Language of document : ECLI:EU:C:2018:795

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 3. Oktober 2018(1)

Rechtssache C466/16 P

Rat der Europäischen Union

gegen

Marquis Energy LLC

„Rechtsmittel – Dumping – Einfuhren von Bioethanol mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika – Endgültiger Antidumpingzoll – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 157/2013 – Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 – Klagebefugnis eines nicht ausführenden Herstellers – Unmittelbare Betroffenheit“






I.      Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt der Rat der Europäischen Union beim Gerichtshof die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 9. Juni 2016, Marquis Energy/Rat (T‑277/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:343), mit dem dieses zum einen die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von Marquis Energy LLC gegen die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 157/2013 des Rates vom 18. Februar 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Bioethanol mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika(2) bejaht hat und diese Verordnung zum anderen für nichtig erklärt hat, soweit sie Marquis Energy betraf.

2.        Wie ich im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates erläutern werde, bin ich der Auffassung, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt hat, dass Marquis Energy von der streitigen Verordnung unmittelbar betroffen sei. Das angefochtene Urteil ist daher meines Erachtens aufzuheben und die erstinstanzliche Klage abzuweisen.

3.        Sollte sich der Gerichtshof meiner Würdigung anschließen, wäre nicht mehr über die vom Rat geltend gemachten materiellen Rechtsmittelgründe zu entscheiden, mit denen ebenso wie in der parallelen Rechtssache C‑465/16 P (Rat/Growth Energy und Renewable Fuels Association), zu der ich heute ebenfalls meine Schlussanträge vorlege, die Feststellung begehrt wird, dass das Gericht Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern(3) (im Folgenden: Grundverordnung), ausgelegt im Licht der Bestimmungen des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (GATT)(4) (im Folgenden: WTO-Antidumpingübereinkommen), falsch ausgelegt und angewandt habe. Ich beschränke mich daher auf einen Verweis auf die hilfsweise angestellten Erwägungen zu diesen Rechtsmittelgründen im Rahmen meiner in der Rechtssache C-465/16 P (Rat/Growth Energy und Renewable Fuels Association) vorgelegten Schlussanträge.

II.    Zusammenfassung der Vorgeschichte des Rechtsstreits und des Urteils des Gerichts

4.        Das Gericht hat die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Rn. 1 bis 14 des angefochtenen Urteils dargelegt. In den nachstehenden Ausführungen werden nur diejenigen Elemente wiedergegen, die für das Verständnis des Vorbringens der Parteien im Rahmen des Rechtsmittels unerlässlich sind.

5.        Am 25. November 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission auf eine Beschwerde hin eine Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Bioethanol mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika in die Europäische Union(5), in der sie mitteilte, dass sie beabsichtige, zur Auswahl der von der Untersuchung erfassten ausführenden Hersteller in den Vereinigten Staaten von Amerika das Stichprobenverfahren anzuwenden.

6.        Mit Schreiben vom 16. Januar 2012 teilte die Kommission fünf Gesellschaften, die Mitglieder von Growth Energy und Renewable Fuels Association sind, nämlich Marquis Energy, Patriot Renewable Fuels LLC, Plymouth Energy Company LLC, POET LLC und Platinum Ethanol LLC, mit, dass sie in die Stichprobe unter den ausführenden Herstellern einbezogen worden seien(6).

7.        Am 24. August 2012 übermittelte die Kommission Marquis Energy das vorläufige Informationsschreiben, in dem sie mitteilte, dass die Untersuchung ohne Einführung vorläufiger Maßnahmen fortgeführt und auf Händler/Hersteller von Gemischen erstreckt werde. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass in diesem Stadium nicht beurteilt werden könne, ob die Ausfuhren von Bioethanol mit Ursprung in den Vereinigten Staaten gedumpt gewesen seien, weil die in die Stichprobe einbezogenen Hersteller keinen Unterschied zwischen Inlands- und Ausfuhrverkäufen machten und ihre Waren ausnahmslos an unabhängige Händler/Hersteller von Gemischen mit Sitz in den Vereinigten Staaten verkauften, die das Bioethanol dann mit Benzin mischten und es weiterverkauften.

8.        Am 6. Dezember 2012 übersandte die Kommission Marquis Energy das endgültige Informationsdokument, in dem sie auf der Grundlage der Angaben der unabhängigen Händler/Hersteller von Gemischen prüfte, ob ein den betreffenden Wirtschaftszweig der Union schädigendes Dumping vorlag, und in Betracht zog, endgültige Maßnahmen zu einem landesweiten Satz von 9,6 % für einen Zeitraum von drei Jahren einzuführen.

9.        Am 18. Februar 2013 erließ der Rat auf der Grundlage der Grundverordnung die streitige Verordnung, mit der für einen Zeitraum von fünf Jahren ein landesweiter Antidumpingzoll zum Satz von 9,5 % auf Bioethanol, auch als „Kraftstoffethanol“ bezeichnet, eingeführt wurde.

10.      Außerdem hat das Gericht zum einen darauf hingewiesen, dass der Rat in den Erwägungsgründen 12 bis 16 der streitigen Verordnung festgestellt habe, dass die Untersuchung ergeben habe, dass keiner der in die Stichprobe einbezogenen Hersteller Bioethanol in die Union ausgeführt habe und dass nicht die amerikanischen Bioethanolhersteller, sondern die Händler/Hersteller von Gemischen die Ausführer der betroffenen Ware in die Union gewesen seien, so dass sich der Rat, um die Untersuchung abschließen zu können, auf die Angaben der beiden Händler/Hersteller von Gemischen gestützt habe, die sich bereit erklärt hätten, bei der Untersuchung mitzuarbeiten (Rn. 16 des angefochtenen Urteils). Zum anderen stellte das Gericht fest, dass der Rat in den Erwägungsgründen 62 bis 64 der streitigen Verordnung erläutert habe, dass er es für angebracht gehalten habe, eine landesweite Dumpingspanne festzusetzen, da es aufgrund der Struktur der Bioethanolindustrie und der Art und Weise, in der die betroffene Ware auf dem US-Markt hergestellt und verkauft sowie in die Union ausgeführt worden sei, nicht praktikabel gewesen sei, individuelle Dumpingspannen für die US-Hersteller festzusetzen (Rn. 17 des angefochtenen Urteils).

