Language of document : ECLI:EU:C:2017:78

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 1. Februar 2017(1)

Rechtssache C670/15

Jan Šalplachta

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts [Deutschland])

„Ersuchen um Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Zugang zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug – Richtlinie 2003/8/EG – Anwendungsbereich – Bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe – Erstattung der Kosten für die Übersetzung von Schriftstücken, die dem Antrag auf Prozesskostenhilfe beigefügt sind“






 Einführung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof Gelegenheit zur Klarstellung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2003/8/EG des Rates(2), die die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug bezweckt.

2.        Beim Bundesarbeitsgericht (Deutschland) ist ein Rechtsstreit über die Erstattung der mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe verbundenen Kosten anhängig, und zwar der Kosten für die Übersetzung von dem Antrag beigefügten Schriftstücken. Die deutschen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2003/8 sehen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das eigentliche Prozesskostenhilfeverfahren nicht vor, wenn ein entsprechender Antrag bei dem deutschen Gericht gestellt wird, das zugleich auch die zuständige Behörde ist. Mit dem vorliegenden Ersuchen möchte das höchste deutsche Arbeitsgericht inzidenter die Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2003/8 (im Folgenden: Richtlinie) überprüfen lassen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3.        In der Richtlinie 2003/8 heißt es:

„Artikel 3

Anspruch auf Prozesskostenhilfe

(1)      An einer Streitsache im Sinne dieser Richtlinie beteiligte natürliche Personen haben Anspruch auf eine angemessene Prozesskostenhilfe, damit ihr effektiver Zugang zum Recht nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleistet ist.

(2)      Die Prozesskostenhilfe gilt als angemessen, wenn sie Folgendes sicherstellt:

a)      eine vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtlichen Streitbeilegung;

b)      den Rechtsbeistand und die rechtliche Vertretung vor Gericht sowie eine Befreiung von den Gerichtskosten oder eine Unterstützung bei den Gerichtskosten des Empfängers, einschließlich der in Artikel 7 genannten Kosten und der Kosten für Personen, die vom Gericht mit der Wahrnehmung von Aufgaben während des Prozesses beauftragt werden.

Artikel 7

Durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingte Kosten

Die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe umfasst folgende unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache verbundenen Kosten:

b)      Übersetzung der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und vom Empfänger vorgelegten Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind; und

Artikel 8

Vom Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts zu übernehmende Kosten

Der Mitgliedstaat, in dem die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährt die erforderliche Prozesskostenhilfe gemäß Artikel 3 Absatz 2 zur Deckung:

a)      der Kosten für die Unterstützung durch einen örtlichen Rechtsanwalt oder eine andere gesetzlich zur Rechtsberatung ermächtigte Person in diesem Mitgliedstaat, bis der Antrag auf Prozesskostenhilfe gemäß dieser Richtlinie im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingegangen ist;

b)      der Kosten für die Übersetzung des Antrags und der erforderlichen Anlagen, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei den Behörden dieses Mitgliedstaats eingereicht wird.

Artikel 13

Einreichung und Übermittlung der Anträge auf Prozesskostenhilfe

(1)      Anträge auf Prozesskostenhilfe können eingereicht werden: entweder

a)      bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Übermittlungsbehörde), oder

b)      bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands oder des Vollstreckungsmitgliedstaats (Empfangsbehörde).

(2)      Anträge auf Prozesskostenhilfe sind auszufüllen und die beigefügten Anlagen zu übersetzen

a)      in der bzw. die Amtssprache oder einer bzw. eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats der zuständigen Empfangsbehörde, die zugleich einer der Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaft entspricht; oder

b)      in einer anderen bzw. eine andere Sprache, mit deren Verwendung sich dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 14 Absatz 3 einverstanden erklärt hat.

