Language of document : ECLI:EU:T:2012:575

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

25. Oktober 2012(*)

„Öffentliche Lieferaufträge – Ausschreibungsverfahren – Lieferung von Tollwut-Impfstoffen nach Serbien – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Auftragsvergabe an einen anderen Bieter“

In der Rechtssache T‑503/10

IDT Biologika GmbH mit Sitz in Dessau-Roßlau (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Gross, T. Kroupa, T. Drosdziok und F. Ahr,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Delegation der Europäischen Union in der Republik Serbien vom 10. August 2010 (ABl. 2010/S 192–292332), den Auftrag EuropeAid/129809/C/SUP/RS für die Lieferung eines Tollwut-Impfstoffs für Impfkampagnen in Serbien an das Konsortium unter der Leitung der Bioveta a. s. zu vergeben und das Angebot der Klägerin abzulehnen,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und J. Schwarcz,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Durch eine am 28. Mai 2010 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABI. 2010/S 102-154044) veröffentlichte Bekanntmachung schrieb die Europäische Union, vertreten durch ihre Delegation in der Republik Serbien (im Folgenden: Delegation), im offenen Verfahren einen Auftrag aus, der drei Lose umfasste. Das im vorliegenden Fall in Rede stehende erste Los betraf die Beschaffung, Lieferung, Lagerung, den Transport und die Verteilung von Tollwutimpfködern auf dem Luftweg in einem festgelegten Gebiet Serbiens. Diese Operation fiel in den Rahmen von Kampagnen zur Impfung von Füchsen, die im Herbst 2010 und Frühjahr 2011 durchgeführt wurden.

2        Aus den Ausschreibungsunterlagen geht hervor, dass sich die Auswahlkriterien auf die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Bieter sowie auf deren berufliche und technische Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der personellen Ressourcen, der Fachgebiete und der Erfahrung bezogen. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Außerdem mussten die Angebote die technischen Spezifikationen der Ausschreibung erfüllen und insbesondere in Bezug auf das erste Los eine den technischen Spezifikationen entsprechende detaillierte Beschreibung der Impfstoffe sowie alle sonstigen relevanten Unterlagen enthalten. Nach den Bestimmungen in den die technischen Spezifikationen betreffenden Anhängen II und III der Ausschreibungsbedingungen musste die Verwendung des Impfstoffs insbesondere „von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) oder einer vergleichbaren EU-Behörde in einem Mitgliedstaat der EU genehmigt worden sein oder [der Impfstoff muss] für die Verwendung innerhalb der Republik Serbien lizenziert sein“, und „der Impfstoff [durfte] für Menschen und Tiere nicht virulent sein“.

3        Mit Schreiben vom 2. August 2010 forderte die Delegation die Bieterin Bioveta a.s. auf, nachzuweisen, dass ihr Impfstoff, Lysvulpen, nicht für Menschen virulent sei. Mit Schreiben vom selben Tag verlangte die Delegation von der Klägerin, der IDT Biologika GmbH, nachzuweisen, dass ihr Impfstoff, Fuchsoral, von der Europäischen Arzneimittelagentur oder einer vergleichbaren Behörde in einem der Mitgliedstaaten zugelassen sei, und zu bestätigen, dass der vorgeschlagene Impfstoff die Anforderungen in Bezug auf eine Nichtvirulenz für Menschen erfülle. Mit Schreiben vom 3. August 2010 und E-Mail vom 5. August 2010 antwortete Bioveta auf die Aufforderung der Delegation. Mit Schreiben vom 4. August 2010 übermittelte die Klägerin der Delegation die gewünschten Angaben.

4        Mit Entscheidung vom 10. August 2010, die der Klägerin am 22. September 2010 per E-Mail übermittelt und am 2. Oktober 2010 im Supplement zum Amtsblatt (ABl. 2010/S 192–292332) veröffentlicht wurde, lehnte die Delegation das Angebot der Klägerin ab und vergab das erste Los an das von Bioveta geleitete Konsortium, das zum niedrigsten Preis angeboten hatte (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

5        Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 21. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

6        Mit am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Klägerin einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt. Am 10. November 2010 hat die Europäische Kommission zu diesem Antrag Stellung genommen.

