Language of document : ECLI:EU:C:2017:850

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 9. November 2017(1)

Rechtssache C‑359/16

Ömer Altun,

Abubekir Altun,

Sedrettin Maksutogullari,

Yunus Altun,

Absa NV,

M. Sedat BVBA,

Alnur BVBA

gegen

Openbaar Ministerie

(Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie [Kassationsgerichtshof, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wanderarbeitnehmer – Soziale Sicherheit – Anzuwendende Rechtsvorschriften – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a – Entsandte Arbeitnehmer – Verordnung (EWG) Nr. 574/72 – Art. 11 Abs. 1 – Bescheinigung E 101 – Verbindlichkeit – Auf betrügerische Weise erlangte oder geltend gemachte Bescheinigung“






I.      Einleitung

1.        „Das Recht hört dort auf, wo der Missbrauch beginnt.“ Dieser Ausspruch des französischen Rechtsprofessors Marcel Ferdinand Planiol(2) macht die Problematik deutlich, mit der der Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof Belgien) in der vorliegenden Rechtssache befasst ist. Diese fügt sich in eine Reihe von Rechtssachen ein, die zu einer nunmehr gefestigten Rechtsprechung zur Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101 geführt hat, mit der für einen Arbeitnehmer, der innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandert, die Zugehörigkeit zum System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats des ausstellenden Trägers bescheinigt wird(3).

2.        Die Bescheinigung E 101, die von dem zuständigen Träger eines Mitgliedstaats gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72(4) über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71(5) ausgestellt wurde, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, solange sie nicht widerrufen oder für ungültig erklärt wird, in der internen Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in den sich der Arbeitnehmer zur Ausführung einer Arbeit begibt, und bindet daher die Träger dieses Mitgliedstaats. Demzufolge ist ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats nicht befugt, die Gültigkeit einer Bescheinigung E 101 in Bezug auf die Umstände, auf deren Grundlage sie ausgestellt wurde, zu überprüfen(6).

3.        Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen nach der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf den Fall, dass ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass die Bescheinigung E 101 auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde(7).

4.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, warum ich der Ansicht bin, dass ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats die Bescheinigung E 101 nicht zwingend zu beachten hat, wenn es feststellt, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, und dass dieses Gericht in einem solchen Fall die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt lassen kann(8).

II.    Unionsrecht

A.      Verordnung Nr. 1408/71

5.        In Titel II („Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften) der Verordnung Nr. 1408/71 sieht Art. 13 („Allgemeine Regelung) in Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a vor:

„(1)      Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2)      Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:

a)      [E]ine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat“.

6.        Art. 14 („Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausüben“), ebenfalls in Titel II der Verordnung Nr. 1408/71, bestimmt in Abs. 1 Buchst. a:

„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:

(1) a)      Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.“

7.        Die Verordnung Nr. 1408/71 wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgehoben und ersetzt(9).

B.      Verordnung Nr. 574/72

8.        In Titel III der Verordnung Nr. 574/72 („Durchführung der Vorschriften der Verordnung zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften“) bestimmt Art. 11 („Formvorschriften bei Entsendung eines Arbeitnehmers gemäß Artikel 14 Absatz 1 und Artikel 14b Absatz 1 der Verordnung und bei Vereinbarungen gemäß Art. 17 der Verordnung“) in Abs. 1 Buchst. a:

„Der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, stellt

a)      auf Antrag des Arbeitnehmers oder seines Arbeitgebers in den Fällen des Artikels 14 Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 1 der Verordnung,

eine Bescheinigung darüber aus, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Arbeitnehmer gelten.“

9.        Die Verordnung Nr. 574/72 wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 aufgehoben und ersetzt(10).

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

10.      Die Sociale Inspectie (Sozialaufsichtsbehörde, Belgien) führte bei der Absa NV, die im Bausektor in Belgien tätig ist, eine Prüfung hinsichtlich der Beschäftigung ihrer Belegschaft durch. Dabei wurde festgestellt, dass Absa ab dem Jahr 2008 praktisch kein Personal beschäftigte und bulgarische Unternehmen als Subunternehmer mit sämtlichen manuellen Arbeiten betraute. Diese bulgarischen Unternehmen übten in Bulgarien praktisch keinerlei Tätigkeit aus und entsandten Arbeitnehmer, die in Belgien im Unterauftrag für Absa arbeiten sollten, teils unter Einschaltung und in Zusammenarbeit mit anderen belgischen Firmen. Die Beschäftigung dieser Arbeitnehmer war bei dem belgischen Träger, dem die Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge obliegt, nicht angemeldet worden, da sie Bescheinigungen E 101 besaßen, die vom zuständigen bulgarischen Träger ausgestellt worden waren und mit denen ihre Zugehörigkeit zum bulgarischen System der sozialen Sicherheit bescheinigt wurde.

11.      Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zu entnehmen, dass die belgischen Behörden bei dem zuständigen bulgarischen Träger unter Angabe von Gründen um Widerruf dieser Bescheinigungen E 101 nachsuchten, dass Letzterer jedoch nicht über dieses Ersuchen entschied. Die belgische Regierung hat hierzu erläutert, dass der Antrag auf Widerruf der Bescheinigungen E 101 am 12. November 2012 an den zuständigen bulgarischen Träger geschickt worden sei und dieser am 9. April 2013 eine Antwort gegeben habe, die „nur eine Aufstellung der ausgestellten Bescheinigungen E 101, deren Gültigkeitsdauer und die Mitteilung [enthielt], dass die Voraussetzungen der Entsendung zum Zeitpunkt, zu dem die fraglichen Bescheinigungen von den verschiedenen bulgarischen Unternehmen beantragt worden waren, administrativ erfüllt gewesen seien, ohne Prüfung und ohne Berücksichtigung des in Belgien festgestellten und erwiesenen Sachverhalts“.

12.      Die belgischen Behörden leiteten ein Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens, Ömer Altun, Abubekir Altun, Sedrettin Maksutogullari, Yunus Altun, Absa, M. Sedat BVBA und Alnur BVBA (im Folgenden gemeinsam: Altun u. a.) in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, Hilfspersonen oder Beauftragte ein, weil sie erstens ausländische Staatsangehörige, die nicht berechtigt gewesen seien, sich länger als drei Monate in Belgien aufzuhalten oder sich dort niederzulassen, beschäftigt oder deren Beschäftigung zugelassen hätten, ohne zuvor insoweit eine Arbeitserlaubnis dafür erhalten zu haben, weil sie zweitens beim Arbeitsbeginn der Arbeitnehmer bei der für die Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge zuständigen Stelle nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung vorgenommen hätten und weil sie drittens die Arbeitnehmer nicht beim Landesamt für soziale Sicherheit (Belgien) versichert hätten.

13.      Mit Urteil vom 27. Juni 2014 sprach die Correctionele rechtbank Limburg, afdeling Hasselt (Strafgericht Limburg, Abteilung Hasselt, Belgien), Altun u. a. frei. Den schriftlichen Erklärungen der belgischen Regierung ist zu entnehmen, dass der Freispruch der Betroffenen sich auf die Feststellung stützte, dass die „Beschäftigung der bulgarischen Arbeitnehmer vollständig durch die regulär und rechtmäßig ausgestellten Bescheinigungen E 101/A1 gedeckt“ sei. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ein.

14.      Mit Urteil vom 10. September 2015 verurteilte der Hof van beroep Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen, Belgien) die Betroffenen. Das vorlegende Gericht führt insoweit aus, die Berufungsrichter hätten festgestellt, „dass die … Bescheinigungen E 101 betrügerisch erwirkt worden seien, indem nicht der Wirklichkeit entsprechende Tatsachen vorgetragen worden seien, um die nach der Gemeinschaftsregelung für die Entsendung geltenden Voraussetzungen zu umgehen und dadurch einen Vorteil zu erlangen, den die Betroffenen ohne dieses betrügerische Vorgehen nicht hätten erwirken können“.