(4)      Die zuständige Übermittlungsbehörde unterstützt den Antragsteller, indem sie dafür Sorge trägt, dass dem Antrag alle Anlagen beigefügt werden, die ihres Wissens zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind. Ferner unterstützt sie den Antragsteller gemäß Artikel 8 Buchstabe b bei der Beschaffung der erforderlichen Übersetzung der Anlagen.

Die zuständige Übermittlungsbehörde leitet der zuständigen Empfangsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat den Antrag innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt des in einer der Amtssprachen gemäß Absatz 2 ordnungsgemäß ausgefüllten Antrags und der beigefügten, erforderlichenfalls in eine dieser Amtssprachen übersetzten Anlagen zu.

(6)      Für die nach Absatz 4 erbrachten Leistungen dürfen die Mitgliedstaaten kein Entgelt verlangen. …“

 Deutsches Recht

4.        Die Richtlinie 2003/8 wurde durch die §§ 114 bis 127a sowie die §§ 1076 bis 1078 der Zivilprozessordnung (ZPO) in deutsches Recht umgesetzt.

5.        § 114 Abs. 1 ZPO bestimmt:

„Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.“

6.        § 117 Abs. 1 und 2 ZPO sieht vor:

„(1)      Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; …

(2)      Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. …“

7.        § 1076 ZPO lautet:

„Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der [Richtlinie 2003/8] gelten die §§ 114 bis 127a, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.“

8.        In § 1078 Abs. 1 ZPO heißt es:

„Für eingehende Ersuchen um grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ist das Prozessgericht oder das Vollstreckungsgericht zuständig. Die Anträge müssen in deutscher Sprache ausgefüllt und die Anlagen von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sein. …“

9.        Wie das vorlegende Gericht ausführt, sehen diese Bestimmungen nach der deutschen Rechtsprechung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das eigentliche Prozesskostenhilfeverfahren nicht vor, da dieses Verfahren keine „Prozessführung“ im Sinne des § 114 ZPO darstelle. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten, die für die Übersetzung der dem Prozesskostenhilfeantrag beizufügenden Erklärung und Belege in die Gerichtssprache entstehen, sei daher ausgeschlossen. Erhebe also ein Antragsteller mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar bei einem deutschen Gericht Klage und stelle er dort zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, fänden dieselben Vorschriften Anwendung, die auch für in Deutschland lebende Personen gelten.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

10.      Herr Šalplachta hat seinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik. Am 24. September 2013 ließ er beim Arbeitsgericht Zwickau durch seine deutsche Prozessbevollmächtigte eine auf Zahlung rückständigen Arbeitslohns gerichtete Klage gegen die in Deutschland ansässige Firma Elektroanlagen & Computerbau GmbH erheben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug beantragen. Am 27. November 2013 beantragte er die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die Kosten für die Übersetzung der Unterlagen zum Nachweis seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

11.      Am 8. April 2014 gelangte die vom Kläger am 23. September 2013 unterschriebene, in deutscher Sprache ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Zwickau. Das Erklärungsformular war einschließlich der Erläuterungen und Anlagen von einem in Dresden (Deutschland) ansässigen gewerblichen Übersetzungsbüro in die deutsche Sprache übersetzt worden. Der Kläger ließ zwei an ihn adressierte Rechnungen des Übersetzungsbüros zur Gerichtsakte reichen.

12.      Das Arbeitsgericht Zwickau bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug, lehnte aber die Erstattung der Kosten für die Übersetzung ab. Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Kläger beim vorlegenden Gericht eingelegte Rechtsbeschwerde.

13.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Rechtsbeschwerde nur dann stattzugeben wäre, wenn die §§ 114 ff. ZPO unionsrechtskonform dahin auszulegen seien, dass die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Prozesskostenhilfeantrag von der in der Bundesrepublik Deutschland gewährten Prozesskostenhilfe umfasst wären. Anderenfalls sei die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

14.      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Gebietet der Anspruch einer natürlichen Person auf wirksamen Zugang zu den Gerichten bei einer Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug im Sinne von Art. 1 und Art. 2 der Richtlinie 2003/8, dass die von der Bundesrepublik Deutschland gewährte Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Antragsteller zugleich mit der Klageerhebung bei dem auch als Empfangsbehörde im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie zuständigen Prozessgericht Prozesskostenhilfe beantragt und die Übersetzung selbst hat anfertigen lassen?

