Language of document : ECLI:EU:T:2022:262

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

27. April 2022(*)

„Öffentliche Gesundheit – Erfordernis der Vorlage eines gültigen digitalen COVID‑19-Zertifikats der Union für den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments – Rechtsgrundlage – Freiheit und Unabhängigkeit der Abgeordneten – Pflicht, die Gesundheit des Personals der Union zu gewährleisten – Parlamentarische Immunität – Verarbeitung personenbezogener Daten – Recht auf Achtung des Privatlebens – Recht auf körperliche Unversehrtheit – Recht auf Sicherheit – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T‑710/21, T‑722/21 und T‑723/21,

Robert Roos und die anderen im Anhang(1) aufgeführten Kläger, vertreten durch die Rechtsanwälte P. de Bandt, M. Gherghinaru, L. Panepinto und V. Heinen,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch S. Alves und A.‑M. Dumbrăvan als Bevollmächtigte,

Beklagter,


erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer),

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, des Präsidenten J. Svenningsen, der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh sowie der Richterin T. Pynnä (Berichterstatterin),

Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihren auf Art. 263 AEUV gestützten Klagen begehren die Kläger, die alle für die Wahlperiode 2019-2024 in das Europäische Parlament gewählte Abgeordnete sind, die Nichtigerklärung des Beschlusses des Präsidiums des Parlaments vom 27. Oktober 2021 zu den außerordentlichen Vorschriften über Gesundheit und Sicherheit für den Zugang zu den Gebäuden des Europäischen Parlaments an seinen drei Arbeitsorten (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Im Rahmen der durch die COVID‑19-Pandemie verursachten Gesundheitskrise erließ der europäische Gesetzgeber auf Vorschlag der Europäischen Kommission die Verordnung (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID‑19‑Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID‑19‑Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID‑19-Pandemie (ABl. 2021, L 211, S. 1), sowie die Verordnung (EU) 2021/954 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID‑19‑Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID‑19‑Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) für Drittstaatsangehörige mit rechtmäßigem Aufenthalt oder Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten während der COVID‑19-Pandemie (ABl. 2021, L 211, S. 24).

3        Auf der Grundlage dieser Verordnungen beschlossen einige Mitgliedstaaten, nationale Anwendungen des digitalen COVID-Zertifikats der Europäischen Union (im Folgenden: COVID-Zertifikat) einzuführen und deren Verwendung u. a. auf den Zugang zu bestimmten Ereignissen, Gebäuden oder Transportmittel auszuweiten, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen und die öffentliche Gesundheit zu schützen. Dies ist insbesondere für die drei Mitgliedstaaten der Fall, in denen sich die Standorte des Parlaments befinden, nämlich Belgien, Frankreich und Luxemburg.

4        Seit Beginn der Gesundheitskrise im März 2020 hat der Präsident des Parlaments verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Gesundheit der Abgeordneten, des Personals und anderer Personen, die sich in den Gebäuden des Parlaments aufhalten, zu schützen und zugleich die Fähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, seine in den Verträgen festgelegten wesentlichen Funktionen wahrzunehmen.

5        Diese zeitlich begrenzten Maßnahmen wurden regelmäßig verlängert oder geändert. Insbesondere abhängig von der Entwicklung der Epidemielage konnten bestimmte Maßnahmen gelockert oder verschärft werden. Zu diesen Maßnahmen gehören seit dem Frühjahr 2020 unter anderem das Tragen von Masken und die Temperaturkontrolle. Sie sahen ferner bis Herbst 2021 ein Verbot zahlreicher Kategorien von Veranstaltungen oder der Besichtigungen von Einzelpersonen oder Gruppen vor. Die Plenarsitzungen wurden zwischen März 2020 und Mai 2021 in Brüssel (Belgien) beibehalten.

6        Außerdem wurde vom Generalsekretär des Parlaments ab dem 16. März 2020 als Reaktion auf die COVID‑19-Pandemie eine Sonderregelung für die vollständige Telearbeit eingeführt. Diese Regelung wurde an die Entwicklung der Pandemie angepasst und ab dem 1. September 2021 durch den Beschluss des Generalsekretärs vom 16. Juli 2021 über Telearbeit ersetzt, wonach die Telearbeit nunmehr auf freiwilliger Basis ausgeübt wurde, während die physische Anwesenheit gemäß Art. 20 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) die Standardarbeitsform sein sollte.

7        Am 25. März 2021 eröffnete das Parlament in enger Zusammenarbeit mit den Brüsseler Behörden ein Zentrum für Impfungen gegen COVID‑19 in seinen Räumlichkeiten in Brüssel, um die Impfung insbesondere der Mitglieder des Parlaments und seiner Mitarbeiter zu erleichtern, ohne dass diese gegebenenfalls in ihr Heimatland reisen müssten. Darüber hinaus hat das Parlament seit Beginn der Pandemie im März 2020 zeitlich begrenzte Ausnahmeverfahren eingeführt, um den Abgeordneten zu ermöglichen, per Fernteilnahme an den Debatten und Abstimmungen teilzunehmen.

8        Am 2. September 2021 nahm der Präsident des Parlaments einen Beschluss über Sicherheitsmaßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID‑19 an. Nach diesem Beschluss war der Zugang zu den Gebäuden des Parlaments für Besucher, örtliche Assistenten, externe Referenten und Interessenvertreter an die Vorlage eines COVID-Zertifikats oder eines gleichwertigen Zertifikats gebunden. Dieser Beschluss sah auch die Verpflichtungen zum Tragen einer Maske und zur Beachtung der sozialen Distanzierung innerhalb des Parlaments sowie ein Verbot des Zugangs zum Parlament für alle Personen vor, deren Temperatur über 37,7 °C liegt, die niesen oder husten, die positiv auf COVID‑19 getestet wurden oder die mit einer positiv auf COVID‑19 getesteten Person in Kontakt waren.

9        Am selben Tag erließ der Präsident des Parlaments einen Beschluss über außerordentliche Maßnahmen, die es dem Parlament ermöglichten, die Kontinuität seiner Tätigkeiten zu gewährleisten und die ihm durch die Verträge eingeräumten Vorrechte auszuüben. Der Beschluss sieht unter anderem die Wiederaufnahme bestimmter parlamentarischer Tätigkeiten wie Dienstreisen und Delegationen sowie die Verpflichtung zur Beachtung der sozialen Distanzierung und zum Tragen von Masken bei Parlamentsdebatten vor.

10      Am 30. September 2021 erließ der Parlamentspräsident zwei Beschlüsse, mit denen die Anwendung der mit den Beschlüssen vom 2. September 2021 getroffenen Maßnahmen bis zum 17. Oktober 2021 verlängert wurde.

11      Am 14. Oktober 2021 erließ der Präsident des Parlaments einen neuen Beschluss über Sicherheitsmaßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung des Virus, der für den Zeitraum vom 18. Oktober bis zum 2. November 2021 vorsah, die Durchführung einer Vielzahl von Veranstaltungen und Besuchen in den Gebäuden des Parlaments zu beschränken, eine Temperaturkontrolle am Eingang der Gebäude vorzuschreiben, die soziale Distanzierung und das Tragen von Masken während der Parlamentsdebatten vorzuschreiben und den Zugang zu den Gebäuden für Besucher, örtliche Assistenten, externe Redner und Interessenvertreter von der Vorlage eines COVID-Zertifikats abhängig zu machen.

12      Am selben Tag erließ der Präsident des Parlaments einen neuen Beschluss über außerordentliche Maßnahmen, die es dem Parlament ermöglichen, seine Aufgaben wahrzunehmen und seine Vorrechte gemäß den Verträgen auszuüben, und der für den Zeitraum vom 18. Oktober bis zum 2. November 2021 eine Regelung der Fernteilnahme für die Organisation von Tagungen, Ausschüssen und interparlamentarischen Delegationen, für die Veranstaltung von Sitzungen bestimmter Organe, die Ausübung des Stimmrechts usw. vorsieht.

13      Trotz der eingeführten Distanzierungsmaßnahmen und sanitären Vorsichtsmaßnahmen und trotz der auf über 80 % geschätzten Impfquote des Personals wurden ab September 2021 im Parlament eine zunehmende Anzahl von Übertragungsfällen festgestellt.

14      Das Präsidium des Parlaments (im Folgenden: Präsidium) erließ daher am 27. Oktober 2021 den angefochtenen Beschluss. Dieser Beschluss schreibt für den Zeitraum vom 3. November 2021 bis zum 31. Januar 2022 vor, dass alle Personen, die Zugang zu den Gebäuden des Parlaments an seinen drei Arbeitsorten erhalten möchten, ein gültiges COVID-Zertifikat vorlegen müssen.

15      Im elften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wird ausgeführt, dass diese Maßnahmen ein doppeltes Ziel verfolgen, da sie zum einen sicherstellen sollen, dass das Organ seiner rechtlichen Verpflichtung im Sinne der Verträge nachkommt, zum normalen Arbeitsablauf zurückzukehren, und zum anderen, dass ausreichende Schutzvorkehrungen getroffen werden, um Leben und Gesundheit aller in den Räumlichkeiten des Parlaments befindlichen Personen zu schützen.

16      Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2021/953 ermöglicht der Rahmen für das COVID-Zertifikat die Ausstellung, grenzüberschreitende Überprüfung und Anerkennung folgender Zertifikate:

–        ein Zertifikat, mit dem bescheinigt wird, dass der Inhaber in dem das Zertifikat ausstellenden Mitgliedstaat eine COVID‑19‑Impfung erhalten hat (im Folgenden: Impfzertifikat);

–        ein Zertifikat, mit dem bescheinigt wird, dass sich der Inhaber einem molekularen Nukleinsäure-Amplifikationstest (im Folgenden: PCR-Test) oder einem Antigen-Schnelltest (im Folgenden: AGS-Test) unterzogen hat, wobei der AGS-Test in der gemeinsamen und aktualisierten Liste der COVID‑19-AGS-Tests auf der Grundlage der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 21. Januar 2021 aufgeführt ist und in dem das Zertifikat ausstellenden Mitgliedstaat von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Testpersonal durchgeführt wurde, und in dem die Art des Tests, das Datum, an dem der Test durchgeführt wurde und das Testergebnis enthalten sind (im Folgenden: Testzertifikat);

–        ein Zertifikat, aus dem hervorgeht, dass der Inhaber nach einem positiven Ergebnis eines PCR-Tests, der von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Testpersonal durchgeführt wurde, von einer SARS-CoV-2‑Infektion genesen ist (im Folgenden: Genesungszertifikat).

II.    Anträge der Parteien

17      Die Kläger beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        dem Parlament die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

18      Das Parlament beantragt,

–        die Klagen als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit der Klagen

1.      Zum Rechtsschutzinteresse der Kläger

19      Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme und in der mündlichen Verhandlung wurden die Parteien aufgefordert, klarzustellen, ob die Kläger angesichts der Tatsache, dass der angefochtene Beschluss nur bis zum 31. Januar 2022 galt, weiterhin ein Interesse an der Anfechtung des angefochtenen Beschlusses haben.

20      Nach ständiger Rechtsprechung muss das Rechtsschutzinteresse eines Klägers im Hinblick auf den Klagegegenstand bei Klageerhebung gegeben sein, andernfalls ist die Klage unzulässig. Ebenso wie das Rechtsschutzinteresse muss auch der Streitgegenstand bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen – andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt –, was voraussetzt, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 21. Januar 2021, Leino-Sandberg/Parlament, C‑761/18 P, EU:C:2021:52, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Kläger ein Interesse daran behalten kann, die Nichtigerklärung einer Handlung eines Unionsorgans zu beantragen, um zu verhindern, dass sich der behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt (Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 50).

22      Nach der Rechtsprechung kann dieses Rechtsschutzinteresse nur gegeben sein, wenn sich der behauptete Rechtsverstoß unabhängig von den Umständen der Rechtssache, die zur Klageerhebung geführt haben, in Zukunft wiederholen kann (Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 52).

23      Im vorliegenden Fall ist es, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, nicht ausgeschlossen, dass sich die von ihnen geltend gemachten Rechtsverstöße unabhängig von den Umständen der Rechtssache, die zu ihren Klagen geführt haben, in Zukunft wiederholen.

24      Mit ihren Klagen machen die Kläger nämlich mehrere Rechtsverstöße geltend, die u. a. das Fehlen einer geeigneten Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss, den Verstoß gegen ihre Vorrechte und Befreiungen sowie die Verletzung ihrer Freiheit und Unabhängigkeit oder die Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens betreffen, die sich unabhängig von den Umständen, die zu den vorliegenden Klagen geführt haben, im Rahmen ähnlicher Entscheidungen wiederholen können.

25      Darüber hinaus wurde der angefochtene Beschluss, wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, zunächst durch Beschluss des Präsidiums vom 26. Januar 2022 bis zum 13. März 2022 und anschließend durch Beschluss des Präsidiums vom 7. März 2022 bis zum 10. April 2022 verlängert. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass der angefochtene Beschluss wieder verlängert oder erneut eine ähnliche Entscheidung erlassen werden könnte.

26      Die Kläger haben daher weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

2.      Zur Klagebefugnis der Kläger

27      Das Parlament stellt die Zulässigkeit der Klage in Abrede und ist der Ansicht, dass die Kläger nicht über die in Art. 263 Abs. 4 AEUV definierte Klagebefugnis verfügen.

28      Art. 263 Abs. 4 AEUV sehe drei Fälle vor, in denen eine Person klagebefugt sein könne, nämlich erstens, wenn diese Person Adressat des fraglichen Rechtsakts sei, zweitens, wenn der fragliche Rechtsakt sie unmittelbar und individuell betreffe und drittens, wenn der fragliche Rechtsakt ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei, der sie unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe. Nach Ansicht des Parlaments liegt jedoch keiner dieser Fälle hier vor.

29      Die Kläger treten diesem Vorbringen entgegen.

30      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

31      An erster Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger, wie das Parlament geltend macht, nicht als Adressaten der angefochtenen Handlung im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können. Diese Entscheidung ist nämlich nicht an sie persönlich gerichtet und gilt gemäß ihrem Art. 2 für „alle Personen, die um Zugang zu den Gebäuden des Parlaments an seinen drei Arbeitsorten ersuchen, einschließlich Mitgliedern, Beamten, akkreditierten parlamentarischen Assistenten und sonstigen Bediensteten des Parlaments“.

32      Es ist jedoch daran zu erinnern, dass der Begriff „Adressat der Handlung“ im Sinne dieser Bestimmung im formellen Sinn als die in dieser Handlung als Adressat bezeichnete Person zu verstehen ist. Dass eine andere Person als der förmliche Adressat einer Handlung von deren Inhalt erfasst sein kann, kann ihr zwar Klagebefugnis verleihen, wenn sie insbesondere nachweist, dass die Handlung sie aufgrund ihres Inhalts unmittelbar betrifft, damit ist sie aber nicht als Adressatin der Handlung klagebefugt. Außerdem reicht der Umstand, dass den Klägern eine Kopie des angefochtenen Beschlusses übermittelt wurde, nicht aus, um sie als Adressaten dieses Beschlusses anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, SACBO/Kommission und INEA, C‑281/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:46, Rn. 34).