15.      Die Kläger erhoben gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde zum Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof), der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfrage vorgelegt hat:

Kann eine E-101-Bescheinigung, die gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 in der vor ihrer Aufhebung durch Art. 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 geltenden Fassung ausgestellt wurde, von einem anderen Gericht als dem des Entsendemitgliedstaats für nichtig erklärt oder außer Acht gelassen werden, wenn der Sachverhalt, über den es zu befinden hat, die Feststellung trägt, dass die Bescheinigung betrügerisch erwirkt oder geltend gemacht wurde?

16.      Altun u. a., die belgische, die irische, die französische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen abgegeben. Die gleichen Parteien und Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 20. Juni 2017 mündliche Ausführungen gemacht.

IV.    Würdigung

A.      Zum Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens und zu den auszulegenden Vorschriften des Unionsrechts

17.      Vorab ist festzustellen, dass die Vorlagefrage die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 „in der vor ihrer Aufhebung durch Art. 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 geltenden Fassung“ betrifft.

18.      Die belgische Regierung macht jedoch geltend, dass die Vorlagefrage auf die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 auszudehnen sei. Auch diese Bestimmungen seien zeitlich auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar, da der Sachverhalt, der Gegenstand der Strafverfolgung der Kläger des Ausgangsverfahrens sei, sich teilweise nach dem 1. Mai 2010, d. h. dem Zeitpunkt, zu dem diese Verordnung die Verordnung Nr. 574/72 aufgehoben und ersetzt habe, ereignet habe(11).

19.      Das vorlegende Gericht gibt in seinem Vorabentscheidungsersuchen nicht genau an, auf welchen Zeitraum sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens bezieht. Unter diesen Umständen verfügt der Gerichtshof meines Erachtens nicht über ausreichende Tatsachenelemente, um seine Antwort auf andere Vorschriften als die in der Vorlagefrage genannten auszudehnen(12). In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich mich darauf beschränken, die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 auszulegen.

20.      Ich betone jedoch, dass nach meiner Auffassung die Antwort, die ich für die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 vorschlagen werde, in vollem Umfang auf Art 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 sowie auf Art. 5 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 übertragbar ist. Insoweit ist festzustellen, dass zum einen unter der Geltung der neuen Verordnungen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 im Wesentlichen Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 ersetzt hat, während Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 im Wesentlichen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 ersetzt hat(13). Zum anderen wurde, wie der Gerichtshof festgestellt hat, mit der Verordnung Nr. 987/2009, die derzeit in Kraft ist, die Rechtsprechung des Gerichtshofs kodifiziert, indem insbesondere die Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101 und die ausschließliche Befugnis der ausstellenden Einrichtung, die Gültigkeit dieser Bescheinigung zu beurteilen, verankert wurden(14). Art. 5 („Rechtswirkung der in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Dokumente und Belege“) der Verordnung Nr. 987/2009 sieht in Abs. 1 vor, dass vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden.

21.      Im Übrigen weise ich den Gerichtshof auf das aktuelle Gesetzgebungsverfahren hin, in dem die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 auf der Grundlage eines von der Kommission am 13. Dezember 2016 vorgelegten Vorschlags geändert werden sollen(15). Zu den von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen gehört u. a. die Aufnahme einer Definition des Begriffs „Betrug“ in Art. 1 der Verordnung Nr. 987/2009(16) und genauer Fristen für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausstellung der Bescheinigung E 101 durch den ausstellenden Träger in Art. 5 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung und gegebenenfalls der Widerruf oder die Berichtigung dieser Bescheinigung auf Antrag einer zuständigen Stelle eines anderen Mitgliedstaats(17). Zwar haben diese Gesetzgebungsarbeiten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Würdigung, die in dieser Rechtssache vorzunehmen ist und die nur die Auslegung der Vorschriften der nunmehr aufgehobenen Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 betrifft, doch gehören sie meines Erachtens zum rechtlichen Kontext der vorliegenden Rechtssache.

22.      Schließlich halte ich einige Anmerkungen zu dem Vorschlag einer „alternativen Lösung“ für die Problematik der vorliegenden Rechtssache, den die Kommission in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, für zweckdienlich. Sie ist nämlich der Ansicht, dass das vorlegende Gericht nicht die denkbar sachdienlichste Vorlagefrage gestellt habe und dass der Gerichtshof eher feststellen sollte, ob es sich bei den Umständen des vorliegenden Falles um eine „wirkliche Entsendung“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 handle und ob die betreffenden Bescheinigungen E 101 somit vom zuständigen bulgarischen Träger korrekt ausgestellt worden seien(18). In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Ansicht, dass, falls der Gerichtshof diese Frage verneinen sollte, die belgischen Träger auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs vom zuständigen bulgarischen Träger verlangen könnten, die Bescheinigungen E 101 zu widerrufen oder sie für ungültig zu erklären, und dass dieser Träger gegebenenfalls handeln müsste. Wenn dagegen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit dieser Bescheinigungen bestätigen sollte, wäre der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens beendet.

23.      Der Vorschlag der Kommission überzeugt mich aus den folgenden Gründen nicht.

24.      Als Erstes bin ich der Ansicht, dass diese Lösung gegen Art. 267 AEUV verstößt. Gemäß Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Trennung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, ist dieser nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern, während es demgegenüber Sache des nationalen Gerichts ist, die unionsrechtlichen Vorschriften auf einen konkreten Fall anzuwenden. Somit ist der Gerichtshof auch nicht befugt, über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu entscheiden oder die von ihm ausgelegten Unionsvorschriften auf nationale Maßnahmen oder Gegebenheiten anzuwenden, da dafür ausschließlich das vorlegende Gericht zuständig ist(19). Die von der Kommission vorgeschlagene Verfahrensweise führt meines Erachtens dazu, dass der Gerichtshof eine rechtliche Einstufung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles vornimmt, was nicht zu seinen Befugnissen gehört(20).

25.      Als Zweites bin ich der Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagene Lösung in Wirklichkeit dazu führt, Gegenstand und Natur der vorliegenden Rechtssache zu verändern. Während nämlich die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage die Befugnis betrifft, über die ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats im Hinblick darauf verfügt, eine Bescheinigung E 101 im Fall eines Betrugs nicht zu berücksichtigen, schlägt die Kommission dem Gerichtshof vor, auf eine ganz andere Frage zu antworten, nämlich die der ordnungsgemäßen Ausstellung der betreffenden Bescheinigungen E 101. Diese Frage wäre indes in einem Vertragsverletzungsverfahren nach den Art. 258 oder 259 AEUV zu behandeln.

26.      Als Drittes hätte, selbst wenn der Gerichtshof feststellen sollte, dass die Voraussetzungen der Entsendung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, das vorlegende Gericht, wie die Kommission im Übrigen einräumt, die Bescheinigungen E 101 weiterhin so lange zu berücksichtigen, wie sie nicht vom zuständigen bulgarischen Träger für ungültig erklärt oder widerrufen werden. Der Vorschlag der Kommission kann somit keine Lösung für die Situation sein, mit der es das vorlegende Gericht zu tun hat.

27.      Ich bin deshalb der Ansicht, dass die Vorlagefrage nicht umzuformulieren ist.

B.      Zur Vorlagefrage

28.      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats eine Bescheinigung E 101, die gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 ausgestellt wurde, für nichtig erklären oder außer Acht lassen kann, wenn der Sachverhalt, über den es zu befinden hat, die Feststellung trägt, dass die Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde. Mit anderen Worten möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen, dass der Gerichtshof klarstellt, ob die Verbindlichkeit, die die Rechtsprechung gewöhnlich einer Bescheinigung E 101 beimisst, für ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats auch dann gilt, wenn dieses Gericht einen Betrug festgestellt hat(21).

29.      Die belgische und die französische Regierung sind der Ansicht, dass einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats die Möglichkeit einzuräumen sei, die Bescheinigung E 101 im Fall eines Betrugs nicht zu berücksichtigen. Dagegen machen Altun u. a., die irische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Kommission im Wesentlichen geltend, dass eine Bescheinigung E 101, die von einem zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats ausgestellt worden sei, ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats selbst dann binde, wenn es festgestellt habe, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht worden sei.