15.      Der Vorlagebeschluss ist am 15. Dezember 2015 beim Gerichtshof eingegangen. Herr Šalplachta, die deutsche und die tschechische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Herr Šalplachta, die deutsche und die spanische Regierung sowie die Kommission haben in der Sitzung vom 9. November 2016 mündlich verhandelt.

 Würdigung

 Einführung

16.      Art. 13 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2003/8 eröffnet einer Person, die Prozesskostenhilfe beantragt, die verfahrensrechtliche Wahlmöglichkeit, ihren Antrag entweder bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu stellen, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Buchst. a) oder bei der Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands oder des Vollstreckungsmitgliedstaats (Buchst. b).

17.      Wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers eingereicht, fungieren die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats als „Übermittlungsbehörde“ und die zuständige Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands oder des Vollstreckungsmitgliedstaats als „Empfangsbehörde“.

18.      Nach Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2003/8 unterstützt die Übermittlungsbehörde des Mitgliedstaats des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers vor Übermittlung des Antrags an die Empfangsbehörde den Antragsteller bei der Beschaffung einer Übersetzung der Anlagen.

19.      Diese Bestimmung entspricht Art. 8 Buchst. b der Richtlinie 2003/8, wonach der Mitgliedstaat, in dem die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, die erforderliche Prozesskostenhilfe zur Deckung der Kosten für die Übersetzung des Antrags und der erforderlichen Anlagen gewährt, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats eingereicht wird.

20.      Die Richtlinie 2003/8 regelt jedoch nicht ausdrücklich die Erstattung der Übersetzungskosten, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei den Behörden des Mitgliedstaats des Gerichtsstands eingereicht wird.

21.      Mit dem vorliegenden Ersuchen möchte das vorlegende Gericht klären lassen, ob die Richtlinie 2003/8 die Deckung dieser Kosten auch im letztgenannten Fall vorschreibt.

22.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2003/8 gebietet, dass die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Antrag nicht bei den Behörden des Mitgliedstaats des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers, sondern bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands eingereicht wird.

 Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen

23.       Obwohl das vorlegende Gericht Art. 1, Art. 2 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie anführt, sollte der Gerichtshof meines Erachtens die Art. 3 und 7 der Richtlinie auslegen, um eine sachdienliche Antwort zu geben.

24.      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie haben an einer Streitsache im Sinne der Richtlinie beteiligte natürliche Personen Anspruch auf eine angemessene Prozesskostenhilfe, damit ihr effektiver Zugang zum Recht nach Maßgabe der Richtlinie gewährleistet ist. Die Prozesskostenhilfe gilt als angemessen, wenn sie insbesondere den Rechtsbeistand und die rechtliche Vertretung vor Gericht sowie eine Befreiung von den Gerichtskosten oder eine Unterstützung bei den Gerichtskosten des Empfängers, einschließlich der in Art. 7 genannten Kosten und der Kosten für Personen, die vom Gericht mit der Wahrnehmung von Aufgaben während des Prozesses beauftragt werden, sicherstellt (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b).

25.      Die Voraussetzungen und der Umfang der Prozesskostenhilfe sind in den Art. 5 bis 11 der Richtlinie näher dargelegt.

26.      Diese Bestimmungen regeln den Anspruch auf Prozesskostenhilfe sowohl im Mitgliedstaat des Gerichtsstands (Art. 5 bis 7) als auch im Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers (Art. 8).

27.      Insbesondere sieht Art. 7 Buchst. b der Richtlinie in Bezug auf die durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten vor, dass die Prozesskostenhilfe die unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache verbundenen Kosten umfasst, einschließlich der Kosten für die Übersetzung der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und vom Empfänger vorgelegten Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind.

