Language of document : ECLI:EU:C:2014:105

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

27. Februar 2014(*)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Beihilfesystem für soziale Wohnungsbaugesellschaften – Vereinbarkeitsentscheidung – Von nationalen Behörden eingegangene Verpflichtungen, um dem Unionsrecht nachzukommen – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Rechtsschutzinteresse – Klagebefugnis – Begünstigte, die individuell und unmittelbar betroffen sind – Begriff ‚geschlossener Kreis‘“

In der Rechtssache C‑133/12 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 29. Februar 2012,

Stichting Woonlinie mit Sitz in Woudrichem (Niederlande),

Stichting Allee Wonen mit Sitz in Roosendaal (Niederlande),

Woningstichting Volksbelang mit Sitz in Wijk bij Duurstede (Niederlande),

Stichting WoonInvest mit Sitz in Leidschendam-Voorburg (Niederlande),

Stichting Woonstede mit Sitz in Ede (Niederlande),

Prozessbevollmächtigte: P. Glazener und E. Henny, advocaten,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch H. van Vliet, S. Noë und S. Thomas als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Ferreira, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Mai 2013

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Stichting Woonlinie, die Stichting Allee Wonen, die Woningstichting Volksbelang, die Stichting WoonInvest und die Stichting Woonstede die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Dezember 2011, Stichting Woonlinie u. a./Kommission (T‑202/10, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem dieses ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2009) 9963 final der Kommission vom 15. Dezember 2009 in Bezug auf die staatlichen Beihilfen E 2/2005 und N 642/2009 – Niederlande – Bestehende Beihilfe und besondere Projektbeihilfe für Wohnungsbaugesellschaften (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

2        Dem Rechtsstreit liegt nach der Schilderung des Gerichts in den Rn. 1 bis 11 des angefochtenen Beschlusses folgender Sachverhalt zugrunde:

„1      Die Klägerinnen … sind in den Niederlanden ansässige Woningcorporaties (Wohnungsbaugesellschaften). Es handelt sich bei den Woningcorporaties um Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, deren Aufgabe der Erwerb, der Bau und die Vermietung von Wohnungen ist, die hauptsächlich für benachteiligte Personen und sozial schwache Gruppen bestimmt sind. Die Woningcorporaties üben auch andere Tätigkeiten aus, wie den Bau und die Vermietung von Appartements zu höheren Mieten, den Bau zum Verkauf bestimmter Appartements sowie den Bau und die Vermietung dem Allgemeininteresse dienender Gebäude.

2      Im Jahr 2002 notifizierten die niederländischen Behörden der Kommission das allgemeine System staatlicher Beihilfen für die Woningcorporaties. Da die Kommission der Ansicht war, dass die Maßnahmen zur Finanzierung der Woningcorporaties als bestehende Beihilfen angesehen werden könnten, zogen die niederländischen Behörden ihre Notifizierung später zurück.

3      Am 14. Juli 2005 übermittelte die Kommission den niederländischen Behörden gemäß Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [107 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) ein Schreiben, in dem sie das allgemeine System der staatlichen Beihilfen für die Woningcorporaties als bestehende Beihilfen (Beihilfe E 2/2005) einstufte und Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt äußerte. Die Kommission wies zunächst darauf hin, dass die niederländischen Behörden die den Woningcorporaties übertragene Gemeinwohlaufgabe in dem Sinne neu definieren müssten, dass Sozialwohnungen einer klar definierten Zielgruppe von benachteiligten und sozial schwachen Personen vorbehalten blieben. Ferner seien alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der Woningcorporaties unter Marktbedingungen durchzuführen und dürften nicht staatlich bezuschusst werden. Schließlich müsse das Angebot an Sozialwohnungen an die Nachfrage benachteiligter oder sozial schwacher Gruppen angepasst werden.

4      Nach der Übermittlung dieses Schreibens nahmen die Kommission und die niederländischen Behörden Verhandlungen auf, um die Beihilferegelung in Einklang mit Art. 106 Abs. 2 AEUV zu bringen.

5      Am 16. April 2007 reichte die Vereniging van Institutionele Beleggers in Vastgoed, Nederland (Vereinigung der institutionellen Immobilieninvestoren der Niederlande …) bei der Kommission eine die Beihilfen für die Woningcorporaties betreffende Beschwerde ein. Im Juni 2009 schloss sich die Vesteda Groep BV dieser Beschwerde an.

