seien.

9        Zweitens rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, insbesondere ihr rechtliches Gehör, indem es weder die erstmals vor dem Gericht vorgelegten Beweisstücke noch die entsprechenden Stellungnahmen berücksichtigt habe. Sie habe daher vor dem Erlass der Entscheidung der Beschwerdekammer nicht erkennen können, dass diese sich zum einen auf die von der Streithelferin des ersten Rechtszugs vorgelegte Erklärung eines türkischsprachigen Dolmetschers und zum anderen auf Veröffentlichungen stützen werde, die sie sich selbst aus dem Internet beschafft habe, ohne dies den Parteien mitzuteilen. Mithin hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. In diesem Zusammenhang weist die Rechtsmittelführerin darauf hin, dass das Ziel der Entwicklung des Unionsrechts verlange, dass der Gerichtshof die Tragweite und die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf rechtliches Gehör sowie der Kontrollbefugnisse des Gerichts betreffend das Verfahren vor dem EUIPO kläre.

10      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 18).

11      Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 19).

12      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil oder durch den mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 20).

13      Ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels, der die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Beschlusses genannten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, darzutun, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschlüsse vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 16, und vom 17. Juli 2023, Canai Technology/EUIPO, C‑280/23 P, EU:C:2023:596, Rn. 12).

14      Was im vorliegenden Fall die in den Rn. 7 und 8 des vorliegenden Beschlusses dargestellte Argumentation in Bezug auf die vom Gericht vorgenommene und vorgeblich unzutreffende Beurteilung des Verkehrsverständnisses und des Bedeutungsgehalts der in Rede stehenden Marke angeht, ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin damit in Wirklichkeit die Tatsachenwürdigung in Frage stellen möchte, die das Gericht bei der Prüfung des beschreibenden Charakters des betroffenen Zeichens vorgenommen hat. Mit einem solchen Vorbringen kann aber nicht dargetan werden, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2023, Hecht Pharma/EUIPO, C‑142/23 P, EU:C:2023:600, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Dasselbe gilt für das in Rn. 9 des vorliegenden Beschlusses zusammengefasste Vorbringen betreffend die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht im Zusammenhang mit der Behandlung der erstmals vor dem Gericht vorgelegten Beweisstücke. Ungeachtet der Bedeutung dieses in Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechts ist zu betonen, dass eine solches Vorbringen nicht den in Rn. 12 des vorliegenden Beschlusses aufgeführten Anforderungen gerecht wird, da die Rechtsmittelführerin nicht entsprechend diesen Anforderungen darlegt, weshalb der genannte Rechtsfehler – sein Vorliegen unterstellt – eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwerfen würde.

16      Somit hat die Rechtsmittelführerin in ihrem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nicht dargetan, dass mit dem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

17      Nach alledem ist das Rechtsmittel nicht zuzulassen.

 Kosten

18      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

19      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift den anderen Parteien des Verfahrens zugestellt worden ist und ihnen Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Die Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 9. Januar 2024

Der Kanzler

      Der Präsident der Kammer
            für die Zulassung von 
      

Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

      L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.