28.      Gemäß Art. 8 Buchst. b der Richtlinie gewährt der Mitgliedstaat, in dem die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, die erforderliche Prozesskostenhilfe für die Kosten für die Übersetzung des Antrags und der erforderlichen Anlagen, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei den Behörden dieses Mitgliedstaats eingereicht wird.

29.      Nach ihrem Wortlaut beziehen sich diese Bestimmungen nicht ausdrücklich auf die Kosten für die Übersetzung des Prozesskostenhilfeantrags, wenn der Antrag im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingereicht wird. Einerseits verweist Art. 7 der Richtlinie, der die Kosten im Mitgliedstaat des Gerichtsstands zum Gegenstand hat, auf die Übersetzung der Schriftstücke, die „für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind“, und nennt nicht explizit die mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Kosten. Andererseits betrifft Art. 8 der Richtlinie, in dem diese Kosten ausdrücklich genannt sind, allein die vom Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts zu übernehmenden Kosten.

30.      Die daraus resultierende Unklarheit spiegelt sich auch in den gegensätzlichen Auffassungen wider, die im vorliegenden Verfahren vertreten werden.

31.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts – das dabei allerdings durchaus darauf hinweist, dass sich seine Auslegung nicht eindeutig aus der Richtlinie herleiten lässt – kommt in Art. 8 der Richtlinie 2003/8 der Gedanke zum Ausdruck, dass die Kosten, die die Person, die Prozesskostenhilfe beantrage, für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe aufwende, ausschließlich vom Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers zu tragen seien, im vorliegenden Fall also von der Tschechischen Republik. Das vorlegende Gericht merkt außerdem an, dass – obwohl diese Auslegung impliziere, dass die Übersetzungskosten überhaupt nicht zu übernehmen seien, wenn der Antrag unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gestellt werde – dies durch die vom Antragsteller getroffene Wahl des Verfahrens bedingt sei. Der Antragsteller habe die Möglichkeit gehabt, Prozesskostenhilfe in der Tschechischen Republik zu beantragen, ohne dass sich dadurch Rechtsnachteile für ihn ergeben hätten.

32.      Die drei Mitgliedstaaten, die dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, stimmen dieser Auffassung zu.

33.      Die deutsche, die tschechische und die spanische Regierung führen aus, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/8 sich auf die Kosten für die Übersetzung der Schriftstücke beziehe, die „für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich“ seien, und nicht ausdrücklich die Kosten für die Übersetzung der mit dem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Schriftstücke nenne. Die mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe verbundenen Kosten seien streng genommen keine Kosten der Prozessführung. Die spanische Regierung hebt insoweit hervor, dass in einigen Rechtssystemen ein Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht bei einem Gericht, sondern bei einer zuständigen Verwaltungsbehörde gestellt und darüber in einem Verwaltungsverfahren entschieden werde, das unabhängig von dem Gerichtsverfahren in der Hauptsache durchgeführt werde. Selbst in den Rechtssystemen, in denen der Prozesskostenhilfeantrag bei dem für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gericht gestellt werden müsse, werde ein solcher Antrag in einem Verfahren geprüft, das gegenüber dem den Rechtsstreit betreffenden Gerichtsverfahren eigenständig sei.

34.      Der Kläger des Ausgangsverfahrens und die Kommission sind anderer Meinung.

35.      Der Kläger macht geltend, dass der Ausschluss der mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Kosten von der Prozesskostenhilfeleistung eine Behinderung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug darstelle. Wenn solche Kosten nur im Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers erstattet würden, führe dies dazu, dass der Antragsteller im Fall des Einreichens seines Antrags auf Prozesskostenhilfe unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands benachteiligt werde, so dass die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahrensoptionen beschränkt würden und der Antragsteller möglicherweise Gefahr laufe, Fristen nicht einzuhalten.

