Language of document : ECLI:EU:C:2023:864

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 14. November 2023(1)

Rechtssache C400/22

VT,

UR

gegen

Conny GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Berlin [Deutschland])

„Vorabentscheidungsersuchen – Verbraucherschutz – Richtlinie 2011/83/EU – Art. 8 Abs. 2 – Vorvertragliche Informationspflichten – Formale Verpflichtungen bei Fernabsatzverträgen – Auf elektronischem Wege geschlossene Verträge – Aufgabe einer Bestellung durch Aktivierung einer Schaltfläche auf einer Website – Verpflichtung des Unternehmers zur Kennzeichnung dieser Schaltfläche mit den Worten ‚zahlungspflichtig bestellen‘ – Bedingte Zahlungspflicht“






1.        Muss beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer die etwaige, durch ein Ereignis außerhalb des Einflussbereichs des Verbrauchers bedingte Zahlungspflicht dieselben formalen Anforderungen erfüllen, wie sie das Unionsrecht für den Fall einer unmittelbaren und unbedingten Zahlungspflicht vorschreibt?

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

2.        In den Erwägungsgründen 4, 5, 7 und 39 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) heißt es:

„(4)      Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet sind. Die Harmonisierung bestimmter Aspekte von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist.

(5)      … Deshalb dürfte die vollständige Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beitragen.

(7)      Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Aspekte der einschlägigen Regelungen sollte die Rechtssicherheit für Verbraucher wie Unternehmer erheblich erhöhen. Sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmer sollten sich auf einen einheitlichen Rechtsrahmen stützen können, der auf eindeutig definierten Rechtskonzepten basiert und bestimmte Aspekte von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern unionsweit regelt. Durch eine solche Harmonisierung sollte es zur Beseitigung der sich aus der Rechtszersplitterung ergebenden Hindernisse und zur Vollendung des Binnenmarkts auf diesem Gebiet kommen. Die betreffenden Hindernisse lassen sich nur durch die Einführung einheitlicher Rechtsvorschriften auf Unionsebene abbauen. Darüber hinaus sollten die Verbraucher in den Genuss eines hohen, einheitlichen Verbraucherschutzniveaus in der gesamten Union kommen.

(39)      Es ist wichtig, dass sichergestellt wird, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Websites abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sollte in dieser Richtlinie dafür Sorge getragen werden, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden. Es ist außerdem wichtig, in Situationen dieser Art sicherzustellen, dass die Verbraucher den Zeitpunkt erkennen, zu dem sie gegenüber dem Unternehmer eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Aus diesem Grunde sollte die Aufmerksamkeit der Verbraucher durch eine unmissverständliche Formulierung auf die Tatsache gelenkt werden, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat.“

3.        Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2011/83 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.“

4.        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

7.      ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden;

…“

5.        Art. 3 („Geltungsbereich“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie gilt unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden.

(5)      Diese Richtlinie lässt das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, soweit Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts in dieser Richtlinie nicht geregelt werden, unberührt.“

6.        Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

„(1)      Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

…“

7.        Art. 8 („Formale Anforderungen bei Fernabsatzverträgen“) der Richtlinie 2011/83 lautet:

„…

(2)      Wenn ein auf elektronischem Wege abgeschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, e, o und p genannten Informationen hin.

Der Unternehmer sorgt dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion umfasst, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Wenn der Unternehmer diesen Unterabsatz nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.

…“

B.      Deutsches Recht

8.        § 312j („Besondere Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) sieht in den Abs. 3 und 4 vor:

„(3)      Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem [Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet,] so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

(4)      Ein [Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet,] kommt nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus Absatz 3 erfüllt.“

II.    Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9.        Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (Conny, im Folgenden: Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, macht aus den ihr abgetretenen Rechten des Mieters einer Wohnung (im Folgenden: Mieter) gegenüber der Vermieterin dieser Wohnung (VT und UR, im Folgenden: Beklagte) das Übersteigen der nach § 556d BGB zulässigen Miethöhe geltend.

10.      Insbesondere bietet die Klägerin Wohnungsmietern über eine von ihr eingerichtete Website die Möglichkeit an, sie durch Klicken einer Schaltfläche, die mit der Aufschrift „weiter“ oder „Mietsenkung beauftragen“ oder „Mietendeckelersparnis retten“ versehen ist, mit der Durchsetzung von Forderungen gegen die Vermieter aufgrund des Übersteigens der zulässigen Miethöhe zu beauftragen. Nach der Registrierung auf der Website müssen die Mieter durch Unterzeichnung eines entsprechenden Formulars bestätigen, dass sie die Klägerin beauftragen wollen.