33      An zweiter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unter der Bedingung steht, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird, die in zwei Fällen vorliegt. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Das Gericht hält es für angebracht, zunächst zu prüfen, ob die Kläger nach der zweiten oben in Rn. 33 genannten Variante klagebefugt sind.

35      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV alle Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung umfasst (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 28). Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass sich die allgemeine Geltung eines Rechtsakts aus der Tatsache ableiten lässt, dass dieser Akt für objektiv bestimmte Situationen gilt und gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen Rechtswirkungen entfaltet (vgl. Urteil vom 31. Mai 2001, Sadam Zuccherifici u. a./Rat, C‑41/99 P, EU:C:2001:302, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, obwohl er in Form eines Beschlusses erlassen wurde, in Wirklichkeit einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter mit allgemeiner Geltung darstellt, da er für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfaltet, was das Parlament nicht bestreitet.

37      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, erfordert, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im vorliegenden Fall erzeugt der angefochtene Beschluss, wie die Kläger geltend machen, ihnen gegenüber unmittelbare und verbindliche Rechtswirkungen, da sie seit seinem Inkrafttreten am 3. November 2021 nur dann Zugang zu den Gebäuden des Parlaments haben können, um ihre Funktion als Mitglieder des Europäischen Parlaments auszuüben und an dessen Arbeiten teilzunehmen, wenn sie ein gültiges COVID-Zertifikat vorlegen können.

39      Insoweit hat das Parlament zwar beschlossen, ab dem 22. November 2021 für alle Mitarbeiter, soweit dies mit der Ausübung ihres Amtes vereinbar ist, erneut eine verbindliche Telearbeitsregelung im Umfang von durchschnittlich maximal drei Tagen pro Woche auf Monatsbasis einzuführen und den Abgeordneten eine Fernteilnahme an den Debatten und Abstimmungen zu ermöglichen, wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat; der angefochtene Beschluss und die Verpflichtung, ein gültiges COVID-Zertifikat vorzulegen, um Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu erhalten, blieben während dieses gesamten Zeitraums jedoch in Kraft.

40      Darüber hinaus steht fest, dass der angefochtene Beschluss den Adressaten, die mit seiner Durchführung betraut sind, insbesondere den mit der Kontrolle der Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats betrauten Sicherheitsbediensteten des Parlaments, keinerlei Ermessensspielraum lässt. Diese erfolgt rein automatisch und erfordert keine Durchführungsmaßnahmen.

41      Daher ist festzustellen, dass die Kläger vom angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen sind.

42      Drittens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Wendung „die … keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass diese Vorschrift, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, verhindern soll, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter unmittelbar auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person keinen wirksamen Rechtsschutz hätte, wenn sie vor dem Unionsrichter keinen Rechtsbehelf einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter anfechten zu können. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte sie nämlich, obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist, eine gerichtliche Überprüfung desselben erst, nachdem sie gegen dessen Bestimmungen verstoßen hat, erwirken, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Zieht ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich, ist hingegen die gerichtliche Kontrolle der Beachtung des Unionsrechts unabhängig davon gewährleistet, ob diese Maßnahmen von der Union oder den Mitgliedstaaten erlassen werden. Natürliche oder juristische Personen, die aufgrund der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter der Union nicht unmittelbar vor dem Unionsrichter anfechten können, sind durch die Möglichkeit, die Durchführungsmaßnahmen anzufechten, die dieser Rechtsakt nach sich zieht, davor geschützt, dass ein derartiger Rechtsakt ihnen gegenüber angewandt wird (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Obliegt die Durchführung eines solchen Rechtsakts den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, können natürliche oder juristische Personen unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Voraussetzungen vor den Unionsgerichten unmittelbar gegen die Durchführungsmaßnahmen klagen und sich zur Begründung dieser Klage nach Art. 277 AEUV auf die Rechtswidrigkeit des fraglichen Basisrechtsakts berufen (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Der Gerichtshof hat im Übrigen wiederholt entschieden, dass es für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person ankommt, die sich auf die Klageberechtigung nach Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV beruft. Ob der fragliche Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen gegenüber anderen Personen nach sich zieht, spielt also keine Rolle (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      So ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Begriff „Durchführungsmaßnahmen“ zum einen den Erlass eines Rechtsakts entweder durch die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union oder durch die Mitgliedstaaten, der gerichtlich überprüft werden kann, impliziert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2020, Associazione GranoSalus/Kommission, C‑313/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:869, Rn. 37), und zum anderen, dass die Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses gegenüber den Klägern nur über Durchführungsmaßnahmen eintreten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission, C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 50, vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 57, und vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 64).

47      Nach Ansicht des Parlaments ergibt sich aus Art. 3 des angefochtenen Beschlusses, dass der Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments nach einer von den Sicherheitsdiensten des Parlaments durchgeführten Kontrolle gewährt oder verweigert werde. Im Rahmen dieser Prüfung werde nicht nur der Besitz eines COVID-Zertifikats überprüft, sondern gegebenenfalls auch, ob für die betreffende Person eine vom Generalsekretär nach Art. 5 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses gewährte Ausnahme gelte. Folglich zeigten sich die Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses gegenüber den Klägern erst nach der Kontrolle durch die Sicherheitsdienste des Parlaments.

48      Es ist jedoch festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen des Parlaments die Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses gegenüber den Klägern ab dem Inkrafttreten dieses Beschlusses eingetreten sind, ohne dass es einer zusätzlichen Durchführungsmaßnahme bedurfte, da die Kläger ab diesem Zeitpunkt über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügen mussten, um Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu erhalten.

49      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Kontrolle der Durchführung des angefochtenen Beschlusses betrauten Sicherheitsbediensteten des Parlaments keine Handlung erlassen, die gerichtlich überprüft werden können, sondern sich darauf beschränken, mittels der Anwendungen CovidScanBE bzw. CovidCheck.lu zu prüfen, ob eine Person, die Zugang zu den Gebäuden des Parlaments erhalten möchte, über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügt oder nicht.

50      In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament jedoch geltend gemacht, dass die Personen, denen der Zugang zu seinen Gebäuden verweigert werde, weil sie nicht über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügten, auf Antrag ein Dokument erhalten könnten, in dem die Verweigerung des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments bestätigt werde, was eine Maßnahme zur Durchführung des angefochtenen Beschlusses darstelle.

51      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es gekünstelt wäre, von den Klägern zu verlangen, dass sie, obwohl sie nicht über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügen, Zugang zu den Gebäuden des Parlaments verlangen, um ein solches Dokument, in dem festgestellt wird, dass sie nicht die Voraussetzungen des angefochtenen Beschlusses erfüllen, zu erhalten und anschließend diese Handlung vor dem Gericht anfechten und zur Stützung ihrer Klage gemäß Art. 277 AEUV die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend machen zu können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 66, vom 14. Januar 2016, Doux/Kommission, T‑434/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:7, Rn. 59 bis 64, und vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat, T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 102).

52      Ebenso ist das Vorbringen des Parlaments zurückzuweisen, dass die Kläger gemäß Art. 5 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses beim Generalsekretär des Parlaments einen Antrag auf Gewährung einer Ausnahme stellen und anschließend eine etwaige Ablehnung, eine solche Ausnahme zu gewähren, anfechten könnten. Wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, werden solche Ausnahmen nämlich nur aus ganz besonderen legitimen Gründen, wie der Impfung in einem Drittland, gewährt, und niemals aufgrund einer Ermessensentscheidungen an Personen ausgestellt, die ohne triftigen Grund kein gültiges COVID-Zertifikat besitzen.

53      Abgesehen davon, dass es gekünstelt wäre, von den Klägern zu verlangen, dass sie solche Anträge auf Gewährung einer Ausnahme stellen, ist festzustellen, dass sie im vorliegenden Fall nie derartige Anträge gestellt haben, so dass solche etwaigen Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf die oben in Rn. 45 angeführte Rechtsprechung im vorliegenden Fall jedenfalls irrelevant sind.

54      Schließlich kann sich das Parlament nicht mit Erfolg auf das Urteil vom 20. November 2017, Petrov u. a./Parlament (T‑452/15, EU:T:2017:822), berufen, um geltend zu machen, dass eine etwaige Verweigerung des Zutritts zu den Räumlichkeiten des Parlaments im vorliegenden Fall eine Handlung darstelle, die von der betroffenen Person vor dem Unionsrichter angefochten werden könne. In dieser Rechtssache wandten sich die Kläger, Staatsangehörige eines Drittstaats, nämlich gegen die Entscheidung, ihnen die für den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments erforderliche Akkreditierung zu verweigern. Somit verfügten diese Kläger im Gegensatz zu den Klägern in der vorliegenden Rechtssache ohne diese Entscheidung über kein Recht auf dauerhaften Zugang zu den Gebäuden des Parlaments. Außerdem handelte es sich bei der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Entscheidung um eine ausdrückliche Einzelfallentscheidung, mit der der Zugang verweigert wurde, und nicht um eine bloße Kontrollmaßnahme der Sicherheitsbediensteten des Parlaments, die – wie im vorliegenden Fall – mit der Umsetzung einer zuvor ergangenen Entscheidung von allgemeiner Geltung betraut waren, durch die der Zugang zu den Gebäuden des Parlaments bestimmten Voraussetzungen unterstellt wurde.

55      Nach alledem kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Beschluss Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV gegenüber den Klägern nach sich zieht.

56      Da der angefochtene Beschluss einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der die Kläger unmittelbar betrifft und keine an sie gerichteten Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ist festzustellen, dass diese nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV klagebefugt sind.

B.      Zur Zulässigkeit der Anträge auf Anpassung der Klageschriften

57      In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament darauf hingewiesen, dass der angefochtene Beschluss zunächst mit Beschluss des Präsidiums vom 26. Januar 2022 bis zum 13. März 2022 und dann mit Beschluss des Präsidiums vom 7. März 2022 bis zum 10. April 2022 verlängert worden sei. Diese neuen Beschlüsse beruhten nach Angabe des Parlaments auf einer aktualisierten Bewertung der Gesundheitslage und der verfügbaren wissenschaftlichen Daten.

58      Auf Fragen nach den Auswirkungen dieser neuen Beschlüsse auf die vorliegende Klage haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass sie ihre Anträge in ihren Klageschriften anpassen möchten, um diesen neuen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.

59      Nach Art. 86 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Anpassung der Klageschrift jedoch mit gesondertem Schriftsatz vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor der Entscheidung des Gerichts erfolgen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

60      Dieses Erfordernis soll insbesondere die Beachtung des kontradiktorischen Verfahrens und der Verteidigungsrechte gewährleisten, indem dem Beklagten ermöglicht wird, auf die angepassten Klagegründe und Argumente des Klägers zu reagieren, soweit sie neue Umstände betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Januar 2019, Haswani/Rat, C‑313/17 P, EU:C:2019:57, Rn. 36 bis 40, vom 9. November 2017, HX/Rat, C‑423/16 P, EU:C:2017:848, Rn. 23, und vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 139).

61      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger und ihre Vertreter notwendigerweise vor der mündlichen Verhandlung Kenntnis von den vom Präsidium erlassenen neuen Beschlüssen erlangt haben, so dass sie, wenn sie auch die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse hätten anfechten wollen, die erforderliche Sorgfalt hätten walten lassen müssen, indem sie entweder neue Klagen auf der Grundlage von Art. 263 AEUV erheben oder eine Anpassung der Klageschriften gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung hätten beantragen müssen.

62      Da die Kläger vor Abschluss des mündlichen Verfahrens keine Anträge auf Anpassung der Klageschriften mit gesondertem Schriftsatz gestellt haben, sind diese in der mündlichen Verhandlung mündlich gestellten Anträge als unzulässig zurückzuweisen.

C.      Begründetheit

63      Mit ihren Klagen machen die Kläger vier verschiedene Klagegründe geltend, mit denen sie erstens das Fehlen einer gültigen Rechtsgrundlage zur Erzeugung von Wirkungen gegenüber den Mitgliedern des Parlaments, zweitens einen Verstoß des angefochtenen Beschlusses gegen die Grundsätze der Freiheit und Unabhängigkeit der Mitglieder des Parlaments und gegen die ihnen durch den Vertrag eingeräumten Befreiungen, drittens einen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten und viertens eine ungerechtfertigte Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und auf personenbezogene Daten, des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, des Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie des Rechts auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung rügen.

1.      Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer gültigen Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss zur Erzeugung von Wirkungen gegenüber den Mitgliedern des Parlaments

64      Die Kläger machen geltend, dass Art. 25 der Geschäftsordnung des Parlaments keine gültige Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss darstelle, um ihnen gegenüber Wirkungen entfalten zu können. Abs. 2 dieser Bestimmung, der ihrer Ansicht nach der einzig einschlägige Absatz sein könne, verleihe dem Präsidium nämlich nur allgemeine Befugnisse in Angelegenheiten der internen Organisation des Parlaments, die den Erlass so strenger Maßnahmen wie der im angefochtenen Beschluss vorgesehenen nicht rechtfertigen könnten.

65      Die Kläger machen ferner geltend, dass Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ein „Gesetz“ verlange, um die wesentlichen Elemente der Verarbeitung personenbezogener Daten festzulegen. Es stehe jedoch fest, dass eine Entscheidung des Präsidiums kein Gesetz im Sinne dieser Bestimmung sei. Jede gegenteilige Auslegung hätte zur Folge, dass auf der Ebene der Unionsorgane ein geringerer Schutz als auf der Ebene der Mitgliedstaaten gewährt würde, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten eine nach einer parlamentarischen Debatte erlassene Rechtsvorschrift verlangen würden.

66      Jedenfalls könne Art. 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments nicht den Erlass von Maßnahmen rechtfertigen, die dem Beschluss 2005/684/EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments (ABl. 2005, L 262, S. 1, im Folgenden: Abgeordnetenstatut) oder dem Protokoll Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 266, im Folgenden: Protokoll Nr. 7) zuwiderliefen.

67      Das Parlament tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

68      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich das Parlament nach Art. 232 AEUV mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung gibt.

69      Im vorliegenden Fall steht fest, dass der angefochtene Beschluss u. a. auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments erlassen wurde. Diese Bestimmung verleiht dem Präsidium die Zuständigkeit für finanzielle, organisatorische und administrative Entscheidungen in Angelegenheiten der internen Organisation des Parlaments, seines Generalsekretariats und seiner Organe.

70      Mit dem Parlament ist jedoch festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, mit dem der Zugang zu den Gebäuden des Parlaments auf Personen beschränkt werden soll, die über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügen, sehr wohl zu den Angelegenheiten der internen Organisation des Parlaments im Sinne von Art. 25 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung gehört.

71      Aus der internen Organisationsgewalt des Parlaments ergibt sich nämlich, dass es befugt ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sein ordnungsgemäßes Funktionieren und die Durchführung seiner Verfahren sicherzustellen (Urteile vom 10. Februar 1983, Luxemburg/Parlament, 230/81, EU:C:1983:32, Rn. 38, vom 10. Juli 1986, Wybot, 149/85, EU:C:1986:310, Rn. 16, und vom 2. Oktober 2001, Martinez u. a./Parlament, T‑222/99, T‑327/99 und T‑329/99, EU:T:2001:242, Rn. 144).