36.      Nach Auffassung der Kommission muss der Umfang der nach Maßgabe der Richtlinie gewährten Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele bestimmt werden und darf außerdem nicht von dem Verfahrensmechanismus abhängen, den die Person, die Prozesskostenhilfe beantrage, wähle. Es sei inkonsequent, die Prozesskostenhilfe nur dann auf die mit dem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Übersetzungskosten zu erstrecken, wenn der Antrag im Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts eingereicht werde, nicht aber dann, wenn er unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gestellt werde. Die Übersetzungskosten seien in beiden Fällen zu erstatten.

37.      Da der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie gegensätzliche Auslegungen zulässt, werde ich im Weiteren auf eine teleologische und systematische Auslegung und als untergeordneten Gesichtspunkt auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie eingehen.

 Systematik und Ziel der Richtlinie 2003/8

38.      Wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 sowie den Erwägungsgründen 5 und 6 ergibt, soll durch die Richtlinie 2003/8 der Zugang zu den Gerichten in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug für Personen gewährleistet werden, die nicht über ausreichende Mittel verfügen.

39.      Ziel der Richtlinie ist daher die Umsetzung des Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz bei den Prozessarten, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, im Einklang mit Art. 47 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der den Anspruch auf Prozesskostenhilfe garantiert, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten(3).

40.      Zur Erreichung dieses Ziels sind in der Richtlinie bestimmte gemeinsame Mindestvorschriften insbesondere für den Anspruch auf eine angemessene Prozesskostenhilfe (Art. 3) und den Umfang der Prozesskostenhilfe bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (Art. 7) festgelegt. Durch die Richtlinie sollen auf diese Weise Hindernisse für den Zugang zu den Gerichten beseitigt werden, die auf die durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingten zusätzlichen Kosten zurückzuführen sind.

41.      Meines Erachtens ist zur Sicherstellung der Erreichung dieser Ziele der Richtlinie unter „angemessener Prozesskostenhilfe“ im Sinne der Art. 3 und 7 der Richtlinie zu verstehen, dass auch Kosten gedeckt werden, die aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters des Prozesskostenhilfeantrags selbst entstehen, wie etwa die Kosten für die Übersetzung des Antrags und der Anlagen.

42.      In den von der Richtlinie ins Auge gefassten Fällen ist die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags eine Vorbedingung für die Gewährleistung des Zugangs zu den Gerichten. Für Personen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage außerstande sind, die Prozesskosten zu tragen, könnte es sich als schwierig erweisen, die Kosten für die Übersetzung der Schriftstücke aufzubringen, die für einen Prozesskostenhilfeantrag mit grenzüberschreitendem Bezug erforderlich sind. Der Zugang zum Recht in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug wäre daher gefährdet, wenn der Antragsteller keine Unterstützung für die mit seinem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Übersetzungskosten erlangen könnte.

43.      Diese Erwägung wird durch die Systematik der Richtlinie bestätigt, deren Bestimmungen sich nicht auf die Erstattung der Prozesskosten beschränken, sondern auch die Kosten für die Rechtsberatung vor Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags sowie die mit dem Antrag verbundenen Kosten regeln (Art. 8).

44.      Da die Richtlinie auch Bestimmungen über die Erstattung der Kosten der Prozesskostenhilfeanträge enthält, müssen solche Kosten außerdem unabhängig von der Verfahrensoption erstattet werden, die der Antragsteller nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie gewählt hat.

45.      Der Umfang der Prozesskostenhilfe darf sich nicht je nach der Art des Verfahrensmechanismus ändern, der für die Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe gewählt wird.