30.      Bevor ich mich der Prüfung der Vorlagefrage zuwende, halte ich es für zweckdienlich, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101 und die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Prinzipien darzulegen (Abschnitt 1).

31.      Danach werde ich die Frage des vorlegenden Gerichts prüfen. Ich werde erstens die Gründe erläutern, aus denen ich der Ansicht bin, dass die Rechtsprechung zur Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101 nicht gelten kann, wenn ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, und dass dieses Gericht in einem solchen Fall die Bescheinigung unberücksichtigt lassen kann (Abschnitt 2). Zweitens werde ich einige Erwägungen zur Feststellung eines Betrugs durch ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats darlegen (Abschnitt 3). Schließlich werde ich mich mit den Argumenten befassen, die in der vorliegenden Rechtssache gegen das Ergebnis vorgetragen worden sind, das ich dem Gerichtshof vorschlage (Abschnitt 4).

1.      Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101

32.      Die Verbindlichkeit der Bescheinigung E 101 ergibt sich aus einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs. Dieser hat insbesondere festgestellt, dass diese Bescheinigung, solange sie nicht widerrufen oder für ungültig erklärt worden ist, in der internen Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in den sich der Arbeitnehmer zur Arbeit begibt, verbindlich ist und folglich die Einrichtungen dieses Mitgliedstaats bindet(22). Somit hat zum einen der zuständige Träger des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitnehmer eine Arbeit ausführt, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dieser bereits dem Recht der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats unterliegt, in dem das Unternehmen, das ihn beschäftigt, niedergelassen ist; der Träger kann daher den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen. Zum anderen ist ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats nicht befugt, die Gültigkeit einer Bescheinigung E 101 im Hinblick auf die Umstände, auf deren Grundlage sie ausgestellt wurde, zu überprüfen(23).

33.      Der Gerichtshof hat aber festgestellt, dass Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV den Träger, der die Bescheinigung E 101 ausstellt, verpflichtet, den Sachverhalt, der für die Bestimmung der im Bereich der sozialen Sicherheit anwendbaren Rechtsvorschriften maßgebend ist, ordnungsgemäß zu beurteilen und damit die Richtigkeit der in der Bescheinigung E 101 aufgeführten Angaben zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang muss dieser Träger überprüfen, ob die Ausstellung der Bescheinigung E 101 zu Recht erfolgt ist, und diese Bescheinigung gegebenenfalls widerrufen, wenn der zuständige Träger des Aufnahmemitgliedstaats Zweifel an der Richtigkeit des der Bescheinigung zugrunde liegenden Sachverhalts und demnach der darin gemachten Angaben insbesondere mit der Begründung geltend macht, dass diese den Tatbestand der Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfüllten, auf dessen Grundlage diese Bescheinigung ausgestellt wurde(24).

34.      Können die zuständigen Träger der betreffenden Mitgliedstaaten die in dem fraglichen Fall anzuwendenden Vorschriften nicht einvernehmlich bestimmen, so können sie sich an die Verwaltungskommission wenden. Gelingt es dieser nicht, zwischen den Standpunkten der betreffenden Träger zu vermitteln, bleibt die Möglichkeit, unbeschadet einer im Mitgliedstaat des ausstellenden Trägers etwa gegebenen Klage, gemäß Art. 259 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten(25).

35.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff dargelegt habe, soll die Bescheinigung E 101 die Einhaltung des in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 genannten Grundsatzes der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats sicherstellen, um in genau bezeichneten Fällen Kompetenzkonflikte zu vermeiden, die auf einer unterschiedlichen Beurteilung der anwendbaren Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit beruhen(26). Damit trägt die Bescheinigung E 101 dazu bei, die Rechtssicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, die innerhalb der Union zu- und abwandern, und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den freien Dienstleistungsverkehr in der Union zu fördern, was das Ziel der Verordnung Nr. 1408/71 ist.

36.      Meines Erachtens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101, dass die Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, der die Bestimmung des anwendbaren Rechts betrifft, nicht nur ein System von Kollisionsnormen bilden, sondern zugleich ein System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in dem Sinne einführen, dass der Träger, der die Bescheinigung E 101 ausstellt, allein für die Beurteilung ihrer Gültigkeit und für die – entweder aus eigener Initiative oder auf Ersuchen des zuständigen Trägers eines anderen Mitgliedstaats zu treffende – Entscheidung zuständig ist, ob diese Bescheinigung in Anbetracht der gesammelten Informationen über die tatsächliche Situation des Arbeitnehmers zu widerrufen oder für ungültig zu erklären ist, was zur Folge hätte, dass diese Bescheinigung die zuständigen Träger und die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten nicht mehr binden würde(27). Das gegenteilige Ergebnis würde die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen über die in einem konkreten Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften in sich bergen und damit die Gefahr einer Deckung durch zwei Systeme der sozialen Sicherheit mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen, u. a. der Folge, dass der Arbeitnehmer einer doppelten Beitragspflicht unterläge(28).

37.      Der bindende Charakter der Bescheinigung E 101 beruht außerdem auf dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der in Art. 4 Abs. 3 EUV genannt ist. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit nach dieser Vorschrift verletzt würden, wenn der zuständige Träger des Aufnahmemitgliedstaats sich nicht an die Angaben in der Bescheinigung E 101 gebunden sähe(29).

38.      In der Rechtssache, in der das Urteil A‑Rosa Flussschiff(30) ergangen ist, hatte die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) den Gerichtshof im Wesentlichen gefragt, ob seine Rechtsprechung zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 auf Sachverhalte anwendbar ist, in denen festgestellt wird, dass die Arbeitsbedingungen des betreffenden Arbeitnehmers offensichtlich nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, auf deren Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt worden war. Der Gerichtshof bejahte diese Frage. Er entschied insoweit, dass die Tatsache, dass die betreffenden Arbeitnehmer offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, nichts an den Erwägungen ändert, die seiner Rechtsprechung zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 zugrunde liegen(31).

39.      Zu beachten ist, dass in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff(32) im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache das Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) keinen Hinweis darauf enthielt, dass der dieser vorliegende Sachverhalt einen Betrug erkennen ließ. Dies war ein entscheidender Faktor meiner Würdigung in dieser Rechtssache. Ich bin somit von der Prämisse ausgegangen, dass die Frage dieses Gerichts nicht bezweckte, Erläuterungen zur Anwendbarkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 im Fall eines Betrugs zu erhalten(33). Auch der Gerichtshof hat in seinem späteren Urteil in dieser Rechtssache diese Frage nicht behandelt, sondern hat sich darauf beschränkt, über die Situation zu entscheiden, in der die Bedingungen, unter denen der betreffende Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt, offensichtlich nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, auf deren Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt worden war.

40.      Die Frage des vorlegenden Gerichts in der vorliegenden Rechtssache ist somit neu. Hier soll der Gerichtshof bestimmen, ob die Erwägungen, die seiner Rechtsprechung zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 zugrunde liegen, auch im Fall eines Betrugs gelten, den ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats festgestellt hat.

41.      Schon an dieser Stelle sei gesagt, dass diese Frage meines Erachtens zu verneinen ist. Ich bin nämlich aus den nachstehend dargelegten Gründen der Meinung, dass die bestehende Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 nicht auf einen Sachverhalt erstreckt werden kann, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, in dem ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats festgestellt hat, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, und dass diesem Gericht die Möglichkeit eingeräumt werden muss, in einem solchen Fall die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt zu lassen.