11.      Anschließend entschied das Gericht über die Zulässigkeit der Klage von Marquis Energy als Hersteller von Bioethanol.

12.      In den Rn. 55 bis 67 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht erstens fest, dass Marquis Energy von der streitigen Verordnung unmittelbar betroffen sei, wobei es außerdem in den Rn. 69 bis 80 des angefochtenen Urteils verschiedene vom Rat und von der Europäischen Kommission geltend gemachte Gegenargumente zurückwies.

13.      In den Rn. 81 bis 92 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass Marquis Energy von der streitigen Verordnung individuell betroffen sei, und wies in den Rn. 93 bis 106 dieses Urteils die vom Rat und von der Europäischen Kommission vorgebrachten Gegenargumente ebenso wie die anderen von diesen Organen gegen die Zulässigkeit der Klage geltend gemachten, in den Rn. 107 bis 118 des angefochtenen Urteils geprüften Einwände zurück.

14.      Was die Begründetheit anbelangt, gab das Gericht am Ende der Ausführungen in den Rn. 121 bis 168 des angefochtenen Urteils dem zweiten Teil des ersten von Marquis Energy geltend gemachten Klagegrundes, der darauf gestützt war, dass die streitige Verordnung gegen Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung verstoße, statt und erklärte folglich die streitige Verordnung, soweit sie Marquis Energy betraf, für nichtig, ohne die anderen Teile dieses Klagegrundes oder die neun anderen von Marquis Energy geltend gemachten Klagegründe zu prüfen.

15.      Das Gericht hat im Wesentlichen entschieden, dass der Rat zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass er gemäß Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung eine landesweite Dumpingspanne festsetzen könne und daher nicht verpflichtet gewesen sei, individuelle Dumpingspannen für jeden in die Stichprobe der streitigen Verordnung einbezogenen amerikanischen Hersteller zu berechnen.

16.      Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, stellte das Gericht erstens fest, dass der Unionsgesetzgeber mit Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung eine bestimmte, im Rahmen der WTO-Übereinkommen übernommene Verpflichtung habe erfüllen wollen, die sich im vorliegenden Fall aus den Art. 6.10 und 9.2 des WTO-Antidumpingübereinkommens ergebe; Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung sei daher im Einklang mit diesen Artikeln auszulegen (vgl. Rn. 129 bis 139 des angefochtenen Urteils).

17.      Zweitens war das Gericht der Auffassung, dass die Kommission, da sie Marquis Energy in der unter den amerikanischen Herstellern und Ausführern gebildeten Stichprobe belassen habe, anerkannt habe, dass diese ein „Lieferant“ des gedumpten Erzeugnisses sei, so dass der Rat nach Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung grundsätzlich verpflichtet gewesen sei, eine individuelle Dumpingspanne zu berechnen und individuelle Antidumpingzölle einzuführen (vgl. Rn. 140 bis 168 des angefochtenen Urteils).

18.      Drittens schließlich ging das Gericht davon aus, dass gemäß Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung zwar eine Ausnahme von der individuellen Berechnung des Zolls bestehe, wenn „dies nicht praktikabel ist“, was es in diesem Fall ermögliche, nur das Lieferland anzugeben, d. h. einen landesweiten Antidumpingzoll festzusetzen, der Ausdruck „nicht praktikabel“ aber im Einklang mit dem entsprechenden Ausdruck in den Art. 6.10 und 9.2 des WTO-Antidumpingübereinkommens auszulegen sei (vgl. in diesem Sinne Rn. 188 des angefochtenen Urteils). Im Licht der letztgenannten Bestimmungen hat das Gericht jedoch entschieden, dass Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung keine Ausnahme von der Verpflichtung, einem in die Stichprobe einbezogenen Hersteller, der an der Untersuchung mitgewirkt habe, einen individuellen Antidumpingzoll zu gewähren, zulasse, wenn die Organe sich nicht in der Lage sähen, für diesen Hersteller einen individuellen Ausfuhrpreis zu ermitteln (vgl. Rn. 188 letzter Satz des angefochtenen Urteils). Das Gericht kam somit zu dem Ergebnis, dass der Rat in Anbetracht der Erläuterungen der Organe zu Unrecht zu dem Schluss gelangt sei, dass die Einführung individueller Antidumpingzölle für die Unternehmen, die in die unter den amerikanischen Ausführern gebildete Stichprobe einbezogen gewesen seien, im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung „nicht praktikabel“ gewesen sei (Rn. 197 des angefochtenen Urteils), und dass der Umstand, dass die Organe es für schwierig hielten, bei den in die Stichprobe einbezogenen Herstellern deren einzelne Verkäufe zu verfolgen oder die Normalwerte mit den relevanten Ausfuhrpreisen zu vergleichen, nicht ausreiche, um die Inanspruchnahme dieser Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Rn. 198 bis 200 des angefochtenen Urteils). Das Gericht hat die streitige Verordnung somit aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung, soweit sie Marquis Energy betraf, für nichtig erklärt.

III. Anträge der Verfahrensbeteiligten

19.      Der Rat beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Klage von Marquis Energy abzuweisen;

–        Marquis Energy die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20.      Hilfsweise beantragt der Rat,

–        die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens vorzubehalten.

21.      Die Kommission beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Klage für unzulässig zu erklären;

–        Marquis Energy die Kosten der Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

22.      Hilfsweise beantragt die Kommission,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den zweiten Teil des ersten Klagegrundes von Marquis Energy zurückzuweisen und die Rechtssache im Übrigen an das Gericht zurückzuverweisen;

–        die Entscheidung über die Kosten beider Rechtszüge vorzubehalten.

