Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 4. September 2015 –
NIOC u. a./Rat
(Rechtssache T‑577/12)
„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Nichtigkeitsklage – Organisation unterhalb der staatlichen Ebene – Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse – Zulässigkeit – Begründungspflicht – Angabe und Wahl der Rechtsgrundlage – Zuständigkeit des Rates – Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Rechtsakte der Union – Begriff der in Verbindung stehenden Organisation – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Verhältnismäßigkeit – Eigentumsrecht“
1. Nichtigkeitsklage – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Rechtsschutzinteresse – Natürliche oder juristische Personen – Klage einer Einrichtung, die einem Drittstaat zuzuordnen ist – Klage gegen eine Handlung, mit der restriktive Maßnahmen gegen die Klägerin verhängt werden – Zulässigkeit (Art. 29 EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV und 275 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47) (vgl. Rn. 33-37)
2. Nichtigkeitsklage – Gründe – Fehlende oder unzureichende Begründung – Klagegrund, der sich von dem die materielle Rechtmäßigkeit betreffenden Klagegrund unterscheidet (Art. 263 AEUV und 296 AEUV) (vgl. Rn. 45)
3. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Befugnis des Rates, bei auf Art. 215 AEUV gestützten restriktiven Maßnahmen auf das Verfahren gemäß Art. 291 Abs. 2 AEUV zurückzugreifen (Art. 40 Abs. 1 EUV; Art. 215 AEUV und 291 Abs. 2 AEUV; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 46 Abs. 2) (vgl. Rn. 55, 56)
4. Handlungen der Organe – Verordnungen – Verordnung über restriktive Maßnahmen gegen Iran – Durchführungsbefugnisse, die sich der Rat vorbehalten hat – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Begründete Sonderfälle (Art. 215 AEUV und 291 Abs. 2 AEUV; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3 und 46 Abs. 2) (vgl. Rn. 59-84)
5. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit – Umfang – Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 – Einbeziehung (Art. 275 Abs. 2 AEUV; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP, Art. 1 Abs. 8 Buchst. a) (vgl. Rn. 93-97)
6. Recht der Europäischen Union – Auslegung – Vorschriften in mehreren Sprachen – Einheitliche Auslegung – Berücksichtigung der verschiedenen sprachlichen Fassungen (Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) (vgl. Rn. 103, 107)
7. Europäische Union – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der nuklearen Proliferation – Umfang der Kontrolle – Beurteilung der Rechtmäßigkeit anhand der bei Erlass der Entscheidung verfügbaren Informationen (Art. 263 AEUV; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d, und Nr. 1263/2012) (vgl. Rn. 112)
8. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Kriterien für den Erlass der restriktiven Maßnahmen – In-Verbindung-Stehen mit einer Einrichtung, die die iranische Regierung unterstützt – Begriff – Einrichtungen, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung befinden, die die iranische Regierung unterstützt – Einbeziehung (Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) (vgl. Rn. 114-116, 155, 175)
9. Europäische Union – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der nuklearen Proliferation – Umfang der Kontrolle – Eingeschränkte Kontrolle bei allgemeinen Regeln – Kriterien für den Erlass der restriktiven Maßnahmen – In-Verbindung-Stehen mit einer Einrichtung, die die iranische Regierung unterstützt – Bedeutung – Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, nach dem Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen (Art. 29 EUV; Art. 215 Abs. 2 AEUV; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) (vgl. Rn. 124-127, 131, 132, 134-142)
10. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Beschränkung des Eigentumsrechts – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen (Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) (vgl. Rn. 145-147)
11. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Verpflichtung zur Mitteilung der belastenden Umstände – Umfang (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschluss 2012/635/GASP des Rates; Verordnung Nr. 945/2012 des Rates) (vgl. Rn. 164-166)
12. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit – Umfang – Verpflichtung, konkrete Beweise und Informationen zur Überprüfung vorzulegen (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d, und Nr. 945/2012) (vgl. Rn. 177, 178)
13. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren von Geldern von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, von denen der Rat festgestellt hat, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt sind – Pflicht zur Erstreckung dieser Maßnahme auf Einrichtungen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer solchen Einrichtung oder in Verbindung mit einer solchen Einrichtung stehen – Eigenschaft, eine Einrichtung zu sein, die im Eigentum, unter Kontrolle oder in Verbindung steht – Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts – Kein Beurteilungsspielraum des Rates (Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, und 2012/635/GASP; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. d) (vgl. Rn. 179-182)
14. Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Geltungsbereich – Geltendmachung dieser Rechte durch eine juristische Person, die einem Drittstaat zugeordnet wird – Beachtung der Grundrechte und ‑freiheiten sämtlicher Personen und Einrichtungen, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt werden – Zulässigkeit (Art. 215 Abs. 3 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17, 41 und 47; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, 25. Erwägungsgrund; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, 26. Erwägungsgrund) (vgl. Rn. 187-189)
Gegenstand
| Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/635/GASP des Rates vom 15. Oktober 2012 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 282, S. 58) sowie der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 945/2012 des Rates vom 15. Oktober 2012 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 282, S. 16), soweit diese Maßnahmen die Klägerinnen betreffen, und auf Feststellung, dass Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413/GASP des Rates vom 26. Juli 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39) in der durch den Beschluss 2012/635 geänderten Fassung sowie Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. L 88, S. 1) auf die Klägerinnen nicht anwendbar sind |
Tenor
1. | | Die Klage wird abgewiesen. |
2. | | Die National Iranian Oil Company PTE Ltd (NIOC), die National Iranian Oil Company International Affairs Ltd (NIOC International Affairs), die Iran Fuel Conservation Organization (IFCO), die Karoon Oil & Gas Production Co., die Petroleum Engineering & Development Co. (PEDEC), die Khazar Exploration and Production Co. (KEPCO), die National Iranian Drilling Co. (NIDC), die South Zagros Oil & Gas Production Co., die Maroun Oil & Gas Co., die Masjed-Soleyman Oil & Gas Co. (MOGC), die Gachsaran Oil & Gas Co., die Aghajari Oil & Gas Production Co. (AOGPC), die Arvandan Oil & Gas Co. (AOGC), die West Oil & Gas Production Co., die East Oil & Gas Production Co. (EOGPC), die Iranian Oil Terminals Co. (IOTC) und die Pars Special Economic Energy Zone (PSEEZ) tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union. |