2.      Zum Gebot der Betrugsbekämpfung

42.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht zulässig, und die nationalen Gerichte können in jedem Einzelfall dem missbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien Rechnung tragen, um ihnen unter Beachtung der Ziele der fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Unionsrecht zu verwehren(34). Dies ist meines Erachtens ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts(35), der unabhängig von jeglicher Umsetzung im europäischen oder nationalen Recht gilt(36). Meines Erachtens ergibt sich aus diesem Grundsatz, dass ein nationaler Richter, der es mit einer betrügerischen Inanspruchnahme des Unionsrechts zu tun hat, nicht nur die Möglichkeit, sondern als Unionsgericht auch die Pflicht hat, Betrug zu bekämpfen, indem er den Betroffenen die Berufung auf diese Bestimmungen verwehrt(37).

43.      Daraus folgt meines Erachtens, dass es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass die Bescheinigung E 101 auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, Sache dieses Gerichts ist, den Betroffenen die Verwendung dieser Bescheinigung zu ihren Gunsten und folglich die Inanspruchnahme der Unionsbestimmung, auf deren Grundlage diese Bescheinigung ausgestellt wurde, d. h. im vorliegenden Fall Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71, zu verwehren. Dies bedeutet, dass sich die Betroffenen in einer solchen Situation nicht auf die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme berufen können und dass die allgemeine Regel des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung, nach der der Arbeitnehmer dem Recht des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Hoheitsgebiet er seine Arbeitnehmertätigkeit ausübt (lex loci laboris), Anwendung findet(38).

44.      Die gegenteilige Lösung würde meines Erachtens zu einem nicht akzeptablen Ergebnis führen. Würde man nämlich die Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 auch dann aufrechterhalten, wenn ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats einen Betrug festgestellt hat, würde dies zum einen dazu führen, dass die für den Betrug Verantwortlichen einen Vorteil aus ihrem betrügerischen Verhalten erlangen könnten, und zum anderen dazu, dass dieses Gericht in bestimmten Fällen den Betrug tolerieren oder gar unterstützen müsste.

45.      In diesem Zusammenhang erinnere ich an die folgende Überlegung von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache FTS: „[K]ann der Aufnahmestaat nachweisen, dass die Bescheinigung durch einen Betrug erschlichen worden ist, wird die ausstellende Behörde die Bescheinigung ohne Weiteres zurücknehmen.“(39) Sofern der ausstellende Träger im Vertrauen auf die von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats vorgelegten Beweise, die das Vorliegen eines Betrugs belegen, die Bescheinigung E 101 für ungültig erklärt oder widerruft, wäre es in der Tat überflüssig, die Gerichte dieses Aufnahmemitgliedstaats anzurufen. Wie die vorliegende Rechtssache zeigt, können aber auch Situationen entstehen, in denen der Träger, der die Bescheinigung E 101 ausgestellt hat, diese Bescheinigung aus welchem Grund auch immer nicht für ungültig erklärt oder widerruft, obwohl die Sozialversicherungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats ihm Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Betrugs vorgelegt haben(40). Würde man unter solchen Umständen ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats verpflichten, die Bescheinigung E 101 zu berücksichtigen, obwohl festgestellt wurde, dass diese auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, würde dies einer Verpflichtung für dieses Gericht gleichkommen, die Augen vor dem Betrug zu schließen. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass eine eventuelle Möglichkeit des ausstellenden Trägers, die Bescheinigung E 101 für ungültig zu erklären oder sie zu widerrufen, keinen Einfluss auf die Befugnis eines Gerichts des Aufnahmemitgliedstaats haben kann, die Bescheinigung E 101 nicht zu berücksichtigen, wenn es über genügend Anhaltspunkte dafür verfügt, dass sie auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde(41).

46.      Zudem sprechen auch sozioökonomische Erwägungen dafür, in einer solchen Situation der Betrugsbekämpfung Priorität einzuräumen. Im Kontext des Systems der Kollisionsnormen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 ist Betrug im Zusammenhang mit der Ausstellung von Bescheinigungen E 101 eine Bedrohung der Kohärenz der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten(42). Meiner Ansicht nach haben die Mitgliedstaaten ein berechtigtes Interesse, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um ihre finanziellen Interessen zu schützen und das finanzielle Gleichgewicht ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zu gewährleisten(43). Außerdem ist meines Erachtens die Verwendung von Bescheinigungen E 101, die auf betrügerische Weise erlangt wurden oder geltend gemacht werden, eine Art von unlauterem Wettbewerb und stellt die Gleichheit der Arbeitsbedingungen auf den nationalen Arbeitsmärkten in Frage.

47.      Ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats darf jedoch die Inanspruchnahme einer Bescheinigung E 101 und damit der Bestimmung, auf deren Grundlage die Bescheinigung ausgestellt wurde, nur in dem Fall verwehren, dass der Betrug hinreichend nachgewiesen ist. Es muss vermieden werden, dass die Lösung, die ich vorschlage, in der Weise missbraucht wird, dass damit das gesamte System der Kollisionsnormen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 gefährdet wird. Mit anderen Worten bin ich der Ansicht, dass die Betrugsbekämpfung den bindenden Charakter einer von einem zuständigen Träger gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 574/72 ausgestellten Bescheinigung E 101 nur in Frage stellen kann, wenn ganz spezifische, nachstehend beschriebene Umstände vorliegen.

3.      Zur Feststellung eines Betrugs

48.      Die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 enthalten für ihre Anwendung keine Definition von „Betrug“(44). Damit ist es Sache des Gerichtshofs, die Betrugsfälle einzugrenzen, in denen ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats eine Bescheinigung E 101, die von einem zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats ausgestellt wurde, unberücksichtigt lassen kann.

49.      Meines Erachtens müssen für einen Betrug ein objektives und ein subjektives Element vorliegen. Das objektive Element besteht darin, dass die Voraussetzungen, von denen der angestrebte Vorteil abhängt, d. h. im aktuellen Kontext die Voraussetzungen nach Titel II der Verordnung Nr. 1408/71, auf dessen Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt worden ist, in Wirklichkeit nicht erfüllt sind(45).

50.      Diese Feststellung genügt jedoch nicht für den Schluss, dass ein Betrug vorliegt, der es einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats erlauben würde, die Bescheinigung E 101 nicht zu berücksichtigen. Wie dargelegt hat der Gerichtshof im Urteil A‑Rosa Flussschiff entschieden, dass die Bescheinigung E 101 die Träger und die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats bindet, selbst wenn festgestellt wird, dass die Bedingungen, unter denen der betreffende Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt, offensichtlich nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, auf deren Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt wurde(46). Eine solche Situation kann nämlich Folge eines bloßen Irrtums tatsächlicher oder rechtlicher Natur bei der Ausstellung der Bescheinigung E 101 oder einer Änderung der Verhältnisse des betreffenden Arbeitnehmers sein(47).

51.      Um das Vorliegen eines Betrugs zu bejahen, halte ich es zudem für erforderlich, dass erwiesen ist, dass die Beteiligten die Absicht hatten, zur Erlangung der Vorteile aus der Bescheinigung zu verschleiern, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung E 101 tatsächlich nicht gegeben waren(48). Diese Betrugsabsicht ist meines Erachtens das subjektive Element, das es erlaubt, einen Betrug von der einfachen Feststellung zu unterscheiden, dass die Voraussetzungen nach der Bestimmung in Titel II der Verordnung Nr. 1408/71, die Grundlage für die Ausstellung der Bescheinigung E 101 war, nicht erfüllt sind. Der Beweis für das Vorliegen einer solchen Betrugsabsicht kann ein vorsätzliches Handeln sein, z. B. eine falsche Darlegung der tatsächlichen Verhältnisse des entsandten Arbeitnehmers oder des entsendenden Unternehmens, oder ein vorsätzliches Unterlassen, wie die Nichtoffenlegung einer maßgeblichen Information.