6      Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 unterbreiteten die niederländischen Behörden der Kommission Vorschläge, in denen sie zusagten, das allgemeine System der staatlichen Beihilfen für die Woningcorporaties zu ändern.

7      Am 15. Dezember 2009 erließ die Kommission den [streitigen] Beschluss. Sie hielt insbesondere nach Art. 19 der Verordnung Nr. 659/1999 die von den niederländischen Behörden in Bezug auf die Beihilfe E 2/2005 eingegangenen Verpflichtungen fest.

8      Die Sache E 2/2005 bezieht sich auf folgende Maßnahmen des allgemeinen Systems der staatlichen Beihilfen [des Königreichs] der Niederlande für die Woningcorporaties:

a)      staatliche Garantien für Darlehen des Garantiefonds für den sozialen Wohnungsbau;

b)      Beihilfen des Zentralen Fonds für das Wohnungswesen, projektbezogene Beihilfen oder Rationalisierungsbeihilfen in Form zinsgünstiger Darlehen oder direkter Zuschüsse;

c)      Verkauf von Grundstücken durch die Gemeinden unter dem Marktpreis;

d)      das Recht, Gelder bei der Bank Nederlandse Gemeenten aufzunehmen.

9      Im [streitigen] Beschluss stufte die Kommission alle diese Maßnahmen als staatliche Beihilfen ein und vertrat den Standpunkt, dass das niederländische System zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus eine bestehende Beihilfe darstelle, die vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags in den Niederlanden eingeführt worden sei und deren spätere Reformen nicht zu wesentlichen Änderungen geführt hätten.

10      Im 41. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses führte die Kommission aus:

‚Die niederländischen Behörden haben sich dazu verpflichtet, die Funktionsweise der Woningcorporaties und die diese begünstigenden Maßnahmen zu ändern. Sie haben der Kommission zu verschiedenen Änderungen Regelungsentwürfe vorgelegt. Die neuen Regeln sollen durch eine neue Ministerialverordnung zum 1. Januar 2010 und ein neues Wohnungsbaugesetz zum 1. Januar 2011 eingeführt werden. …‘

11      Die Kommission prüfte, ob die Beihilfe E 2/2005 in Bezug auf das Finanzierungssystem der Woningcorporaties in der im Anschluss an die Übernahme von Verpflichtungen durch die niederländischen Behörden geänderten Fassung mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar war. Sie gelangte im 72. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses zu dem Schluss, dass ‚die Beihilfen für Tätigkeiten auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus, d. h. Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Bau und der Vermietung von Wohnungen für Privatpersonen einschließlich des Baus und der Unterhaltung der dazugehörigen Infrastruktur, … mit Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinbar sind‘. Die Kommission akzeptierte daher die von den niederländischen Behörden eingegangenen Verpflichtungen.“

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

3        Mit Klageschrift, die am 29. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen nach Art. 263 AEUV Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, soweit er die staatliche Beihilfe E 2/2005 betrifft.

4        Sie stützten ihre Klage auf mehrere Klagegründe.

5        Ohne ausdrücklich eine dahin gehende Einrede zu erheben, rügte die Kommission gleichwohl zunächst die Zulässigkeit der Klage und machte geltend, dass die Rechtsmittelführerinnen vom streitigen Beschluss, soweit dieser sich auf die Beihilfe E 2/2005 beziehe, nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen seien.

6        In diesem Rahmen hat das Gericht daher entschieden, zunächst darüber zu befinden.

7        Im Anschluss an die Feststellung, dass der streitige Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betreffe, nicht an die Rechtsmittelführerinnen gerichtet sei, und an den Hinweis in Rn. 27 des angefochtenen Beschlusses, dass unter diesen Umständen ein Unternehmen einen Beschluss der Kommission, mit dem eine sektorielle Beihilferegelung verboten werde, nicht anfechten könne, wenn es von einem solchen Beschluss nur wegen seiner Zugehörigkeit zum fraglichen Sektor und in seiner Eigenschaft als durch diese Regelung potenziell Begünstigter betroffen sei, hat das Gericht in Rn. 28 seines Beschlusses ausgeführt, dass Gleiches für die Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss gelte, mit dem die Kommission die Verpflichtungen der nationalen Behörde festhalte und die an der fraglichen Beihilferegelung vorgenommenen Änderungen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erkläre.