72      Wie das Parlament geltend macht, stellt der angefochtene Beschluss jedoch eine solche Maßnahme dar, da er nach seinem zweiten Erwägungsgrund darauf abzielt, eine Rückkehr zu einem System der Präsenzarbeit zu ermöglichen, um die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs im Rahmen der nach Maßgabe der Verträge üblichen Verfahren sicherzustellen, die vollständige Anwendung aller in seiner Geschäftsordnung vorgesehenen regulären Verfahren zu gewährleisten und seine uneingeschränkte und unbegrenzte Rolle als das demokratisch gewählte Organ der Union, das die Bürger direkt auf Unionsebene vertritt, wiederherzustellen.

73      Die oben in Rn. 71 erwähnte interne Organisationsgewalt des Parlaments wird auch in den Sitzabkommen anerkannt, die zwischen den Organen der Union und den Mitgliedstaaten, die ihre Gebäude beherbergen, abgeschlossen wurden. So sieht die am 31. Dezember 2004 zwischen dem Parlament, dem Rat der Europäischen Union, der Kommission, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dem Ausschuss der Regionen und der Europäischen Investitionsbank einerseits und der belgischen Regierung andererseits unterzeichnete Vereinbarung vor, dass die Organe für die Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung in allen ihren Aspekten innerhalb der von ihnen genutzten Gebäude sowie für die Genehmigungen und die Kontrolle des Zugangs zu diesen Gebäuden verantwortlich sind. Ebenso sieht das Abkommen zwischen dem Parlament und dem Großherzogtum Luxemburg vom 2. Dezember 1983 vor, dass das Parlament für die Sicherheit innerhalb seiner Räumlichkeiten und Gebäude verantwortlich ist und dass es hierfür interne Regelungen erlässt. Was schließlich die Gebäude des Parlaments in Straßburg (Frankreich) betrifft, erkennt die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Parlament und den französischen Behörden über die Sicherheit der Gebäude des Parlaments in Straßburg vom 25. Juni 1998 ebenfalls die ausschließliche Verantwortung des Parlaments für die Genehmigungen und Kontrollen des Zugangs zu seinen Gebäuden an.

74      Im Übrigen ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss einer Beschränkung des in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidiums vom 3. Mai 2004 zur Festlegung der Vorschriften für Zugangsausweise festgeschriebenen Rechts der Abgeordneten auf ständigen Zugang zu den Gebäuden des Parlaments gleichkommt. Da der letztgenannte Beschluss vom Präsidium u. a. auf der Grundlage von Art. 22 der Geschäftsordnung des Parlaments in seiner früheren Fassung, der Art. 25 der derzeit geltenden Geschäftsordnung entspricht, erlassen wurde, ist es kohärent, dass in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Parallelität der Formen dasselbe Organ den angefochtenen Beschluss auf derselben Rechtsgrundlage erlassen hat (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2018, ArcelorMittal Tubular Products Ostrava u. a./Kommission, T‑364/16, EU:T:2018:696, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Zweitens ist, ohne dass über seine Schlüssigkeit entschieden zu werden braucht, das Vorbringen der Kläger zu prüfen, der angefochtene Beschluss sei kein „Gesetz“ im Sinne von Art. 8 der Charta, mit dem die wesentlichen Elemente der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kläger festgelegt werden könnten.

76      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 der Charta „[j]ede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten [hat]“ und dass [d]iese Daten … nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden [dürfen]“.

77      Art. 52 Abs. 1 der Charta sieht ferner vor, dass „[j]ede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten [muss]“.

78      Art. 52 Abs. 3 der Charta sieht außerdem Folgendes vor: „Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.“

79      Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sieht vor, dass „[j]ede Person … das Recht auf Achtung ihres Privat[lebens hat]“ und dass „[e]ine Behörde … in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen [darf], soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Daher ist Art. 8 EMRK bei der Auslegung von Art. 8 der Charta als Mindestschutzstandard zu berücksichtigen, da diese beiden Bestimmungen gleichwertige Rechte enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54).

80      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) bedeutet das Erfordernis, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta und Art. 8 Abs. 2 EMRK jeder Eingriff in die Ausübung von Grundrechten „gesetzlich vorgesehen“ sein muss, nicht nur, dass die Maßnahme, in der der Eingriff vorgesehen ist, eine Grundlage im innerstaatlichen Recht haben muss, sondern auch, dass diese Rechtsgrundlage zur Vermeidung der Gefahr von Willkür bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich Zugänglichkeit und Vorhersehbarkeit erfüllen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2017, Al Chodor, C‑528/15, EU:C:2017:213, Rn. 38, Urteile des EGMR vom 26. April 1979, Sunday Times/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:1979:0426JUD000653874, § 49, und vom 4. Dezember 2015, Roman Zakharov/Russland, CE:ECHR:2015:1204JUD004714306, § 228).

81      Darüber hinaus geht aus der Rechtsprechung des EGMR hervor, dass der Begriff „Gesetz“ in der u. a. in Art. 8 Abs. 2 EMRK enthaltenen Formulierung „gesetzlich vorgesehen“ in seiner materiellen und nicht in seiner formellen Bedeutung zu verstehen ist. Es umfasst daher sowohl geschriebenes als auch ungeschriebenes Recht und ist nicht auf Gesetzestexte beschränkt, sondern schließt auch Rechtsakte und Rechtsinstrumente niedrigeren Rangs ein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das „Gesetz“ der anwendbare Rechtstext in seiner Auslegung durch die zuständigen Gerichte ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des EGMR vom 26. April 1979, Sunday Times/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:1979:0426JUD000653874, § 47, und vom 8. April 2021, Vavřička u. a./Tschechische Republik, CE:ECHR:2021:0408JUD004762113, § 269).

82      Daher kann der Umstand, dass der angefochtene Beschluss keine nach einer parlamentarischen Debatte erlassene Norm mit Gesetzesrang darstellt, nicht für die Annahme ausreichen, dass er kein „Gesetz“ im Sinne von Art. 8 der Charta, ausgelegt im Licht von Art. 8 EMRK, darstelle.

83      Zwar geht aus der Rechtsprechung des EGMR auch hervor, dass das innerstaatliche Recht, um den Anforderungen an die Qualität des Gesetzes zu genügen, einen gewissen Schutz gegen willkürliche Eingriffe der Behörden in die durch die EMRK garantierten Rechte gewähren muss und dass, wenn es um grundrechtsrelevante Fragen geht, das Gesetz dem Vorrang des Rechts, eines der in der EMRK verankerten Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft, zuwiderliefe, wenn der der Exekutive eingeräumte Ermessensspielraum unbeschränkt wäre. Demzufolge muss das Gesetz den Umfang und die Art und Weise der Ausübung eines solchen Ermessens hinreichend klar definieren (vgl. Urteil des EGMR vom 15. März 2022, Communauté genevoise d’action syndicale (CGAS)/Schweiz, CE:ECHR:2022:0315JUD002188120, § 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Im vorliegenden Fall kann jedoch, da der angefochtene Beschluss selbst ein „Gesetz“ im Sinne von Art. 8 der Charta, ausgelegt im Licht von Art. 8 EMRK, darstellt, nicht davon ausgegangen werden, dass das Parlament eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber benötigte, um solche Maßnahmen, die ihre Grundlage in Art. 232 AEUV und Art. 25 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung finden, erlassen zu können.

85      Darüber hinaus erfüllt der angefochtene Beschluss im vorliegenden Fall, wie das Parlament geltend macht, zur Vermeidung der Gefahr von Willkür die erforderlichen Voraussetzungen hinsichtlich Zugänglichkeit und Vorhersehbarkeit.

86      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der fraglichen Maßnahme vorsieht und insbesondere den betroffenen Personen ausreichende Garantien bietet, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      So geht aus den Erwägungsgründen 22 bis 25 und Art. 4 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Personen, deren personenbezogene Daten vom Parlament auf der Grundlage dieses Beschlusses verarbeitet werden, gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. 2018, L 295, S. 39) geschützt sind.

88      Schließlich ist in Übereinstimmung mit dem Parlament festzustellen, dass das Vorbringen der Kläger, dass Art. 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments nicht den Erlass von Maßnahmen stützen könne, die gegen das Abgeordnetenstatut oder das Protokoll Nr. 7 verstießen, nicht die Frage der geeigneten Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses, sondern die nachstehend im Rahmen des zweiten Klagegrundes zu prüfende Frage der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses im Hinblick auf diese Bestimmungen betrifft.

89      Nach alledem ist festzustellen, dass Art. 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments eine gültige Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beschlusses darstellte.

90      Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Freiheit und Unabhängigkeit der Abgeordneten sowie Verletzung der ihnen durch den Vertrag eingeräumten Befreiungen

91      Der zweite Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen zum einen ein Verstoß gegen Art. 2 des Abgeordnetenstatuts, der die Grundsätze der Freiheit und der Unabhängigkeit der Europaabgeordneten festschreibt, und zum anderen ein Verstoß gegen die diesen Abgeordneten insbesondere durch das Protokoll Nr. 7 gewährten Befreiungen geltend gemacht werden.

a)      Zum ersten Teil: Verstoß des angefochtenen Beschlusses gegen die Grundsätze der Freiheit und der Unabhängigkeit der Mitglieder des Parlaments

92      Die Kläger sind der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss sehr belastend sei und in schwerwiegender Weise gegen den in Art. 2 des Abgeordnetenstatuts verankerten Grundsatz der freien und unabhängigen Ausübung des Mandats als Mitglied des Parlaments verstoße, da sie aufgrund dieses Beschlusses daran gehindert sein könnten, an den Sitzungen des Parlaments teilzunehmen und ihren Vertretungsauftrag wahrzunehmen, was das Gewaltengleichgewicht und die freie Ausübung der Demokratie beeinträchtigen könne.

93      Die Kläger weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die im angefochtenen Beschluss vorgesehene Verweigerung des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments bei Nichtvorlage eines gültigen COVID-Zertifikats unabhängig von dem Grund für diese Nichtvorlage zur Anwendung komme. So könnte ein Abgeordneter nicht in der Lage sein, ein gültiges COVID-Zertifikat vorzulegen, weil er keines besitze oder besitzen möchte, aber auch, weil er es vergessen oder verlegt habe oder weil sein Smartphone zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht funktioniere. Außerdem weisen sie darauf hin, dass Mitglieder des Parlaments, die über kein Impf- oder Genesungszertifikat verfügten, sich aufgrund der begrenzten Gültigkeitsdauer dieser Tests mindestens alle zwei Tage testen lassen müssten. Darüber hinaus müsste eine erhebliche Wartezeit zwischen dem Zeitpunkt des Tests und dem Zeitpunkt, zu dem der Quick-Response-Code (im Folgenden: QR-Code) generiert werde, eingeplant werden. Wenn sich die Kläger am Montagmorgen zum Parlament begeben wollten, hätten sie daher keine andere Wahl, als diese Tests an ihren Ruhetagen durchzuführen, und es sei ihnen praktisch unmöglich, einen Test während der „roten“ Plenar- und der „pinken“ Trilogwochen durchzuführen, da die Debatten in diesen Wochen spät am Abend endeten und früh am Morgen wieder aufgenommen würden.

94      Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

95      Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 2 Abs. 1 des Abgeordnetenstatuts „[d]ie Abgeordneten frei und unabhängig [sind]“. Desgleichen bestimmt Art. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments u. a., dass die Abgeordneten ihr Mandat frei und unabhängig ausüben. Der Grundsatz des freien und unabhängigen Mandats der Abgeordneten ist ein den demokratischen parlamentarischen Systemen gemeinsamer Grundsatz, der nach Art. 10 Abs. 1 AEUV einen wesentlichen Bestandteil der repräsentativen Demokratie darstellt, auf der das Funktionieren der Union beruht. Dieser Grundsatz umfasst das Recht der Europaabgeordneten auf ungehinderten Zugang zu den Gebäuden des Parlaments, um sich gemäß Art. 5 Abs. 4 der Geschäftsordnung aktiv an der Arbeit der Ausschüsse und Delegationen des Parlaments beteiligen zu können.

96      Der angefochtene Beschluss stellt somit einen Eingriff in die Ausübung des Mandats der Europaabgeordneten dar, da er ihnen eine zusätzliche Bedingung für den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments auferlegt, nämlich die Verpflichtung, ein gültiges COVID-Zertifikat vorzulegen.

97      Es ist jedoch hervorzuheben, dass der Grundsatz des freien und unabhängigen Mandats der Abgeordneten kein absoluter Grundsatz ist und dass er insbesondere vom Parlament aufgrund seiner in Art. 232 AEUV vorgesehenen internen Organisationsgewalt bestimmten Beschränkungen unterworfen werden kann, wenn damit ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird.

98      Jedoch muss jeder Eingriff in den Grundsatz des freien und unabhängigen Mandats der Abgeordneten oder jede Einschränkung dieses Grundsatzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts wahren. Dieser Grundsatz verlangt, dass die Rechtsakte der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist, und dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende gewählt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Oktober 2001, Martinez u. a./Parlament, T‑222/99, T‑327/99 und T‑329/99, EU:T:2001:242, Rn. 215 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Als Erstes ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, wie sich u. a. aus seinen Erwägungsgründen 1 bis 11 ergibt, ein rechtmäßiges Ziel verfolgt, das darauf gerichtet ist, zwei im Zusammenhang mit einer Pandemie konkurrierende Interessen miteinander in Einklang zu bringen, nämlich die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs des Parlaments einerseits und die Gesundheit der sich in den Gebäuden des Parlaments aufhaltenden Personen andererseits.

100    Das Parlament ist nämlich zum einen verpflichtet, die Kontinuität seiner sich aus den Verträgen ergebenden Tätigkeiten zu gewährleisten. So musste während der COVID‑19-Pandemie die operative Kapazität des Parlaments, insbesondere seine Gesetzgebungs- und Haushaltstätigkeit, aufrechterhalten werden. Zu diesem Zweck hat das Parlament auf der Grundlage von Titel XIII a seiner Geschäftsordnung außerordentliche Maßnahmen erlassen, die unter anderem in der Anwendung von Methoden der Fernteilnahme bestanden. Wie aus Art. 237a der Geschäftsordnung des Parlaments hervorgeht, müssen solche außerordentlichen Maßnahmen jedoch definitionsgemäß zeitlich begrenzt sein. Folglich war das Parlament verpflichtet, seine Tätigkeit so schnell wie möglich in einem üblichen Format, d. h. mit der physischen Anwesenheit der Abgeordneten, wieder aufzunehmen, um die normale Funktionsfähigkeit des Parlaments als Organ der Union, dessen Mitglieder demokratisch gewählt werden, zu gewährleisten.