52.      Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge hat im vorliegenden Fall die belgische Sozialaufsichtsbehörde festgestellt, dass die betroffenen bulgarischen Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Belgien entsandten, in Bulgarien praktisch keinerlei Geschäftstätigkeit aufwiesen(49). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nur einem Unternehmen, das üblicherweise im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Niederlassung nennenswerte Tätigkeiten verrichtet, der Vorteil zugutekommen, den die Ausnahme in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 bietet(50). Es ist deshalb – vorbehaltlich der Überprüfung durch den nationalen Richter – offensichtlich, dass eine der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Voraussetzungen, der Grundlage für die Ausstellung der Bescheinigungen E 101 war, nicht erfüllt war(51).

53.      Dem Vorabentscheidungsersuchen ist weiter zu entnehmen, dass die Berufungsrichter festgestellt haben, „dass die … Bescheinigungen E 101 betrügerisch erwirkt worden seien, indem nicht der Wirklichkeit entsprechende Tatsachen vorgetragen worden seien, um die nach der Gemeinschaftsregelung für die Entsendung geltenden Voraussetzungen zu umgehen und dadurch einen Vorteil zu erlangen, den die Betroffenen ohne dieses betrügerische Vorgehen nicht hätten erwirken können“(52). Die belgische Regierung hat dazu in der mündlichen Verhandlung erläutert, im vorliegenden Fall bestehe der Betrug darin, dass in Bulgarien „Briefkasten“-Firmen ohne oder nur mit sehr geringer Geschäftstätigkeit geschaffen worden seien zu dem Hauptzweck, Bescheinigungen E 101 zu beantragen und dann Arbeitnehmer nach Belgien zu entsenden, während die Beiträge weiterhin in Bulgarien entrichtet würden.

54.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob im konkreten Fall die für die Annahme eines Betrugs erforderlichen objektiven und subjektiven Elemente gegeben sind. Er muss dabei sämtlichen Umständen des konkreten Falles Rechnung tragen, einschließlich eventueller Informationen des die Bescheinigung E 101 ausstellenden Trägers(53).

55.      Zu beachten ist, dass der Betrug im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens mit gesetzlichen Verfahrensgarantien für die Betroffenen und unter Beachtung ihrer Grundrechte, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, nachzuweisen ist. Es ist Sache der zuständigen Behörden, den Beweis für einen Betrug zu erbringen, d. h., mit rechtlich hinreichender Sicherheit nachzuweisen, dass zum einen die Voraussetzungen nach der Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, auf deren Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt worden ist, im konkreten Fall nicht erfüllt sind (objektives Element) und dass zum anderen die Betroffenen absichtlich verschleiert haben, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind (subjektives Element). Nur unter diesen spezifischen Voraussetzungen kann das Gericht des Aufnahmemitgliedstaats einen Betrug bejahen, wodurch es ihm möglich wird, die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt zu lassen.

56.      Ich möchte noch die Rechtsfolgen der Feststellung eines Betrugs durch ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats erläutern. Da erstens die Bescheinigung E 101 ein Dokument ist, das von einem Träger eines anderen Mitgliedstaats stammt, kann einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats meines Erachtens, selbst bei Vorliegen eines Betrugs, nicht die Befugnis zuerkannt werden, diese Bescheinigung für ungültig zu erklären. Seine Befugnis beschränkt sich darauf, die Bescheinigung unberücksichtigt zu lassen. Zweitens ist es meines Erachtens offensichtlich, dass die Feststellung eines Betrugs durch ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats nur Wirkungen gegenüber den Behörden dieses Mitgliedstaats haben kann.

 Zwischenergebnis

57.      In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen bin ich der Meinung, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats festgestellt hat, dass eine auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausgestellte Bescheinigung E 101 auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde, das Gericht dieses Dokument unberücksichtigt lassen kann. Um einen Betrug anzunehmen, der es rechtfertigt, die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt zu lassen, ist zum einen nachzuweisen, dass die Voraussetzungen nach der Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, auf deren Grundlage die Bescheinigung E 101 ausgestellt wurde, im konkreten Fall nicht erfüllt sind (objektives Element), und zum anderen, dass die Beteiligten den Umstand, dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen, absichtlich verschleiert haben (subjektives Element).

58.      Dieses Ergebnis kann meines Erachtens durch die von den Parteien und den Betroffenen, die dem Gerichtshof Erklärungen vorgelegt haben, dagegen vorgebrachten Argumente nicht in Frage gestellt werden. Ich befasse mich mit diesen Argumenten nachstehend.

4.      Zu den vorgetragenen Gegenargumenten

59.      In der vorliegenden Rechtssache sind einige Argumente gegen die Lösung vorgetragen worden, die ich dem Gerichtshof vorschlage.

60.      Als Erstes haben sich die irische, die ungarische und die polnische Regierung auf die Kodifizierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur bindenden Wirkung der Bescheinigung E 101(54) in Art. 5 der Verordnung Nr. 987/2009 berufen und im Wesentlichen geltend gemacht, dass dieser Umstand den Gerichtshof daran hindere, diese Rechtsprechung zu ändern.

61.      Dem kann nicht gefolgt werden.

62.      Zunächst ist festzustellen, dass bei Erlass der Verordnung Nr. 987/2009 die Frage des Betrugs vom Unionsgesetzgeber nicht behandelt und schon gar nicht entschieden wurde(55). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Verordnungstext ist meines Erachtens davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber schlicht die bestehende Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 kodifizieren wollte(56). Wie ich oben bereits ausgeführt habe, war der Gerichtshof aber bisher noch nicht veranlasst, über die Bindungswirkung einer Bescheinigung E 101 in einer Situation wie derjenigen, die im Ausgangsverfahren in Rede steht, zu entscheiden, in der ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde(57). Die von mir befürwortete Lösung bedeutet jedoch keine Änderung der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie sie in der Verordnung Nr. 987/2009 kodifiziert wurde, sondern präzisiert nur die Tragweite dieser Rechtsprechung und insbesondere ihre Geltung in einer bisher nicht vorgekommenen Fallgestaltung, nämlich der eines Betrugs, der von einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats festgestellt wird. Somit hindert die Kodifizierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 in der Verordnung Nr. 987/2009 den Gerichtshof nicht daran, einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats die Möglichkeit zuzuerkennen, die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt zu lassen, wenn dieses Gericht feststellt, dass die Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde.

63.      Als Zweites berufen sich die irische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Kommission auf den in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 für den Bereich der sozialen Sicherheit niedergelegten Grundsatz, dass die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats anwendbar sein sollen, und auf den Grundsatz der Rechtssicherheit(58).

64.      Was erstens den in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 genannten und im Bereich der sozialen Sicherheit geltenden Grundsatz der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats betrifft, ist einzuräumen, dass die von mir befürwortete Lösung bedeutet, dass grundsätzlich die Möglichkeit einer zumindest zeitweisen gleichzeitigen Anwendung mehrerer nationaler Rechtsordnungen besteht. Falls nämlich ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats gemäß den in den Nrn. 48 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Grundsätzen feststellt, dass ein Betrug vorliegt, und die Bescheinigung E 101 unberücksichtigt lässt, ohne dass der ausstellende Träger parallel dazu die Bescheinigung für ungültig erklärt oder widerruft, besteht für den betreffenden Arbeitnehmer und seinen Arbeitgeber die Gefahr einer doppelten Sozialversicherung(59). Meiner Ansicht nach ist diese Gefahr jedoch der Feststellung eines Betrugs inhärent. Ich meine mit anderen Worten, dass in einem solchen Fall das Gebot, sicherzustellen, dass die Beteiligten keinen Vorteil aus dem betrügerischen Verhalten ziehen, zwingend dem Grundsatz der Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats im Bereich der sozialen Sicherheit vorgehen muss(60).