8        Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 29 und 30 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Eigenschaft als Woningcorporaties nach objektiven Kriterien zuerkannt werde, die von einer unbestimmten Zahl von Wirtschaftsteilnehmern als potenziell Begünstigte der Beihilfe E 2/2005, auf die sich der streitige Beschluss beziehe, erfüllt werden könnten.

9        Das Gericht hat daraus geschlossen, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht allein aus ihrer Eigenschaft als Woningcorporaties ableiten könnten, dass sie vom streitigen Beschluss individuell betroffen seien, soweit dieser sich auf die Beihilfe E 2/2005 beziehe.

10      Anschließend hat das Gericht in den Rn. 36 bis 48 des angefochtenen Beschlusses das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen.

11      Es hat zunächst festgestellt, dass sich die Rechtssachen, in denen die Urteile des Gerichtshofs ergangen seien, auf die die Rechtsmittelführerinnen ihre Auffassung gestützt hätten, nämlich die Urteile vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission (11/82, Slg. 1985, 207), sowie vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479), von der Rechtssache, mit der das Gericht befasst sei, unterschieden, da in diesen beiden Urteilen des Gerichtshofs die Kläger zu einer Gruppe gehört hätten, die sich nach Erlass der fraglichen Entscheidungen nicht mehr habe vergrößern können.

12      Sodann hat das Gericht befunden, die Rechtsmittelführerinnen könnten weder geltend machen, dass nicht mit der Zulassung weiterer Einrichtungen als Woningcorporaties zu rechnen sei, noch, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses die zuvor zugelassenen Woningcorporaties feststellbar gewesen seien. Dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gelte, nach ihrer Zahl oder sogar ihrer Identität bestimmbar seien, bedeute nicht, dass sie als von dieser Maßnahme individuell betroffen anzusehen seien.

13      Dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass die bestehenden Woningcorporaties nicht in derselben Weise vom streitigen Beschluss betroffen seien wie solche, die künftig zugelassen würden, hat das Gericht zunächst entgegengehalten, dass die Beihilferegelung, um die es in diesem Beschluss gehe, für die Zukunft für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt worden sei. Überdies ermögliche der Umstand, dass ein Wirtschaftsteilnehmer von einer Maßnahme wirtschaftlich stärker betroffen sei als seine Wettbewerber, keine Individualisierung dieses Wirtschaftsteilnehmers. Und schließlich gehörten die Rechtsmittelführerinnen zu einer anhand objektiver Kriterien bestimmten Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, von der sie sich nicht unterschieden.

14      In Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses ist das Gericht zu dem Schluss gelangt, dass die Rechtsmittelführerinnen von dem streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betreffe, nicht individuell betroffen seien.

15      Infolgedessen hat das Gericht die Klage als unzulässig abgewiesen.

 Anträge der Parteien

16      Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

–        die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

18      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund werden ein Rechtsfehler, eine falsche Beurteilung der relevanten Tatsachen und ein Begründungsmangel gerügt, da das Gericht die Zulässigkeit der Klage gegen den streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betreffe, davon abhängig gemacht habe, dass die Rechtsmittelführerinnen tatsächlich oder potenziell Begünstigte seien. Der zweite Rechtsmittelgrund bezieht sich auf einen Rechtsfehler, eine falsche Beurteilung der relevanten Tatsachen und einen Begründungsmangel, da das Gericht in Bezug auf den streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betreffe, festgestellt habe, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht zu einem „geschlossenen Kreis“ bestehender Woningcorporaties gehörten.

19      Da sich beide Rechtsmittelgründe gegen die Beurteilung der Klagebefugnis der Rechtsmittelführerinnen durch das Gericht richten, sind sie zusammen zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

20      Erstens machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, da sie Begünstigte der Beihilfe E 2/2005 vor deren Änderung durch den streitigen Beschluss gewesen seien, habe das Gericht sich in den Rn. 42 und 43 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht auf ihre Eigenschaft als potenzielle Begünstigte der geänderten Beihilferegelung gestützt, um ihnen die Eigenschaft als von diesem Beschluss individuell Betroffene abzusprechen. Ihre frühere Situation werde nämlich durch die neuen Bedingungen für die Beihilfevergabe, wie sie aus den Änderungen durch den streitigen Beschluss hervorgingen, weitgehend in Frage gestellt.

21      Zum einen könnten die bestehenden, auf der Grundlage der alten Regelung gewährten und nach Erlass des streitigen Beschlusses auslaufenden Darlehen, wenn sie refinanziert werden müssten, nur garantiert werden, sofern die Woningcorporatie die im Rahmen der Beihilfe E 2/2005 festgelegten neuen Voraussetzungen erfülle.

22      Zum anderen müssten, wenn die Darlehen zuvor beihilfefähige Investitionen beträfen, die nach dem Erlass des streitigen Beschlusses nicht mehr für eine vom Fonds garantierte Förderung in Betracht kämen, diese Investitionen nach Fälligkeit der Darlehen aus externen nicht garantierten Mitteln finanziert werden.

23      Daher unterscheide sich die tatsächliche Lage der Rechtsmittelführerinnen von der Lage der Woningcorporaties, die vor Erlass des streitigen Beschlusses keine Zulassung besessen hätten.

24      Zweitens habe sich das Gericht auf eine zu enge Definition des Begriffs „geschlossener Kreis“ gestützt.

25      So habe das Gericht in Rn. 44 des angefochtenen Beschlusses das Argument, dass künftig in den Niederlanden keine neuen Einrichtungen mehr als Woningcorporatie zugelassen würden, zu Unrecht als Mutmaßung zurückgewiesen.

26      Überdies habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 49 des angefochtenen Beschlusses verlangt habe, dass die Rechtsmittelführerinnen sich von den anderen Woningcorporaties, die vor dem Erlass des streitigen Beschlusses bestanden hätten, unterschieden.

27      Die Kommission macht geltend, die Zusagen der niederländischen Behörden beträfen nur den Zeitraum nach Erlass des streitigen Beschlusses. Daher werde die ursprüngliche Lage der Rechtsmittelführerinnen durch diesen Beschluss nicht beeinträchtigt. Zudem habe die Kommission die aufgrund der ursprünglichen Beihilferegelung gezahlten Beträge nicht zurückgefordert.

28      Die niederländischen Rechtsvorschriften sähen die Zulassung neuer Einrichtungen aufgrund objektiver Kriterien vor. Die Rechtsmittelführerinnen gehörten daher zwangsläufig zu einem Kreis von Wirtschaftsteilnehmern, der erweitert werden könne.

 Würdigung durch den Gerichtshof

29      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der streitige Beschluss am 15. Dezember 2009, d. h. nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zur Änderung des EG-Vertrags, ergangen ist.

30      Neben anderen Änderungen wurden mit dem Vertrag von Lissabon die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen gegen Handlungen der Europäischen Union in Art. 263 Abs. 4 AEUV gelockert, indem ihm ein dritter Satzteil angefügt wurde. Ohne die Zulässigkeit der von natürlichen und juristischen Personen erhobenen Nichtigkeitsklagen von der Voraussetzung der individuellen Betroffenheit abhängig zu machen, eröffnet dieser Satzteil nämlich einen Rechtsbehelf auch gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen und einen Kläger unmittelbar betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, Rn. 57).

31      Art. 263 Abs. 4 AEUV sieht somit zwei Fälle vor, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Befugnis zuerkannt wird, gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage zu erheben. Zum einen kann sie eine derartige Klage erheben, wenn die Handlung sie unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, Rn. 19).

32      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Kriterium, das die Zulässigkeit der Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Entscheidung, die nicht an sie gerichtet ist, von den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig macht, eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung darstellt, deren Vorliegen die Unionsgerichte jederzeit – auch von Amts wegen – zu prüfen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission, C‑362/06 P, Slg. 2009, I‑2903, Rn. 22).

33      Das Gericht hat sich jedoch im angefochtenen Beschluss auf die Prüfung der individuellen Betroffenheit der Rechtsmittelführerinnen beschränkt und ihre Klage gemäß Art. 263 Abs. 4 zweiter Satzteil AEUV für unzulässig erklärt, ohne eine Prüfung der Zulässigkeit ihres Rechtsbehelfs anhand der anderen, weniger strengen Voraussetzungen in Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV vorzunehmen, deren Prüfung durch die Feststellung, dass keine individuelle Betroffenheit vorliege, nicht entbehrlich wurde.

34      Mithin hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen.

35      Ein solcher Fehler wäre jedoch unerheblich, wenn die Klage der Rechtsmittelführerinnen nicht die in Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllte.

36      Nach der genannten Vorschrift ist die Nichtigkeitsklage u. a. gegenüber Rechtsakten mit Verordnungscharakter gegeben, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen und den Kläger unmittelbar betreffen.

37      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person abzustellen ist, die sich auf ihre Klageberechtigung nach Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV beruft (Urteil Telefónica/Kommission, Rn. 30).

38      Darüber hinaus muss sich die Prüfung, ob der angefochtene Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ausschließlich am Klagegegenstand orientieren (Urteil Telefónica/Kommission, Rn. 31).

39      Im vorliegenden Fall begehren die Rechtsmittelführerinnen zum einen mit ihrem Rechtsbehelf die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, mit dem die Kommission im Anschluss an die Zusagen der niederländischen Behörden zur Änderung der Beihilferegelung, in deren Genuss die Rechtsmittelführerinnen kamen, die Vereinbarkeit der Beihilfe E 2/2005 mit dem Gemeinsamen Markt bestätigt. Aus Rn. 41 des streitigen Beschlusses ergibt sich, dass diese Zusagen durch eine neue Ministerialverordnung und ein neues Wohnungsbaugesetz umgesetzt werden.

40      Zum anderen werden im streitigen Beschluss keine spezifischen und konkreten Folgen der Anwendung der Zusagen der niederländischen Behörden im Rahmen der Beihilfe E 2/2005 auf die Tätigkeit der Rechtsmittelführerinnen festgelegt. Diese Folgen werden sich in den Maßnahmen zur Durchführung der Ministerialverordnung und des neuen Wohnungsbaugesetzes niederschlagen, die als solche Durchführungsmaßnahmen darstellen, die der streitige Beschluss im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV nach sich zieht.

41      Unabhängig davon, ob der streitige Beschluss ein „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne der genannten Bestimmung ist, ist daher, da die Klage der Rechtsmittelführerinnen nicht die in Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, der Rechtsfehler, der dem Gericht im angefochtenen Beschluss dadurch unterlaufen ist, dass es die Zulässigkeit der Klage nicht auch im Licht dieser übrigen Voraussetzungen geprüft hat, unerheblich.

42      Dies vorausgeschickt, ist die Prüfung der Rechtsmittelgründe vorzunehmen.

43      Insoweit ist unstreitig, dass allein das Königreich der Niederlande Adressat des streitigen Beschlusses ist.

44      Wie das Gericht in Rn. 26 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, können Dritte von einer an eine andere Person gerichteten Entscheidung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑298/00 P, Slg. 2004, I‑4087, Rn. 36, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, Rn. 72, sowie Telefónica/Kommission, Rn. 46).

45      Der Umstand, dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar nach Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, bedeutet hierbei zwar, wie das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben hat, keineswegs, dass sie als von dieser Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern deren Anwendung aufgrund eines durch den fraglichen Rechtsakt bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art erfolgt (vgl. Urteil Telefónica/Kommission, Rn. 47).

46      Gleichwohl können nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine Entscheidung eine Gruppe von Personen berührt, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung aufgrund von Kriterien, die den Mitgliedern der Gruppe eigen waren, feststand oder feststellbar war, diese Personen von der Entscheidung individuell betroffen sein, sofern sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören; dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Entscheidung in Rechte eingreift, die der Einzelne vor ihrem Erlass erworben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM, C‑125/06 P, Slg. 2008, I‑1451, Rn. 71 und 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Woningcorporaties, wie das Gericht in Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses ihrer Zahl und Identität nach genau bestimmt waren, da sie diese Eigenschaft aufgrund eines Zulassungssystems durch Königliche Verordnung erwarben.

48      Im Übrigen ist unbestritten, dass durch den streitigen Beschluss mit Wirkung vom 1. Januar 2011, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Wohnungsbaugesetzes, die Beihilferegelung, in deren Genuss die zugelassenen Woningcorporaties bis dahin gekommen waren, geändert wurde, und zwar in der Weise, dass sich die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere insofern verschlechterten, als, wie die Rechtsmittelführerinnen in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben haben, nach der geänderten Regelung der Handlungsspielraum bei der Wahl in Betracht kommender Mieter der von den Woningcorporaties verwalteten Wohnungen geringer ist und es den von ihnen genutzten Garantiefonds für Darlehen nicht mehr gibt.

49      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen zu einem geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören, was sie in Bezug auf den streitigen Beschluss, soweit er sich auf die Beihilfe E 2/2005 bezieht, individualisiert.

50      Das Gericht hat daher mit seiner Auffassung, dass die Rechtsmittelführerinnen vom streitigen Beschluss, soweit er sich auf die Beihilfe E 2/2005 beziehe, nicht individuell betroffen seien, einen Rechtsfehler begangen.

51      Aus diesen Erwägungen folgt, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist, weil darin eine individuelle Betroffenheit der Rechtsmittelführerinnen vom streitigen Beschluss, soweit er sich auf die Beihilfe E 2/2005 bezieht, verneint wird.

 Zur Zulässigkeit der Klage

52      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist.

53      Der Gerichtshof ist in diesem Verfahrensstadium zwar nicht in der Lage, über die Begründetheit der beim Gericht erhobenen Klage zu entscheiden, verfügt aber über die erforderlichen Angaben, um endgültig über die Zulässigkeit dieser Klage gegen den streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betrifft, zu entscheiden.

54      Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig ist, wenn sie ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, Slg. 2009, I‑8495, Rn. 63).

55      Zweitens müssen die Kläger nach Art. 263 Abs. 4 zweiter Satzteil AEUV nicht nur individuell, sondern auch unmittelbar von der Handlung, deren Nichtigerklärung sie begehren, betroffen sein, und zwar dergestalt, dass die Handlung sich unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Parteien auswirken muss und den mit ihrer Durchführung betrauten Behörden keinerlei Ermessensspielraum lässt, da ihre Durchführung rein automatisch erfolgt und sich allein aus dem Unionsrecht ergibt, ohne dass weitere Vorschriften angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, Rn. 48 und 49).

56      Da aus Rn. 54 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dass die Änderungen der Beihilferegelung E 2/2005 die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeiten der Woningcorporaties verschlechtern, hätte zum einen im vorliegenden Fall die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, soweit er diese Beihilferegelung betrifft, zur Folge, dass die früheren, für die Woningcorporaties vorteilhafteren Bedingungen fortgälten.

57      Daher ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen ein legitimes Interesse an der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses haben, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betrifft.

58      Zum anderen ist der streitige Beschluss, wie sich seinem 74. Erwägungsgrund entnehmen lässt, von der Kommission auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassen worden.

59      Im Rahmen des Verfahrens nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 macht jedoch, wie der Generalanwalt in den Nrn. 43 bis 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Entscheidung der Kommission, mit der die Vorschläge des Mitgliedstaats festgehalten werden, diese Vorschläge verbindlich.

60      Insoweit vermag der Umstand, dass die durch den streitigen Beschluss festgehaltenen Änderungen in der niederländischen Regelung aufgegriffen wurden, diese Feststellung nicht in Frage zu stellen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 94 und 98 seiner Schlussanträge ebenfalls dargelegt hat, verfügt nämlich das Königreich der Niederlande bei der Durchführung des streitigen Beschlusses über keinen Ermessensspielraum.

61      Der streitige Beschluss hat daher, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betrifft, unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen.

62      Nach alledem ist die Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht für zulässig zu erklären, da sie zum einen über ein Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen den streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betrifft, verfügen und zum anderen vom streitigen Beschluss, soweit er die Beihilfe E 2/2005 betrifft, individuell und unmittelbar betroffen sind.

 Kosten

63      Da die Sache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Dezember 2011, Stichting Woonlinie u. a./Kommission (T‑202/10), wird aufgehoben, soweit darin die Nichtigkeitsklage der Stichting Woonlinie, der Stichting Allee Wonen, der Woningstichting Volksbelang, der Stichting WoonInvest und der Stichting Woonstede gegen den die Beihilferegelung E 2/2005 betreffenden Teil des Beschlusses C(2009) 9963 final der Kommission vom 15. Dezember 2009 in Bezug auf die staatlichen Beihilfen E 2/2005 und N 642/2009 – Niederlande – Bestehende Beihilfe und besondere Projektbeihilfe für Wohnungsbaugesellschaften für unzulässig erklärt wird.

2.      Die in Nr. 1 des Tenors genannte Nichtigkeitsklage ist zulässig.

3.      Die Sache wird zur Entscheidung über die in Nr. 1 des Tenors genannte Nichtigkeitsklage an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

4.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.