101    Zum anderen ist das Parlament aufgrund seiner Fürsorgepflicht und seiner Pflicht, die sich insbesondere aus Art. 1e Abs. 2 des Statuts ergibt, der gemäß Art. 10 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden: BSB) auch für Zeitbedienstete der Union gilt, verpflichtet, die Gesundheit und Sicherheit der Beamten und sonstigen Bediensteten der Union zu gewährleisten. Ohne bis zu einer Ergebnispflicht zu gehen, gilt eine solche Pflicht der Unionsorgane, als Arbeitgeber für die Sicherheit ihres Personals zu sorgen, in besonderem Maß und das Ermessen der Verwaltung auf diesem Gebiet ist zwar nicht auf null reduziert, jedoch verringert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 1990, Grifoni/Kommission, C‑308/87, EU:C:1990:134, Rn. 14, und vom 12. Mai 2011, Missir Mamachi di Lusignano/Kommission, F‑50/09, EU:F:2011:55, Rn. 126). Das Gleiche gilt in Bezug auf die Verpflichtung, die Gesundheit des Personals der Union zu gewährleisten. Daher und insofern, als die Anwesenheit der Abgeordneten in den Räumlichkeiten des Parlaments es mit sich bringt, dass sie mit dem Personal des Parlaments in Kontakt kommen, implizierte die Beachtung der Verpflichtung, die Gesundheit dieses Personals zu gewährleisten, dass das Parlament dafür Sorge zu tragen hatte, dass eine solche Rückkehr zu einer normalen Tätigkeit ohne allgemeine negative Auswirkungen auf die Gesundheit der in seinen Räumlichkeiten anwesenden Personen, zu denen auch das Personal dieses Organs gehört, ermöglicht wird.

102    Wie aus dem 13. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat der Ärztliche Dienst des Parlaments in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:

„[D]ie verstärkte Anwesenheit von Personen in den Gebäuden des Parlaments, die Zunahme von Reisen aufgrund der Wiederaufnahme von Dienstreisen, die häufigeren engen Kontakte bei physischen Treffen und der Anstieg der COVID‑19-Fallzahlen in der Gesellschaft [bergen] ein höheres Risiko, dass das Virus ins Europäische Parlament eingeschleppt wird, und ein höheres Risiko der internen Übertragung von COVID‑19 und entsprechender Quarantänemaßnahmen. Außerdem muss das Europäische Parlament als internationale Organisation und öffentlich zugängliches Organ häufige internationale Reisen als besonderen Risikofaktor berücksichtigen, der es zu einem Virusübertragungszentrum machen könnte. Daher sollten die EU-weiten Hygienemaßnahmen berücksichtigt werden, nicht nur die Situation auf der Ebene der Mitgliedstaaten, in denen das Parlament seinen Sitz oder seine Arbeitsorte hat.“

103    Wie sich außerdem aus dem 14. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, geht aus vom Ärztlichen Dienst des Europäischen Parlaments bereitgestellten Daten hervor, dass in den ersten zweieinhalb Wochen im September 2021 mehr Fälle enger Kontakte zu Personen mit einem positiven COVID‑19-PCR-Test verzeichnet wurden als in sämtlichen Monaten zuvor seit November 2020, und sich dieser Trend im September 2021 und in der ersten Oktoberwoche 2021 fortgesetzt hat.

104    Nach alledem ist daher davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Beschluss ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und dass er in Anbetracht der Informationen, die dem Parlament zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses zur Verfügung standen, kein offensichtlich ungeeignetes Instrument zur Erreichung dieses Ziels darstellt.

105    An zweiter Stelle ist zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss keinen unverhältnismäßigen oder unvernünftigen Eingriff in das freie Abgeordnetenmandat darstellt und ob er nicht den Wesensgehalt dieses Rechts beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Insoweit gibt es, worauf das Parlament hinweist, in der gesamten Union einen allgemeinen, schnellen und erschwinglichen Zugang zu Impfstoffen und zu COVID‑19-Tests, was die Grundlage für die Ausstellung der COVID-Zertifikate bilde. Die Vorlage eines COVID-Dokuments durch Abgeordnete, die die Parlamentsgebäude betreten, kann daher angesichts des rechtmäßigen Ziels des angefochtenen Beschlusses, Leben und Gesundheit der in den Räumlichkeiten des Parlaments befindlichen Personen zu schützen und dabei zugleich die Rückkehr des Parlaments zu einer normalen Tätigkeit sicherzustellen, nicht als unverhältnismäßiger und unvernünftiger Eingriff in die Ausübung des freien Mandats verstanden werden.

107    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament Maßnahmen ergriffen hat, um seinen Abgeordneten die erforderliche Unterstützung zu bieten, damit sie für den Fall, dass sie kein COVID-Zertifikat besitzen, den neuen Zugangsanforderungen nachkommen können, wie z. B. die Möglichkeit, sich an seinen drei Arbeitsorten kostenlos vor Ort testen zu lassen.

108    Darüber hinaus ist der angefochtene Beschluss auf das beschränkt, was unbedingt erforderlich ist, um eine Rückkehr zur normalen Tätigkeit des Parlaments zu gewährleisten. Nach dem Gutachten des Vertrauensarztes des Parlaments vom 10. Oktober 2021 würde nämlich die Rückkehr zu einer normalen Tätigkeit des Parlaments zwangsläufig mehr COVID‑19-Fälle und Quarantänemaßnahmen nach sich ziehen. Solche Risiken könnten nach dem Gutachten jedoch durch Maßnahmen, wie sie im angefochtenen Beschluss vorgesehen seien, verringert werden. Was den Schutz personenbezogener Daten betrifft, so wird bei der Überprüfung von COVID-Zertifikaten an den Eingängen zu den Räumlichkeiten des Parlaments, wie sich aus den vom Parlament vorgelegten Beweisen ergibt (siehe unten, Rn. 177), ein Minimum an personenbezogenen Daten angezeigt.

109    Darüber hinaus ist zu beachten, dass der angefochtene Beschluss nicht auf Dauer angelegt ist. Art. 6 des angefochtenen Beschlusses sieht nämlich vor, dass er am 31. Januar 2022 außer Kraft tritt, sofern er nicht verlängert, geändert oder aufgehoben wird, und dass er mit Blick auf die Entwicklung der Gesundheitslage regelmäßig neu bewertet wird.

110    Im Übrigen erlaubt der angefochtene Beschluss, wie das Parlament geltend macht, die Beendigung der außergewöhnlichen Maßnahmen und ermöglicht es den Mitgliedern des Parlaments, ihre Rechte durch eine Rückkehr zu den Tätigkeiten vor Ort erneut auszuüben, und zwar mit wesentlich weniger Beschränkungen der Ausübung ihres freien und unabhängigen Mandats als im Rahmen eines Fernteilnahmeverfahrens.

111    Schließlich ist mit dem Parlament darauf hinzuweisen, dass die Kläger keine alternative Maßnahme angegeben haben, die weniger einschneidend wäre und das angestrebte Ziel dabei in ähnlicher Weise erreicht hätte. Insoweit haben die Kläger nicht nachgewiesen, dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeiten des Parlaments mit physischer Anwesenheit ohne jede Verpflichtung, ein COVID-Zertifikat vorzulegen, um Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu erhalten, in gleicher Weise zum Ziel der Gewährleistung der Gesundheit des Personals beitragen würde.

112    Die Kläger berufen sich jedoch auf mehrere negativen Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses auf ihre Situation (siehe oben, Rn. 93).

113    Soweit die Kläger erstens einen Schaden aufgrund der Weigerung, ein gültiges COVID-Zertifikat vorzulegen, oder aufgrund des Vergessens eines solchen Zertifikats geltend machen, ist festzustellen, dass sich der von ihnen geltend gemachte Schaden nicht allein aus den Wirkungen des angefochtenen Beschlusses ergeben würde, sondern aus ihrer Entscheidung, kein solches Zertifikat vorzulegen, wobei sie nicht geltend machen, dass ihnen eine solche Vorlage nicht möglich sei (Beschluss vom 8. Dezember 2021, D’Amato u. a./Parlament, T‑722/21 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:874, Rn. 23).

114    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses dem Generalsekretär des Parlaments die Möglichkeit einräumt, Ausnahmen in Bezug auf die Verpflichtung zur Vorlage einer solchen Bescheinigung für den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu gewähren, um bestimmten besonderen Situationen Rechnung zu tragen.

115    Soweit die Kläger drittens geltend machen, dass es ihnen aufgrund technischer Probleme, z. B. im Zusammenhang mit der Verwendung eines Smartphones, unmöglich sein könnte, ein COVID-Zertifikat vorzulegen, ist darauf hinzuweisen, dass das COVID-Zertifikat in Papier- und in digitaler Form akzeptiert wird, so dass diese technischen Probleme grundsätzlich vermeidbar sein sollten.

116    Viertens machen die Kläger geltend, dass sie sehr regelmäßig und sogar an ihren Ruhetagen getestet werden müssten und dass es unmöglich sei, sich an sehr arbeitsintensiven Arbeitstagen testen zu lassen.

117    Ohne dass über die Zulässigkeit dieses Vorbringens im Hinblick auf die Situation der Kläger, die weder geimpft noch genesen seien, entschieden zu werden braucht, ist festzustellen, dass das Parlament seinen Abgeordneten an seinen drei Arbeitsorten die erforderliche Unterstützung bietet, um ihnen die Erfüllung der neuen Zugangsanforderungen zu ermöglichen, falls sie nicht über gültige COVID-Zertifikate verfügen. So hat das Parlament die Möglichkeit geschaffen, sich an seinen drei Arbeitsorten vor Ort kostenlos testen zu lassen. Diese Möglichkeit wurde im Übrigen dem gesamten Personal des Parlaments am 28. Oktober 2021, d. h. vor dem Inkrafttreten des angefochtenen Beschlusses, mitgeteilt. Darüber hinaus ist es auch möglich, das negative Ergebnis eines in Belgien, Luxemburg oder Frankreich durchgeführten PCR-Tests vorzulegen, um Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu erhalten. Während schließlich die Gültigkeitsdauer der Ergebnisse der PCR-Tests ursprünglich zwei Kalendertage nach dem Testtag betrug, wurde die Gültigkeitsdauer eines PCR-Tests durch Beschluss des Generalsekretärs des Parlaments vom 19. November 2021 für den Zeitraum vom 22. November 2021 bis zum 27. Januar 2022 auf 72 Stunden ab der Durchführung des Tests verlängert.

118    Fünftens ist zum Vorbringen der Kläger, der angefochtene Beschluss führe auch zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung ihrer Befugnis zur Vertretung als gewählte Mitglieder des Parlaments und ihrer Fähigkeit, sinnvoll und effizient zu arbeiten, da der angefochtene Beschluss auch für ihre Assistenten und das Personal des Parlaments gelte, in Übereinstimmung mit dem Parlament darauf hinzuweisen, dass die Kläger nichts Konkretes vorgetragen haben, was belegen könnte, dass diese Personen nicht in der Lage wären, die durch den angefochtenen Beschluss auferlegten Zugangsbedingungen rechtzeitig zu erfüllen.

119    Sechstens schließlich weisen die Kläger darauf hin, dass in Frankreich sämtliche Änderungen, die darauf abzielten, den Zugang der Abgeordneten und Senatoren zu den Gebäuden der Nationalversammlung und des Senats von der Vorlage eines COVID-Zertifikats abhängig zu machen, insbesondere aufgrund einer Entscheidung des Conseil constitutionnel (Verfassungsrat, Frankreich) vom 11. Mai 2020, der darauf hinweise, dass mehrere Bestimmungen der französischen Verfassung die Wahrung der Freiheit der Mitglieder des Parlaments bei der Ausübung ihres Mandats verlangten und dass einem Abgeordneten niemals der Zugang zum Parlament verweigert werden könne, zurückgewiesen worden seien.

120    Insoweit genügt der Hinweis, dass das Parlament, dessen Gebäude sich nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien und Luxemburg befinden, gemäß Art. 232 AEUV und Art. 25 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung über eine autonome Rechtsgrundlage verfügt, um interne Organisationsmaßnahmen wie die durch den angefochtenen Beschluss eingeführten zu erlassen, so dass es nicht an die auf der Ebene eines bestimmten Mitgliedstaats vorgenommenen Beurteilungen gebunden sein kann.

121    Nach alledem ist festzustellen, dass keines der von den Klägern vorgebrachten Argumente belegt, dass der angefochtene Beschluss einen unverhältnismäßigen oder unvernünftigen Eingriff in die freie und unabhängige Ausübung des Abgeordnetenmandats darstellen würde, noch, dass der Wesensgehalt dieser Ausübung in Frage gestellt würde.

122    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil, mit dem im Wesentlichen eine Verletzung der den Abgeordneten durch das Protokoll Nr. 7 gewährten Befreiungen geltend gemacht wird

123    Die Kläger sind der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss auch gegen Art. 7 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 verstoße, wonach den Mitgliedstaaten die Einführung verwaltungsmäßiger Beschränkungen der Bewegungsfreiheit der Europaabgeordneten untersagt werde. Diese Bestimmung sei im Licht von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV dahin auszulegen, dass sie jede Maßnahme verbiete, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könne, einschließlich Maßnahmen, die das Funktionieren der Unionsorgane beeinträchtigen könnten.

124    Im Übrigen richte sich Art. 7 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zwar formal an die Mitgliedstaaten, doch stehe außer Zweifel, dass er auch für die Unionsorgane gelte, wenn sie selbst restriktive Maßnahmen wie den angefochtenen Beschluss erließen. Diese Vorschrift sei nämlich im Licht der Bestimmungen der Charta und insbesondere der Artikel über den Schutz des Privatlebens und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit auszulegen. Außerdem ergebe sich aus Art. 18 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 der Geschäftsordnung des Parlaments, dass das Parlament im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten handeln müsse, um die Durchführung des Protokolls Nr. 7 sicherzustellen. Insbesondere sei es Sache des Parlaments, die Unabhängigkeit der Abgeordneten bei der Ausübung ihres Mandats zu gewährleisten und ihr Recht auf aktive Beteiligung an der Arbeit der Ausschüsse und Delegationen des Parlaments zu wahren.

125    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

126    Art. 7 des Protokolls Nr. 7 bestimmt, dass [d]ie Reise der Mitglieder des Europäischen Parlaments zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments … keinen verwaltungsmäßigen oder sonstigen Beschränkungen [unterliegt].“

127    Es ist zu prüfen, ob diese Bestimmung, wie die Kläger geltend machen, das Parlament daran hindert, Maßnahmen wie die im angefochtenen Beschluss vorgesehenen zu ergreifen, mit denen der Zugang zu seinen Gebäuden eingeschränkt oder von Bedingungen abhängig gemacht werden soll.

128    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich das Protokoll Nr. 7, wie die Kläger einräumen, in erster Linie an die Mitgliedstaaten und nicht an die Organe der Union richtet.