65.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es dem Träger, der die Bescheinigung E 101 ausgestellt hat, nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV zu überprüfen, ob die Bescheinigung E 101 zu Recht ausgestellt worden ist, und diese Bescheinigung gegebenenfalls zu widerrufen, wenn der zuständige Träger des Aufnahmemitgliedstaats Zweifel an der Richtigkeit des der Bescheinigung zugrunde liegenden Sachverhalts und demnach der darin gemachten Angaben insbesondere mit der Begründung geltend macht, dass diese die Voraussetzungen, die in den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71, auf deren Grundlage sie ausgestellt wurde, nicht erfüllten(61). Meines Erachtens gilt dies erst recht in dem Fall, in dem ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass die Bescheinigung E 101 betrügerisch erlangt oder geltend gemacht wurde(62). Wenn aber der Träger, der die Bescheinigung E 101 ausgestellt hat, diese Bescheinigung für ungültig erklärt oder widerruft, ist die Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats im Bereich der sozialen Sicherheit erneut sichergestellt.

66.      Was zweitens den Grundsatz der Rechtssicherheit anbelangt, bin ich der Meinung, dass dann, wenn ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats feststellt, dass die Bescheinigung E 101 betrügerisch erlangt oder geltend gemacht wurde, sich die Urheber und/oder Begünstigten des Betrugs nicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen können, um der Versagung der Vorteile aus der genannten Bescheinigung und aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 entgegenzutreten(63). Eine solche Versagung bedeutet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass dem Einzelnen ex nihilo eine Verpflichtung auferlegt wird, sondern ist nur die schlichte Folge der Feststellung, dass die objektiven Voraussetzungen, die für die Erlangung des angestrebten Vorteils erforderlich sind, in Wirklichkeit nicht erfüllt sind(64).

67.      Drittens schließlich berufen sich Altun u. a., die irische, die ungarische und die polnische Regierung sowie die Kommission auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV und auf ein besonderes Verfahren zur Streitbeilegung betreffend die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften aufgrund der Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 in einem konkreten Fall(65), indem sie im Wesentlichen geltend machen, dass die Möglichkeit für ein Gericht eines Mitgliedstaats, die Bescheinigung E 101 im Fall eines Betrugs unberücksichtigt zu lassen, nicht vereinbar sei mit dem genannten Grundsatz und dem genannten Verfahren.

68.      Dieses Argument überzeugt mich nicht.

69.      Wie bereits dargelegt, bin ich der Meinung, dass im Fall eines von einem Gericht des Aufnahmestaats festgestellten Betrugs dieses Gericht als Unionsgericht gehalten ist, den Vorteil aus der Bescheinigung E 101 zu versagen(66). Insoweit kann seine Fähigkeit, dieser Pflicht nachzukommen, weder vom Willen des ausstellenden Trägers abhängen, diese Bescheinigung für ungültig zu erklären oder zu widerrufen, noch vom Ablauf eines besonderen Verfahrens, das im Übrigen, wie mir scheint, für die Bewältigung ganz anderer Situationen gedacht ist(67). Dies würde nämlich zu inakzeptablen Ergebnissen führen(68).

70.      Wie gesagt war der Gerichtshof noch nicht aufgerufen, über die Anwendbarkeit seiner Rechtsprechung zur Bindungswirkung der Bescheinigung E 101 oder zum Verfahren der Streitbeilegung betreffend die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften nach den Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 auf den Fall eines von einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats festgestellten Betrugs zu entscheiden(69). Meines Erachtens gilt der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht absolut, und seine Geltung kann unter außergewöhnlichen Umständen beschränkt werden, u. a. im Fall der Feststellung eines Betrugs(70). Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit darf auf keinen Fall blindes Vertrauen werden, das betrügerischem Verhalten Tür und Tor öffnen würde.

71.      Ich bin jedoch der Meinung, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV den Behörden der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats gebietet, sich bei Anhaltspunkten für einen Betrug zuerst an den Träger zu wenden, der die Bescheinigung E 101 ausgestellt hat, was dieser Einrichtung ermöglicht, zu überprüfen, ob die Bescheinigung E 101 ordnungsgemäß ausgestellt wurde, und zu entscheiden, ob die Bescheinigung angesichts dieser Anhaltspunkte zu widerrufen oder für ungültig zu erklären ist. Eine solche Nachfrage würde es in der Praxis ermöglichen, eventuelle Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Umstände des in Rede stehenden Falles zu zerstreuen(71). Außerdem wäre es in dem Fall, dass der ausstellende Träger im Anschluss an diese Nachfrage die Bescheinigung E 101 für ungültig erklärt oder widerruft, tatsächlich überflüssig, die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats anzurufen(72). So könnte die Nachfrage beim ausstellenden Träger der Verfahrensökonomie dienen. Ich möchte jedoch betonen, dass diese Nachfrage sich nicht auf die Befugnis auswirken kann, die einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats zukommt, eine Bescheinigung E 101 unberücksichtigt zu lassen, wenn es genügend Beweise für die Feststellung hat, dass diese Bescheinigung betrügerisch erlangt oder geltend gemacht wurde(73).

V.      Ergebnis

72.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Hof van Cassatie (Kassationsgerichtshof, Belgien) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 3795/81 des Rates vom 8. Dezember 1981 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Gericht des Aufnahmemitgliedstaats eine Bescheinigung E 101 unberücksichtigt lassen kann, die von dem Träger ausgestellt wurde, der von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 1390/81 vom 12. Mai 1981 geänderten Fassung benannt wurde, wenn dieses Gericht feststellt, dass diese Bescheinigung auf betrügerische Weise erlangt oder geltend gemacht wurde.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Planiol, M., Traité élémentaire de droit civil, Bd. 2, 9. Aufl., Librairie générale de droit & de jurisprudence, Paris, 1923, S. 287.


3      Die Bescheinigung E 101 („Bescheinigung über die anwendbaren Vorschriften“) entspricht einem Musterformular der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (im Folgenden: Verwaltungskommission). Vgl. Beschluss Nr. 202 der Verwaltungskommission vom 17. März 2005 über die Muster der zur Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 des Rates erforderlichen Vordrucke (E 001, E 101, E 102, E 103, E 104, E 106, E 107, E 108, E 109, E 112, E 115, E 116, E 117, E 118, E 120, E 121, E 123, E 124, E 125, E 126, E 127) (2006/203/EG) (ABl. 2006, L 77, S. 1). Seit dem 1. Mai 2010 ist die Bescheinigung E 101 unter der Geltung der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) und Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1) zum portablen Dokument A1 geworden.


4      Verordnung des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. 1972, L 74, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 3795/81 des Rates vom 8. Dezember 1981 geänderten Fassung (ABl. 1981, L 378, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72).


5      Verordnung des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. 1971, L 149, S. 2), in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1390/81 des Rates vom 12. Mai 1981 (ABl. 1981, L 143, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. 1998, L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).


6      Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 48 und 49). Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 siehe Nrn. 32 bis 39 der vorliegenden Schlussanträge.


7      Diese Frage ist auch Gegenstand der anhängigen Rechtssache CRPNPAC (C‑370/17).


8      Siehe zur Feststellung eines Betrugs Nrn. 48 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge.


9      Vgl. Art. 90 und 91 der Verordnung Nr. 883/2004. Siehe Rn. 17 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge betreffend die in der vorliegenden Rechtssache auszulegenden Vorschriften.


10      Vgl. Art. 96 und 97 der Verordnung Nr. 987/2009. Siehe Rn. 17 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge betreffend die in der vorliegenden Rechtssache auszulegenden Vorschriften.


11      Siehe Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge.


12      Der Gerichtshof ist nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung einer Vorschrift der Union zu äußern. Vgl. Beschluss vom 4. Mai 2017, Svobodová (C‑653/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:371, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13      Gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 ist in Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge angeführt. Gemäß Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 987/2009 bescheinigt auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung (d. h. der Verordnung Nr. 883/2004) anzuwenden sind, dass und gegebenenfalls wie lange und unter welchen Umständen diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 ist in Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


14      Vgl. Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 59).


15      Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (COM [2016] 815 final).