11.      In dem Fall, in dem die Bemühungen der Klägerin zur Geltendmachung der Mieterrechte erfolgreich sind und folglich der die zulässige Miethöhe übersteigende Betrag beigetrieben wird, zahlen die Mieter: (i) eine Vergütung in Höhe von einem Drittel (33,33 %) der ersparten Jahresmiete (im Folgenden: Provision) sowie, sobald dem Vermieter eine Mahnung übermittelt wird, (ii) eine Vergütung in der Höhe, wie sie einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde.

12.      Im vorliegenden Fall mietet der Mieter seit dem 15. November 2018 eine in Berlin belegene Wohnung, die den Beklagten gehört. Die vereinbarte Monatsmiete übersteigt die nach der anwendbaren nationalen Vorschrift (§ 556d BGB) zulässige Miethöhe.

13.      Indem er sich auf der von der Klägerin eingerichteten Website registrierte und das entsprechende Formular unterzeichnete, beauftragte der Mieter die Klägerin mit der Durchsetzung seiner Forderungen gegen die Beklagten aufgrund des Übersteigens der zulässigen Miethöhe. Der Geschäftsbesorgungsvertrag enthielt jedoch keinerlei Hinweis auf eine Zahlungspflicht des Mieters.

14.      Mit Schreiben vom 21. Januar 2020 rügte die Klägerin gegenüber den Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und machte verschiedene Auskunfts- und Rückzahlungsansprüche geltend.

15.      Die Klage hatte vor dem Amtsgericht Berlin Mitte (Deutschland) Erfolg. Das Amtsgericht stellte insbesondere fest, dass die verlangte Miete die zulässige Miete in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang überschreite.

16.      Im Verfahren vor dem Landgericht Berlin (Deutschland) machen die Beklagten insbesondere geltend, dass der Klägerin die Berechtigung zur Geltendmachung der Rechte des Mieters fehle, da ihr der Auftrag auf der Grundlage eines unwirksamen Vertrags erteilt worden sei. Diese Unwirksamkeit ergebe sich daraus, dass bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen der Klägerin und dem Mieter die Anforderungen von § 312j Abs. 3 und 4 BGB missachtet worden seien, der Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 ins nationale Recht umsetze, da die Schaltfläche auf der Website der Klägerin, die der Mieter zum Abschluss des Vertrags angeklickt habe, die Wörter „zahlungspflichtig bestellen“ oder eine entsprechende Formulierung hätte enthalten müssen, die die vertragliche Zahlungspflicht verdeutliche.

17.      In diesem Zusammenhang ordnete das Landgericht Berlin die Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof an und bezweifelte für den vorliegenden Fall die Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 in der ins deutsche Recht umgesetzten Form gemäß § 312j Abs. 3 und 4 BGB, nach dem die Schaltfläche für die Aufgabe der Bestellung auf der Website der Klägerin einen ausdrücklichen Hinweis auf die Übernahme einer Zahlungspflicht durch den Mieter enthalten müsste. Diese Zahlungspflicht entstehe nicht allein kraft der Auftragserteilung durch den Mieter über die Website der Klägerin, sondern erfordere den Eintritt weiterer und ungewisser Bedingungen.

18.      Die nationale Vorschrift zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 ins innerstaatliche Recht – also § 312j Abs. 3 und 4 BGB – werde seitens der nationalen Gerichte nicht einheitlich ausgelegt(2).

19.      Deshalb hat das Landgericht Berlin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht es mit Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 312j Abs. 3 und 4 BGB in seiner vom 13. Juni 2014 bis 27. Mai 2022 geltenden Fassung) dahin ausgelegt wird, dass deren Anwendungsbereich ebenso wie der des Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 auch dann eröffnet ist, wenn der Verbraucher dem Unternehmer zum Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Vertragsschlusses nicht unbedingt, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – etwa ausschließlich im späteren Erfolgsfall einer beauftragten Rechtsverfolgung oder im Fall der späteren Versendung einer Mahnung an einen Dritten – zur Zahlung verpflichtet ist?

III. Rechtliche Würdigung

20.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass der Geltungsbereich der Vorschrift eröffnet ist, wenn ein Fernabsatzvertrag den Verbraucher zum Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Vertragsschlusses nicht automatisch zur Zahlung verpflichtet, sondern nur beim nachfolgenden und ungewissen Eintritt bestimmter Bedingungen (im vorliegenden Fall, wenn die Forderungsbeitreibung durch die Mittelsperson erfolgreich ist).

21.      Das vorlegende Gericht fragt insbesondere, ob im Rahmen des eigenen nationalen Rechts (§ 312j Abs. 3 und 4 BGB) ein vom Verbraucher auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 als wirksam anzusehen ist, wenn der Unternehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass der Verbraucher eine Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts für die betreffende vertragliche Leistung übernimmt.

22.      Sollte der Vertrag unwirksam sein, ist ferner zu klären, ob die fragliche nationale Vorschrift (§ 312j Abs. 3 und 4 BGB) dem Gericht im Einklang mit Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 die Möglichkeit einräumt, die Wirkungen des Vertrags aufrechtzuerhalten, wenn der Verbraucher der Nichtanwendung der streitigen Klausel widerspricht.

23.      Die Sachlage ist also recht eigentümlich: Der Mieter einer Wohnung unterzeichnet einen Fernabsatzvertrag, mit dem er einen Unternehmer als Mittelsperson beauftragt, eine Rückforderung überzahlter Miete bei der Vermieterin beizutreiben. Im Lauf des von der Mittelsperson für die Beitreibung gegenüber der Vermieterin eingeleiteten Rechtsstreits wendet die Vermieterin ein, der Vertrag zwischen der Mittelsperson und dem Mieter sei wegen des Verstoßes gegen eine Bestimmung des nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2011/83 unwirksam. Nach dieser Vorschrift muss im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Fernabsatzvertrags die Schaltfläche, über die der Vertrag geschlossen wird, mit der eindeutigen Aufschrift versehen sein, dass der Verbraucher eine Zahlungspflicht übernimmt. Der vorliegende Fall ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die vom Verbraucher übernommene Zahlungspflicht ungewiss ist, da sie durch die erfolgreiche Beitreibung der geschuldeten Beträge durch die Mittelsperson bedingt ist.

24.      Abgesehen von der Frage der Zulässigkeit, auf die ich im nachfolgenden Absatz kurz eingehen werde, ist für eine sinnvolle Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens zu prüfen: a) ob sich der Fall der „bedingten Zahlungspflicht“ unter Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 subsumieren lässt; b) wie sich bejahendenfalls die Verletzung der dort geregelten Verpflichtung auf den unterzeichneten Vertrag auswirkt, insbesondere unter Berücksichtigung des Willens des Verbrauchers und der Berechtigung eines Dritten zur Geltendmachung der etwaigen Unwirksamkeit.

A.      Zur Zulässigkeit

25.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens bestreitet die Zulässigkeit der Vorlagefrage, da ein Dritter – im fraglichen Fall die Vermieterin – nicht berechtigt sei, sich auf die Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses zwischen dem Zedenten (dem Mieter) und dem Zessionar zu berufen. Daraus folge, dass die Auslegung der Richtlinie 2011/83, um die das nationale Gericht ersuche, für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits unerheblich sei.

26.      Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden, da ausweislich des Vorabentscheidungsersuchens und der Erläuterungen des vorlegenden Gerichts die erbetene Auslegung des Unionsrechts mit dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens im Zusammenhang steht. Bekanntlich spricht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der vom nationalen Gericht aufgeworfenen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, deren rechtlichen und tatsächlichen Rahmen das nationale Gericht eigenverantwortlich festlegt, wobei es nicht Sache des Gerichtshofs ist, die Richtigkeit dieser Rahmenangaben nachzuprüfen. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist(3).

27.      Im vorliegenden Fall dürfte die Einschätzung des vorlegenden Gerichts, die durch die oben erwähnten, erbetenen Erläuterungen bestätigt wird, auf die Entscheidungserheblichkeit der Frage schließen lassen, wobei es Sache des nationalen Gerichts sein wird, die im Ausgangsverfahren aufgestellten Grundsätze anzuwenden.

28.      Der in der mündlichen Verhandlung zutage getretene Umstand, dass der Mieter seinen Willen erklärt hat, an den Vertrag gebunden zu bleiben, ist, sofern er bewiesen wird, auch angesichts der nachfolgenden Erwägungen sicher entscheidungserheblich, wirkt sich aber nach meinem Dafürhalten nicht auf die Zulässigkeit der Frage aus, da sich der Gerichtshof in dieser Hinsicht auf die
aktenkundigen Feststellungen und die Darlegungen des nationalen Gerichts im Vorabentscheidungsersuchen stützen muss. Zudem darf sich der Umstand, dass ein Einzelner in einer konkreten Situation entscheidet, sich nicht auf die von der Vorschrift angeordnete Unwirksamkeit zu berufen, in keinem Fall auf die Erwägungen dazu auswirken, ob eine bedingte Zahlungspflicht als Zahlungspflicht sans phrase einzuordnen ist.