46.      Erstens würde der Ausschluss dieser Kosten in Fällen, in denen der Antrag unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingereicht wird, de facto die Wahlmöglichkeit des Antragstellers zwischen den beiden in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Verfahrensalternativen einschränken. Zweitens könnte sich der Antragsteller aufgrund dieser Einschränkung gezwungen sehen, eine nachteiligere Verfahrenslösung zu wählen. Anstatt den Prozesskostenhilfeantrag unmittelbar beim für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gericht einzureichen, müsste der Antragsteller zwei getrennte Verfahren einleiten, nämlich das erste beim zuständigen Gericht, um die Einhaltung der Fristen sicherzustellen, und das zweite bei den Behörden des Mitgliedstaats seines Wohnsitzes oder seines gewöhnlichen Aufenthalts, um die mit dem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Kosten erstattet zu erhalten.

47.      Meiner Meinung nach wäre es unangemessen, den in den Art. 3, 7 und 8 der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen einen solchen Regelungszweck zu unterstellen. Es erscheint inkonsequent, dem Antragsteller die Wahl zwischen zwei Alternativen einzuräumen und ihn dann zu benachteiligen, wenn er sich für eine der ausdrücklich vorgesehenen Verfahrensalternativen entscheidet. Eine solche Einschränkung der dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Verfahrensoptionen würde ein zusätzliches Hindernis für den Zugang zum Recht schaffen, das im Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie stünde.

48.      Angesichts der Systematik und der Zielsetzung der Richtlinie kann deren Art. 7, der vorschreibt, dass die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe die unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache verbundenen Kosten umfasst, meines Erachtens nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Kosten für die Übersetzung der Schriftstücke, die für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen einer solchen Streitsache erforderlich sind, ausgenommen werden.

49.      Meiner Ansicht nach sprechen daher sowohl die Systematik als auch die Zielsetzung der Richtlinie 2003/8 für die Auslegung, der zufolge die Prozesskostenhilfe nach den Art. 3 und 7 der Richtlinie die Übersetzungskosten umfasst, die bei einem Prozesskostenhilfeantrag mit grenzüberschreitendem Bezug entstehen, und zwar auch dann, wenn der Prozesskostenhilfeantrag unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingereicht wird.

 Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/8

50.      Meines Erachtens lässt sich dieses Verständnis der Art. 3, 7 und 8 der Richtlinie auch auf deren Entstehungsgeschichte stützen.

51.      Im Kommissionsvorschlag(4) waren die durch den grenzübergreifenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten in einem einzigen Artikel (Art. 5) geregelt. Die ersten beiden Absätze der Vorschrift betrafen diese Kosten, soweit sie im Mitgliedstaat des Gerichtsstands entstehen, während in Abs. 3 die im Wohnsitzmitgliedstaat des Antragstellers entstandenen Kosten geregelt waren(5). Nach dem von der Kommission in ihrem Vorschlag erarbeiteten System sollten grenzüberschreitende Kosten in der Regel vom Mitgliedstaat des Gerichtsstands übernommen werden, sofern es sich nicht – als Ausnahmetatbestand – um bestimmte im Wohnsitzmitgliedstaat des Antragstellers entstandene Kosten handelte. Der Aufbau der genannten Bestimmung blieb nach der Lesung im Europäischen Parlament bestehen, mit Ausnahme der Abänderung von Art. 5 Abs. 3, die zur Wahrung der Kohärenz mit der vorgeschlagenen Abänderung von Art. 2 Abs. 1 eingeführt wurde(6).

52.      In der Richtlinie in ihrer vom Rat verabschiedeten endgültigen Fassung(7) wurden die Bestimmungen über die durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten geändert und auf zwei verschiedene Artikel – nämlich Art. 7 („Durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingte Kosten“) und Art. 8 („Vom Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts zu übernehmende Kosten“) – aufgeteilt. Aus diesen Änderungen geht jedoch nicht hervor, dass der Rat von der Vorstellung, die dem von der Kommission vorgeschlagenen System zugrunde liegt, hätte abweichen wollen, wonach die durch den grenzüberschreitenden Charakter bedingten Kosten in der Regel vom Mitgliedstaat des Gerichtsstands zu übernehmen sind, mit Ausnahme bestimmter im Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers entstandener Sonderkosten. Eine Ausprägung dieses Grundsatzes findet sich im Übrigen weiterhin in den Erwägungsgründen der Richtlinie(8).