16      Gemäß der von der Kommission für die Verordnung Nr. 987/2009 vorgeschlagenen Definition ist „Betrug“ jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung, die darauf ausgerichtet ist, entgegen den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Leistungen der sozialen Sicherheit zu erwirken oder zu empfangen oder sich den Verpflichtungen zur Zahlung von Beiträgen der sozialen Sicherheit zu entziehen. Vgl. Art. 2 Nr. 4 des oben genannten Vorschlags der Kommission vom 13. Dezember 2016 und die entsprechenden Erläuterungen in der Begründung in Abschnitt 5.


17      Vgl. Art. 2 Nr. 7 des oben genannten Vorschlags der Kommission vom 13. Dezember 2016 und die entsprechenden Erläuterungen in der Begründung in Abschnitt 5. In diesem Kontext schlägt die Kommission vor, dass der ausstellende Träger, wenn er unwiderlegbar feststellt, dass die Person, die das Dokument beantragt hat, einen Betrug begangen hat, das Dokument unverzüglich und mit rückwirkender Kraft widerruft oder berichtigt. Siehe zur Überprüfung durch den ausstellenden Träger Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge.


18      Die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 hängt u. a. zum einen davon ab, ob eine arbeitsrechtliche Bindung zwischen dem Arbeitnehmer und dem entsendenden Unternehmen besteht, und zum anderen davon, ob dieses Unternehmen gewöhnlich nennenswerte Geschäftstätigkeiten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Niederlassung ausübt. Vgl. Urteile vom 10. Februar 2000, FTS (C‑202/97, EU:C:2000:75, Rn. 24 und 40 bis 45), vom 9. November 2000, Plum (C‑404/98, EU:C:2000:607, Rn. 21 und 22), und vom 26. Januar 2006, Herbosch Kiere (C‑2/05, EU:C:2006:69, Rn. 19). Vgl. auch Teil I Punkte 2 bis 4 des Praktischen Leitfadens der Verwaltungskommission vom Dezember 2013 zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz. Siehe außerdem Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.


19      Urteil vom 11. September 2008, CEPSA (C‑279/06, EU:C:2008:485, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20      Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache meines Erachtens von derjenigen, in der das Urteil vom 9. September 2015, X und van Dijk (C‑72/14 und C‑197/14, EU:C:2015:564), ergangen ist. In den Rn. 43 bis 51 dieses Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Bescheinigung, die als Bescheinigung E 101 für Rheinschiffer ausgestellt wurde, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, nicht als Bescheinigung E 101 angesehen werden und somit nicht die dieser Bescheinigung eigenen Wirkungen erzeugen kann, zu denen auch die Verbindlichkeit für Einrichtungen der anderen Mitgliedstaaten als des Mitgliedstaats des ausstellenden Trägers zählt. In dieser Rechtssache ging es nicht darum, die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 auf den fraglichen Fall festzustellen, sondern vielmehr darum, die Wirkungen einer Bescheinigung zu präzisieren, die für Personen ausgestellt worden war, die nicht unter diese Verordnung fallen. Der Gerichtshof hat in Rn. 36 des Urteils ausgeführt, dass dieses weder eine Beurteilung der Einstufung der Rechtsmittelführer der Ausgangsverfahren als Rheinschiffer noch der Frage der auf sie anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften beinhaltet.


21      Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 siehe Nrn. 32 bis 39 der vorliegenden Schlussanträge.


22      Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 43 und 49). Zu beachten ist, dass es ohne Einfluss auf den bindenden Charakter der Bescheinigung E 101 ist, ob das eingeleitete Verfahren zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Natur ist, da diese Bescheinigung alle Gerichte dieses Mitgliedstaats bindet. Vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2017, Belu Dienstleistung und Nikless (C‑474/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:812, Rn. 17).


24      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 39 und 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. außerdem Nr. 7 Buchst. a und c des Beschlusses Nr. 181 der Verwaltungskommission vom 13. Dezember 2000 zur Auslegung des Art. 14 Abs. 1, des Art. 14a Abs. 1 und des Art. 14b Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1408/71 (2001/891/EG) (ABl. 2001, L 329, S. 73) (im Folgenden: Beschluss Nr. 181 der Verwaltungskommission). Vgl. schließlich Art. 5 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 987/2009. Wie bereits dargelegt ist der letztgenannte Artikel im vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar.


25      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 45 und 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Art. 84a Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71, der mit der Verordnung (EG) Nr. 631/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 bezüglich der Angleichung der Ansprüche und Vereinfachung der Verfahren (ABl. 2004, L 100, S. 1) eingefügt wurde. Vgl. außerdem Nr. 9 des oben genannten Beschlusses Nr. 181 der Verwaltungskommission. Vgl. schließlich Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 987/2009. Zu Zusammensetzung, Arbeitsweise und Aufgaben der Verwaltungskommission vgl. die Bestimmungen des Titels IV der Verordnung Nr. 1408/71. 


26      Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nr. 47). Vgl. außerdem in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2016, Hoogstad (C‑269/15, EU:C:2016:802, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ist in Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


27      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nr. 49) und in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 59).


28      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nr. 50) und in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29      Vgl. in jüngerer Zeit Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309).


31      Vgl. Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 52).


32      Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309).


33      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nr. 36).


34      Vgl. Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 21. Juli 2011, Oguz (C‑186/10, EU:C:2011:509, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


35      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 38), und vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 43 und 46). Vgl. darüber hinaus Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola in der Rechtssache Centros (C‑212/97, EU:C:1998:380, Nr. 20) und Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2005:200, Nr. 64).


36      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 59).


37      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. März 2005, Fini H (C‑32/03, EU:C:2005:128, Rn. 34), und vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung), aus denen sich ergibt, dass die nationalen Behörden und Gerichte das in der Sechsten Richtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen haben, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass es in betrügerischer Weise geltend gemacht wird.


38      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Calle Grenzshop Andresen (C‑425/93, EU:C:1995:12, Nr. 63), wo er ausführt, dass im Fall eines erschwindelten Formblatts E 101 dieses nicht den Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 vorgehen dürfe. Vgl. entsprechend in Bezug auf andere Bescheinigungen Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache van de Bijl (130/88, nicht veröffentlicht, EU:C:1989:157, Nr. 17), Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Paletta (C‑45/90, nicht veröffentlicht, EU:C:1991:234, Nr. 34) und Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas in der Rechtssache Paletta (C‑206/94, EU:C:1996:20, Nr. 51). Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 sind in den Nrn. 5 und 6 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


39      Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache FTS (C‑202/97, EU:C:1999:33, Nr. 58).


40      Siehe Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge. Hinsichtlich der Pflicht des ausstellenden Trägers, zu überprüfen, ob die Bescheinigung E 101 ordnungsgemäß ausgestellt wurde, und sie gegebenenfalls zu widerrufen, siehe Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge. Die bulgarische Regierung hat in der vorliegenden Rechtssache keine mündlichen oder schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben.


41      Siehe auch Nr. 69 der vorliegenden Schlussanträge.


42      Die französische Regierung weist darauf hin, dass nach einer vom französischen Rechnungshof durchgeführten Bewertung der Betrug im Zusammenhang mit nicht angemeldeten entsandten Arbeitnehmern allein für das französische System der sozialen Sicherheit einen Einnahmeverlust von 380 Mio. Euro bewirke. Zur Problematik von auf betrügerische Weise erlangten portablen Dokumenten A1 vgl. Jorens, Y., Lhernould, J.‑P., Procedures related to the granting of Portable Document A1: an overview of country pratices, Nr. 3.3.3, Bericht auf Initiative der Kommission, erstellt im Mai 2014.


43      Vgl. entsprechend in Bezug auf den Bereich der Mehrwertsteuer Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal (C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ich weise noch darauf hin, dass der Gerichtshof im Zusammenhang mit den vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten entschieden hat, dass die Bekämpfung von Betrug, insbesondere Sozialbetrug, und die Verhinderung von Missbräuchen, namentlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit, zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können, da dieses Ziel insbesondere mit dem Ziel, das finanzielle Gleichgewicht der Systeme der sozialen Sicherheit zu wahren, zusammenhängen kann. Vgl. Urteil vom 3. Dezember 2014, De Clercq u. a. (C‑315/13, EU:C:2014:2408, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Belgien (C‑577/10, EU:C:2012:814, Rn. 45).