23.      Marquis Energy beantragt,

–        das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen;

–        dem Rat die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

IV.    Untersuchung

24.      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, macht drei Rechtsmittelgründe geltend. Der erste Rechtsmittelgrund bezieht sich auf die Zulässigkeit der Klage und ist auf eine falsche Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV sowie auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung des angefochtenen Urteils gestützt. Die beiden anderen Rechtsmittelgründe betreffen die Feststellungen des Gerichts zur Sache und sind beide auf eine falsche Auslegung und Anwendung von Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung gestützt. Wie ich bereits in meiner Einleitung ausgeführt habe, beschränke ich mich auf die Prüfung des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates, da diesem meines Erachtens stattzugeben und das angefochtene Urteil daher aufzuheben ist.

25.      Vor der Prüfung des Rechtsmittels des Rates ist jedoch auf das Vorbringen der Kommission in ihrer Gegenerwiderung einzugehen, wonach die von Marquis Energy eingereichte Rechtsmittelbeantwortung unzulässig sei.

A.      Zur Zulässigkeit der von Marquis Energy eingereichten Rechtsmittelbeantwortung

1.      Vorbringen der Kommission

26.      Die Kommission macht geltend, dass die von Marquis Energy eingereichte Rechtsmittelbeantwortung elektronisch von einer Person unterzeichnet worden sei, für die weder ihr Rechtsanwaltsstatus noch ihre Vollmacht nachgewiesen seien. Diese Umstände müssten daher, sofern ihnen nicht abgeholfen werde, dazu führen, dass die Rechtsmittelbeantwortung für unzulässig erklärt werde.

2.      Würdigung

27.      Meines Erachtens ist das Vorbringen der Kommission als tatsächlich unzutreffend zurückzuweisen.

28.      Ich weise darauf hin, dass die Anwälte nach Art. 119 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach Art. 173 Abs. 2 dieser Verordnung auf die Rechtsmittelbeantwortung im Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, bei der Kanzlei eine amtliche Urkunde oder eine Vollmacht der Partei, die sie vertreten, zu hinterlegen haben.

29.      Außerdem ergibt sich aus Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass die Anwälte, um die in Art. 43 dieser Verordnung genannten Vorrechte, Befreiungen und Erleichterungen in Anspruch nehmen zu können, zuvor ihre Eigenschaft durch eine Vollmacht der von ihnen vertretenen Partei nachweisen müssen, wenn diese Partei eine juristische Person des Privatrechts ist.

30.      Daraus folgt, dass ein Anwalt, um eine juristische Person des Privatrechts wirksam vor dem Gerichtshof, einschließlich im Rahmen eines Rechtsmittels, zu vertreten, über eine amtliche Urkunde oder eine Vollmacht dieser Partei verfügen muss.

31.      Im vorliegenden Fall ist unabhängig vom Status der Person, die die Rechtsmittelbeantwortung von Marquis Energy durch die Verwendung eines Kontos, das ihr Zugang zu der EDV-Anwendung „e‑Curia“(7), verschaffte, auf elektronischem Weg bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingereicht hat, festzustellen, dass das Original dieser Rechtsmittelbeantwortung von Rechtsanwältin Vander Schueren, für die weder ihr Rechtsanwaltsstatus noch ihre Vollmacht von der Kommission in Frage gestellt werden, unterzeichnet wurde.

32.      Der Einwand der Kommission ist folglich tatsächlich unzutreffend. Die von Marquis Energy eingereichte Rechtsmittelbeantwortung ist daher ohne Weiteres zulässig.

B.      Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 263 Abs. 4 AEUV und gegen die Begründungspflicht

33.      Dieser Rechtsmittelgrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes rügt der Rat, dass das Gericht mit der Feststellung, dass Marquis Energy unmittelbar von der streitigen Verordnung betroffen sei, diese von Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellte Voraussetzung fehlerhaft ausgelegt habe. Im zweiten Teil wirft der Rat dem Gericht vor, die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Voraussetzung der individuellen Betroffenheit fehlerhaft ausgelegt zu haben, ohne zu erläutern oder zu belegen, warum Marquis Energy Eigenschaften zukommen, die sie von anderen amerikanischen Bioethanolherstellern unterscheiden.

34.      Wie ich bereits ausgeführt habe, bin ich der Ansicht, dass dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates stattzugeben ist, was angesichts des kumulativen Charakters der beiden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV dazu führen muss, dass die Prüfung des zweiten Teils überflüssig wird.

1.      Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Rechtsfehler im Hinblick auf die Feststellung, dass Marquis Energy unmittelbar von der streitigen Verordnung betroffen sei

35.      Der Rat, unterstützt von der Kommission, trägt vor, das Gericht habe die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit in der Auslegung des Gerichtshofs verkannt, indem es nicht festgestellt habe, dass sich die streitige Verordnung unmittelbar auf die Rechtsstellung von Marquis Energy ausgewirkt habe, sondern allenfalls mittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation dieser Gesellschaft, die ihre Waren nicht auf den Unionsmarkt ausgeführt habe, aufgezeigt habe. Nach Ansicht dieser Organe hat der Gerichtshof jedoch insbesondere im Urteil vom 28. April 2015, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission (C‑456/13 P, EU:C:2015:284), bereits die Auffassung zurückgewiesen, wonach es für die Erfüllung der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ausreiche, dass die streitige Maßnahme zu rein wirtschaftlichen Auswirkungen oder zu einem Wettbewerbsnachteil führe. Im vorliegenden Fall gingen die vom Gericht begangenen Rechtsfehler insbesondere aus den Rn. 72, 73, 76, 78 und 79 des angefochtenen Urteils hervor. Die Kommission fügt hinzu, dass das Gericht bei der Anwendung der Rechtsprechung zur unmittelbaren Betroffenheit in den Rn. 56 bis 67 des angefochtenen Urteils zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass es zum Nachweis einer solchen Betroffenheit ausreiche, dass Marquis Energy eine Ware hergestellt habe, die bei einer Ausfuhr durch einen Dritten in die Union mit einem Antidumpingzoll belegt werde. Eine solche Auffassung verwechsele, was unmittelbar und was mittelbar sowie was rechtlich und was wirtschaftlich sei. Nach Ansicht der Kommission ändert der Versuch von Marquis Energy, den faktenbezogenen Inhalt des angefochtenen Urteils in ihren Schriftsätzen vor dem Gerichtshof zu verzerren, nichts an dieser Analyse.

36.      Marquis Energy hält dem erstens entgegen, dass der Rat den Gerichtshof um eine erneute Würdigung der Tatsachenfeststellungen des Gerichts ersuche, wofür das Rechtsmittelgericht nicht zuständig sei. Diese die vom Gericht in den Rn. 66 und 76 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Tatsachenwürdigungen betreffenden Rügen seien daher unzulässig. Zweitens ist Marquis Energy der Ansicht, der Umstand, dass große Mengen des von ihr hergestellten Bioethanols in die Union ausgeführt worden seien und sie in der streitigen Verordnung als Hersteller/Ausführer identifiziert worden sei, reiche aus für die Feststellung des Gerichts, dass sie unmittelbar von dieser Verordnung betroffen sei. Das Gericht habe zu Recht festgestellt, dass Marquis Energy ein amerikanischer Hersteller von Bioethanol sei, der seine Produktion in die Union ausführe, und dass diese Antidumpingzölle, da sie auf diese Produktion erhoben worden seien, die Rechtsstellung dieser Gesellschaft beeinträchtigt hätten. Da die in die Stichprobe einbezogenen Hersteller gewusst hätten, dass ihre Verkäufe zur Ausfuhr in die Union bestimmt gewesen seien und folglich einen Ausfuhrpreis gehabt hätten, sei das Fehlen von Direktverkäufen jedenfalls irrelevant. Nach Auffassung von Marquis Energy ist die Betroffenheit im Falle eines potenziellen Ausführers der betroffenen Ware in die Union ebenso unmittelbar. Die von den Organen zur Stützung ihrer Auffassung angeführte Rechtsprechung sei zudem nicht einschlägig, da sie sich nicht auf das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit beziehe oder nicht vergleichbare Sachverhalte betreffe.

2.      Würdigung

37.      Wie das Gericht in Rn. 44 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat und im vorliegenden Fall im Übrigen unstreitig ist, setzt der in Art. 263 Abs. 4 AEUV erwähnte Begriff der unmittelbaren Betroffenheit die kumulative Erfüllung zweier Kriterien voraus. Zum einen muss sich der streitige Rechtsakt unmittelbar auf die Rechtsstellung der Person, die dessen Nichtigerklärung betreibt, auswirken. Zum anderen darf dieser Rechtsakt seinen Adressaten, die mit seiner Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen; ihre Umsetzung muss vielmehr rein automatisch erfolgen und sich allein aus der beanstandeten Regelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergeben(8).

38.      Im vorliegenden Fall wird das angefochtene Urteil vom Rat und von der Kommission nur im Hinblick auf die Anwendung des ersten Kriteriums, nämlich der unmittelbaren Auswirkungen der streitigen Verordnung auf die Rechtsstellung von Marquis Energy, kritisiert.

39.      Insoweit sind zunächst die Behauptungen von Marquis Energy zurückzuweisen, wonach der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates darauf gerichtet sei, die vom Gericht vorgenommenen Tatsachenfeststellungen und ‑würdigungen in Frage zu stellen.

40.      Wie ich näher erläutern werde, scheint mir der Rat die tatsächlichen Prämissen, auf die das Gericht seine von den Organen in Abrede gestellte rechtliche Schlussfolgerung, wonach Marquis Energy von der streitigen Verordnung unmittelbar betroffen sei, gestützt hat, nämlich durchaus zutreffend aufgefasst zu haben. Umgekehrt ist es eher Marquis Energy, die an mehreren Stellen in ihren Schriftsätzen versucht, die vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommenen Tatsachenfeststellungen und ‑würdigungen zu verzerren.

41.      Ich werde dies erläutern.

42.      Die Parteien des Rechtsstreits vor dem Gericht haben sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die fünf während der Untersuchung in die Stichprobe einbezogenen amerikanischen Hersteller von Bioethanol, darunter Marquis Energy, ihre Bioethanolproduktion in die Union ausgeführt haben oder ob diese Ausfuhren vielmehr von unabhängigen Händlern/Herstellern von Gemischen durchgeführt worden sind.

43.      Wie das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, wurde in der streitigen Verordnung präzisiert, dass angesichts der Tatsache, dass keiner der fünf in die Stichprobe einbezogenen Hersteller Bioethanol selbst in die Union ausgeführt hat, sämtliche Verkäufe dieser Hersteller im (amerikanischen) Inland an unabhängige Händler/Hersteller von Gemischen erfolgt sind, die das Bioethanol dann mit Benzin gemischt und auf dem Inlandsmarkt sowie zur Ausfuhr insbesondere in die Union weiterverkauft haben.

44.      Nach mehreren Feststellungen des Gerichts in den Rn. 58 bis 65 des angefochtenen Urteils, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden, kam es in Rn. 66 dieses Urteils zu dem Ergebnis, dass „ausreichend nachgewiesen ist, dass die sehr beträchtlichen Mengen von Bioethanol, die die acht untersuchten Händler/Hersteller von Gemischen im Untersuchungszeitraum bei den fünf in die Stichprobe einbezogenen amerikanischen Bioethanolherstellern, darunter [Marquis Energy], gekauft hatten, zum großen Teil in die Union ausgeführt wurden“.

45.      Durch die Verwendung einer unpersönlichen und indirekten Form, die bereits in Rn. 60 des angefochtenen Urteils verwendet wurde („… während des Untersuchungszeitraums seien beträchtliche Mengen des von Marquis Energy stammenden Bioethanols regelmäßig in die Union ausgeführt worden“), hat das Gericht entgegen dem Vortrag von Marquis Energy vor dem Gerichtshof nicht, auch nicht implizit entschieden, dass diese Gesellschaft ihre Produktion selbst in die Union ausgeführt habe.

46.      Aus Rn. 66 des angefochtenen Urteils ergibt sich nämlich zwangsläufig, dass das Gericht anerkannt hat, dass das von Marquis Energy hergestellte Bioethanol von den untersuchten unabhängigen Händlern/Herstellern von Gemischen „gekauft“ wurde, bevor es von diesen, zum großen Teil in die Union, ausgeführt wurde. Wie von der Kommission bemerkt, hat das Gericht somit lediglich festgestellt, dass das von Marquis Energy hergestellte Bioethanol indirekt auf den Unionsmarkt verbracht wurde, d. h. über die unabhängigen Händler/Hersteller von Gemischen, nachdem diese es mit Benzin gemischt hatten.

47.      Keine Passage des angefochtenen Urteils enthält einen Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht den amerikanischen Bioethanolherstellern eine Ausführereigenschaft zuerkannt hätte. Die fehlende Anerkennung einer solchen Eigenschaft ergibt sich ausdrücklich aus Rn. 72 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht festgestellt hat, dass ein Hersteller durch die Erhebung von Antidumpingzöllen auf die in die Union eingeführten Waren auch dann „spürbar beeinträchtigt“ werden kann, „wenn er nicht Ausführer dieser Waren ist“. Dies wird auch durch Rn. 73 dieses Urteils bestätigt, wonach Marquis Energy „das Bioethanol im Untersuchungszeitraum in reiner Form herstellte und es ihre Erzeugnisse waren, die die Händler/Hersteller von Gemischen mit Benzin mischten und in die Union ausführten“.

48.      Daraus folgt, dass entgegen dem Vorbringen von Marquis Energy weder der Rat noch die Kommission den Gerichtshof in irgendeiner Weise um eine erneute Würdigung der Tatsachen ersuchen. Vielmehr werden die einschlägigen Randnummern des angefochtenen Urteils von diesen Organen richtig ausgelegt.

49.      Die Rügen des Rates beschränken sich – ebenso wie die Rügen der Kommission – auf die Beanstandung der vom Gericht gezogenen rechtlichen Schlussfolgerung, wonach sich im Wesentlichen die Einführung der in der streitigen Verordnung vorgesehenen Antidumpingzölle aufgrund des Status von Marquis Energy als in die Stichprobe einbezogener amerikanischer Bioethanolhersteller, dessen Produktion zum Teil in die Union ausgeführt werde, unmittelbar auf dessen Rechtsstellung auswirke.

50.      Ich bin der Auffassung, dass diese Rügen begründet sind, da die Gründe, aus denen das Gericht zu dem Schluss gekommen ist, dass sich die streitige Verordnung unmittelbar auf die Rechtsstellung von Marquis Energy auswirke, meines Erachtens unzureichend und fehlerhaft sind.

51.      Ich weise zunächst darauf hin, dass das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils aus den Erwägungen in den Rn. 60 bis 66 dieses Urteils abgeleitet hat, dass Marquis Energy – insbesondere im Sinne der in Rn. 44 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung – unmittelbar betroffen sei, während es in den Rn. 69 bis 79 dieses Urteils jeden einzelnen der vom Rat und der Kommission gegen diese Schlussfolgerung erhobenen Einwände zurückgewiesen hat.

52.      Die Rn. 60 bis 65 des angefochtenen Urteils beschränken sich auf Erwägungen zur Bestimmung, zu den Mengen und zu den Merkmalen der Bioethanolproduktion der in die Stichprobe einbezogenen amerikanischen Hersteller, darunter Marquis Energy. Wie bereits erwähnt, hat das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils aus diesen Erwägungen abgeleitet, dass sehr beträchtliche Mengen von Bioethanol, die von den unabhängigen Händlern/Herstellern bei den in die Stichprobe einbezogenen Herstellern gekauft worden seien, zum großen Teil in die Union ausgeführt worden seien.

53.      Diese Erwägungen wirtschaftlicher Art sind zwar nicht falsch und werden jedenfalls nicht vom Rat bestritten. Sie genügen jedoch nicht zum Nachweis dafür, dass die mit der streitigen Verordnung eingeführten Antidumpingzölle, wie das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt hat, Marquis Energy unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betreffen würden.

54.      Die Feststellung, dass die Bioethanolproduktion der in die Stichprobe einbezogenen Hersteller, darunter Marquis Energy, – vor der Einführung der Antidumpingzölle – über die unabhängigen Händler/Hersteller von Gemischen auf den Unionsmarkt verbracht wurde, nachdem sie mit Benzin gemischt worden war, bedeutet nämlich noch nicht, dass der Nachweis dafür erbracht wurde, dass die Rechtsstellung von Marquis Energy durch die Einführung dieser Zölle verändert wurde.

55.      Würde man in diesem Sinne entscheiden, so ließe dies darauf schließen, dass jeder Hersteller aus einem Drittland, dessen Waren sich auf dem Unionsmarkt befinden, durch die Einführung von Antidumpingzöllen auf diese Waren im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV in der Auslegung des Gerichtshofs unmittelbar betroffen wäre.

56.      Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Verordnungen zur Einführung eines Antidumpingzolls nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite normativen Charakter haben, da sie für die Gesamtheit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, und dass die Bestimmungen dieser Verordnungen daher nur aufgrund besonderer Umstände diejenigen Hersteller und Ausführer der betreffenden Ware, denen aufgrund von Angaben über ihre geschäftliche Tätigkeit Dumpingpraktiken vorgeworfen werden, unmittelbar (und individuell) betreffen können(9).

57.      Der bloße Umstand, dass sich eine Ware, selbst in erheblichen Mengen, auf dem Unionsmarkt befindet, genügt nicht, um zu der Auffassung zu gelangen, dass, sobald ein Antidumpingzoll auf die Ware eingeführt wird, sein Hersteller durch diesen Zoll unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist.

58.      Wäre dies der Fall, so wäre dem normativen Charakter von Antidumpingverordnungen jede Grundlage entzogen. Mit anderen Worten würde jeder Hersteller einer Ware, auf die ein Antidumpingzoll erhoben wird, aufgrund seiner objektiven Eigenschaft als Hersteller der Ware von vornherein automatisch als von der Verordnung, durch die dieser Zoll eingeführt wird, unmittelbar betroffen angesehen werden.

59.      Der Umstand, dass sich dieser Hersteller durch die Aufnahme in die im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass der streitigen Verordnung geführt hat, verwendete Stichprobe an der Untersuchung beteiligt hat, ändert nichts an dieser Beurteilung. Die Aufnahme eines Unternehmens in eine repräsentative Stichprobe im Rahmen einer von der Kommission durchgeführten Untersuchung kann allenfalls ein Indiz für die individuelle Betroffenheit des Wirtschaftsteilnehmers sein(10). Sie bedeutet nicht, dass dieser Hersteller durch die Einführung endgültiger Antidumpingzölle nach Abschluss dieser Untersuchung unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist.

60.      Die vom Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils verfrüht gezogene Schlussfolgerung erscheint mir umso kritikwürdiger, als das Gericht zugleich an keiner Stelle weder der in der streitigen Verordnung getroffenen und in Rn. 57 des angefochtenen Urteils wiederholten Feststellung, wonach die in Rede stehenden Hersteller ihre Verkäufe im (amerikanischen) Inland an unabhängige Händler/Hersteller von Gemischen zum Weiterverkauf durch diese sowohl auf dem amerikanischen Inlandsmarkt als auch zur Ausfuhr vorgenommen hätten, noch der ebenfalls in Rn. 65 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Feststellung widersprochen hat, dass es nicht möglich sei, die Normalwerte mit den relevanten Ausfuhrpreisen zu vergleichen; diese Feststellungen stützen die Auffassung der Organe, wonach Marquis Energy ihre Produktion im amerikanischen Inland an diese unabhängigen Händler/Hersteller von Gemischen verkauft und keinen Einfluss auf die Bestimmung oder die Preisfestsetzung für die Ausfuhrverkäufe gehabt habe.

61.      Auch die Erwägungen in den Rn. 70 bis 74 und 76 bis 79 des angefochtenen Urteils, durch die die vom Rat und von der Kommission vorgebrachten Argumente betreffend die Schlussfolgerung, zu der das Gericht in Rn. 67 dieses Urteils gekommen war, zurückgewiesen wurden, vermögen nicht zu überzeugen.

62.      Erstens beantworten die in den Rn. 70 bis 72 des angefochtenen Urteils dargelegten Erwägungen des Gerichts, wonach im Wesentlichen die unmittelbare Betroffenheit eines Wirtschaftsteilnehmers durch eine Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls nicht von seiner Eigenschaft als Hersteller oder Ausführer abhänge, da ein Hersteller, der nicht Ausführer der ausgeführten, mit einem Antidumpingzoll belegten Ware sei, durch die Verhängung eines solchen Antidumpingzolls auf die betreffende Ware „spürbar beeinträchtigt“ werden könne, letztendlich nicht die Frage, ob Marquis Energy durch die Einführung dieser Zölle in der streitigen Verordnung unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen ist.

63.      Ich räume zwar durchaus ein, dass die bloße Herstellereigenschaft eines Wirtschaftsteilnehmers nicht ausreicht, um die Erfüllung der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit dieses Wirtschaftsteilnehmers im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ipso iure auszuschließen.

64.      Das Gericht hat jedoch nicht erläutert, warum die Rechtsstellung eines Herstellers aus einem Drittland, der seine Waren auf dem Inlandsmarkt dieses Landes an andere Wirtschaftsteilnehmer verkauft, die die Ware nach Beimischung eines anderen Stoffs auf diesem Inlandsmarkt und zur Ausfuhr weiterverkaufen, durch die Einführung von auf dem Unionsmarkt anwendbaren Antidumpingzöllen auf diese Ware unmittelbar verändert werden kann. Der Umstand, dass das Gericht in Rn. 72 des angefochtenen Urteils den Ausdruck „spürbar beeinträchtigt“, der sich auf die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit und nicht auf die der unmittelbaren Betroffenheit bezieht, verwendet hat, scheint nicht nur auf eine terminologische Ungenauigkeit hinzuweisen, sondern, viel grundsätzlicher, auf das Fehlen einer wirklichen Prüfung zum einen der Auswirkungen der Einführung der Antidumpingzölle auf die Rechtsstellung der in die Stichprobe einbezogenen amerikanischen Bioethanolhersteller, die die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit betrifft, und zum anderen des Arguments der Organe, wonach die streitige Verordnung nur mittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation dieser Hersteller, darunter Marquis Energy, habe.

65.      Ähnliche Erwägungen gelten zweitens für die Ausführungen des Gerichts in den Rn. 76 bis 78 des angefochtenen Urteils.

66.      Als Erstes führt das Gericht in Rn. 76 dieses Urteils, die hier vollständig wiedergegeben werden soll, Folgendes aus: „Selbst wenn die Händler/Hersteller von Gemischen den Antidumpingzoll trügen und sich herausstellte, dass die Handelskette des Bioethanols unterbrochen ist, so dass sie den Antidumpingzoll nicht auf die Hersteller abwälzen können, ist jedoch festzustellen, dass die Einführung eines Antidumpingzolls die rechtlichen Bedingungen verändert, unter denen das von den in die Stichprobe einbezogenen Herstellern produzierte Bioethanol auf dem Markt der Union vertrieben wird. Daher wird die rechtliche Stellung der betreffenden Hersteller auf dem Markt der Union in jedem Fall unmittelbar und spürbar beeinträchtigt.“ Außerdem hat das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils auch das von der Kommission vorgebrachte Argument, die Einführung der Antidumpingzölle habe nur mittelbare Auswirkungen auf die Situation von Marquis Energy, mit der Feststellung zurückgewiesen, dass die Kommission zu Unrecht „in Abrede stellt, dass ein anderes Unternehmen in der Handelskette als [der] letzte Ausführer, bei dem festgestellt wurde, dass er Dumping betreibt, gegen einen Antidumpingzoll vorgehen kann …“

67.      Diese Randnummern des angefochtenen Urteils enthalten meines Erachtens zwei Rechtsfehler.

68.      Zum einen erläutert das Gericht nicht, wie ein Hersteller aus einem Drittland, wie Marquis Energy, der seine Ware nur auf dem Inlandsmarkt dieses Landes an unabhängige Wirtschaftsteilnehmer verkauft, bei denen festgestellt wurde, dass sie Dumping betreiben, durch die Einführung von Antidumpingzöllen, die auf die durch die unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer ausgeführte Ware erhoben werden, unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen sein kann, obwohl diese Wirtschaftsteilnehmer die Antidumpingzölle nicht auf diesen Hersteller abwälzen können.

69.      Wenn in dem vom Gericht in den Rn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils geprüften Fall die unabhängigen Händler/Hersteller von Gemischen Dumping betreiben und die von der streitigen Verordnung auferlegten Antidumpingzölle vollständig tragen, kann ich mit anderen Worten nicht nachvollziehen, wie die Rechtsstellung der Hersteller der in Rede stehenden Ware, die diese Ware nur auf dem amerikanischen Inlandsmarkt verkaufen, durch die Erhebung dieser Zölle unmittelbar betroffen sein kann.

70.      In einem solchen Fall ist es sicherlich möglich, dass die Einführung von Antidumpingzöllen, wie die Kommission vorträgt, Auswirkungen auf das Verkaufsvolumen der Bioethanolhersteller auf dem amerikanischen Inlandsmarkt an unabhängige Händler/Hersteller von Gemischen haben kann; diese könnten nämlich ihre für die Ausfuhr in die Union bestimmten Einkäufe verringern, ohne in der Lage zu sein, diesen Rückgang durch eine Erhöhung der Belieferung des amerikanischen Inlandsmarkts oder anderer Exportmärkte als der Union auszugleichen. Diese Folgen sind jedoch wirtschaftlicher Art und genügen daher meines Erachtens nicht als Nachweis dafür, dass die Einführung der Antidumpingzölle unmittelbar die Rechtsstellung der in Rede stehenden Hersteller auf dem Unionsmarkt verändert. In Wirklichkeit haben die amerikanischen Bioethanolhersteller in diesem Fall entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 76 zweiter Satz des angefochtenen Urteils keine „rechtliche Stellung“ auf dem Unionsmarkt.

71.      Zum anderen scheint das Gericht jedenfalls implizit dem Umstand Bedeutung beizumessen, dass sich die in Rede stehenden Hersteller an der von der Kommission durchgeführten Untersuchung beteiligt haben. Wie ich jedoch bereits in Nr. 64 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, kann eine solche Beteiligung allenfalls im Rahmen der Prüfung der Voraussetzung der individuellen Betroffenheit eines Wirtschaftsteilnehmers, nicht jedoch bei der Prüfung der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV relevant sein.

72.      Als Zweites führen auch die Erwägungen in Rn. 78 des angefochtenen Urteils nicht zu einer Entkräftung der vorstehenden Ausführungen; genauso wenig rechtfertigen sie die Feststellung, dass das Gericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Marquis Energy unmittelbar von der streitigen Verordnung betroffen sei.

73.      Zum einen ist es meines Erachtens falsch, anzunehmen, dass „die Struktur der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern innerhalb der Bioethanolhandelskette keinen Einfluss auf die Frage hat, ob ein Bioethanolhersteller von der [streitigen] Verordnung unmittelbar betroffen ist“, und die Behauptung des Gegenteils „darauf [hinausliefe], dass nur ein Hersteller, der seine Ware direkt an den Einführer in der Union verkauft, … unmittelbar betroffen sein könnte, was der Grundverordnung aber nicht zu entnehmen ist“.

74.      Die vom Gericht in den Rn. 47 und 48 des angefochtenen Urteils im Übrigen zutreffend zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt nämlich, dass die Situationen, in denen der Gerichtshof die Zulässigkeit von Klagen von Wirtschaftsteilnehmern gegen Verordnungen zur Einführung von Antidumpingzöllen bejahte, u. a. auf der Berücksichtigung der Besonderheiten der Geschäftsbeziehungen zu anderen Wirtschaftsteilnehmern, insbesondere der rechnerischen Ermittlung des Ausfuhrpreises in die Union, beruhten.

75.      Daher ist für mich nicht nachvollziehbar, warum dieser Gedanke nicht auf die Besonderheiten der Struktur der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den amerikanischen Bioethanolherstellern und den unabhängigen Händlern/Herstellern von Gemischen anwendbar sein sollte, auch wenn diese Berücksichtigung zur Verneinung der unmittelbaren Betroffenheit dieser Hersteller führen könnte.

76.      Im Übrigen kann ich nicht der Behauptung zustimmen, dass diese Schlussfolgerung darauf hinausliefe, die unmittelbare Betroffenheit eines Herstellers nur dann zu bejahen, wenn dieser seine Produktion direkt auf dem Unionsmarkt verkauft. Gerade nach Maßgabe der geschäftlichen Vereinbarungen, wie dem Verkauf an mit dem in Rede stehenden Hersteller verbundene Vermittler/Ausführer, sind nämlich andere Fallgestaltungen denkbar. Jedenfalls ist die vom Gericht hervorgehobene Tatsache, dass die Grundverordnung zu dieser Frage schweigt, irrelevant, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage wie der vorliegenden in Art. 263 Abs. 4 AEUV geregelt sind.

77.      Zum anderen hat der Ansatz der Organe, dem ich mich anschließe, entgegen der Behauptung des Gerichts in Rn. 78 letzter Satz des angefochtenen Urteils keine „Beschränkung des Rechtsschutzes der Hersteller von mit Antidumpingzöllen belegten Waren allein aufgrund der Vertriebsstruktur für die Ausfuhren des jeweiligen Herstellers zur Folge“.

78.      Wie ich bereits ausgeführt habe, beruht dieser Ansatz auf der Prüfung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV geregelten Voraussetzungen für die unmittelbare Betroffenheit dieser Hersteller.

79.      Sollte der Gerichtshof, wie von mir vorgeschlagen, feststellen, dass das Gericht mit der Bejahung der unmittelbaren Betroffenheit von Marquis Energy durch die streitige Verordnung einen Rechtsfehler begangen hat, so würde dies im Übrigen nicht bedeuten, dass diesem Hersteller der Rechtsschutz entzogen wäre.

80.      Ein Wirtschaftsteilnehmer, für den festgestellt wurde, dass er zweifelsohne nicht unmittelbar und individuell von einer Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen betroffen ist, kann nämlich nicht – meines Erachtens auch nicht im Rahmen einer Streithilfe – daran gehindert werden, sich vor einem Gericht eines Mitgliedstaats, das mit einer Rechtsstreitigkeit im Zusammenhang mit den an die zuständigen Zoll- oder Steuerbehörden zu zahlenden Zölle befasst wird, auf die Ungültigkeit einer solchen Verordnung zu berufen(11).

81.      Das Gericht hat in dem angefochtenen Urteil somit meines Erachtens mehrere Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt hat, dass Marquis Energy unmittelbar von der streitigen Verordnung betroffen sei.

82.      Ich schlage dem Gerichtshof demzufolge vor, dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben.

83.      Die vom Rat, unterstützt durch die Kommission, geltend gemachten materiellen Rechtsmittelgründe, die auf eine falsche Auslegung und Anwendung von Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung gestützt sind, sind daher nur hilfsweise zu prüfen.

84.      Da diese Rechtsmittelgründe, wie ich bereits in meiner Einleitung dargelegt habe, die gleichen wie in der Rechtssache C‑465/16 P sind, erlaube ich mir, auf die diesbezüglichen, hilfsweise angestellten Erwägungen in den heute in dieser Rechtssache vorgelegten Schlussanträgen zu verweisen.

V.      Zur Klage vor dem Gericht

85.      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

86.      Meines Erachtens ist der Gerichtshof in der Lage, über die vom Rat in Abrede gestellte Zulässigkeit der Klage zu entscheiden. Diesbezüglich genügt meiner Ansicht nach die Feststellung, dass die Klage von Marquis Energy unzulässig ist, da dieser Wirtschaftsteilnehmer nicht nachgewiesen hat, dass er durch die von der streitigen Verordnung auferlegten Antidumpingzölle im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen ist.

VI.    Kosten

87.      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, über die Kosten. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten, und nach Art. 140 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den vorstehenden Absätzen genannten seine eigenen Kosten trägt.

88.      Da meines Erachtens dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des Rates stattzugeben und die Klage abzuweisen ist, schlage ich vor, Marquis Energy gemäß dem Antrag des Rates die dem Rat sowohl im ersten Rechtszug als auch im Rahmen des Rechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen.

89.      Im Übrigen schlage ich vor, dass die Kommission die ihr im ersten Rechtszug und im vorliegenden Verfahren entstandenen eigenen Kosten zu tragen hat.

VII. Ergebnis

90.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 9. Juni 2016, Marquis Energy/Rat (T‑277/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:343), wird aufgehoben.

2.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

3.      Marquis Energy trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union.

4.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten in beiden Rechtszügen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2013, L 49, S. 10, im Folgenden: streitige Verordnung.


3      ABl. 2009, L 343, S. 51.


4      ABl. 1994, L 336, S. 103.


5      ABl. 2011, C 345, S. 7.


6      Anders als Marquis Energy haben die vier anderen vorgenannten Hersteller nicht selbst Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung eingelegt, sondern wurden vor Gericht von den Berufsverbänden Growth Energy und Renewable Fuels Association vertreten. Mit Urteil vom 9. Juni 2016, Growth Energy und Renewable Fuels Association/Rat (T‑276/13, EU:T:2016:340), hat das Gericht der Klage der beiden Verbände stattgegeben. Dieses Urteil ist Gegenstand des in meinen Schlussanträgen vom heutigen Tage untersuchten Rechtsmittels in der Rechtssache C‑465/16 P (Rat/Growth Energy und Renewable Fuels Association).


7      Insbesondere gemäß dem Beschluss des Gerichtshofs vom 13. September 2011 über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e‑Curia (ABl. 2011, C 289, S. 7).


8      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 66), sowie Beschluss vom 10. März 2016, SolarWorld/Kommission (C‑142/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:163, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 14. März 1990, Gestetner Holdings/Rat und Kommission (C‑156/87, EU:C:1990:116, Rn. 17), und vom 16. April 2015, TMK Europe (C‑143/14, EU:C:2015:236, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2002, BSC Footwear Supplies u. a./Rat (T‑598/97, EU:T:2002:52, Rn. 61), und Beschluss vom 7. März 2014, FESI/Rat (T‑134/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:143, Rn. 58).


11      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 17. März 2016, Portmeirion Group (C‑232/14, EU:C:2016:180, Rn. 23 bis 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Erinnerung verweise ich darauf, dass in diesem Zusammenhang allein der Gerichtshof befugt ist, die Ungültigkeit einer Handlung der Union festzustellen, und dass ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, das Verfahren aussetzen und dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit vorlegen muss, wenn es der Auffassung ist, dass einer oder mehrere der vor ihm geltend gemachten Ungültigkeitsgründe durchgreifen: vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 27 bis 32), vom 28. April 2015, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission (C‑456/13 P, EU:C:2015:284, Rn. 44 bis 48).