53.      Die Entstehungsgeschichte dürfte daher wohl das Vorbringen der Kommission im vorliegenden Fall stützen, dass Art. 8 als Ausnahme der allgemeinen Regel formuliert wurde, wonach der Mitgliedstaat des Gerichtsstands die Kosten zu übernehmen hat. Jedenfalls sehe ich keine Argumente zur Begründung der von der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen These, dass die Art. 7 und 8 eine Kostenverteilungsregelung enthielten, da in ihnen im Einzelnen aufgeführt sei, welche Kosten von welchem der beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu übernehmen seien. Insbesondere ist für mich, wie oben dargelegt(9), nicht ersichtlich, inwiefern Art. 7 in dem Sinne ausgelegt werden kann, dass die Kosten für die Übersetzung von Schriftstücken, die für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag erforderlich sind, dann ausgenommen sind, wenn der Antrag im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingereicht wird. Eine solche restriktive Auslegung stünde meines Erachtens im Widerspruch zum Ziel der Richtlinie, die den Anspruch auf angemessene Prozesskostenhilfe gewährleisten will, um den effektiven Zugang zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu garantieren.

54.      Abschließend weise ich noch darauf hin, dass sich die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung auf den Umstand berufen hat, dass die Richtlinie das System der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verfahrenshilfe ersetzt hat, das im 1977 im Rahmen des Europarates unterzeichneten Straßburger Übereinkommen vereinbart worden war(10).

55.      Das Straßburger Übereinkommen sah ein System der grenzüberschreitenden Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe vor, das den Antragstellern die Beantragung von Verfahrenshilfe im Staat ihres Wohnsitzes ermöglichte. Im Übereinkommen war außerdem bestimmt, dass die Übermittlungsstelle dem Antragsteller behilflich ist, damit dem Antrag alle erforderlichen Unterlagen beigefügt sind, und dem Antragsteller auch beim Beschaffen der notwendigen Übersetzungen der Unterlagen behilflich ist (Art. 3).

56.      Die Notifizierungs- und Übermittlungsmechanismen nach Art. 13 der Richtlinie orientieren sich unmittelbar an denen des Straßburger Übereinkommens(11).

57.      Meiner Ansicht nach kann diese historische Argumentation nicht – wie von der deutschen Regierung beabsichtigt – zur Begründung dafür herangezogen werden, dass aufgrund der Tatsache, dass die Richtlinie an die Stelle des Straßburger Übereinkommens getreten ist, die mit Prozesskostenhilfeanträgen verbundenen Übersetzungskosten nur in Fällen übernommen werden, wie sie früher im Straßburger Übereinkommen vorgesehen waren, d. h. nur dann, wenn der Antragsteller das System der internationalen Übermittlung von Prozesskostenhilfeanträgen in Anspruch nimmt, indem er einen solchen Antrag im Mitgliedstaat des Wohnsitzes stellt.

58.      Durch das Straßburger Übereinkommen wurde das System der grenzüberschreitenden Übermittlung von Prozesskostenhilfeanträgen eingeführt, nicht aber die Frage des Umfangs der Prozesskostenhilfe im Staat des Gerichtsstands geregelt. Der Entstehungsgeschichte der Richtlinie lässt sich entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber auf das Straßburger Übereinkommen, das in der Praxis selten angewandt worden war(12), aufbauen wollte.

59.      Wollte man der von der deutschen Regierung befürworteten Auslegung folgen, würde dies bedeuten, dass die Richtlinie nicht wesentlich über das System des Straßburger Übereinkommens hinausgeht.