44      Dies gilt auch für die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009, die an die Stelle der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 getreten sind. Dagegen soll nach dem oben genannten Vorschlag der Kommission vom 13. Dezember 2016 in die Verordnung Nr. 987/2009 eine Definition von „Betrug“ aufgenommen werden. Siehe Nr. 21 und Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge.


45      Insoweit unterscheidet sich der Betrug vom Rechtsmissbrauch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt der Nachweis eines Missbrauchs zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der in der unionsrechtlichen Regelung enthaltenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen, dass ein subjektives Element vorliegt, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Bedingungen willkürlich geschaffen werden. Vgl. Urteil vom 16. Oktober 2012, Ungarn/Slowakei (C‑364/10, EU:C:2012:630, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. zur Unterscheidung zwischen Betrug und Rechtsmissbrauch Bouveresse, A., „La fraude dans l’abus de droit“, La fraude et le droit de l’Union européenne, Bruylant, Brüssel, 2017, S. 18.


46      Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309). Siehe auch Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge.


47      Vgl. insoweit Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Calle Grenzshop Andresen (C‑425/93, EU:C:1995:12, Nr. 51). Wie der Gerichtshof festgestellt hat, wird die Bescheinigung E 101 in der Regel vor dem erfassten Zeitraum oder zu dessen Beginn ausgestellt, so dass die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts zu diesem Zeitpunkt meist auf der Grundlage der voraussichtlichen Beschäftigungssituation des betreffenden Arbeitnehmers erfolgt. Vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Format Urządzenia i Montaże Przemysłowe (C‑115/11, EU:C:2012:606, Rn. 43).


48      Diese Annahme wird durch das Unionsrecht bestätigt. Vgl. u. a. Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, erstellt durch den Rechtsakt des Rates vom 26. Juli 1995 über die Ausarbeitung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, C 316, S. 48) („jede absichtliche Handlung oder Unterlassung“). Vgl. außerdem Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. 2017, L 198, S. 29). Vgl. schließlich die Definition von „Betrug“ im Vorschlag der Kommission vom 13. Dezember 2016.


49      Siehe Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge.


50      Vgl. Urteile vom 10. Februar 2000, FTS (C‑202/97, EU:C:2000:75, Rn. 40), und vom 9. November 2000, Plum (C‑404/98, EU:C:2000:607, Rn. 21 und 22). Siehe außerdem Fn. 18 der vorliegenden Schlussanträge.


51      Gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 wird die Bescheinigung E 101 auf Antrag des Arbeitnehmers oder seines Arbeitgebers ausgestellt u. a. in den in Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 genannten Fällen. Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 574/72 ist in Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


52      Siehe Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.


53      Zur Pflicht, den ausstellenden Träger über die Feststellung eines Betrugs zu informieren, siehe Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge.


54      Siehe hinsichtlich dieser Kodifizierung Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge.


55      Dagegen ist die Betrugsfrage Teil des laufenden Gesetzgebungsverfahrens, mit dem der bestehende rechtliche Rahmen auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission vom 13. Dezember 2016 geändert werden soll (siehe Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge).


56      Vgl. in dieser Hinsicht zwölfter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 987/2009, in dem auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug genommen wird. Vgl. außerdem Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 59).


57      Siehe Nrn. 39 und 40 der vorliegenden Schlussanträge.


58      Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ist in Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


59      Siehe hierzu Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge.


60      Siehe zum allgemeinen Grundsatz der Betrugsbekämpfung Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.


61      Siehe Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge.


62      Siehe zu der Pflicht, den ausstellenden Träger über die Feststellung eines Betrugs zu informieren, Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge.


63      Vgl. entsprechend zu Ansprüchen auf Abzug, Befreiung von und Erstattung der Mehrwertsteuer Urteil vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 60), aus dem sich ergibt, dass sich ein Steuerpflichtiger, der die Voraussetzungen für die Gewährung eines Rechts nur dadurch geschaffen hat, dass er sich an betrügerischen Handlungen beteiligt hat, offenkundig nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit berufen kann, um sich gegen die Versagung der Gewährung des betreffenden Rechts zu wenden.


64      Vgl. entsprechend zum Bereich der Mehrwertsteuer Urteil vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti u. a. (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


65      Vgl. zu diesem Verfahren Art. 84a Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 und Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 44 bis 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. außerdem Nrn. 7 und 9 des oben genannten Beschlusses Nr. 181 der Verwaltungskommission. Dieses Verfahren wurde unter der Geltung der Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009, weiterentwickelt in dem Beschluss Nr. A1 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 über die Einrichtung eines Dialog- und Vermittlungsverfahrens zu Fragen der Gültigkeit von Dokumenten, der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der Leistungserbringung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2010, C 106, S. 1). Vgl. auch Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 987/2009, die zeitlich nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sind. Vgl. außerdem meine Schlussanträge in der Rechtssache A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:12, Nrn. 59 bis 66).


66      Siehe Nrn. 42 und 43 der vorliegenden Schlussanträge. Zur Feststellung eines Betrugs siehe Nrn. 48 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge.


67      Meines Erachtens betrifft das genannte Verfahren zwei Arten von Situationen: zum einen diejenige, in der die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats Zweifel an der Gültigkeit der Bescheinigung E 101 oder daran haben, dass die vorgelegten Belege oder die Fakten, die der Ausstellung der Bescheinigung zugrunde gelegt wurden, zutreffend waren, und zum anderen die Situation, in der die betroffenen Mitgliedstaaten uneins darüber sind, welche Rechtsvorschriften in einem konkreten Fall aufgrund der Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 gelten sollen. Vgl. insoweit Art. 84a Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71, Nr. 7 Buchst. c und Nr. 9 des Beschlusses Nr. 181 der oben genannten Verwaltungsentscheidung und Urteil vom 27. April 2017, A‑Rosa Flussschiff (C‑620/15, EU:C:2017:309, Rn. 44 bis 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. außerdem Art. 76 Abs. 6 der Verordnung Nr. 883/2004, Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 987/2009 sowie Nr. 1 des oben genannten Beschlusses A1 der Verwaltungskommission. Wie dargelegt sind die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 und der Beschluss A1 hier zeitlich nicht anwendbar.


68      Siehe insoweit Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge.


69      Vgl. insoweit Nrn. 39 und 40 der vorliegenden Schlussanträge.


70      Vgl. entsprechend zum Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung), dem zu entnehmen ist, dass die Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten „unter außergewöhnlichen Umständen“ beschränkt werden können. Vgl. außerdem Lenaerts, K., „La vie après l’avis: Exploring the principle of mutual (yet not blind) trust“, Common Market Law Review,Bd. 54, Nr. 3, Juni 2017, S. 805 bis 840.


71      Die Feststellung eines Betrugs in Bezug auf die Ausstellung einer Bescheinigung E 101 erfordert, wie mir scheint, oft eine Beurteilung von Sachfragen in dem Mitgliedstaat, in dem diese Bescheinigung ausgestellt worden ist. So kann man davon ausgehen, dass der die Bescheinigung E 101 ausstellende Träger im Allgemeinen am besten in der Lage ist, solche Fragen zu beurteilen.


72      Siehe auch Nr. 45 der vorliegenden Schlussanträge. Ich halte es nicht für zweckmäßig, dass der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Rechtssache die Rechtsfolgen oder die möglichen finanziellen Konsequenzen der Ungültigerklärung oder des Widerrufs der Bescheinigung E 101 für die Beteiligten behandelt. Diese Fragen stellen sich im Ausgangsverfahren nicht. Vgl. dennoch insoweit Teil 1 Punkt 7 des oben genannten Praktischen Leitfadens der Verwaltungskommission, aus dem sich ergibt, dass im Fall eines Betrugs das portable Dokument A1 (Nachfolger der Bescheinigung E 101) rückwirkend widerrufen werden kann.


73      Siehe zur Feststellung eines Betrugs Nrn. 48 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge.