URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
18. Dezember 1997 (1)
„Staatliche Beihilfen Senkung der Sozialbeiträge Einstellung des
Beschwerdeverfahrens Rechtsschutzinteresse Unzulässigkeit“
In der Rechtssache T-178/94
Asociación Telefónica de Mutualistas (ATM), Vereinigung spanischen Rechts mit
Sitz in Madrid, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Juan Eugenio Blanco
Rodríguez und Bernardo Vicente Hernández Bataller, Madrid, und Lydie Lorang,
Luxemburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts André Sérébriacoff,
11, rue Goethe, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, im schriftlichen Verfahren
zunächst vertreten durch Francisco Enrique González Diaz und Michel Nolin,
sodann durch Francisco Santaolalla und Michel Nolin, und im mündlichen
Verfahren durch Fernando Castillo de la Torre, Juristischer Dienst, als
Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung der der Asociación Telefónica de Mutualistas mit dem
Schreiben D/30508 der Kommission vom 15. Februar 1994 bekanntgegebenen
Entscheidung der Kommission zur Einstellung des Verfahrens, das aufgrund der
Beschwerde eingeleitet worden war, mit der die genannte Vereinigung die
Gewährung staatlicher Beihilfen an die Aktiengesellschaft Compañía Telefónica de
España beanstandet hatte,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio sowie des Richters A. Kalogeropoulos,
der Richterin V. Tiili und der Richter R. M. Moura Ramos und J. Pirrung,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30.
September 1997,
folgendes
Urteil
Der der Beschwerde zugrunde liegende Sachverhalt
- 1.
- Die klagende Vereinigung Asociación Telefónica de Mutualistas (ATM) wurde
1987 zur Wahrnehmung der Rechte der Mitglieder der Institución Telefónica de
Previsión (im folgenden: ITP), einer von der Compañía Telefónica de España, SA
(im folgenden: TESA), zugunsten ihrer Beschäftigten und Pensionäre eingerichteten
Sozialversorgungskasse, gegründet.
- 2.
- Die TESA ist eine kommerzielle Aktiengesellschaft mit staatlicher Beteiligung, die
vom spanischen Staat die Konzession für den öffentlichen telefonischen
Grunddienst erhielt. 1992 betrug die staatliche Beteiligung 32 % des Kapitals dieser
Gesellschaft; das übrige Kapital stand im Eigentum von 300 000 anderen
Aktionären, von denen jeder weniger als 0,5 % der Geschäftsanteile hielt. Die
Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß der Staat derzeit 21 %
des Grundkapitals halte. Außerdem ernennt der Staat die Mehrheit der Mitglieder
der Verwaltungsorgane der TESA.
- 3.
- 1944 gründete die TESA die ITP aufgrund des Gesetzes vom 6. Dezember 1941
über die Hilfskassen und Sozialversorgungskassen und aufgrund der dazu
ergangenen, durch Dekret vom 26. Mai 1943 genehmigten
Durchführungsverordnung. Nach dieser Verordnung unterlagen die fraglichen
Kassen ihrer Satzung und ihren internen Vorschriften, sofern diese im Einklang mit
dem genannten Gesetz und der Durchführungsverordnung dazu standen. Diese
Verordnung bestimmte im übrigen, daß die von den betreffenden Stellen gewährten
Leistungen mit den Vergünstigungen, die deren Mitglieder möglicherweise aufgrund
des vom Staat errichteten Systems der obligatorischen Sozialversicherungen
erhalten, vereinbar waren, es sei denn, anderslautende gesetzliche Vorschriften
oder ausdrückliche Anordnungen des Arbeitsministeriums sähen vor, daß diese
Leistungen an die Stelle der Leistungen der fraglichen obligatorischen
Sozialversicherungen träten.
- 4.
- 1966 trat die ITP hinsichtlich der sozialen Sicherheit bei Versetzung in den
Ruhestand, bei dauernder Arbeitsunfähigkeit und für Hinterbliebene bei
Todesfällen aufgrund einer außerberuflichen Erkrankung an die Stelle der
allgemeinen Sozialversicherung. Im übrigen waren die von der ITP gezahlten
Leistungen anscheinend höher als die des öffentlichen Systems.
- 5.
- Die von den Versorgungskassen gezahlten Leistungen und die an sie entrichteten
Beiträge waren in ihrer Satzung geregelt. Die Beiträge von der TESA an die ITP
waren ursprünglich in deren Satzung zunächst auf 7 %, dann auf 8 % und später
auf 9 % der den Arbeitnehmern gezahlten Gehälter festgesetzt.
- 6.
- Aus den Akten ergibt sich weiterhin, daß zugunsten der Einrichtungen und
Unternehmen, die von der Deckung bestimmter Risiken durch das allgemeine
System der sozialen Sicherheit ausgeschlossen sind, weil sie eine Versorgungskasse
haben, die bis zu einem gewissen Grad an die Stelle des allgemeinen System der
sozialen Sicherheit tritt, ein Kürzungskoeffizient auf den allgemeinen Beitragssatz
angewandt wird. Die Koeffizienten wurden jedes Jahr durch Erlaß des für die
soziale Sicherheit zuständigen Ministers festgelegt. Es ist unstreitig, daß die
Kürzung bis zu 14 % der Gehälter betragen konnte.