7        Am 15. November 2010 hat die Klägerin dem Gericht ihre Erklärungen zu der Stellungnahme der Kommission zu ihrem Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren übermittelt und beantragt, diese Erklärungen einreichen zu dürfen. Mit Beschluss vom 24. November 2010 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts angeordnet, die genannten Erklärungen nicht zu den Akten zu nehmen. Am 22. November 2010 hat die Klägerin beantragt, eine in ihrer Klageschrift erwähnte Anlage einreichen zu dürfen. Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 3. Dezember 2010 abgelehnt worden.

8        Am 3. Dezember 2010 hat die Zweite Kammer des Gerichts, der die Rechtssache zugewiesen worden ist, beschlossen, dem Antrag, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, nicht stattzugeben.

9        Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen und die Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, ein Dokument vorzulegen und in der mündlichen Verhandlung eine Frage zu beantworten. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

10      Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. März 2012 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

13      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der in Rede stehende Lieferauftrag, der die Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (ABl. L 210, S. 82) zur Rechtsgrundlage hat, zu den aus dem Haushalt der Union finanzierten Maßnahmen im Außenbereich im Sinne des Titels IV des Zweiten Teils der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1; im Folgenden: Haushaltsordnung) gehört.

14      Art. 167 Abs. 1 der Haushaltsordnung, im genannten Titel IV ihres Zweiten Teils, sieht vor:

„Vorbehaltlich der in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen besonderen Bestimmungen zu den Schwellenwerten und Modalitäten der Auftragsvergabe für Maßnahmen im Außenbereich gelten für Aufträge nach diesem Titel Artikel 56 und die Allgemeinen Bestimmungen für die Auftragsvergabe in Kapitel 1 des Titels V des Ersten Teils. Öffentliche Auftraggeber im Sinne dieses Kapitels sind

a)      die Kommission im Namen und für Rechnung eines oder mehrerer Empfänger,

…“

15      Der Zweite Teil der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) enthält im Titel III („Maßnahmen im Außenbereich“) ein Kapitel 3 (Art. 235 bis 252) mit Bestimmungen über die Auftragsvergabe.

16      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe, die auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichtet sind. Bioveta, der der Auftrag für das erste Los erteilt worden sei, habe die technischen Spezifikationen der Ausschreibung nicht eingehalten, und zwar sowohl in Bezug auf die Nichtvirulenz des Impfstoffs für Menschen (erster Klagegrund), als auch in Bezug auf die geforderten Genehmigungen (zweiter Klagegrund), so dass ein Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen vorliege. Außerdem rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz (dritter Klagegrund).

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2342/2002 in Bezug auf die Nichtvirulenz des Impfstoffs für Menschen

17      Die Klägerin trägt vor, bei dem von Bioveta hergestellten Impfpräparat Lysvulpen bestehe ein Risiko der Virulenz für Menschen, da es auf dem Virusstamm SAD-Bern basiere, dessen Pathogenität für nicht-menschliche Primaten festgestellt worden sei, wie aus verschiedenen Dokumenten hervorgehe. Außerdem sei die Nichtvirulenz von Lysvulpen für Menschen nicht durch geeignete Tests nachgewiesen worden. Somit erfülle das erfolgreiche Angebot nicht die technischen Anforderungen der Ausschreibung und hätte deshalb unberücksichtigt bleiben müssen.

18      Art. 252 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen sieht vor:

„Angebote, die nicht alle in den Ausschreibungsunterlagen verlangten wesentlichen Angaben enthalten oder die nicht den darin enthaltenen spezifischen Anforderungen entsprechen, werden abgelehnt.

Gleichwohl kann der Bewertungsausschuss bzw. der öffentliche Auftraggeber unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung einen Bewerber oder Bieter auffordern, binnen einer vom Ausschuss bzw. Auftraggeber festgesetzten Frist die Unterlagen, die die Ausschluss- und Auswahlkriterien betreffen, durch weitere Unterlagen zu ergänzen oder zu präzisieren.“

19      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt und dass sich die Kontrolle durch das Gericht auf die Prüfung beschränken muss, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2005, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T‑148/04, Slg. 2005, II‑2627, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Insoweit beschränkt zwar in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, in dem wie im vorliegenden Fall der Bieter den Zuschlag erhält, dessen Angebot den administrativen und technischen Anforderungen entspricht und das preisgünstigste ist, der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen hinsichtlich der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot, das unter den anforderungsgerechten Angeboten das preisgünstigste ist. Jedoch bleibt sein Ermessen in Bezug auf die Bewertung der Konformität der abgegebenen Angebote und insbesondere der hierzu vorgelegten Unterlagen notwendigerweise ein weites Ermessen (Urteil des Gerichts vom 15. September 2011, CMB und Christof/Kommission, T‑407/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 116).

21      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, der von Bioveta präsentierte Impfstoff habe nicht den technischen Spezifikationen der in Rede stehenden Ausschreibung entsprochen, in denen u. a. gefordert wurde, dass der Impfstoff für Menschen und Tiere nicht virulent sein darf (siehe oben, Randnr. 2). Es ist somit zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem er das Angebot von Bioveta als mit den technischen Spezifikationen der in Rede stehenden Ausschreibung konform ansah, wie sie in den Ausschreibungsbedingungen festgelegt waren.

22      Es ist hervorzuheben, dass der Vorsitzende des Bewertungsausschusses Bioveta am 2. August 2010 zur Vorlage von Unterlagen aufforderte, die bestätigten, dass die Bedingung in Bezug auf eine Nichtvirulenz des Impfstoffes für Menschen erfüllt sei (siehe oben, Randnr. 3).

23      Mit Schreiben vom 3. August 2010 antwortete Bioveta auf diese Aufforderung. Sie gab an, dass ihr Impfstoff Lysvulpen in mehreren Mitgliedstaaten registriert sei und die nach der geltenden Regelung gestellten Anforderungen in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit erfülle, was durch die Ergebnisse der durchgeführten Tests belegt werde.

24      Was die geltende Regelung betrifft, stützte sich Bioveta u. a. im Wesentlichen auf den Beschluss 94/358/EG des Rates vom 16. Juni 1994 zur Annahme des Übereinkommens über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuchs im Namen der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 158, S. 17), eines im Rahmen des Europarats erarbeiteten Übereinkommens, sowie auf die Richtlinie 2009/9/EG der Kommission vom 10. Februar 2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 44, S. 10).

25      Zu den durchgeführten Tests gab Bioveta an, sie seien entsprechend der geltenden europäischen Regelung erfolgt. Sie bezog sich u. a. auf einen Anhang II ihres Schreibens an den öffentlichen Auftraggeber vom 3. August 2010, um darzutun, dass die Ergebnisse der praktischen Tests die Sicherheit des Impfstoffs Lysvulpen auch für Menschen bestätigten. Aus diesem – dem Gericht auf eine prozessleitende Maßnahme hin vorgelegten – Anhang II des Schreibens vom 3. August 2010 geht hervor, dass die von Bioveta zum Nachweis der Sicherheit von Lysvulpen durchgeführten Tests aufgrund der Art der Ausbringung des Impfstoffs, nämlich durch Verteilung von Impfködern in der freien Natur (open countryside), sowohl Zieltierarten (Füchse und Marderhunde) als auch Nichtzieltierarten (Hunde, Katzen, Wildnagetiere, Labormäuse) erfassten. Den Schlussfolgerungen dieses Anhangs zufolge zeigten die Tests, dass die Sicherheit des Impfstoffs auch für Nichtzieltierarten mit Menschenkontakt gewährleistet sei. So wurde festgestellt, dass der Impfstoff für Hunde und Katzen, die Köder aufnähmen und dann Menschenkontakt hätten, nicht pathogen sei. Weiter ergaben die durchgeführten Tests, dass der Impfstoff nicht von Tier zu Tier, insbesondere zwischen Nagern, verbreitet werde, was nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer Übertragung des Virus von Tier zu Tier, sondern auch unter dem einer Übertragung auf den Menschen als bedeutsam betrachtet wird. In diesem Zusammenhang ist nämlich der Umstand zu berücksichtigen, dass Katzen wilde Nager jagen und dann Menschenkontakt haben.

26      Somit geht aus dem genannten Anhang II hervor, dass die von Bioveta durchgeführten Tests die Sicherheit des Impfstoffs Lysvulpen auch unter dem Gesichtspunkt einer Übertragung des Virus auf den Menschen bestätigten.

27      Daher ist unter den Umständen des vorliegenden Falles festzustellen, dass der öffentliche Auftraggeber mit seiner Feststellung, dass Bioveta die Nichtvirulenz ihres Impfstoffs für den Menschen im Sinne der technischen Spezifikationen der Ausschreibung hinreichend nachgewiesen habe, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

28      Die Klägerin trägt hierzu vor, zum Nachweis, dass der Impfstoff für Menschen nicht pathogen sei, hätten Tests an nicht-menschlichen Primaten durchgeführt werden müssen. Sie verweist auf mehrere Dokumente, insbesondere auf eine veterinärmedizinische Publikation von 1992 und auf eine auf der Website der Kommission ohne Datum veröffentlichte Studie, in der es heißt, dass nicht-menschliche Primaten auf die Liste der Arten gesetzt worden seien, an denen orale Impfstoffe getestet werden, „nachdem 1992 entdeckt wurde, dass der originale Virusstamm SAD-Bern für Paviane bei oraler Aufnahme hochgradig pathogen ist“, sowie auf einen Bericht des Wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz vom 23. Oktober 2002, wonach nicht-menschliche Primaten als Stellvertreter für den Menschen zu der Liste hinzugefügt worden seien. Außerdem verweist sie allgemein auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

29      Es ist jedoch festzustellen, dass im vorliegenden Fall die technischen Spezifikationen der Ausschreibung keine Tests an nicht-menschlichen Primaten zum Nachweis der Nichtvirulenz für Menschen verlangten. Die Erforderlichkeit solcher Test ergibt sich auch nicht implizit aus den Ausschreibungsunterlagen. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Frage im Ausschreibungsverfahren nicht erwähnt wurde.

30      Überdies belegen die von der Klägerin vorgelegten Studien und Berichte nicht, dass solche Tests durch geltende europäische Rechtsvorschriften oder das Europäische Arzneibuch vorgeschrieben waren.

31      Schließlich verfängt das Argument, dass solche Tests in anderen Ausschreibungen verlangt worden seien, im vorliegenden Fall nicht. Sie zu fordern, obwohl sie in den technischen Spezifikationen nicht ausdrücklich genannt sind, würde im Gegenteil darauf hinauslaufen, dass eine in den Ausschreibungsunterlagen nicht vorgesehene zusätzliche Bedingung aufgestellt würde.

32      Die Klägerin hat somit nicht den Beweis dafür erbracht, dass dem öffentlichen Auftraggeber insoweit ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

33      Die Klägerin macht ferner geltend, der Impfstoff Lysvulpen basiere auf dem ursprünglichen Virusstamm SAD-Bern, für den ein Risiko der Virulenz für den Menschen angenommen worden sei.

34      In dem Schreiben von Bioveta an den öffentlichen Auftraggeber vom 3. August 2010 ist jedoch ausgeführt:

„Dass der Impfstamm (Teil des Genoms) aus Gründen der Sicherheit von anderen Stämmen differenziert wurde, wurde auch durch Nukleinsäure-Sequenzierung nachgewiesen. Dieser Test wird unter dem Gesichtspunkt der Stabilität des genetischen Markers auch durch das Europäische Arzneibuch vorgeschrieben. Die genannte Sequenzierung wurde durch ein unabhängiges Labor an der Universität für Tiermedizin und Pharmazie Brno [Tschechische Republik] durchgeführt. Die Genkarte unseres Stamms zeigt eindeutig, dass der Impfstamm andere Merkmale als der erstmals in den 80er Jahren in der Schweiz verwendete ursprüngliche Virusstamm SAD-Bern aufweist (siehe Anhang III).“

35      Aus diesem Schriftstück geht somit hervor, dass der in Rede stehenden Impfstoff Lysvulpen anders als von der Klägerin behauptet auf einem Impfstamm SAD-Bern basiert, der gegenüber dem ursprünglichen Virusstamm SAD-Bern, aus dem sämtliche Tollwutimpfstoffe hervorgegangen sind, modifiziert ist.

36      Zurückzuweisen ist überdies auch das Vorbringen der Klägerin, die auf einem modifizierten Virusstamm SAD-Bern basierende Herstellung des Impfstoffs Lysvulpen entspreche nicht den im Ausschreibungsverfahren vorgelegten Genehmigungen. Dieses Vorbringen stellt nämlich eine bloße Behauptung dar. Zudem geht aus einer der Genehmigungen für das Inverkehrbringen des Impfstoffs Lysvulpen, die von slowenischen Behörden ausgestellt wurde, hervor, dass dieser Impfstoff auf dem modifizierten Virusstamm SAD-Bern basiert. Schließlich beruft sich die Klägerin in ihrer Erwiderung auf eine Pressemitteilung von Bioveta vom 27. Januar 2011 über den Impfstoff Lysvulpen, der diesmal auf einem neuen Virusstamm SAD Bio-10 basiere. Sie folgert daraus, dass der Impfstoff Lysvulpen, sofern er diesen neuen Virusstamm enthalte, nicht von den im vorliegenden Fall vorgelegten Genehmigungen gedeckt werde. Ohne dass auf die Frage eingegangen zu werden braucht, ob es sich bei dem Vorbringen der Klägerin zu dem neuen Virusstamm SAD Bio-10, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, um ein neues Angriffsmittel handelt, ist jedoch festzustellen, dass dieses Schriftstück nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung datiert und keineswegs belegt, dass der im vorliegenden Fall in Rede stehende Impfstoff Lysvulpen nicht den im Ausschreibungsverfahren vorgelegten Genehmigungen entsprach.

37      Schließlich legte Bioveta per E-Mail vom 5.August 2010 eine Bestätigung des Direktors des Institute for State Control of Veterinary Biologicals and Medicaments der Tschechischen Republik vor, dass der Impfstoff Lysvulpen im Jahr 2009 in der Tschechischen Republik zugelassen worden sei und den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit genüge.

38      Infolgedessen ist festzustellen, dass die Klägerin nicht den Beweis erbracht hat, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, der die Annahme zugrunde liegt, dass der Impfstoff Lysvulpen den technischen Spezifikationen über die Nichtvirulenz für Menschen oder Tiere in den Ausschreibungsbedingungen entspricht, auf sachlich unzutreffenden Tatsachenfeststellungen oder einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht.

39      Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2342/2002 in Bezug auf das Vorliegen der geforderten Genehmigungen

40      Die Klägerin trägt vor, für den Impfstoff Lysvulpen liege keine der nach der Ausschreibung erforderlichen Genehmigungen vor. Ihr Impfstoff Fuchsoral sei in Serbien zugelassen, und die angefochtene Entscheidung verstoße außerdem gegen serbisches Recht.

41      Nach den technischen Spezifikationen der Ausschreibung musste die Verwendung des Impfstoffs von der Europäischen Arzneimittelagentur oder einer vergleichbaren EU-Behörde in einem Mitgliedstaat der EU genehmigt worden sein oder der Impfstoff für die Verwendung innerhalb von Serbien lizenziert sein (siehe oben, Randnr. 2). Diese Bedingungen sind also nicht kumulativ.

42      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass für das Inverkehrbringen des Impfstoffs Lysvulpen in neun Mitgliedstaaten nationale Genehmigungen vorlagen, was die Klägerin als solches nicht bestreitet.

43      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, wie sie in der mündlichen Verhandlung auch ausgeführt hat, dass diese Genehmigungen nicht von mitgliedstaatlichen Behörden stammten, die als mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur vergleichbar angesehen werden könnten.

44      Dieses Argument ist im Wesentlichen bereits in Randnr. 44 der Klageschrift vorgetragen worden und somit nicht, wie die Kommission behauptet, verspätet.

45      Jedoch ist dieses Argument nicht stichhaltig. Gemäß Art. 5 der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311, S. 1) werden nämlich Genehmigungen für das Inverkehrbringen entweder von der Europäischen Arzneimittel-Agentur oder von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats erteilt. Die Formulierung „einer vergleichbaren EU-Behörde in einem Mitgliedstaat der EU“ in der Ausschreibung bezieht sich somit zwingend auf die für die Erteilung der Verkehrsgenehmigungen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Das in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument, in den Ausschreibungsunterlagen sei nicht angegeben, welche nationalen Behörden mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur vergleichbar seien, steht diesem Ergebnis nicht entgegen und ist daher zurückzuweisen.

46      Im Übrigen hat die Klägerin diesen Punkt im Ausschreibungsverfahren nicht beanstandet und sich in diesem Verfahren sogar selbst auf nationale Verkehrsgenehmigungen gestützt, um nachzuweisen, dass ihr Impfstoff den Anforderungen der technischen Spezifikationen entspricht. Sie ging somit selbst davon aus, dass diese Verkehrsgenehmigungen von mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur vergleichbaren Behörden erteilt worden waren.

47      Somit war die Bedingung, dass die Verwendung des Impfstoffs Lysvulpen von einer vergleichbaren EU-Behörde in einem Mitgliedstaat im Sinne der technischen Spezifikationen der Ausschreibung genehmigt war, erfüllt.

48      Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, für den Impfstoff Lysvulpen habe es keine aus Serbien stammende Verkehrsgenehmigung gegeben, zurückzuweisen, weil die in den technischen Spezifikationen der Ausschreibung insoweit aufgestellten Bedingungen nicht kumulativ sind (siehe oben, Randnr. 41). Ebenso ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass für ihren Impfstoff Fuchsoral von der Republik Serbien eine Genehmigung erteilt worden sei, zumal diese Genehmigung, die vom 8. September 2010 datiert, nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung erteilt wurde. Schließlich ist auch ihr Vorbringen zurückzuweisen, mit dem sie einen Verstoß gegen serbisches Recht rügt, da es im vorliegenden Fall neben der Sache liegt.

49      Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz im Sinne von Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung

50      Die Klägerin trägt vor, sie sei im Ausschreibungsverfahren aufgefordert worden, durch entsprechende Dokumente zu belegen, dass für ihren Impfstoff Fuchsoral die erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien und dass er für Menschen nicht virulent sei, während dies bei Bioveta nicht der Fall gewesen sei.

51      Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung für alle öffentlichen Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt finanziert werden, die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung gelten. Art. 168 der Haushaltsordnung, im Titel IV („Maßnahmen im Außenbereich“) ihres Zweiten Teils, sieht insbesondere vor, dass die Teilnahme an einer Ausschreibung natürlichen und juristischen Personen im Geltungsbereich der Verträge zu gleichen Bedingungen offen steht.

52      Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass der öffentliche Auftraggeber Bioveta mit Schreiben vom 2. August 2010 aufforderte, durch Vorlage der dafür erforderlichen Dokumente nachzuweisen, dass die Bedingung der Nichtvirulenz des Impfstoffs Lysvulpen für Menschen erfüllt sei. Bioveta antwortete darauf mit Schreiben und E-Mail vom 3. bzw. 5. August 2010. Weiter hatte Bioveta, wie die Kommission vorträgt, bereits bei der Abgabe ihres Angebots die Belege dafür übermittelt, dass für ihren Impfstoff die erforderlichen Genehmigungen vorlagen.

53      Bioveta wurde folglich sehr wohl aufgefordert, durch entsprechende Dokumente zu belegen, dass für ihren Impfstoff die erforderlichen Genehmigungen erteilt waren und der Impfstoff für Menschen nicht virulent ist. Der dritte Klagegrund geht daher in tatsächlicher Hinsicht fehl und ist zurückzuweisen.

54      Soweit die Klägerin geltend macht, Bioveta habe die geforderten Dokumente mangels Einhaltung der technischen Anforderungen nicht vorgelegt, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen zu den ersten beiden Klagegründen dieser Rechtssache gehört, so dass es ebenfalls zurückzuweisen ist.

55      Die Klage ist somit in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

56      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die IDT Biologika GmbH trägt die Kosten.

Forwood

Dehousse

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Oktober 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.