129    Sodann bestimmt Art. 18 des Protokolls Nr. 7, wie die Kläger geltend machen, dass „[b]ei der Anwendung dieses Protokolls … die Organe der Union und die … Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen [handeln]“. Art. 5 der Geschäftsordnung des Parlaments sieht u. a. vor, dass die Abgeordneten die im Protokoll Nr. 7 vorgesehenen Vorrechte und Befreiungen genießen und dass „[z]ur Ausübung seines Mandates … jedes Mitglied über das Recht [verfügt], sich im Rahmen der Bestimmungen dieser Geschäftsordnung aktiv an der Arbeit der Ausschüsse und Delegationen des Parlaments zu beteiligen“.

130    Aus diesen Vorschriften, selbst wenn sie im Licht der Bestimmungen der Charta insbesondere zu den Rechten auf Achtung des Privatlebens und auf körperliche Unversehrtheit ausgelegt werden, geht jedoch keineswegs hervor, dass das Parlament nicht befugt wäre, auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung Maßnahmen der internen Organisation, wie sie im angefochtenen Beschluss vorgesehen sind, zu erlassen. Vielmehr sieht Art. 5 der Geschäftsordnung ausdrücklich vor, dass das Recht der Mitglieder, sich aktiv an der Arbeit der Ausschüsse und Delegationen des Parlaments zu beteiligen, „im Rahmen der Bestimmungen dieser Geschäftsordnung“ auszuüben ist.

131    Außerdem geht aus Art. 176 Abs. 1 letzter Unterabsatz der Geschäftsordnung des Parlaments hervor, dass „[i]n den Fällen, für die in dieser Geschäftsordnung oder einem vom Präsidium nach Artikel 25 angenommenen Beschluss die Anwendung dieses Artikels vorgesehen ist, … der Präsident eine Sanktion gegen ein Mitglied verhängen [kann]“. Wäre der von den Klägern vorgeschlagenen Auslegung des Protokolls Nr. 7 zu folgen, wäre eine solche Bestimmung selbst rechtswidrig. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Kläger nicht die Rechtswidrigkeit der Geschäftsordnung des Parlaments auf der Grundlage von Art. 277 AEUV geltend gemacht haben.

132    Schließlich ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die der Union durch das Protokoll Nr. 7 eingeräumten Vorrechte und Befreiungen insofern nur funktionalen Charakter besitzen, als durch sie eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Union verhindert werden soll. Folglich werden diese Vorrechte und Befreiungen ausschließlich im Interesse der Union gewährt. Dies gilt zwangsläufig auch für die Immunität von Mitgliedern des Parlaments: Deren Zweck ist es, jede Beeinträchtigung des Funktionierens der Institution, der sie angehören, also jede Beeinträchtigung der Ausübung der Befugnisse dieser Institution, auszuschließen (vgl. Beschluss vom 30. September 2011, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:553, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Sinne bestimmt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Parlaments, dass „[d]ie parlamentarische Immunität … kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds [ist], sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder“.

133    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist daher festzustellen, dass der angefochtene Beschluss keinen Verstoß gegen das Protokoll Nr. 7 oder insbesondere gegen dessen Art. 7 darstellt.

134    Demnach ist auch der zweite Teil des zweiten Klagegrundes sowie der zweite Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten

135    Der dritte Klagegrund der Kläger gliedert sich in zwei Teile, mit denen erstens ein Verstoß gegen die Grundsätze der Zweckbindung der Verarbeitung von Daten und der Gesetzmäßigkeit sowie zweitens ein Verstoß gegen die Grundsätze der Loyalität, der Transparenz und der Minimierung gerügt wird.

a)      Zum ersten Teil: Verstoß gegen die Grundsätze der Zweckbindung der Verarbeitung von Daten und der Gesetzmäßigkeit

136    Die Kläger weisen darauf hin, dass personenbezogene Daten nach dem Grundsatz der Zweckbindung für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden müssen und nicht in anderer Weise weiterverarbeitet werden dürfen. So könne der für die Datenverarbeitung Verantwortliche nur in Ausnahmefällen, die in Art. 6 der Verordnung 2018/1725 abschließend aufgezählt seien, die ursprünglichen Zwecke der Verarbeitung erweitern.

137    Damit die personenbezogenen Daten auf ihren COVID-Zertifikaten verwendet werden könnten, um ihnen Zugang zu den Gebäuden des Parlaments zu gewähren, sei daher gesetzlich vorgeschrieben, dass sie zu diesem Zweck erhoben worden seien.

138    Die Kläger weisen zum einen darauf hin, dass die Verordnung 2021/953 die Datenverarbeitung nur im Hinblick auf die erleichterte Ausübung des Rechts vorsehe, sich während der COVID‑19-Pandemie im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Zum anderen gehe aus dem 48. Erwägungsgrund der Verordnung 2021/953 klar hervor, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie die im Rahmen der Umsetzung des COVID-Zertifikats verarbeiteten personenbezogenen Daten zu anderen als den in der Verordnung 2021/953 vorgesehenen Zwecken verwenden wollten, hierfür eine spezifische nationale Rechtsgrundlage vorsehen müssten. Auf diesen Grundsatz sei auch kürzlich in der Gemeinsamen Stellungnahme Nr. 04/2021 des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) und des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von Impfungen, Tests und der Genesung mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID‑19-Pandemie (Digitales Grünes Zertifikat) (im Folgenden: gemeinsame Stellungnahme Nr. 04/2021) sowie vom EDSB in seinen Leitlinien „Rückkehr an den Arbeitsplatz und Überprüfung durch die EU-Einrichtungen auf COVID‑Immunität oder Infektionsstatus“ hingewiesen worden.

139    Darüber hinaus werde in den nationalen Vorschriften in Belgien, wo sich die Abgeordneten am häufigsten testen lassen müssten, der Zugang zum Arbeitsplatz oder zu den Parlamenten des Landes nicht als einer der Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit dem COVID-Zertifikat erwähnt. Eine solche Verwendung sei sogar ausdrücklich ausgeschlossen, da sie zu einer verschleierten Impfpflicht führe. Auch in Frankreich sei die Verwendung eines COVID-Zertifikats im Hinblick auf den Zugang zu den parlamentarischen Versammlungen ausdrücklich ausgeschlossen worden.

140    Schließlich weisen die Kläger darauf hin, dass keine der in Art. 6 der Verordnung 2018/1725 vorgesehenen Ausnahmen auf den vorliegenden Fall anwendbar sei und sich das Parlament daher auf keine dieser Ausnahmen stützen könne, um „die Verarbeitung zu einem anderen kompatiblen Zweck“ zu rechtfertigen.

141    Mangels Rechtsgrundlage, die es ausdrücklich erlaube, medizinische Daten über die Impfung, die Tests oder die Genesung zu dem Zweck zu verarbeiten, Bedingung für den Zugang zum Arbeitsort und zu den parlamentarischen Versammlungen aufzustellen, verstoße die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Parlament gegen den Grundsatz der Zweckbindung und sei daher rechtswidrig.

142    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

143    Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 4 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses „[p]ersonenbezogene Daten, die im Zuge des Scanprozesses aus dem Zertifikat oder gleichwertigen Zertifikat ausgelesen werden, … gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725 verarbeitet [werden]“. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725, der den Grundsatz der Zweckbindung vorsieht, müssen personenbezogene Daten „für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden“.

144    Die Zwecke der Verarbeitung der in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten sind in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung 2021/953 festgelegt, der Folgendes vorsieht:

„Die personenbezogenen Daten, die in den gemäß dieser Verordnung ausgestellten Zertifikaten enthalten sind, dürfen für die Zwecke dieser Verordnung ausschließlich zum Zwecke des Abrufs und der Überprüfung der im Zertifikat enthaltenen Informationen verarbeitet werden, um die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Union während der COVID‑19-Pandemie zu erleichtern. Nach dem Ende der Geltungsdauer dieser Verordnung findet keine weitere Verarbeitung mehr statt.“

145    Insoweit ist mit dem Parlament darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 2 der Verordnung 2021/953 dahin zu verstehen ist, dass die Mitgliedstaaten „für die Zwecke dieser Verordnung“ oder, mit anderen Worten, wenn sie diese Verordnung durchführen, die in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten nur verarbeiten dürfen, um die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit zu erleichtern.

146    Dagegen geht aus dem 48. Erwägungsgrund der Verordnung 2021/953 ausdrücklich hervor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … personenbezogene Daten zu anderen Zwecken verarbeiten [können], wenn die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung solcher Daten zu anderen Zwecken, einschließlich der entsprechenden Speicherfristen, im nationalen Recht vorgesehen ist, das mit dem Datenschutzrecht der Union und den Grundsätzen der Wirksamkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen muss und Bestimmungen umfassen sollte, mit denen Anwendungsbereich und Umfang der Verarbeitung, der jeweilige spezifische Zweck, die Kategorien von Einrichtungen, die das Zertifikat überprüfen können, sowie die einschlägigen Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung und Missbrauch unter Berücksichtigung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen eindeutig festgelegt werden.“

147    Entgegen dem Vorbringen der Kläger kann aus diesem Erwägungsgrund nicht abgeleitet werden, dass die Organe der Union, wie im vorliegenden Fall das Parlament, nur dann befugt wären, die in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten zu anderen als den in der Verordnung 2021/953 vorgesehenen Zwecken zu verarbeiten, wenn eine im nationalen Recht vorgesehene Rechtsgrundlage sie ausdrücklich dazu ermächtigt.

148    Wie das Parlament geltend macht, kann nämlich die Tatsache, dass im vierten Satz des 48. Erwägungsgrundes nur auf die Mitgliedstaaten und das nationale Recht und nicht auf die Organe der Union Bezug genommen wird, damit erklärt werden, dass diese Verordnung an die Mitgliedstaaten und nicht an diese Organe gerichtet ist.

149    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 2018/1725 die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Verwaltung und die Arbeitsweise dieser Organe erforderlich ist, im Unionsrecht festgelegt werden muss.

150    Somit hat das Parlament mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage seiner internen Organisationsgewalt nach Art. 232 AEUV eine Rechtsgrundlage im Unionsrecht geschaffen, die es ihm ermöglicht, die in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten zum Zweck des Zugangs zu seinen Gebäuden an seinen drei Arbeitsorten unter Beachtung der Verordnung 2018/1725 zu verarbeiten.

151    Das auf die belgische oder die französische Regelung gestützte Vorbringen der Kläger ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen, da keine nationale Rechtsgrundlage erforderlich ist, um dem Parlament die Verarbeitung der in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten zu anderen als den in der Verordnung 2021/953 vorgesehenen Zwecken zu ermöglichen.

152    Entgegen dem Vorbringen der Kläger werden diese Schlussfolgerungen weder durch die gemeinsame Stellungnahme Nr. 04/2021 noch durch die Leitlinien „Rückkehr an den Arbeitsplatz und Überprüfung durch die EU-Einrichtungen auf COVID‑Immunität oder Infektionsstatus“ des EDSB widerlegt.

153    Zum einen haben der EDSA und der EDSB in Rn. 23 der gemeinsamen Stellungnahme Nr. 04/2021 klargestellt, dass „jede mögliche weitere Verwendung des Rahmens und des Digitalen Grünen Zertifikats auf der Grundlage des Rechts der Mitgliedstaaten, die nicht der Förderung des Rechts auf Freizügigkeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten dient, außerhalb des Anwendungsbereichs des Vorschlags [für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von Impfungen, Tests und der Genesung mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID‑19-Pandemie (Digitales Grünes Zertifikat)] liegt und folglich auch nicht Gegenstand dieser gemeinsamen Stellungnahme des EDSA und des EDSB ist.“

154    Was zum anderen die Leitlinien „Rückkehr an den Arbeitsplatz und Überprüfung durch die EU-Einrichtungen auf COVID‑Immunität oder Infektionsstatus“ des EDSB betrifft, bestätigt Ziff. 6.1, dass der Begriff „nationales Recht“ im Sinne des 48. Erwägungsgrundes der Verordnung 2021/953 in Bezug auf die Unionsorgane dahin auszulegen ist, dass er sich auf Art. 1e Abs. 2 des Statuts in Verbindung mit einer Durchführungsentscheidung eines Organs bezieht, durch die geeignete Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Personen festgelegt werden.

155    Soweit die Kläger schließlich einen Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung 2018/1725 geltend machen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung eine Ausnahme vom Grundsatz der Zweckbindung vorsieht. Nach diesem Artikel muss nämlich der für die Verarbeitung Verantwortliche, wenn „die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf Unionsrecht [beruht], die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Artikel 25 Absatz 1 genannten Ziele darstellt“, bestimmte Kriterien berücksichtigen, um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, kompatibel ist.

156    Wie aus dem 24. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dient die Verarbeitung personenbezogener Daten im vorliegenden Fall jedoch u. a. dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Er verfolgt somit ein Ziel des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2018/1725, so dass die im angefochtenen Beschluss beabsichtigte Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als dem, der in der Verordnung 2021/953 vorgesehen ist, nach dieser Bestimmung zulässig ist, sofern sie den Wesensgehalt der in dieser Verordnung vorgesehenen Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, was im Rahmen des vierten Klagegrundes geprüft werden wird.

157    Angesichts der vorstehenden Erwägungen und vorbehaltlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der im angefochtenen Beschluss vorgesehenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kläger ist der erste Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil: Verletzung der Grundsätze der Loyalität, der Transparenz und der Minimierung

158    Erstens weisen die Kläger darauf hin, dass der Grundsatz der fairen und transparenten Verarbeitung personenbezogener Daten verlange, dass die betroffene Person über die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und seine Zwecke unterrichtet werde. Daher verstoße die Verwendung der personenbezogenen Daten durch das Parlament zu einem anderen Zweck als demjenigen, zu dem diese Daten nach den nationalen Rechtsvorschriften erhoben worden seien, gegen den in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 der Verordnung 2018/1725 vorgesehenen Grundsatz der Transparenz, da sie bei der Erhebung ihrer personenbezogenen Daten nicht darüber informiert worden seien, dass diese verwendet würden, um sie zur Bedingung für den Zugang zu ihrem Arbeitsort zu machen.

159    Zweitens vertreten die Kläger die Auffassung, dass die vom Parlament bei der Umsetzung des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten gegen den in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2018/1725 verankerten Grundsatz der Datenminimierung verstoße, da Art. 4 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses vorsehe, dass personenbezogene Daten, die sich auf die Gültigkeit des COVID-Zertifikats bezögen, im Zuge des Scannens des QR-Codes (im Folgenden: Scanprozess) ausgelesen und angezeigt würden.

160    Die mit der Kontrolle der COVID-Zertifikate am Eingang der Gebäude des Parlaments betrauten Sicherheitsbediensteten könnten nämlich ohne Weiteres die Art des jeder betroffenen Person erteilten Zertifikats ableiten, da die maximale Gültigkeitsdauer für Testzertifikate zwei Tage und für Genesungszertifikate 180 Tage betrage und Impfzertifikate keine maximale Gültigkeitsdauer hätten. Solche die Gültigkeit der Zertifikate betreffenden Daten seien jedoch für die Zwecke, für die sie verarbeitet würden, nicht erforderlich.