60.      Ein solches Ergebnis scheint mir im Widerspruch zum Willen des Unionsgesetzgebers zu stehen. Ziel der Richtlinie ist nicht in erster Linie die Schaffung eines weiteren Mechanismus für die Übermittlung von Prozesskostenhilfeanträgen über Grenzen hinweg, da ein solcher Mechanismus gemäß dem Straßburger Übereinkommen bereits bestand. Durch die Richtlinie soll der Anspruch auf Prozesskostenhilfe in einem anderen Mitgliedstaat wirksam gewährleistet werden, und zwar auch in Fällen, in denen der Antragsteller sich dafür entscheidet, den Antrag auf Prozesskostenhilfe unmittelbar im Mitgliedstaat des Gerichtsstands einzureichen. Damit diese Option wirksam wahrgenommen werden kann, sollte die Prozesskostenhilfe auch die durch die grenzüberschreitende Natur des Prozesskostenhilfeantrags bedingten Kosten umfassen.

61.      Aus den genannten Gründen bin ich der Meinung, dass sowohl systematische als auch teleologische Gründe für eine Auslegung der Art. 3 und 7 der Richtlinie dahin sprechen, dass die Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe einschließen muss, und dass für diese Auslegung auch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie spricht.

 Ergebnis

62.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Die Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen sind dahin auszulegen, dass die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Antrag bei der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats eingereicht wird.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. 2003, L 26, S. 41).


3      Allerdings war die Charta bei Erlass der Richtlinie für die Mitgliedstaaten bekanntlich noch nicht bindend. Vgl. in der polnischen Literatur Kowalik-Bańczyk, K., „Pojęcie sporu transgranicznego w dyrektywie Rady Nr. 2003/8“, in Współpraca sądowa, Czapliński, W., und Wróbel, A. (Hrsg.), Warschau 2007, S. 39, 42.


4      Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzübergreifendem Bezug durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe und für andere mit Zivilverfahren verbundene finanzielle Aspekte (KOM[2002] 13 endg. vom 18. Januar 2002).


5      Art. 5 des Kommissionsvorschlags lautete wie folgt: „Übernahme der durch den grenzübergreifenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten. Die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe umfasst die unmittelbar mit dem grenzübergreifenden Charakter einer Streitsache verbundenen Zusatzkosten. Diese Kosten betreffen unter anderem Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen sowie die Reisekosten, sofern die persönliche Anwesenheit der betreffenden Personen bei der Verhandlung vorgeschrieben ist. Der Wohnsitzmitgliedstaat der Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, gewährt Prozesskostenhilfe, um die in diesem Mitgliedstaat entstehenden Kosten, insbesondere die Kosten für die Unterstützung durch einen örtlichen Rechtsanwalt, zu decken.“


6      Legislative Entschließung P5_TA(2002)0441 des Europäischen Parlaments vom 25. September 2002, Abänderung 17: „Der Mitgliedstaat, in dem die Person, die die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ihren Aufenthalt oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährt eine Erstattung der Kosten für die Prozesskostenhilfe.“


7      Ratsdokument Nr. 13385/02 vom 18. November 2002.


8      Vgl. 23. Erwägungsgrund, der impliziert, dass die Prozesskostenhilfe mit Ausnahme der vorprozessualen Rechtsberatung vom Mitgliedstaat des Gerichtsstands oder vom Vollstreckungsmitgliedstaat gewährt wird.


9      Siehe Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge.


10      1977 in Straßburg unterzeichnetes Europäisches Übereinkommen über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe (abrufbar unter http://www.coe.int/en/web/conventions/). Zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie war das Übereinkommen von allen Mitgliedstaaten der Union mit Ausnahme Deutschlands ratifiziert worden. Ein ähnliches System für die Übermittlung von Anträgen auf Prozesskostenhilfe ist auch im Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vorgesehen, das damals nur von sechs Mitgliedstaaten ratifiziert worden war.


11      Vgl. 26. Erwägungsgrund der Richtlinie.


12      Vgl. Grünbuch der Kommission „Prozesskostenhilfe in Zivilsachen: Probleme der Parteien bei grenzüberschreitenden Streitsachen“ (KOM[2000] 51 endg. vom 9. Februar 2000, S. 16).