- 7.
- Das allgemeine Gesetz über die soziale Sicherheit von 1966 bezweckte, die
allgemeinen Sozialversicherungen zu koordinieren und zu vereinheitlichen. Dieses
Gesetz sieht grundsätzlich vor, daß die Gruppen, die in den Geltungsbereich des
allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit fallen, aber noch nicht durch dieses
System gesichert sind, in das allgemeine System der sozialen Sicherheit einbezogen
werden.
- 8.
- Ein Königliches Dekret vom 20. November 1985 verpflichtet die Einrichtungen, die
für die einzubeziehenden Gruppen zuständig sind, zugunsten des allgemeinen
Systems der sozialen Sicherheit den finanziellen Ausgleich vorzunehmen, der den
Belastungen und Verpflichtungen entspricht, die dieses zu tragen hat; für den Fall,
daß die Mittel, die für die Zahlung der Verpflichtungen, für die die genannten
Einrichtungen an die Stelle des allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit treten,
zur Verfügung stehen, für die Deckung der Kosten der Einbeziehung nicht
ausreichen, muß der Differenzbetrag von den Stellen oder Unternehmen
beigebracht werden, die verpflichtet sind, die Zahlung der von den fraglichen
Einrichtungen gewährten Leistungen sicherzustellen.
- 9.
- In der Zwischenzeit, im Jahre 1977, genehmigte das Arbeitsministerium die
geänderte Satzung der ITP. Punkt 4 ihrer Übergangsvorschriften enthält nunmehr
die Bestimmung, daß die TESA „für die Leistungen, die die ITP während eines
Zeitraums von 10 Jahren zu gewähren hat, bürgt. Um diese Haftung zu
konkretisieren, wird der garantierte Höchstbetrag jedes Jahr festgesetzt, und die
Bürgschaft ist jedes Jahr in der Weise zu verlängern, daß sie jeweils 10 Jahre lang
von der Verlängerung an gültig ist.“ Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde die
Stellung der Bürgschaft von der öffentlichen Verwaltung für die Genehmigung der
Satzung verlangt.
- 10.
- Laut dem Protokoll der Sitzung des Direktionsausschusses der ITP vom 24. Juli
1979 stellte dieser fest, daß die TESA im Rahmen des Erwerbs von TESA-Aktien
durch die ITP versichert habe, daß sie bestimmte Verpflichtungen gegenüber der
ITP eingehe. Diese Verpflichtungen bestanden insbesondere „in der Erweiterung
der vorgenannten Bürgschaft, um die in den versicherungsmathematischen
Untersuchungen hervorgehobenen versicherungstechnischen Rücklagen zu decken“,
und in der Aufrechterhaltung dieser gemäß der in der vorigen Randnummer
zitierten Übergangsvorschrift jährlich aktualisierten Bürgschaft.
- 11.
- Die Klägerin macht von der Kommission unwidersprochen geltend, daß die TESA
die Höhe der Bürgschaft nur für ihren Haushalt 1977 festgesetzt und auf
8 Milliarden PTA beziffert habe.
- 12.
- Auch habe der Verwaltungsrat der TESA in seiner Sitzung vom 28. Januar 1987
die Auffassung vertreten, daß die Zehnjahresfrist, während deren die ursprünglich
1977 gestellte Bürgschaft habe gelten sollen, abgelaufen sei, und habe daraufhin
diese Bürgschaft aufgehoben.
- 13.
- Am 27. Dezember 1991 beschloß der spanische Ministerrat, die Gruppen der bei
der ITP angeschlossenen Beschäftigten und Pensionäre in das allgemeine System
der sozialen Sicherheit einzubeziehen. Das Ministerium für Arbeit und soziale
Sicherheit regelte sodann die Wirkungen der Einbeziehung in einem Erlaß vom 30.
Dezember 1991. Die Generaldirektion für die Planung und die wirtschaftliche
Ausgestaltung der sozialen Sicherheit legte im Rahmen ihrer Zuständigkeit durch
Beschluß vom 25. Mai 1992 die Kosten der Einbeziehung fest. Dieser Beschluß
bestimmte außerdem, daß die TESA verpflichtet sei, den Differenzbetrag zwischen
den von der ITP geleisteten Zahlungen und dem für die Pensionäre zu zahlenden
Gesamtbetrag zu entrichten, falls sich die Mittel der ITP als unzureichend erweisen
sollten. Hinsichtlich des ergänzenden Vorsorgesystems wurde am 8. Juli 1992 eine
Vereinbarung getroffen, in der sich die TESA verpflichtete, zugunsten der
Berechtigten bestimmte Leistungen zu erbringen.
- 14.
- Am 10. Juni 1992 verfügte das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen die
Auflösung der ITP von Amts wegen sowie ihre Liquidierung. Die Klägerin hat
jedoch von der Beklagten unwidersprochen darauf hingewiesen, daß das
Auflösungsverfahren noch nicht endgültig abgeschlossen sei.
Das Verwaltungsverfahren
- 15.
- Unter den dargelegten Umständen wurde am 1. Juli 1993 im Namen der ATM eine
Beschwerde bei der Kommission eingereicht, in der den spanischen Behörden
vorgeworfen wurde, eine Senkung der Sozialbeiträge der TESA gestattet zu haben,
die eine staatliche Beihilfe darstelle. Bei den in der Beschwerde beanstandeten
Maßnahmen handelt es sich unter Berücksichtigung der Erläuterungen, die
während des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens gegeben
wurden, um folgendes:
- 16.
- Erstens bestehe die Beihilfe darin, daß die staatlichen Behörden der TESA von
1982 bis Ende 1991 die Differenz zwischen dem Betrag, den sie tatsächlich für
Beiträge an die ITP gezahlt habe, und dem Teil der Beiträge, den sie dank dem
Kürzungskoeffizienten nicht an das allgemeine System der sozialen Sicherheit habe
zu zahlen brauchen, hätten zugute kommen lassen. Diese Beihilfe belaufe sich auf
270 Milliarden Peseten. Außerdem ersuchte die Klägerin die Kommission, die
TESA anzuweisen, die genannte Differenz an die ITP zu zahlen.
- 17.
- Zweitens hätten die staatlichen Behörden die Aufhebung einer Bürgschaft gestattet,
zu deren Aufrechterhaltung die TESA verpflichtet gewesen sei, damit die ITP
immer auf eine ausreichende Deckung der Leistungen zählen könne, die sie in den
nächsten zehn Jahren zu erbringen habe. Diese staatliche Maßnahme habe der
TESA einen Gewinn von 8 Milliarden Peseten verschafft.
- 18.
- In der Beschwerde trug die Klägerin außerdem vor, die genannten
Beihilfemaßnahmen hätten zu einem Defizit der ITP und deswegen zu deren
Auflösung geführt.
- 19.
- Die Kommission ersuchte die Klägerin mit Schreiben vom 12. August 1993,
ergänzende Ausführungen zu ihrer Beschwerde zu machen. Im Anschluß an eine
Sitzung, die am 15. September 1993 stattfand, erteilte die Klägerin mit Schreiben
vom 29. Oktober 1993 zusätzliche Auskünfte. Die Kommission ersuchte die
Klägerin mit Schreiben vom 12. November 1993 erneut, ihre Auskünfte zu
ergänzen, was diese mit Schreiben vom 3. Dezember 1993 tat.
- 20.
- Nach der Antwort der Kommission auf eine vom Gericht gestellte Frage wurde
keine Korrespondenz mit dem spanischen Staat geführt, und es erging auch keine
an diesen Staat gerichtete förmliche Entscheidung.
- 21.
- Nach einem Briefwechsel zwischen der Kommission und der Klägerin teilte die
Kommission dieser mit dem an den Vertreter der Klägerin, Herrn Molina del Pozo,
gerichteten Schreiben D/30508 vom 15. Februar 1994 (im folgenden: Schreiben vom
15. Februar 1994) mit, daß sich nach Prüfung aller eingereichten Informationen
kein Beweis für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zugunsten der TESA
ergebe. Deshalb stellte die Kommission das aufgrund der Beschwerde der Klägerin
eingeleitete Verfahren ein.
- 22.
- Die Begründung des Schreibens vom 15. Februar 1994 lautet:
„Der Staat hat in die Aufhebung der Bürgschaft ... nicht eingegriffen ... Zwar ist die
TESA ein mehrheitlich im Staatsbesitz stehendes Unternehmen, jedoch ist
grundsätzlich weder der Staat noch ein anderer ihrer Aktionäre für die Handlungen
der TESA, die eine eigenständige juristische Person ist, oder für die von ihr
eingegangenen Verpflichtungen verantwortlich.
Wenn sich die ITP und die Beschäftigten durch die von der TESA zu vertretende
Nichterfüllung einer Verpflichtung in ihren Rechten verletzt fühlen, können sie, wie
sie dies bereits getan haben, vor den zuständigen nationalen Gerichten aufSchadensersatz klagen. Diese werden, wenn sie dies für richtig halten, die
Beschwerdeführer wieder in ihre Rechte einsetzen.
Die Befreiung von der Zahlung bestimmter Beträge an das allgemeine System der
sozialen Sicherheit ist von der spanischen Regierung gemäß den allgemeinen
spanischen Sozialvorschriften beschlossen worden, da die TESA die dort
aufgestellten Voraussetzungen erfüllte. Hinsichtlich der eventuellen Nichterfüllung
der Verpflichtungen, die die TESA gemäß den genannten allgemeinen Vorschriften
eingegangen war, hat das spanische Tribunal Supremo mit Urteil vom 26.
Dezember 1990 entschieden, daß die TESA unter Berücksichtigung der
anwendbaren allgemeinen Vorschriften nicht verpflichtet gewesen sei, der ITP
höhere Beiträge zu gewähren, als sie tatsächlich gezahlt habe. Folglich kann die
Kommission nicht zu dem Ergebnis gelangen, daß der genannte Differenzbetrag
eine staatliche Beihilfe darstellt, denn diese Situation steht nicht im Widerspruch
zu den anwendbaren allgemeinen Vorschriften.
...
Jedenfalls steht der Antrag der Beschwerdeführerin, die Kommission solle die
TESA anweisen, der ITP den Differenzbetrag zu zahlen, nicht im Einklang mit dem
Gemeinschaftsrecht, da die Kommission im Fall des Vorliegens einer Beihilfe und
der Unvereinbarkeit dieser Beihilfe deren Zurückzahlung an den Staat anordnen
würde.“
Verfahren
- 23.
- Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 22. April 1994 bei der Kanzlei
des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 24.
- Die Beklagte hat mit gesondertem Schriftsatz gemäß Artikel 114 § 1 der
Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage
erhoben, die am 28. Juli 1994 im Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen
wurde.
- 25.
- Die Klägerin hat am 12. September 1994 zur Einrede der Unzulässigkeit
Erklärungen abgegeben.
- 26.
- Das Gericht hat durch Beschluß vom 14. Juni 1995 die Entscheidung über die
Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.
- 27.
- Die Parteien haben am 21. August 1995 die Klagebeantwortung, am 9. Oktober
1995 die Erwiderung und am 15. Dezember 1995 die Gegenerwiderung bei der
Kanzlei des Gerichts eingereicht.
- 28.
- Das Gericht (Erste erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die
mündliche Verhandlung eröffnet. Es hat im Rahmen der Prozeßleitung den
Parteien schriftliche Fragen gestellt, die diese ordnungsgemäß beantwortet haben.
- 29.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 30. September 1997 mündlich verhandelt
und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 30.
- Die Klägerin beantragt,
die Klage für zulässig und begründet zu erklären,
das Schreiben vom 15. Februar 1994, durch das die Kommission das
aufgrund ihrer Beschwerde eingeleitete Verfahren eingestellt habe, für
nichtig zu erklären,
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
- 31.
- Die Beklagte beantragt,
die Klage für unzulässig zu erklären,
hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen,
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
- 32.
- Die Beklagte macht das Fehlen zweier unverzichtbarer Prozeßvoraussetzungen für
die Klage geltend. Erstens habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse. Zweitens
liege für die Klägerin keine anfechtbare Handlung vor; jedenfalls fehle ihr die
Klagebefugnis im Sinne des Artikels 173 Absatz 4 EG-Vertrag.
- 33.
- Das Fehlen der ersten unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung eines
Rechtsschutzinteresses ergebe sich erstens daraus, daß, selbst wenn die finanziellen
Interventionen des spanischen Staates zugunsten der TESA tatsächlich mit dem
Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen darstellten, eine eventuelle
Weisung, diese zurückzuzahlen, der Klägerin nichts nützen würde, da die nicht
eingezogenen Sozialbeiträge dem spanischen Staat und nicht der ITP oder der
ATM zurückgezahlt werden müßten. Nach Auffassung der Beklagten sieht das
spanische Recht keine Möglichkeit vor, den Differenzbetrag zwischen dem
normalen Beitrag für die soziale Sicherheit und dem von der TESA an die ITP
gezahlten geringeren Beitrag auszugleichen, wie das Tribunal Supremo in seinem
vorgenannten Urteil festgestellt habe.
- 34.
- Die Beklagte fügt hinzu, unter Berücksichtigung der Auflösung der ITP sei eine
Rückzahlung zu deren Gunsten seit 1992 sogar rechtlich unmöglich. Selbst wenn
die zurückzuzahlenden angeblichen Beihilfen in die Kasse der ITP eingezahlt
werden müßten, müßte ihr Betrag aufgrund der Auflösung zur Bestreitung der
Kosten der Einbeziehung der ITP in das allgemeine System der sozialen Sicherheit
an dieses gezahlt werden.
- 35.
- Das fehlende Rechtsschutzinteresse ergebe sich zweitens daraus, daß die angebliche
staatliche Beihilfe nur der TESA zugute komme, einem Unternehmen, mit dem
weder die Klägerin noch ihre Mitglieder unmittelbar oder mittelbar in einem
Wettbewerbsverhältnis stünden. Die Beklagte beruft sich insoweit auf die
Beschlüsse des Gerichtshofes vom 30. September 1992 in der Rechtssache C-295/92
(Landbouwschap/Kommission, Slg. 1992, I-5003) und vom 8. April 1981 in den
Rechtssachen 197/80, 198/80, 199/80, 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80
(Ludwigshafener Walzmühle Erling KG u. a./EWG, Slg. 1981, 1041) und führt aus,
die Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse zum Zweck der Feststellung eines
Rechtsschutzinteresses müsse im Hinblick auf die Klägerin vorgenommen werden
und nicht im Hinblick auf Personen oder Unternehmen, die gegebenenfalls
tatsächlich oder potentiell durch die angefochtene Handlung beeinträchtigt sein
könnten. Im vorliegenden Fall stünden weder die ATM noch ihre Mitglieder
unmittelbar oder mittelbar in einem Wettbewerbsverhältnis mit der TESA. Auch
bestehe mit dieser keine andere Beziehung, die unter dem Blickwinkel des Schutzes
des freien Wettbewerbs relevant wäre. Daraus folge, daß die Aufrechterhaltung
oder die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung die Interessen der ATM
in keiner Weise berühre.
- 36.
- Das Fehlen einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung wird zweitens damit
begründet, daß keine Handlung vorliege, die von der Klägerin angefochten werden
könne. Die Beklagte trägt erstens vor, das Schreiben vom 15. Februar 1994 sei
keine an die Klägerin gerichtete Entscheidung, denn im Unterschied zu der
Regelung in der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204), gebe es im Bereich der staatlichen Beihilfen kein
„Beschwerdeverfahren“, das, wenn die Beschwerdeführerin es wünsche, zu einer
Entscheidung führen müßte, deren Adressatin sie sein könnte und die mit der
Nichtigkeitsklage angefochten werden könnte. Dies wird nach Auffassung der
Kommission klar durch die Urteile des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der
Rechtssache C-313/90 (CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125) und vom 19.
Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91 (Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487)
bestätigt; eine Zusammenfassung finde sich in den Schlußanträgen des
Generalanwalts Tesauro in der vorgenannten Rechtssache Cook/Kommission (Slg.
1993, I-2502).
- 37.
- Tatsächlich stelle ein Schreiben wie das, um das es im vorliegenden Fall gehe, nur
eine Information über eine Entscheidung dar, die an den Mitgliedstaat gerichtet sei,
der der einzige Adressat von Entscheidungen im Bereich der staatlichen Beihilfen
sei. Das Schreiben bringe lediglich den Inhalt einer Entscheidung im eigentlichen
Sinn denen zur Kenntnis, die das Vorliegen der Beihilfe beanstandet hätten. Das
Schreiben vom 15. Februar 1994 beende deshalb als solches nicht das Verfahren;
dieses könnte im übrigen wiedereröffnet werden, wenn das beschwerdeführende
Unternehmen neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte beibringe, die eine
solche Wiedereröffnung rechtfertigten.
- 38.
- Weiterhin vertritt die Beklagte die Auffassung, daß die Klägerin jedenfalls nicht
individuell betroffen sei, wie dies nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages
erforderlich sei. Als private Vereinigung, die im vorliegenden Verfahren im
Interesse ihrer Mitglieder und nicht in ihrem eigenen Interesse handele, sei die
Klägerin nicht individuell von einer Entscheidung betroffen, in der festgestellt
werde, daß die angebliche finanzielle Intervention des Staates zugunsten der TESA
keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 des Vertrages sei. Genauer
ausgedrückt, habe sie nicht die Rolle eines privilegierten Gesprächspartners im
Sinn des Urteils des Gerichtshofes vom 2. Februar 1988 in den Rechtssachen 67/85,
68/85 und 70/85 (Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219) gespielt.
Desgleichen habe das Gericht im Urteil vom 6. Juli 1995 in den Rechtssachen
T-447/93, T-448/93 und T-449/93 (AITEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1971)
zwar festgestellt, daß ein Berufsverband als individuell betroffen angesehen werden
könne, wenn er dartun könne, daß die Wettbewerbssituation einiger seiner
Mitglieder durch die fraglichen Beihilfen spürbar beeinträchtigt worden sei und
eine eventuelle Klage dieser Mitglieder im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom
28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84 (Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391)
zulässig gewesen wäre; dies sei jedoch hier nicht der Fall.
- 39.
- Die Klägerin sei auch nicht unmittelbar betroffen, wie dies nach Artikel 173 Absatz
4 des Vertrages erforderlich sei, denn es bestehe kein Kausalzusammenhang
zwischen der Entscheidung, keine Beanstandungen zu erheben, da keine staatlichen
Beihilfen vorlägen, und dem Schaden, der sich möglicherweise aus den spanischen
Vorschriften über die soziale Sicherheit ergebe. Denn selbst wenn sich die
Kommission bei der Beurteilung der finanziellen Intervention des spanischen
Staates zugunsten der TESA geirrt hätte und deshalb die Rückzahlung der Beihilfe
anordnen müßte, sehe das spanische Recht keinen Mechanismus vor, der den
Ersatz des von der Klägerin behaupteten Schadens ermöglichen würde.
- 40.
- Die Klägerin macht geltend, ihre Klage sei zulässig, und führt zur ersten angeblich
fehlenden unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung aus, sie habe sehr wohl ein
Rechtsschutzinteresse. Erstens habe die ITP gerade wegen der Aufhebung der
Bürgschaft und wegen der zu niedrigen Beiträge, d. h. wegen der beanstandeten
Beihilfen, die Leistungen für die Berechtigten nicht erbringen können und sei in das
allgemeine System der sozialen Sicherheit einbezogen worden. Die Rückzahlung
der ihrer Ansicht nach mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren staatlichen
Beihilfen durch die TESA käme ihr zugute, da die spanische Verwaltung diese
Beträge an die ITP weiterleiten würde, so daß sie letztlich den Mitgliedern der
Klägerin zugute kämen.
- 41.
- Die Kommission habe das angeführte Urteil des Tribunal Supremo falsch ausgelegt.
In diesem Urteil gehe es nicht um die Frage, ob eine Rückzahlung erfolgen müsse.
Das nationale Gericht habe seine Entscheidung lediglich auf eine
Verfahrensvorschrift gestützt und ausgeführt, nicht die klagenden Beschäftigten und
Pensionäre, sondern die Leitungsorgane der ITP hätten den Antrag stellen müssen.
- 42.
- Auch das Vorbringen der Kommission, seit 1992 sei die Erstattung von Beträgen
an die ITP rechtlich unmöglich, halte einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand,
denn die Auflösung der ITP stehe nicht unmittelbar bevor. Selbst wenn die
rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und die rechtlichen Entscheidungen für eine
Auflösung gefällt wären, könnte ein günstiges Urteil des Gerichts im vorliegenden
Verfahren zu einer Rücknahme der Verwaltungsakte über die Auflösung der ITP
führen.
- 43.
- Was die Wettbewerbssituation auf dem Markt angehe, habe sie wegen der
staatlichen Beihilfe zugunsten der TESA einen tatsächlichen und sicheren Schaden
erlitten, da die Senkung der Sozialbeiträge die Rechte ihrer Mitglieder
beeinträchtigt habe. Die Klägerin nimmt in diesem Zusammenhang auf das oben
erwähnte Urteil Cook/Kommission Bezug, wonach die durch die Gewährung der
Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzten Personen, Unternehmen oder
Vereinigungen, d. h. insbesondere die konkurrierenden Unternehmen und die
Berufsverbände, beteiligt im Sinne des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages seien.
Da sie ein Berufsverband sei, der gegründet worden sei, um die Rechte ihrer
Mitglieder zu verteidigen, sei alles, was die ITP oder die TESA berühre, von
unmittelbarem Interesse für sie.
- 44.
- Sie habe im vorliegenden Fall auch deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil sie
gegründet worden sei, um die Rechte der ITP in Situationen wahrzunehmen, in
denen die Verteidigung dieser Rechte sonst wegen der Beherrschung der ITP durch
die TESA unmöglich gewesen wäre.
- 45.
- Die Klägerin macht zur zweiten angeblich fehlenden unverzichtbaren
Prozeßvoraussetzung geltend, sie sei die Adressatin des Schreibens vom 15. Februar
1994, bei dem es sich um eine Entscheidung mit bindenden rechtlichen Wirkungen
handele. Das Schreiben sei nämlich ein Rechtsakt zur Beendigung des
Beschwerdeverfahrens, der eine Beurteilung der beanstandeten Beihilfen enthalte
und eine Befriedigung der Interessen ihrer Mitglieder in der Zukunft verhindere.
- 46.
- Die Klägerin nimmt insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1993
in der Rechtssache C-325/91 (Frankreich/Kommission, Slg. 1993, I-3283, Randnr. 9)
Bezug und trägt vor, das Vorliegen einer anfechtbaren Handlung im Sinne des
Artikels 173 des Vertrages hänge davon ab, ob diese rechtliche Wirkungen
hervorrufe. Sie verweist weiter auf das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember
1988 in den Rechtssachen 166/86 und 220/86 (Irish Cement/Kommission, Slg. 1988,
6473, Randnr. 11), in dem der Gerichtshof die Weigerung, ein Verfahren nach
Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten, als rechtliche Wirkungen entfaltende Maßnahme
eingestuft habe. Die Klägerin verweist außerdem auf das Urteil des Gerichtshofes
vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C-39/93 P (SFEI u. a./Kommission, Slg. 1994,
I-2681, Randnrn. 27 und 28). Danach erlasse ein Organ, das die Befugnis habe,
eine Zuwiderhandlung festzustellen und ihretwegen Sanktionen zu verhängen, und
das, wie die Kommission im Wettbewerbsrecht, von einzelnen mit einer
Beschwerde befaßt werden könne, notwendigerweise eine Maßnahme, die
Rechtswirkungen erzeuge, wenn es eine aufgrund dieser Beschwerde eingeleitete
Untersuchung einstelle. Auch könne nach dem genannten Urteil die Einstellung
eines Beschwerdeverfahrens nicht als vorbereitende Handlung qualifiziert werden,
da diese Maßnahme das letzte Stadium des Verfahrens darstelle; ihr folge nämlich
keine weitere Maßnahme, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könnte.
- 47.
- Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe an dem von der Kommission aufgrund ihrer
Beschwerde eingeleiteten Verfahren aktiv teilgenommen. Dieser Umstand verleihe
ihr das Recht, die am Ende dieses Verfahrens getroffene Entscheidung anzufechten
(Urteil Cofaz u. a./Kommission, a. a. O.).
- 48.
- Schließlich macht die Klägerin geltend, die vorliegende Klage müsse zulässig sein,
damit ihr Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Artikel 13 der Europäischen
Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofes
gewährleisten werde; in Spanien gebe es nämlich kein angemessenes Verfahren im
Bereich der staatlichen Beihilfen, das es ihr ermöglichen würde, die vom Königreich
Spanien durch Unterlassen genehmigte Senkung der Sozialbeiträge anzufechten.
- 49.
- Die Beklagte entgegnet in ihrer Gegenerwiderung, daß das vorgenannte Urteil
SFEI u. a./Kommission das Verfahren der Anwendung der Artikel 85 und 86 des
Vertrages betreffe, in dem insbesondere die Möglichkeit, Beschwerden einzulegen,
vorgesehen sei. Diese Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Zum vorgenannten Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Irish
Cement/Kommission bemerkt die Beklagte, wenn der Gerichtshof in diesem Urteil
nicht festgestellt hätte, daß die Klage nach Fristablauf erhoben worden sei, hätte
er prüfen müssen, ob die Klägerin von dem Schreiben der Kommission unmittelbar
und individuell betroffen gewesen sei.
- 50.
- Zum Vorbringen der Klägerin, daß es keine Möglichkeit einer gerichtlichen
Nachprüfung gäbe, wenn die vorliegende Klage für unzulässig erklärt würde, trägt
die Beklagte schließlich vor, Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages sei unmittelbar
anwendbar, und die Klägerin könne sich folglich vor den nationalen Gerichten auf
diese Vorschrift berufen, wenn sie sie für einschlägig halte.
Würdigung durch das Gericht
- 51.
- Zunächst ist festzustellen, daß Adressat einer Entscheidung, durch die die Prüfung
der Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme mit dem Vertrag abgeschlossen wird,
immer der betreffende Mitgliedstaat ist und daß ein einzelner sie vor dem
Gemeinschaftsrichter anfechten kann, wenn die Voraussetzungen des Artikels 173
Absatz 4 des Vertrages erfüllt sind.
- 52.
- In diesem Stadium ist festzustellen, daß das Schreiben vom 15. Februar 1994
gegenüber der Klägerin nur eine Mitteilung darstellt, die den Inhalt einer
Entscheidung wiedergibt, deren Adressat der betreffende Mitgliedstaat ist. Deshalb
ist das Gericht der Auffassung, daß der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung
des Schreibens vom 15. Februar 1994, in dem die Kommission ausführt, daß sie das
aufgrund der Beschwerde der Klägerin eingeleitete Verfahren eingestellt habe,
vernünftigerweise so zu verstehen ist, daß er in Wirklichkeit auf die
Nichtigerklärung der Entscheidung gerichtet ist, deren Adressat der betreffende
Mitgliedstaat ist und die in dem Schreiben wiedergegeben ist.
- 53.
- Natürliche oder juristischer Personen können nach Artikel 173 Absatz 4 des
Vertrages allerdings nur solche Handlungen anfechten, die bindende rechtliche
Wirkungen entfalten, so daß sie ihre Interessen beeinträchtigen, indem sie ihre
rechtliche Situation spürbar verändern.
- 54.
- Somit ist zu prüfen, ob die der Klägerin mit Schreiben vom 15. Februar 1994
mitgeteilte, in Wirklichkeit jedoch an das Königreich Spanien gerichtete
Entscheidung, die Prüfung der Vereinbarkeit der von der Klägerin beanstandeten
Beihilfen mit dem Vertrag abzuschließen, die Interessen der Klägerin
beeinträchtigt, indem sie ihre rechtliche Situation spürbar verändert. Nur wenn dies
der Fall ist, hat die Klägerin ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung der
angefochtenen Handlung.
- 55.
- Die Klägerin macht dazu geltend, die Entscheidung der Kommission enthalte eine
Beurteilung der angefochtenen Beihilfen und verhindere dadurch eine Befriedigung
der Interessen ihrer Mitglieder in der Zukunft. Somit muß auf den Sachverhalt der
vorliegenden Rechtssache zurückgegangen werden, um den Zusammenhang
zwischen der Entscheidung der Kommission und dem der Klägerin angeblich
entstandenen Schaden zu ermitteln.
- 56.
- Die Klägerin ist eine Vereinigung, die von den Mitgliedern der
Sozialversorgungskasse ITP gegründet wurde. Diese Mitglieder sind alle
Beschäftigte oder Pensionäre der TESA, der Gesellschaft, die die ITP gegründet
hat, um die soziale Versorgung ihrer Beschäftigten sicherzustellen. Die Mitglieder
der klagenden Vereinigung beschweren sich somit in Wirklichkeit über angebliche
staatliche Beihilfen, die ihrem derzeitigen oder ehemaligen Arbeitgeber zugute
kommen.
- 57.
- Wären die angeblichen rechtswidrigen Beihilfen nicht gewährt worden, so wäre die
ITP nach Auffassung der Klägerin nicht in das allgemeine System der sozialen
Sicherheit einbezogen worden, und die Berechtigten hätten weiter höhere als die
nach der allgemeinen Regelung gewährten Leistungen beziehen können. Würde der
Betrag der Beihilfen dem Staat zurückgezahlt, was die Kommission nach Meinung
der Klägerin hätte anordnen müssen, so würde der Staat diese an die ITP zahlen.
Diese würde dann wiederaufleben, und ihre Mitglieder würden in ihr Recht auf
höhere Leistungen wiedereingesetzt.
- 58.
- Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Tribunal Supremo entschieden hat, daß
„kein Anspruch darauf besteht, zugunsten der [ITP] andere Zahlungen als
diejenigen [zu verlangen], die in der sie regelnden [Norm] vorgesehen sind, und es
ist bekannt, daß die Differenz zwischen dem Normalbeitrag, der an die allgemeine
Sozialversicherungskasse gezahlt wird, die dafür die versicherten Risiken voll
absichert, und den Teilbeträgen, die im vorliegenden Fall an die [Versorgungskasse]
TESA entrichtet werden, ... ein Problem der Gesetzesänderung aufwirft, das nicht
im Wege der Rechtsprechung gelöst werden kann“ (Punkt 3 des genannten
Urteils). Die Kommission hat daraus zu Recht hergeleitet, daß die TESA nach den
nationalen Vorschriften nicht verpflichtet war, der ITP höhere Beiträge zu
gewähren, als sie tatsächlich gezahlt hat. Außerdem sehen die nationalen
Vorschriften nicht vor, daß der Differenzbetrag zwischen den normalen, an das
allgemeine System der sozialen Sicherheit zu zahlenden Beiträgen und den
niedrigeren Beiträgen, die dieser Versorgungskasse gemäß den seinerzeit auf sie
anwendbaren Vorschriften geschuldet wurden, an die ITP zu zahlen ist (siehe oben,
Randnrn. 5 und 6).
- 59.
- Selbst wenn die Entscheidung für nichtig erklärt würde und die Kommission
Maßnahmen zur Durchführung des Urteils ergreifen müßte, gäbe es keinen
Anhaltspunkt dafür, daß dieses Verfahren sinnvollerweise zu einer Zahlung des
fraglichen Differenzbetrags an die ITP führen würde.
- 60.
- Denn wie die Kommission zu Recht geltend macht, müßten die nicht eingezogenen
Sozialbeiträge, falls eine Rückzahlung angeordnet würde, an den spanischen Staat
zurückgezahlt werden, der nach den nationalen Vorschriften nicht verpflichtet wäre,
sie an die ITP weiterzuleiten. Auch spricht nichts für die Annahme, daß die ITP
wiederbelebt werden könnte, da mit der Einbeziehung der privaten
Versorgungskassen in das allgemeine System der sozialen Sicherheit ein politisches
Ziel verfolgt wurde (siehe oben, Randnr. 7).
- 61.
- Zum zweiten Teil der angeblichen Beihilfe bemerkt das Gericht, daß, selbst wenn
die Kommission festgestellt hätte, daß die Aufhebung der Bürgschaft eine staatliche
Beihilfe darstellt, und die Wiederherstellung der Bürgschaft angeordnet hätte, dies
nur darin bestanden hätte, von der TESA garantieren zu lassen, daß die den
Mitgliedern der Versorgungskasse geschuldeten Sozialleistungen gezahlt werden.
Die TESA ist jedoch bereits nach den in den Randnummern 8 und 13 genannten
nationalen Vorschriften verpflichtet, die Kosten der Einbeziehung der ITP in das
allgemeine System der sozialen Sicherheit zu decken. Die Leistungen werden seit
der Einbeziehung der ITP vom allgemeinen System der sozialen Sicherheit gezahlt.
Da die Klägerin nicht dargetan hat, daß die Aufhebung der Bürgschaft konkrete
Einbußen für ihre Mitglieder mit sich gebracht hat, hat sie auch nicht dargetan, daß
eine eventuelle Wiederherstellung der Bürgschaft zu Vorteilen geführt hätte, auf
die dieselben Mitglieder Anspruch erheben könnten. Sie hat auch nicht dargetan,
daß die ITP nicht in das allgemeine System einbezogen worden wäre, wenn die
Bürgschaft aufrechterhalten worden wäre.
- 62.
- Unter diesen Umständen berührt die Entscheidung eindeutig nicht die
Rechtssphäre der Klägerin, obwohl sie zur Einstellung des aufgrund von deren
Beschwerde eingeleiteten Verfahrens führt. Folglich ist die Aufrechterhaltung oder
Nichtigerklärung dieser Entscheidung keineswegs geeignet, die Interessen der
Klägerin oder ihrer Mitglieder zu berühren. Demnach hat die Klägerin kein
Interesse an der Nichtigerklärung der von ihr angefochtenen Entscheidung und
erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des Artikels 173 Absatz 4 des Vertrages.
- 63.
- Darüber hinaus steht die Klägerin, die in Wirklichkeit eine Vereinigung von
Beschäftigten des Unternehmens ist, das angeblich eine staatliche Beihilfe erhalten
hat, keineswegs im Wettbewerb mit diesem Unternehmen und kann auch kein
Rechtsschutzinteresse aufgrund von Wettbewerbswirkungen geltend machen (siehe
hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Wettbewerbswirkungen und Zulässigkeit
z. B. den Beschluß in der Rechtssache Landbouwschap/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 12, und das Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache
T-435/93, ASPEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1281, Randnr. 63).
- 64.
- Unter diesen Umständen besitzt die Klägerin kein Interesse an der
Nichtigerklärung der Entscheidung, die ihr mit Schreiben vom 15. Februar 1994
mitgeteilt wurde.
- 65.
- Nach alledem ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen, ohne daß die
übrigen Argumente der Klägerin und der Kommission zu prüfen sind.
Kosten
- 66.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist, ist sie dem Antrag der Kommission entsprechend zur Tragung ihrer
eigenen Kosten sowie der Kosten der Kommission zu verurteilen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission.
Saggio Kalogeropoulos Tiili
Moura Ramos Pirrung
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Dezember 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Saggio