161    Insoweit weisen sie darauf hin, dass das Parlament selbst dieses Risiko in dem Dokument „Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der COVID 19 – Datenschutzfolgenabschätzung“ (im Folgenden: Folgenabschätzung) aufgezeigt habe, jedoch davon ausgegangen sei, dass die damit verbundenen Risiken angesichts der technischen und organisatorischen Maßnahmen, die es für die Verarbeitung dieser Daten getroffenen habe, gering seien. Nach Ansicht der Kläger ergibt sich jedoch weder aus dem angefochtenen Beschluss noch aus einer anderen Mitteilung an die Kläger, dass besondere Maßnahmen getroffen worden seien, um diese Risiken zu minimieren.

162    Auch sei durchaus möglich, dass die Sicherheitsbediensteten Screenshots von diesen vertraulichen Informationen machten. Die Offenlegung dieser Art von hochsensiblen Daten könne jedoch sehr schwerwiegende Folgen für die betroffenen Personen haben, die zu Stigmatisierungen oder Diskriminierungen am Arbeitsplatz führen könnten. Folglich könne die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kläger nicht als loyal angesehen werden.

163    Drittens befürchten die Kläger eine rechtswidrige und unfaire Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten wegen des Risikos, das mit den Schwachstellen der Anwendung CovidScanBe verbunden sei, die am Eingang der Gebäude des Parlaments verwendet werde, um die QR-Codes der COVID-Zertifikate zu scannen. Dieses Risiko sei in der Folgenabschätzung als potenzielles Risiko identifiziert worden. Darüber hinaus seien in jüngster Zeit erhebliche Sicherheitslücken bei der Validierung und dem Scannen der QR-Codes von COVID-Zertifikaten über die Anwendung CovidScanBe aufgedeckt worden. In diesem Zusammenhang weisen die Kläger darauf hin, dass beim Präsidenten des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) ein Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt worden sei, um die Aussetzung der Anwendung CovidScanBe wegen mehrerer Verstöße gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1) zu erwirken, und dass der der Präsident des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles mit Beschluss vom 29. Oktober 2021 das Risiko einer Sicherheitslücke für hinreichend erwiesen erachtet habe, um einen unabhängigen Sachverständigen zu ernennen, der damit beauftragt worden sei, diese Sicherheitslücken zu untersuchen und einen möglichen Schaden festzustellen. Eine zweite Schwachstelle der Anwendung CovidScanBe betreffe schließlich die Möglichkeit, beim Scannen des QR-Codes eines COVID-Zertifikats mit Hilfe des für Reisen geltenden Moduls der Anwendung Zugang zu sensiblen personenbezogenen Daten wie Name, Vornamen, Impfzeitpunkt, Art des Impfstoffs, das Land, in dem der Impfstoff verabreicht worden sei oder die Anzahl der erhaltenen Dosen zu erlangen.

164    Diese Gesichtspunkte belegten daher, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der fairen und transparenten Verarbeitung personenbezogener Daten verstoße.

165    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

166    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass personenbezogene Daten nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/1725 „auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden [müssen]“.

167    Außerdem bestimmt Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2018/1725 Folgendes:

„Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person erhoben, so teilt der Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten sämtliche folgenden Informationen mit:

c)      die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung …“

168    Nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2018/1725 sind diese Informationen auch dann mitzuteilen, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden.

169    Darüber hinaus heißt es in Art. 16 Abs. 4 der Verordnung 2018/1725: „Beabsichtigt der Verantwortliche, die personenbezogenen Daten für einen anderen Zweck weiterzuverarbeiten als den, für den die personenbezogenen Daten erlangt wurden, so stellt er der betroffenen Person vor dieser Weiterverarbeitung Informationen über diesen anderen Zweck und alle anderen maßgeblichen Informationen gemäß Absatz 2 zur Verfügung.“

170    Entgegen dem Vorbringen der Kläger geht aus diesen Bestimmungen somit hervor, dass bei einer Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als demjenigen, für den diese Daten ursprünglich erlangt wurden, der für die Weiterverarbeitung dieser Daten Verantwortliche den betroffenen Personen lediglich vor dieser Weiterverarbeitung Informationen über diesen anderen Zweck und alle anderen maßgeblichen Informationen zur Verfügung zu stellen hat.

171    Da es sich im vorliegenden Fall, wie das Parlament einräumt, bei der im angefochtenen Beschluss vorgesehenen Verarbeitung personenbezogener Daten um eine Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck als demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erlangt wurden, handelt, oblag es ihm gemäß diesen Bestimmungen, den betroffenen Personen vor dieser Weiterverarbeitung Informationen über diesen anderen Zweck zur Verfügung zu stellen.

172    Aus den vom Parlament vorgelegten Beweisen geht jedoch hervor, dass es dieser Verpflichtung nachgekommen ist.

173    Wie aus diesen Beweisen hervorgeht, hat das Parlament nämlich erstens vor der Verarbeitung der in Rede stehenden Daten in seinem öffentlichen Register der Verarbeitungsvorgänge das Register Nr. 464 zu diesem Vorgang zusammen mit einer Vertraulichkeitserklärung veröffentlicht. Zweitens übersandte es den Mitgliedern und dem gesamten Personal des Parlaments am 27. Oktober 2021 eine E‑Mail, in der es sie über die Zwecke der Verarbeitung informierte. Drittens wurde der angefochtene Beschluss, wie es in Art. 6 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses heißt, „an allen Eingängen zu den Gebäuden des Parlaments, in denen die Prüfung vorgenommen wird, deutlich sichtbar ausgehängt“, was die Kläger nicht bestreiten.

174    Daher ist festzustellen, dass das Parlament seine sich aus dem Grundsatz der Transparenz ergebenden Verpflichtungen erfüllt hat und dass das Vorbringen der Kläger, sie hätten zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben worden seien, darüber hätte unterrichtet werden müssen, dass diese für Zwecke des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments verwendet würden, als unbegründet zurückzuweisen ist.

175    Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 1 der Verordnung 2018/1725 klarstellt, dass „[p]ersonenbezogene Daten … dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein [müssen] (‚Datenminimierung‘)“.

176    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses der Zweck der Verarbeitung infolge des Scanprozesses strikt auf die Gewährung des Zugangs zu Gebäuden des Parlaments beschränkt ist und dass die bei der Überprüfung der COVID-Zertifikate angezeigten Daten weder lokal oder extern gespeichert, aufgezeichnet oder zurückbehalten noch an eine andere Einrichtung der Union oder Dritte weitergegeben und nicht für andere Zwecke verwendet werden.

177    Sodann haben die Sicherheitsbediensteten des Parlaments, wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ohne dass die Kläger dem widersprochen hätten, im Hinblick auf das Scannen der QR-Codes der COVID-Zertifikate der Personen, die Zugang zu den Gebäuden des Parlaments erhalten wollten, als Anweisung erhalten, die Anwendung CovidScanBe nur im „Ereignis“-Modus zu verwenden. Wie jedoch aus den vom Parlament vorgelegten Beweisen hervorgeht, werden bei Verwendung der Anwendung CovidScanBe im „Ereignis“-Modus nur die Gültigkeit des Zertifikats, der Name und der Vorname der Person angezeigt. Dasselbe gilt für die luxemburgische Anwendung CovidCheck.lu. Entgegen dem Vorbringen der Kläger wird somit die Gültigkeitsdauer der Zertifikate nicht angezeigt, so dass die Sicherheitsbediensteten nicht ableiten können, ob die betroffene Person geimpft ist, einen Test absolviert hat, dessen Ergebnis negativ ist, oder von COVID‑19 genesen ist.

178    Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Sicherheitsbeamten des Parlaments Kenntnis von der Gültigkeitsdauer der Zertifikate erlangen und daraus ableiten könnten, dass die betreffende Person geimpft oder genesen ist oder einen negativen Test absolviert hat, hätte dies jedenfalls nicht zwangsläufig die von den Klägern angeführten schwerwiegenden Folgen.

179    Wie das Parlament geltend macht, würden seine Bediensteten nämlich zur Wahrung der Vertraulichkeit der Verarbeitungstätigkeit geschult und hätten Anweisungen erhalten, die personenbezogenen Daten, zu denen sie Zugang hätten, nicht mit anderen Personen als denjenigen, die an der Kontrolle des Zugangs zu den Gebäuden beteiligt seien, zu teilen. Ein Verstoß gegen diese Anweisungen würde disziplinarische oder vertragliche Sanktionen nach sich ziehen. Außerdem unterliegen die Beamten und Bediensteten des Parlaments, die mit der Prüfung der COVID-Zertifikate betraut sind, den strengen Verpflichtungen des Berufsgeheimnisses nach Art. 339 AEUV und sind an Art. 17 des Statuts, der gemäß Art. 11 BSB auch für Zeitbedienstete gilt, gebunden, der sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst verpflichtet, sich „jeder nicht genehmigten Verbreitung von Informationen [zu enthalten], von denen [sie] im Rahmen [ihrer] Aufgaben Kenntnis er[halten], es sei denn, diese Informationen sind bereits veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich“.

180    Im Übrigen ist es nach den vom Parlament in der mündlichen Verhandlung übermittelten Informationen, denen die Kläger nicht widersprochen haben, technisch nicht möglich, bei der Kontrolle eines COVID-Zertifikats mittels einer der von den Sicherheitsbediensteten des Parlaments verwendeten Anwendungen einen Screenshot vorzunehmen. Daher ist selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass beim Scannen des QR-Codes auf dem COVID-Zertifikat Informationen über die Gültigkeitsdauer der Zertifikate offengelegt würden, die Gefahr, dass die Sicherheitsbediensteten die angezeigten Informationen auf dem Lesegerät der von ihnen verwendeten Anwendung speichern und diese Informationen über die dazu befugten Personen hinaus verbreiten können, als sehr gering oder gar als inexistent anzusehen.

181    Zwar ist das mit einer potenziellen Schwachstelle der verwendeten Anwendung verbundene Risiko in der Folgenabschätzung ermittelt worden, doch ist darauf hinzuweisen, dass dieses Risiko angesichts der vom Parlament im Rahmen seiner Tätigkeiten zur Verarbeitung personenbezogener Daten ergriffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen, nämlich u. a., dass die verwendeten Anwendungen nicht dafür ausgelegt sind, personenbezogene Daten nach jeder Einzelkontrolle zu speichern, dass kein Export personenbezogener Daten mit diesen Anwendungen möglich ist oder dass sie nur mit dem internen und gesicherten Internet-Netzwerk des Parlaments verbunden werden, als gering eingestuft worden.

182    Sodann ist im Hinblick auf den Beschluss des Präsidenten des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) vom 29. Oktober 2021 festzustellen, dass der Präsident dieses Gerichts in diesem Beschluss entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer keine Sicherheitslücke der Anwendung CovidScanBE festgestellt, sondern lediglich einen gerichtlichen Sachverständigen bestellt hat, der damit beauftragt wurde, festzustellen, ob das mit der Verwendung dieser Anwendung verbundene Sicherheitsniveau als ausreichend angesehen werden kann. Insoweit ergibt sich aus dem genannten Beschluss, wie das Parlament geltend macht, dass sich die behaupteten Sicherheitsmängel der Anwendung CovidScanBE aus der öffentlichen Zugänglichkeit der Datenbank Suspension list ergeben, die von den belgischen Behörden verwaltet wird und mit der die Anwendung kommuniziert. Wie das Parlament ausgeführt hat, betreffen diese Schwachstellen jedoch nicht die personenbezogenen Daten, die in den den Sicherheitsbediensteten des Parlaments bei der Kontrolle des Zugangs zu den Gebäuden des Parlaments vorgelegten Zertifikaten enthalten sind, da nach Art. 4 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses die Kontrolle der COVID-Bescheinigungen durch die Sicherheitsbediensteten des Parlaments zu keiner Übertragung personenbezogener Daten von der Anwendung CovidScanBE auf die in Rede stehende Datenbank führt.

183    Schließlich ist auch das Vorbringen der Kläger zum „Reise“-Modus der Anwendung CovidScanBe zurückzuweisen, da die Sicherheitsbediensteten des Parlaments, wie bereits ausgeführt, die Anwendung grundsätzlich nur im „Ereignis“-Modus verwenden. Jedenfalls wird, wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ohne dass die Kläger dem widersprochen hätten, auf dem Bildschirm während der Prüfung der Zertifikate bei Verwendung dieser Anwendung im „Reise“-Modus nur der Vorname, der Name und das Geburtsdatum des Inhabers des COVID-Zertifikats sowie dessen Gültigkeit angezeigt.

184    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kann die vom Parlament auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten daher nicht als rechtswidrig oder unfair angesehen werden.

185    Folglich sind der zweite Teil des dritten Klagegrundes und damit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.      Zum vierten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen eine ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten, des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, des Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie des Rechts auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung geltend gemacht wird

186    Mit ihrem vierten Klagegrund machen die Kläger erstens eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten, ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit und Sicherheit sowie ihres Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Nichtdiskriminierung geltend. Zweitens sind sie der Ansicht, dass die Verletzung der vorgenannten Rechte und Grundsätze gegen den in Art. 52 Abs. 1 der Charta verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

187    Die Kläger weisen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der durch die Charta geschützten Grundrechte hin. Ferner weisen sie darauf hin, dass, auch wenn es sich nicht um absolute Vorrechte handelt, jede Einschränkung dieser Rechte gesetzlich vorgesehen sein, den wesentlichen Inhalt dieser Rechte wahren und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit achten müsse.

a)      Zur Rüge der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens, des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten, des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, des Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie des Rechts auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung

188    Erstens machen die Kläger geltend, der angefochtene Beschluss verletze das in Art. 3 Abs. 1 der Charta verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit, da er die Kläger, die nicht über ein Impf- oder ein Genesungszertifikat verfügten, verpflichte, sich alle zwei Tage Nasopharyngealabstrichen zu unterziehen, um eine etwaige SARS-CoV-2‑Infizierung festzustellen. Die Kläger sind der Auffassung, dass diese Abstriche besonders invasiv, aber auch riskant seien, wobei sie sich dabei auf eine Mitteilung der Académie nationale de médecine (Nationale Akademie der Medizin, Frankreich) vom 8. April 2021 stützen, in der von schwerwiegenden Komplikationen berichtet wird, wie „mit dem Risiko einer Meningitis verbundene Perforationen der vorderen Schädelbasis“.

189    Zweitens verstoße der angefochtene Beschluss gegen die in den Art. 20 und 21 der Charta verankerten Grundsätze der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung, da er Personen, die sich gelegentlich zum Parlament begäben, nämlich Besucher, örtliche Assistenten, externe Referenten, Interessenvertreter, in gleicher Weise behandele wie die Mitglieder und das Personal des Parlaments, die sich regelmäßig in die Gebäude des Parlaments begeben müssten.

190    Darüber hinaus sind die Kläger der Ansicht, dass diejenigen unter ihnen, die nicht über ein Impf- oder ein Genesungszertifikat verfügten, gegenüber Personen, die über ein solches Zertifikat verfügten, diskriminiert würden, da sie sich mindestens alle zwei Tage einem COVID‑19-Test unterziehen müssten, um arbeiten und ihr Mandat ausüben zu können.

191    Drittens verletze die angefochtene Entscheidung daher auch das in Art. 3 Abs. 2 der Charta verankerte Recht auf freie Einwilligung in alle medizinischen Eingriffe am menschlichen Körper sowie das in Art. 6 der Charta verankerte Recht auf Freiheit. Um zu vermeiden, sich wiederholt einem Nasopharyngeal-Test zu unterziehen, was für eine große Zahl von Personen unüberwindbar sein könne, seien diese nämlich gezwungen, sich impfen zu lassen. Die Kläger weisen darauf hin, dass die Impfung gegen COVID‑19 in keinem Mitgliedstaat der Union zwingend sei, so dass eine solche verschleierte Impfpflicht gegen das Recht auf Freiheit verstoße.

192    Viertens sind die Kläger der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss dadurch, dass er den Zugang zum Arbeitsplatz von der Vorlage hochsensibler medizinischer Daten wie dem Impfstatus, dem Testergebnis oder dem Nachweis der Genesung von der Krankheit abhängig mache, das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten verletze. Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2018/1725 sei nämlich die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, von Ausnahmefällen abgesehen, verboten.

193    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen

194    Erstens ist der angefochtene Beschluss, wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen zur Beschränkung der Rechte, auf die sich die Kläger im Rahmen des ersten Teils des vierten Klagegrundes berufen, so dass diese Maßnahmen als „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta anzusehen sind.

195    Zweitens ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss weder den wesentlichen Inhalt noch den Wesensgehalt der von den Klägern geltend gemachten Rechte beeinträchtigt.

196    Was nämlich erstens die gerügte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Kläger, die über kein Impf- oder Genesungszertifikat verfügen, betrifft, weil diese verpflichtet seien, sich in regelmäßigen Abständen Nasopharyngeal-Test zu unterziehen, die sie für besonders invasiv halten, ist erstens festzustellen, dass sich der angefochtene Beschluss darauf beschränkt, den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments von der Vorlage eines COVID-Zertifikats abhängig zu machen, ohne spezifische Tests zu verlangen, die Nasopharyngealabstriche mit sich bringen. Zum einen ist es für diese Kläger nämlich möglich, für die Zwecke eines PCR-Tests einen Rachenabstrich vorzunehmen, und zum anderen ist nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2021/953 auch ein von einer Fachkraft im Gesundheitswesen durchgeführter AGS-Test möglich.

197    Was insbesondere die von den Klägern angeführte Mitteilung der Académie nationale de médecine (Nationale Akademie der Medizin, Frankreich) vom 8. April 2021 betrifft, so geht aus dieser Mitteilung erstens hervor, dass die Durchführung von Nasopharyngealabstrichen Fachkräften im Gesundheitswesen vorbehalten bleiben sollte, die für die Durchführung dieser Maßnahme unter strengen technischen Bedingungen ausgebildet sind, zweitens, dass Speichelproben bei Kindern bevorzugt werden sollten, was für die Kläger nicht zutrifft, und drittens, dass die Benutzer von Selbsttests vor den mit der Selbstentnahme verbundenen Gefahren gewarnt werden müssen. Wie das Parlament geltend macht, sei diese Art der mit den Selbsttests verbundenen Komplikationen einer der Gründe, aus denen das Parlament sie nicht akzeptiere, um Zugang zu seinen Gebäuden zu gewähren, da nur von Fachkräften im Gesundheitswesen durchgeführte AGS-Tests zugelassen seien.

198    Schließlich ist mit dem Parlament darauf hinzuweisen, dass die Kläger nach Art. 5 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses in ordnungsgemäß begründeten Fällen beim Generalsekretär des Parlaments einen Antrag auf Gewährung einer Ausnahme von der Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats stellen können.

199    Zweitens ist in Bezug auf die behauptete Verletzung der in Art. 20 und 21 der Charta verankerten Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

200    Das Erfordernis der Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte ist in Anbetracht aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

201    Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie das Parlament ausführt, die Vergleichbarkeit der auswärtigen Besucher mit den Mitgliedern und dem Personal des Parlaments anhand des mit dem angefochtenen Beschluss verfolgten Ziels zu beurteilen und nicht anhand der Häufigkeit, mit der sie sich in die Gebäude des Parlaments begeben. Angesichts des Ziels der angefochtenen Entscheidung, das nach dem elften Erwägungsgrund dieses Beschlusses darin besteht, „ausreichende Schutzvorkehrungen [zu treffen], um Leben und Gesundheit aller in den Räumlichkeiten des Parlaments befindlichen Personen zu schützen“ kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kläger nicht in einer Situation befinden, die mit derjenigen aller anderen Personen, die Zugang zu den Gebäuden des Parlaments erhalten möchten, vergleichbar wäre, auch wenn in ihrem Fall die durch den angefochtenen Beschluss verursachte Beschränkung ihrer Rechte insofern größer ist, als sie dazu führt, dass eine Bedingung für den Zugang zu ihrem Arbeitsplatz aufgestellt wird. Sobald sie sich innerhalb der Parlamentsgebäude befinden, ist das Risiko einer Übertragung von COVID‑19 für die Abgeordneten und das Personal des Parlaments nämlich das gleiche wie für jede andere Person, die diese Gebäude betritt.

202    Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass diejenigen Kläger, die über kein Impf- oder Genesungszertifikat verfügen, gegenüber den Personen, die über ein solches Zertifikat verfügen, diskriminiert würden. Der angefochtene Beschluss gibt nämlich keinem der drei in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2021/953 genannten Zertifikate den Vorzug, sondern sieht gemäß seinem Art. 1 lediglich die Kontrolle der Gültigkeit des COVID-Zertifikats vor, mit dem der Besitz eines dieser drei Zertifikate bescheinigt wird.

203    Daher kann im Hinblick auf das mit dem angefochtenen Beschluss verfolgte Ziel nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger im Vergleich zu jeder anderen Person, die Zugang zu den Parlamentsgebäuden erhalten möchte, oder im Vergleich zu Personen, die über ein Impf- oder ein Genesungszertifikat verfügen, ungleich behandelt oder diskriminiert werden.

204    Drittens ist, soweit sich die Kläger auf ihr Recht auf freie Einwilligung in jeden medizinischen Eingriff an ihrem Körper sowie auf ihr Recht auf Freiheit berufen, darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss keines der drei Zertifikate, die gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2021/953 einen Anspruch auf ein gültiges COVID-Zertifikat begründen, bevorzugt, sondern sich darauf beschränkt, den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments von der Vorlage eines dieser Zertifikate abhängig zu machen.

205    Da das Parlament jedoch Maßnahmen ergriffen hat, um den Erhalt einer Testbescheinigung mittels eines PCR-Tests, der kostenlos in einem der in Brüssel, Straßburg oder Luxemburg (Luxemburg) eingerichteten Testzentren durchgeführt werden kann, zu erleichtern, und gleichzeitig die Gültigkeit eines in Belgien, Frankreich oder Luxemburg durchgeführten PCR-Tests, der nicht in ein COVID-Zertifikat umgewandelt wurde, anerkennt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Beschluss für Personen, die weder über ein Impf- noch über ein Genesungszertifikat verfügen, in Wirklichkeit eine verschleierte Impfpflicht darstellt.

206    Viertens bestreitet das Parlament nicht, dass der angefochtene Beschluss einen Eingriff in das in den Art. 7 und 8 der Charta verankerte Recht der Kläger auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten darstellen kann, indem er den Zugang zum Arbeitsplatz der Kläger von der Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats abhängig macht, das personenbezogene Daten über den Gesundheitszustand der betroffenen Personen enthält.

207    Wie die Kläger ausführen, ist die Verarbeitung solcher Daten nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2018/1725, außer in den in Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung aufgezählten Ausnahmefällen, grundsätzlich verboten. Wie das Parlament geltend macht, wird im vorliegenden Fall im 24. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses jedoch darauf hingewiesen, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. g und i der Verordnung 2018/1725 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 Buchst. a die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der in den COVID-Zertifikaten enthaltenen personenbezogenen Daten darstelle, da die Verarbeitung der in Rede stehenden Daten erforderlich sei, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und die Ausbreitung von COVID‑19 zu verhindern.

208    Im Übrigen ergibt sich aus keinem der von den Klägern angeführten Gesichtspunkte, dass der angefochtene Beschluss die Rechte, auf die sie sich berufen, und insbesondere ihr Recht auf Schutz personenbezogener Daten, in ihrem Wesensgehalt antasten würde. Aus den Rn. 175 bis 184 oben ergibt sich nämlich, dass das Parlament den Grundsatz der Datenminimierung beachtet hat und die gemäß dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht als rechtswidrig oder unfair angesehen werden kann.

209    Drittens ist gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta noch zu prüfen, ob die -wenn auch nur geringfügigen – Einschränkungen der von den Klägern geltend gemachten Rechte, unterstellt, sie seien erwiesen, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

b)      Zum geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

210    Die Kläger fordern das Gericht auf, eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta in ihren drei Teilen vorzunehmen.

211    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses allein im Licht der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist (Urteile vom 9. Juli 2007, Sun Chemical Group u. a./Kommission, T‑282/06, EU:T:2007:203, Rn. 59, und vom 26. Oktober 2012, Oil Turbo Compressor/Rat, T‑63/12, EU:T:2012:579, Rn. 29).

212    Daher sind im vorliegenden Fall Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die mit diesem Beschluss verfolgten Ziele und im Licht der Epidemielage und der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zu prüfen.

1)      Zur Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahmen

213    Erstens machen die Kläger geltend, der angefochtene Beschluss sei nicht erforderlich, um die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen, insbesondere das Ziel, die Ausbreitung von COVID‑19 im Parlament zu verhindern und so die Gesundheit der Abgeordneten und des Personals zu schützen.

214    Die Kläger sind der Ansicht, dass andere weniger einschneidende Maßnahmen, die bereits in Kraft seien, wie die Temperaturnahme, das Tragen von Masken, die soziale Distanzierung, die Lüftung und regelmäßige Belüftung der Büros und Sitzungsräume sowie die Händedesinfektion ausreichend seien, um diese Ziele zu erreichen. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass die Parlamentsgebäude im Hinblick auf die Übertragung von COVID‑19 ein besonders risikoreicher Ort seien. In diesem Zusammenhang weisen die Kläger darauf hin, dass die Gefährdungsbeurteilung gemäß den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für jede spezifische Arbeitsumgebung und für jeden Arbeitsplatz oder jede Gruppe von Arbeitsplätzen durchgeführt werden müsse.

215    Daraus folge, dass die Verhängung zusätzlicher Maßnahmen in den Gebäuden des Parlaments nicht erforderlich gewesen sei. Der bloße Umstand, dass, wie im 13. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, das Parlament ein Ort sei, an dem es zu einer verstärkten Anwesenheit von Personen kommen könne, dass die Reisen aufgrund der Wiederaufnahme von Dienstreisen zugenommen hätten und dass regelmäßig physische Treffen organisiert würden, reiche nicht aus, um die Erforderlichkeit der Auferlegung von Maßnahmen darzutun, die die Freiheit so stark einschränkten wie die im angefochtenen Beschluss vorgesehenen.

216    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

217    Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Vorsorgegrundsatz ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der sich aus Art. 11, Art. 168 Abs. 1, Art. 169 Abs. 1 und 2 sowie Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV ergibt. Nach diesem Grundsatz können bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden, ohne dass abgewartet werde müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden, sofern diese Maßnahmen objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2014, Acino/Kommission, C‑269/13 P, EU:C:2014:255, Rn. 57, und vom 17. März 2016, Zoofachhandel Züpke u. a./Kommission, T‑817/14, EU:T:2016:157, Rn. 51).

218    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament aufgrund seiner Fürsorgepflicht und seiner Pflicht insbesondere aus Art. 1e Abs. 2 des Statuts, der gemäß Art. 10 BSB auch für Zeitbedienstete der Union gilt, wobei es sich um eine der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Beschlusses handelt (siehe oben, Rn. 101), die Gesundheit seines Personals zu gewährleisten hat.

219    Im vorliegenden Fall hat sich das Parlament beim Erlass des angefochtenen Beschlusses auf folgende Gesichtspunkte gestützt.

220    Erstens wies die Gesundheitssituation in Europa, wie im Wesentlichen aus dem fünften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, seit September 2021 einen Aufwärtstrend bei COVID‑19‑Infektionen auf, und am 1. November 2021 hatte die Zahl der Neuinfektionen den Stand von November 2020 erreicht.

221    Daher kann entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die Epidemielage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses „stabil“ gewesen sei.

222    Zweitens war der Vertrauensarzt des Parlaments nach der Aufhebung der Telearbeit ab dem 1. September 2021 der Ansicht, dass die Rückkehr zur Präsenzarbeit mit einem erhöhten Risiko der Virusübertragung verbunden sei. Wie sich im Wesentlichen aus dem 13. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat das Parlament den Umstand berücksichtigt, dass die zunehmende Präsenz von Personen in den Gebäuden des Parlaments und die Zunahme der Inzidenz von COVID‑19 in der Gesellschaft ein höheres Risiko der Einschleppung des Virus in das Parlament und ein erhöhtes Risiko der internen Übertragung von COVID‑19 und von Quarantänen bargen. Darüber hinaus hat das Parlament dem Umstand Rechnung getragen, dass die Mitglieder des Parlaments in häufigem Kontakt mit ihrer Wählerschaft in den 27 Mitgliedstaaten, die eine sehr unterschiedliche epidemiologische Situation aufwiesen, standen, so dass es häufige internationale Reisen als zusätzlichen Risikofaktor, der es zu einem Übertragungsherd machen konnte, berücksichtigen musste.

223    In Anbetracht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass das Parlament vernünftigerweise davon ausgehen konnte, dass der Erlass verstärkter präventiver Gesundheitsmaßnahmen erforderlich war, um die Gesundheit aller in seinen Gebäuden anwesenden Personen zu schützen. Wie das Parlament geltend macht, konnte nämlich angesichts der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestehenden Epidemielage die Kontrolle des COVID-Zertifikats am Eingang seiner Gebäude vernünftigerweise als eine Maßnahme angesehen werden, die erforderlich war, um das Risiko der Übertragung von COVID‑19 innerhalb des Parlaments zu begrenzen und damit die Gesundheit seines Personals in Ergänzung zu den anderen bereits eingeführten Präventivmaßnahmen zu schützen.

224    Zwar wurde, wie die Kläger ausführen, beschlossen, ab dem 22. November 2021 verbindlich die Telearbeit im Umfang von drei Tagen pro Woche für alle Mitarbeiter einzuführen, soweit dies mit der Ausübung ihres Amtes vereinbar war.

225    Wie oben in Rn. 211 ausgeführt, ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses jedoch allein im Licht der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. Dieser Umstand, der nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses eintrat, kann daher bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit nicht berücksichtigt werden.