B.      Zur Beantwortung der Vorlagefrage

1.      Formale Anforderungen bei Fernabsatzverträgen und „bedingten“ Zahlungsverpflichtungen

29.      Wie aus Art. 1 der Richtlinie 2011/83 im Licht ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 hervorgeht, verfolgt sie das vorrangige Ziel, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen, indem sie ein hohes Verbraucherschutzniveau bei Geschäften mit Unternehmern sicherstellt. Der Schutz der Verbraucher ist in der Politik der Union in Art. 169 AEUV und in Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert(4).

30.      Der Geltungsbereich der Richtlinie erfasst ausweislich von Art. 3 zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossene Fernabsatzverträge, die in Art. 2 Nr. 7 ausdrücklich definiert sind.

31.      Ein zwischen einem Wohnungsmieter (Verbraucher) und einem Unternehmer über eine entsprechende Website geschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art kann ohne Weiteres als Fernabsatzvertrag eingestuft werden, der dem Geltungsbereich der Richtlinie unterfällt.

32.      Um die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern zu schützen, erlegt Art. 6 dem Unternehmer auf, dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise eine Reihe wesentlicher Informationen zu liefern.

33.      In diesem Zusammenhang bezieht sich Art. 8 im Licht des 39. Erwägungsgrundes zudem auf eine Anzahl einzuhaltender formaler Anforderungen.

34.      Insbesondere Art. 8 Abs. 2 umfasst u. a. die Verpflichtung des Unternehmers, den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, darauf hinzuweisen, dass der Vertragsschluss eine Zahlungsverpflichtung begründet.

35.      Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion erfordert, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion zudem „gut lesbar ausschließlich mit den Worten ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist“. Wenn der Unternehmer diese Formalien hingegen nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.

36.      Diese Bestimmungen in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof(5) verdeutlichen die Notwendigkeit für den Unternehmer, den Verbraucher im Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Abschlusses des Fernabsatzvertrags klar auf die Verpflichtung hinzuweisen, die vertragliche Leistung zu bezahlen. Daraus folgt, dass die Verpflichtung zur Bereitstellung dieser klaren Angaben im Zusammenhang mit der Übernahme der vertraglichen Verpflichtung steht.

37.      Zu beurteilen sind die Beschaffenheit und die Eigenschaften auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzverträge mit bedingter Zahlungspflicht – der Art des im Ausgangsverfahren fraglichen Vertrags –, um festzustellen, ob die Hinweise in diesen Verträgen dem Verbraucher ermöglichen, im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung seine Zahlungspflicht im Einklang mit Art. 8 der Richtlinie klar zu erkennen.

38.      Die wörtliche und grammatikalische Auslegung und die Ziele der Richtlinie führen nach meiner Ansicht zum selben Ergebnis: Die formalen Anforderungen nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 gelten auch in dem Fall, in dem die vom Verbraucher eingegangene Zahlungsverpflichtung vom Eintritt einer bestimmten Bedingung abhängt, die außerhalb des Einflussbereichs des Verbrauchers liegt.

39.      Der Wortlaut der Richtlinie, nach dem „[d]er Unternehmer … dafür [sorgt], dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist“, unterscheidet nicht zwischen feststehenden und „bedingten“ Zahlungspflichten.

40.      Die Kommission hebt zutreffend hervor, dass der Unionsgesetzgeber, sofern er die Informationspflicht auf den alleinigen Fall der unbedingten Zahlungspflicht hätte beschränken wollen, dies explizit getan hätte. Dies ist nicht geschehen(6). Der Abschluss eines Vertrags auf elektronischem Wege ist schon an sich mit einer Zahlungspflicht „verbunden“, auch wenn diese Pflicht nicht zwingend entsteht, sondern nur möglich ist. Die Bedingung, von der die konkrete Entstehung der Zahlungspflicht abhängt, liegt nämlich außerhalb des Einflussbereichs des Verbrauchers, und nach dem Vertragsschluss wird der Verbraucher zu keinem weiteren Zeitpunkt mehr aufgefordert, der Zahlung zuzustimmen.

41.      Ein durchschnittlicher Verbraucher ohne vertiefte technische und rechtliche Kenntnisse vermag nicht zu erkennen, ob ein Vertrag an Bedingungen geknüpft ist oder nicht. Die Rechte eines Verbrauchers, der wie im Ausgangsverfahren auf elektronischem Wege einen Fernabsatzvertrag abschließt, lassen sich daher nur dann als angemessen geschützt bezeichnen, wenn der Verbraucher im Zeitpunkt, in dem er auf die Schaltfläche für den Vertragsabschluss klickt, ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass er eine Zahlungsverpflichtung eingeht, die keine weitere Willenserklärung seinerseits erfordert.

42.      Mit Bezug auf die von der Klägerin im Ausgangsverfahren vorgeschlagene Unterscheidung, nach der es sich wegen der besonderen Umstände nicht um eine echte „Zahlung einer Gegenleistung“ handele, genügt die Feststellung, dass eine Gegenleistung in Form eines Erfolgshonorars im unternehmerischen Verkehr sehr verbreitet ist und eine echte Form der Gegenleistung für eine erbrachte Leistung darstellt. Es ist nämlich der Unternehmer, der einseitig entscheidet, sich die angebotene unternehmerische Leistung nur im Erfolgsfall vergüten zu lassen, und der Verbraucher ist an dieser Entscheidung nicht beteiligt. Die dieser Form der Gegenleistung zugrunde liegenden Überlegungen können ganz unterschiedlich sein, sind aber meist rein geschäftlicher Art und sollen dem Verbraucher einen Anreiz bieten, den Vertrag zu unterzeichnen und nicht auf eigene Faust tätig zu werden. Dies hat in meinen Augen keine Auswirkung auf die Einstufung des Erfolgshonorars als Gegenleistung oder Vergütung.

43.      Die systematische Auslegung und die Zwecke der Richtlinie weisen in dieselbe Richtung. Wie der Gerichtshof im Urteil Fuhrmann‑2(7) klar feststellt, ist der Zeitpunkt der Annahme der entscheidende Zeitpunkt für die Bereitstellung der Verbraucherinformationen. Der Gerichtshof führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Abschluss eines Bestellvorgangs, der eine Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers zur Folge hat, ein wesentlicher Schritt ist, da er impliziert, dass der Verbraucher damit einverstanden ist, nicht nur an den Fernabsatzvertrag, sondern auch an diese Verpflichtung gebunden zu sein. Dem Zweck der Richtlinie 2011/83, ein hohes Verbraucherschutzniveau im Bereich der Information zu gewährleisten, liefe es daher zuwider, wenn der Verbraucher bei der Aktivierung einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion aus den Umständen dieses Vorgangs ableiten müsste, dass er sich verbindlich zur Zahlung verpflichtet, obwohl die Worte auf dieser Schaltfläche oder Funktion es ihm nicht erlauben, solche Folgen mit absoluter Gewissheit zu erkennen.

44.      Die Vertragsbeziehung als rechtliche Voraussetzung der Zahlungspflicht entsteht vielmehr in dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher seinen Willen erklärt bzw. auf die Schaltfläche für den Abschluss der Bestellung klickt.

45.      Ich bin wie die Kommission(8) der Auffassung, dass auch eine am „effet utile“ der Vorschrift orientierte Auslegung zum gleichen Ergebnis führt: Nur durch die Einhaltung der formalen Anforderungen von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 auch bei einer „bedingten“ Zahlungspflicht kann nämlich sichergestellt werden, dass die Information und Sicherheit des Verbrauchers im geschäftlichen Umgang mit Unternehmen hinreichend garantiert sind. In einer Vielzahl von Fällen hängt die tatsächliche Zahlungspflicht des Verbrauchers von späteren Ereignissen ab, die er nicht beeinflussen kann, und alle diese Fälle vom Geltungsbereich der Hinweispflicht auszunehmen, würde den Schutzbereich der Richtlinie inakzeptabel aushöhlen.

46.      Der Klägerin zufolge birgt eine dem Vorschlag entsprechende Entscheidung die Gefahr, beim Verbraucher Verwirrung zu stiften, da nicht klar werde, dass die Zahlungspflicht lediglich möglich und durch die Beitreibung der rechtsgrundlos gezahlten Beträge bedingt sei. Meines Erachtens kann im Licht der Verbraucherschutzzwecke der Richtlinie die Klarstellung der effektiven Reichweite der Verpflichtung im Rahmen der Vertragsbedingungen erfolgen, die dem Verbraucher vor dem Eingehen der Zahlungspflicht angezeigt werden. Die gegenteilige Lösung, also die Darlegung einer (wenn auch bedingten) Zahlungspflicht in den Vertragsbedingungen ohne irgendeinen ausdrücklichen Hinweis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, würde die Ziele der Richtlinie vereiteln.

47.      Zudem besteht – im Gegensatz zu der offenbar von der Klägerin vertretenen Auffassung – angesichts der von der Richtlinie bezweckten Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus keinerlei Bedürfnis des Unternehmers, gegen das dieser Zweck abzuwägen wäre. Es ist also mit anderen Worten nicht nachvollziehbar, welche Kostenlast oder Nachteile das Unternehmen erleiden sollte, wenn es die Schaltfläche den in der Richtlinie vorgesehenen Pflichten entsprechend ausgestaltet(9).

48.      Das vorlegende Gericht wirft ferner die Frage auf, ob die Beschriftung der Schaltfläche bei bedingten Zahlungspflichten erweitert werden könnte, um zu verdeutlichen, dass die Zahlungspflicht erst mit der Erfüllung bestimmter Bedingungen eintritt. Auch in diesem Punkt stimme ich der Kommission(10) zu, dass eine solche Erweiterung der Beschriftung der Schaltfläche bereits durch den klaren Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 ausgeschlossen ist. Dort heißt es nämlich, dass diese Schaltfläche gut lesbar ausschließlich mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden Formulierung zu kennzeichnen ist. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, den Verbraucher beim Abschluss des Vertrags durch einen eindeutigen und klaren Hinweis auf seine Zahlungspflicht zu informieren. Die Klarheit des Hinweises würde durch weiteren Text auf der Schaltfläche möglicherweise unterminiert.

2.      Wirkungen der Verletzung der formalen Anforderungen an die Wirksamkeit des Vertrags: Wille des Verbrauchers und Berechtigung Dritter

49.      Wie die Kommission in ihren Erklärungen zutreffend ausführt(11), lässt die Richtlinie 2011/83 nach ihrem Art. 3 Abs. 5 das innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt, soweit solche Aspekte in der Richtlinie selbst nicht geregelt werden.

50.      In Bezug auf die Verpflichtung, im Zeitpunkt der Aufgabe der Bestellung klar auf die Zahlungspflicht hinzuweisen, beschränkt sich die Richtlinie in Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 auf die Festlegung, dass, wenn der Unternehmer die dort geregelten Vorgaben nicht einhält, „der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden [ist]“.

51.      Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits wird die Unwirksamkeit des Vertrags zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher jedoch nicht vom Verbraucher (dem Mieter) geltend gemacht, sondern von einem Dritten (der Vermieterin), der ein deutliches Interesse an der Unwirksamerklärung des Vertrags hat, da hierdurch der vom Unternehmer ihm gegenüber eingeklagte Anspruch entfiele.

52.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs(12) bleiben missbräuchliche Klauseln unangewendet, sofern nicht der Verbraucher der Nichtanwendung widerspricht. Stimmt der Verbraucher der Anwendung der missbräuchlichen Klauseln zu, greift daher das System zum Schutz vor solchen Klauseln nicht. Dies würde nämlich verzerrende und dem Zweck der Richtlinie 2011/83 zuwiderlaufende Auswirkungen haben, die dem Schutz des individuellen Interesses des Verbrauchers absolute Priorität einräumt.

53.      Die Reichweite desjenigen Teils von Art. 8, der vorsieht, dass der Verbraucher nicht an die Bestellung gebunden ist, gilt somit nicht vorbehaltlos, sondern findet den Feststellungen des Gerichtshofs in den angeführten Urteilen entsprechend seine Grenze im Willen des Verbrauchers.

54.      Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Feststellung der Unwirksamkeit und die anschließende Nichtanwendung der streitigen Klausel und gegebenenfalls des gesamten Vertrags zwischen Verbraucher und Unternehmer vom Willen des Verbrauchers abhängt, dessen Schutz die Anordnung der Unwirksamkeit der Klausel konkret dienen soll.

55.      Soweit (im Rahmen des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten) keine Bestimmungen des nationalen Rechts entgegenstehen, führt das aus meiner Sicht dazu, dass ein Dritter berechtigt ist, die Unwirksamkeit einer Klausel eines zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags geltend zu machen, wenn der Dritte ein Interesse daran hat, weil er auf der Grundlage dieses Vertrags verklagt wird. Das Gericht muss jedoch prüfen, ob das Interesse des Dritten mit dem des Verbrauchers übereinstimmt (oder die Drittinteressen den Schutz des Verbrauchers zumindest stützen können) oder ob diese Interessen auseinanderlaufen. Im zweiten Fall muss das Gericht, da die in den Verbraucherschutzrichtlinien vorgesehene Unwirksamkeit in die Kategorie „Unwirksamkeit zu Schutzzwecken“ fällt, unabhängig von der genauen Einordnung im nationalen Recht nach Maßgabe des Willens des Verbrauchers entscheiden. Wenn der Verbraucher klar seinen Willen zum Ausdruck bringt, die Wirkungen der Klausel und des Vertrags aufrechtzuerhalten, kann daraus nichts anderes folgen als die Abweisung der Klage des Dritten auf Feststellung der Unwirksamkeit(13).

56.      Wenn das nationale Recht es nicht untersagt, ist nach meiner Auffassung ein Dritter berechtigt, die etwaige Unwirksamkeit einer Klausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossenen Vertrags geltend zu machen, wenn er ein Interesse daran hat; da aber die in Art. 8 vorgesehene Unwirksamkeit „Schutzzwecken“ dient, entscheidet im Ergebnis der Verbraucher, ob er von der Unwirksamkeit profitieren will oder nicht oder ob er mit einer nachfolgenden Willenserklärung die Wirkungen der unwirksamen Klausel bestätigen will (relative Unwirksamkeit). Ausgeschlossen ist somit, dass der Dritte eine Klausel eines Vertrags zwischen Unternehmer und Verbraucher wegen deren Fehlerhaftigkeit für unwirksam erklären lässt, wenn dies dem Willen und dem Interesse des Verbrauchers widerspricht, dessen Schutz die gesetzgeberische Maßnahme dient.

57.      Die letzte Frage zu den Wirkungen der Verletzung betrifft den unterschiedlichen Wortlaut von nationaler Vorschrift (§ 312j Abs. 3 und 4 BGB) und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83.

58.      Der Wortlaut der nationalen Vorschrift, mit der die Richtlinie 2011/83 in nationales Recht umgesetzt worden ist, besagt nämlich im Wesentlichen, dass ein Vertrag nur zustande kommt, wenn der Unternehmer seine dort vorgesehene Pflicht erfüllt. Der Bedeutungsunterschied im Vergleich zum Wortlaut der Richtlinie ist zweifellos erheblich, da jeder Bezug auf den Willen des Verbrauchers fehlt. Daraus könnte man schließen, dass nach dem nationalen Recht der Vertrag bei Verletzung der vorgesehenen formalen Anforderungen absolut unwirksam sei.

59.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu ermitteln, ob eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts möglich ist, die der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt nämlich, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht. Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst u. a. die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist(14). Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts hat jedoch bestimmte Grenzen und darf insbesondere nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen(15).

60.      Das nationale Gericht muss daher im vorliegenden Fall das gesamte innerstaatliche Recht einschließlich des Grundsatzes von Treu und Glauben berücksichtigen, um zu beurteilen, ob eine dem Wortlaut und Geist der Richtlinie entsprechende Auslegung des nationalen Rechts möglich ist.

61.      Sollte sich im vorliegenden Fall insbesondere der Wille des Mieters zeigen, an die über die Website der Klägerin aufgegebene Bestellung gebunden zu bleiben, könnte das nationale Gericht § 312j Abs. 3 und 4 im Sinne der Anwendbarkeit der missbräuchlichen Klausel auslegen und somit die Wirkungen der Vertragsbeziehungen zwischen Klägerin und Mieter im Ausgangsverfahren aufrechterhalten(16).

IV.    Ergebnis

62.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass

im Rahmen einer Bestellung zum Abschluss eines Fernabsatzvertrags auf elektronischem Wege, bei der eine Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion aktiviert wird, die Beschriftung der Schaltfläche den Anforderungen dieser Bestimmung auch dann entsprechen muss, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Zahlungsverpflichtung hat, die vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, das außerhalb des Einflussbereichs des Verbrauchers liegt. Dies setzt voraus, dass sich der Verbraucher nicht zu einem späteren Zeitpunkt mit der Zahlung einverstanden erklären kann.


1      Originalsprache: Italienisch.


2      Einerseits hält der Bundesgerichtshof den Schutzzweck von § 312j Abs. 3 und 4 BGB für nicht betroffen, wenn im Rahmen eines Fernabsatzvertrags (a) der Verbraucher die Beitreibung einer bereits bestehenden Forderung beauftragt, (b) ein Entgelt nur unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich ausschließlich im Erfolgsfall, geschuldet ist und (c) das Entgelt lediglich darin besteht, dass der Unternehmer am Erfolg der Forderungsrealisierung beteiligt wird (vgl. Urteile vom 19. Januar 2022, VIII ZR 123/21, DE:BGH:2022:190122UVIIIZR123.21.0, Rn. 55, und vom 30. März 2022, VIII ZR 358/20, DE:BGH:2022:300322UVIIIZR358.20.0, Rn. 58). Dieser Auslegung zufolge wäre der im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und dem Mieter geschlossene Vertrag als wirksam anzusehen. Andererseits hat der Bundesgerichtshof eine am Schutzzweck orientierte einschränkende Auslegung dieser Vorschrift des BGB ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 19. Januar 2022, VIII ZR 122/21, DE:BGH:2022:190122UVIIIZR122.21.0, Rn. 52), was zur Unwirksamkeit des fraglichen Fernabsatzvertrags führen würde.


3      Urteile vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie (C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 24. Februar 2022, Tiketa (C‑536/20, EU:C:2022:112, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


4      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2019, Amazon EU (C‑649/17, EU:C:2019:576, Rn. 39), Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann‑2 (C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 21).


5      Vgl. insbesondere die kürzlich ergangenen Vorgaben des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 im Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann‑2 (C‑249/21, EU:C:2022:269).


6      Schriftliche Erklärungen der Kommission, Nr. 16.


7      Vgl. Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann‑2 (C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 30).


8      Schriftliche Erklärungen der Kommission, Nr. 21.


9      Vgl. Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann‑2 (C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 31), nach dem zwar bei der Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2011/83 ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen ist, wie aus dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, und dabei die unternehmerische Freiheit des Unternehmers zu wahren ist, es auf eine solche Abwägung im betreffenden Fall aber nicht ankam, da die Formulierung oder die Änderung von Worten auf einer Schaltfläche oder einer Funktion zur elektronischen Bestellung keine erhebliche Belastung darstellt, die der Wettbewerbsfähigkeit oder der unternehmerischen Freiheit der betreffenden Unternehmer schaden kann.


10      Schriftliche Erklärungen der Kommission, Nr. 24.


11      Schriftliche Erklärungen der Kommission, Nr. 27.


12      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350), Urteil vom 17. Dezember 2009, Martín Martín (C‑227/08, EU:C:2009:792), Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819). Vgl. ferner Freda, A., „Riflessioni sulle c.d. nullità di protezione sul potere-dovere di rilevazione officiosa“, Ricerche Giuridiche 2013, Bd. II, S. 583; Milanesi, S., „Le pronunce Pannon ed Eva Martin Martin sulla rilevabilità d’ufficio delle nullità di protezione“, Giurisprudenza Commerciale 2010, Bd. II, S. 801; Pagliantini, S., „La nullità di protezione tra rilevabilità d’ufficio e convalida“, Persona e Mercato 2009, Bd. I, S. 26; Alessi, R., „Nullità di protezione e poteri del giudice tra Corte di Giustizia e sezioni unite della Cassazione“, Europa e Diritto Privato 2014, Bd. IV, S. 1173.


13      In ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung am 27. September 2023 legte die Klägerin dar, der Mieter habe bestätigt, den Vertrag trotz der missbräuchlichen Klausel aufrechterhalten zu wollen. Insbesondere infolge der vom vorlegenden Gericht geäußerten Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der streitigen Klausel habe die Klägerin den Mieter kontaktiert und ausdrücklich gefragt, ob er den Vertrag dennoch schließen wolle, was der Mieter bejaht habe.


14      Vgl. Urteil vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 59 und 60).


15      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, Sumal (C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Ähnlich haben die Vereinigten Senate der italienischen Corte di Cassazione (Kassationsgerichtshof) im Urteil Nr. 28314 vom 4. November 2019 entschieden. Vgl. hierzu Febbrajo, T., „Uso selettivo della nullità di protezione tra buona fede e principi rimediali di effettività, proporzionalità e dissuasività“, Persona e Mercato 2021, Bd. II, S. 345; Vettori, G., „Nullità selettive e riequilibrio effettivo. L’evoluzione della buona fede“, Persona e Mercato 2019, Bd. IV, S. 21; Sartoris, C., „La sentenza delle sezioni unite sulla nullità selettiva: tra protezione e buona fede“, Persona e Mercato 2019, Bd. IV, S. 69.