2)      Zur Geeignetheit der fraglichen Maßnahmen

226    Zweitens machen die Kläger geltend, der angefochtene Beschluss sei nicht geeignet, um vor der Ausbreitung des Virus zu schützen und die Ansteckung der Mitglieder des Parlaments und des Personals, das die Gebäude des Parlaments betrete, zu verhindern. Es bestehe nämlich kein wissenschaftlicher Konsens über die Übertragung des Virus durch geimpfte Personen, und zahlreiche Studien belegten, dass sowohl geimpfte Personen als auch nicht geimpfte Personen das Virus übertragen könnten. Die WHO selbst habe in einer Veröffentlichung vom 5. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass „noch erhebliche unbekannte Faktoren hinsichtlich der Wirksamkeit von Impfungen zur Verringerung der Übertragung best[anden]“. Ein Impf- oder ein Genesungszertifikat biete daher keine Gewähr dafür, dass Personen, die darüber verfügten, nicht ansteckend seien. Auch die Vorlage eines negativen PCR-Tests sei angesichts der hohen Zahl „falsch-positiver“ Ergebnisse eine unangemessene und unverhältnismäßige Maßnahme. Es könne daher kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Verpflichtung, den Zugang zu Gebäuden des Parlaments von der Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats abhängig zu machen, es ermögliche, das Risiko der Übertragung des Virus zu verringern und somit die Personen, die diese Gebäude betreten, zu schützen.

227    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

228    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss nach seinem elften Erwägungsgrund u. a. darauf abzielt, „ausreichende Schutzvorkehrungen [zu treffen], um Leben und Gesundheit aller in den Räumlichkeiten des Parlaments befindlichen Personen zu schützen“. Daher ist zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss eine im Hinblick auf dieses Ziel geeignete Maßnahme darstellt.

229    Hierzu ist festzustellen, dass trotz einiger von den Klägern angeführter Studien, die belegen, dass auch geimpfte Personen das Virus übertragen können und dass der durch den Impfstoff gebotene Schutz mit der Zeit deutlich abnimmt, insbesondere aus der Stellungnahme des Vertrauensarztes des Parlaments vom 10. Oktober 2021, auf das sich das Präsidium für den Erlass des angefochtenen Beschlusses gestützt hat, hervorgeht, dass „nach aktuellen Daten das geringste Übertragungsrisiko zwischen zwei geimpften Personen besteht, während das höchste Übertragungsrisiko zwischen zwei nicht geimpften Personen vorhanden ist; [das] Infektionsrisiko für eine (geimpfte) Person ist viel höher, wenn sie mit einer nicht geimpften Person in Kontakt kommt, als wenn sie mit einer vollständig geimpften Person in Kontakt kommt“.

230    Darüber hinaus ergibt sich aus einer vom Parlament vorgelegten Studie (Singanayagam, A., Hakki, S., Dunning, J., u. a., „Community transmission and viral load kinetics of the SARS-CoV-2 delta (B.1.617.2) variant in vaccinated and unvaccinated individuals in the UK: a prospective, longitudinal, cohort study“, Lancet Infc. Dis. 2022, 29. Oktober 2021, S. 183 bis 195), dass die Impfung das Risiko einer Ansteckung mit der Delta-Variante des Virus, die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses die in Europa vorherrschende Variante war, indem sie sowohl die Wahrscheinlichkeit verringert, dass die geimpfte Person nach einem Risikokontakt infiziert wird, als auch die Kontagiosität einer infizierten geimpften Person nicht nur in ihrer Intensität, sondern auch hinsichtlich der Dauer verringert.

231    Was sodann das Vorbringen der Kläger betrifft, dass sich die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Übertragung des Virus mit der Zeit erheblich verringere, ist mit dem Parlament festzustellen, dass aus der ersten von den Klägern angeführten Studie (Riemersma, K. K., u. a., „Shedding of Infectious SARS-CoV-2 Despite Vaccination“, MedRxiv, 15. Oktober 2021, S. 4) hervorgeht, dass eine nach der ursprünglichen Impfserie verabreichte zusätzliche Impfstoffdosis das Risiko einer Infektion mit der Delta-Variante erheblich reduziert.

232    Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass nach dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung 2021/953 die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigten, dass bei geimpften Personen, Personen mit einem aktuellen negativen COVID‑19-Testergebnis und Personen, die in den vergangenen sechs Monaten von COVID‑19 genesen seien, das Risiko, andere Personen mit SARS-CoV-2 zu infizieren, geringer sei. Daher können die Kläger nicht die Gültigkeit der Verordnung 2021/953, für die eine Rechtmäßigkeitsvermutung gilt, in Frage stellen, ohne konkretere und überzeugendere Gesichtspunkte geltend zu machen, zumal sie nicht förmlich die Rechtswidrigkeit dieser Verordnung gemäß Art. 277 AEUV geltend gemacht haben.

233    Was schließlich das Vorbringen der Kläger zu Tests, die zu „falsch-positiven“ Ergebnisse führten, betrifft, ist festzustellen, dass sie keinen Beweis dafür vorgelegt haben, dass dies eine große Zahl von Tests betreffen würde, die deren Glaubwürdigkeit als Grundlage für eines der drei Zertifikate, mit denen das Fehlen einer COVID‑19‑Infektion gemäß der Verordnung 2021/953 bescheinigt werden kann, in Frage stellen könnte.

234    Jedenfalls könnten, wie das Parlament feststellt, laut der belgischen öffentlichen Einrichtung Sciensano „positive“ und „schwach positive“ PCR-Testergebnisse in bestimmten Fällen als alte Infektion angesehen werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt seien, und in einem solchen Fall sei keine Isolierungsmaßnahme erforderlich.

235    Auch wenn es zutrifft, dass, wie die Kläger geltend machen, weder die Impfung noch die Tests oder die Genesung die Übertragung des Virus vollständig verhindern können, kann dieses Risiko dennoch, wie aus den ärztlichen Gutachten hervorgeht, auf die sich das Parlament beim Erlass des angefochtenen Beschlusses gestützt hat und die ihrerseits auf dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Zeitpunkt beruhen, mit der Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats verringert und somit die bestehenden Gesundheitsmaßnahmen durch die Kontrolle dieser drei Aspekte in objektiver und nicht diskriminierender Weise verstärkt werden.

236    Daher ist festzustellen, dass das Parlament unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, insbesondere der Epidemielage und der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, zu Recht davon ausgehen konnte, dass das Erfordernis, über eine gültiges COVID-Zertifikat zu verfügen, um Zugang zu seinen Gebäuden zu erhalten, eine Maßnahme darstellte, die im Hinblick auf das Ziel, die Gesundheit seines Personals sowie aller in seinen Gebäuden anwesenden Personen zu schützen, angemessen ist.

3)      Zur Verhältnismäßigkeit der fraglichen Maßnahmen

237    Drittens sind die Kläger der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss offensichtlich unverhältnismäßig sei, da nach dem siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Impfquote im Parlament nach Schätzungen des ärztlichen Dienstes des Parlaments zwischen 80 und 85 % liege. Bei einer derart hohen Impfquote sei es, sofern man nicht davon ausgehe, dass die Impfung gegen COVID‑19 unwirksam sei, offensichtlich unverhältnismäßig, als zusätzliche Maßnahme den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments auf Personen zu beschränken, die über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügten.

238    Das Parlament könne die Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses erst recht nicht damit rechtfertigen, dass es erforderlich sei, Parlamentsmitglieder und Personal zu schützen, die nicht geimpft seien. Es handele sich nämlich um die freie Wahl dieser Personen, und das Parlament könne sie nicht mit der Begründung diskriminieren, dass es sie vor den angeblichen Auswirkungen dieser Wahl auf ihre Gesundheit schützen wolle.

239    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

240    Es ist daran zu erinnern, dass die Handlungen der Organe der Union nach ständiger Rechtsprechung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist, und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 45, und vom 4. Juni 2020, Ungarn/Kommission, C‑456/18 P, EU:C:2020:421, Rn. 41).

241    Daher ist zu prüfen, ob die im angefochtenen Beschluss aufgestellte Verpflichtung, über ein gültiges COVID-Zertifikat zu verfügen, eine Maßnahme darstellt, die im Hinblick auf das verfolgte Ziel in dem Sinne verhältnismäßig ist, dass dieses Ziel nicht mit weniger einschneidenden, aber ebenso wirksamen Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2021, Katoen Natie Bulk Terminals und General Services Antwerp, C‑407/19 sowie C‑471/19, EU:C:2021:107, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

242    Insoweit können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass es wegen der auf zwischen 80 und 85 % geschätzten hohen Impfquote im Parlament offensichtlich unverhältnismäßig sei, den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments als zusätzliche Maßnahme auf Personen zu beschränken, die über ein gültiges COVID-Zertifikat verfügten.

243    Dieses Vorbringen beruht nämlich auf der Prämisse, dass eine solche Maßnahme nicht wirksam zum Schutz der Gesundheit des Personals sowie aller Personen, die sich innerhalb der Gebäude des Parlaments aufhalten, beitragen könne.

244    Wie das Parlament geltend macht und wie sich im Wesentlichen aus dem 14. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist angesichts der im Parlament verzeichneten Infektionsfälle, der seit September 2021 erfolgten erheblichen Zunahme von Personen, die Zugang zu den Gebäuden haben und deren Impfquote nicht bekannt ist, der Vorherrschaft der Delta-Variante des Virus und der Tendenz der allgemeinen Pandemiesituation, eine Anwendung der bestehenden Gesundheitsmaßnahmen zusammen mit der obligatorischen Kontrolle der COVID-Zertifikate verhältnismäßig im Hinblick auf das mit dem angefochtenen Beschluss verfolgte Ziel, den Schutz der Gesundheit der Abgeordneten und des Personals zu gewährleisten und die Ausbreitung von COVID‑19 zu begrenzen.

245    Wie aus den sowohl von den Klägern als auch vom Parlament vorgelegten wissenschaftlichen Studien, die den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses widerspiegeln, hervorgeht, lässt sich außerdem durch die Impfung das Risiko der Übertragung von COVID‑19 zwar nicht vollständig ausschließen, aber doch erheblich verringern. Daher konnte das Parlament zu Recht davon ausgehen, dass die Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats, da dies impliziert, dass man entweder über ein Impfzertifikat, ein Genesungszertifikat oder ein Testzertifikat verfügen muss, um Zugang zu den Parlamentsgebäuden zu erhalten, dazu beitragen würde, dieses Risiko zu verringern.

246    In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Kläger in keiner Weise nachgewiesen haben, dass es andere, weniger einschneidende, aber im Hinblick auf das verfolgte Ziel ebenso wirksame Maßnahmen gab, die vom Parlament hätten erlassen werden können.

247    Was insbesondere die Beibehaltung der anderen, zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestehenden Gesundheitsmaßnahmen ohne zusätzliche Beschränkungen betrifft, haben die Kläger nicht dargetan, inwiefern diese Maßnahme geeignet gewesen wäre, das Ziel, die Zahl der Virusübertragungen innerhalb des Parlaments zu verringern, um die Gesundheit seines Personals zu schützen, ebenso wirksam zu erreichen. Wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, ist die Zahl der im Parlament verzeichneten Infektionen nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses nämlich stark zurückgegangen, was auf die Wirksamkeit der fraglichen Maßnahme hindeutet.

248    Ohne die im angefochtenen Beschluss vorgesehenen zusätzlichen Maßnahmen hätte nämlich beispielsweise eine weder geimpfte noch von COVID‑19 genesene, potenziell mit dem Virus infizierte Person freien Zugang zu den Gebäuden des Parlaments erhalten und dabei Gefahr laufen können, die zahlreichen Personen, die täglich dort arbeiten oder sich dort bewegen, zu infizieren, ohne dass ihr eine Kontrolle hätte auferlegt werden können.

249    Der Umstand, dass, wie von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, der angefochtene Beschluss bei geimpften Personen ein „falsches Gefühl von Sicherheit“ hervorgerufen habe, indem er sie glauben ließ, dass sie nicht Gefahr liefen, sich mit COVID‑19 zu infizieren, wenn sie ein auf einem Impfzertifikat beruhendes gültiges COVID-Zertifikat vorlegten, ist – angenommen, dieses Gefühl habe tatsächlich bestanden – nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Mit diesem Vorbringen lässt sich nämlich nicht nachweisen, dass weniger einschneidende und ebenso wirksame Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten, sondern allenfalls, dass andere, noch einschneidendere Maßnahmen vom Parlament hätten verabschiedet werden können, indem beispielsweise verlangt würde, dass sich geimpfte Personen ebenfalls regelmäßig testen lassen müssen.

250    Im Übrigen ist der Umstand, dass andere Organe der Union keine ähnlichen Beschränkungen auferlegt haben, nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Wie insbesondere aus dem 13. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich das Parlament nämlich nicht nur auf die allgemeine Epidemielage in Europa gestützt, sondern auch auf die Besonderheiten des Parlaments als internationale Organisation, die häufige internationale Reisen als zusätzlichen Risikofaktor, der es zu einem Übertragungsherd machen könnte, berücksichtigen muss.

251    Schließlich muss auch dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen werden, dass die mit dem angefochtenen Beschluss eingeführten Maßnahmen zeitlich begrenzt sind und regelmäßig im Hinblick auf die Entwicklung der Gesundheitslage überprüft werden (vgl. 27. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

252    Auch ist darauf hinzuweisen, dass sich der angefochtene Beschluss darauf beschränkt, den Zugang zu den Gebäuden des Parlaments an seinen drei Arbeitsorten von der Vorlage einer der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung 2021/953 vorgesehenen Zertifikaten oder einem gleichwertigen Zertifikat gemäß Art. 8 dieser Verordnung abhängig zu machen. Die Pflicht zur Vorlage eines solchen Zertifikats kann zwar gewisse praktische Nachteile mit sich bringen, doch können diese weder dem Schutz der menschlichen Gesundheit anderer vorgehen noch als unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Kläger gewertet werden.

253    Daher ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss angesichts der Verpflichtung des Parlaments zur Gewährleistung der Gesundheit seines Personals und seiner Vorsorgepflicht (siehe oben, Rn. 217 und 218), gemessen an dem verfolgten Ziel, verhältnismäßig ist.

254    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass aufgrund des wechselhaften Kontexts der Epidemielage und der Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse u. a. im Hinblick auf das Auftreten neuer Varianten, wie im 27. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt, die Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen COVID-Zertifikats beim Betreten der Gebäude des Parlaments „nur so lange gelten [sollte], wie die besonderen Umstände anhalten, die ihr zugrunde liegen, und regelmäßig im Hinblick auf die Gesundheitslage in der EU und an den drei Arbeitsorten des Europäischen Parlaments neu bewertet werden [muss], damit jederzeit für ein angemessenes ausgewogenes Verhältnis zwischen den Rechten der Betroffenen und den betreffenden rechtlich geschützten Interessen gesorgt ist“.

255    Folglich ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes sowie der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

256    Nach alledem sind die Klagen als unbegründet abzuweisen.

 Kosten

257    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

258    Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen des Parlaments die Kosten einschließlich der Kosten der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.

2.      Herr Robert Roos und die anderen im Anhang aufgeführten Kläger tragen die Kosten einschließlich der Kosten der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Papasavvas

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

 

      Pynnä

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. April 2022.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Französisch.


1      Die Liste der anderen Kläger ist nur der den Parteien mitgeteilten Fassung beigefügt.