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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GERARD HOGAN

vom 12. November 2019(1)

Rechtssache C535/18

IL,

JK,

KJ,

LI,

NG,

MH,

OF,

PE,

Erbengemeinschaft nach QD, bestehend aus RC und SB,

TA,

UZ,

VY,

WX

gegen

Land Nordrhein-Westfalen

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2011/92/EU – Umweltverträglichkeitsprüfung – Richtlinie 2000/60/EU – Maßnahmen der Union im Bereich der Wasserpolitik – Rechtsbehelf bei Verfahrensfehlern – Nationale Rechtsvorschriften, die den Rechtsbehelf bei Verfahrensfehlern einschränken“






I.      Einleitung

1.        Unter welchen Umständen kann eine Privatperson die Gültigkeit einer Verwaltungsentscheidung, mit der die Genehmigung für ein großes Straßenbauvorhaben erteilt wird, anfechten, weil die Anforderungen des EU-Umweltrechts nicht eingehalten werden? Dies ist eine der grundlegenden Fragen, die das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aufwirft. Es betrifft die Auslegung der Art. 6 und 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im Folgenden: UVP-Richtlinie)(2) sowie von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii und Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie oder WRRL)(3).

2.        Das vorliegende Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens zwischen Privatpersonen (im Folgenden: Kläger) und dem Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) über eine Entscheidung der Bezirksregierung Detmold (Deutschland) zur Genehmigung des Plans für den Neubau der Autobahn A 33/Bundesstraße B 61, Anschlussstelle Ummeln.

3.        Mit den vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen wird der Gerichtshof erneut um eine Stellungnahme nicht nur zum Umfang des den Bürgern zustehenden Rechtsbehelfs in Umweltangelegenheiten ersucht, sondern auch zu weiteren Fragen, die das materielle Umweltrecht der Union berühren, insbesondere dazu, was eine Verschlechterung eines Wasserkörpers im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie darstellt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      UVP-Richtlinie

4.        Art. 6 der UVP-Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Projekt berührt sein könnten, die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahme zu den Angaben des Projektträgers und zu dem Antrag auf Genehmigung abzugeben. Zu diesem Zweck bestimmen die Mitgliedstaaten allgemein oder von Fall zu Fall die Behörden, die anzuhören sind. Diesen Behörden werden die nach Artikel 5 eingeholten Informationen mitgeteilt. Die Einzelheiten der Anhörung werden von den Mitgliedstaaten festgelegt.

(2)      Die Öffentlichkeit wird durch öffentliche Bekanntmachung oder auf anderem geeigneten Wege, wie durch elektronische Medien, soweit diese zur Verfügung stehen, frühzeitig im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2, spätestens jedoch, sobald die Informationen nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung gestellt werden können, über Folgendes informiert:

a)      den Genehmigungsantrag;

b)      die Tatsache, dass das Projekt Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist, und gegebenenfalls die Tatsache, dass Artikel 7 Anwendung findet;

c)      genaue Angaben zu den jeweiligen Behörden, die für die Entscheidung zuständig sind, bei denen relevante Informationen erhältlich sind bzw. bei denen Stellungnahmen oder Fragen eingereicht werden können, sowie zu vorgesehenen Fristen für die Übermittlung von Stellungnahmen oder Fragen;

d)      die Art möglicher Entscheidungen … oder, soweit vorhanden, den Entscheidungsentwurf;

e)      die Angaben über die Verfügbarkeit der Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;

f)      die Angaben, wann, wo und in welcher Weise die relevanten Informationen zugänglich gemacht werden;

g)      Einzelheiten zu den Vorkehrungen für die Beteiligung der Öffentlichkeit nach Absatz 5 dieses Artikels.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens Folgendes zugänglich gemacht wird:

a)      alle Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;

b)      in Übereinstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften die wichtigsten Berichte und Empfehlungen, die der bzw. den zuständigen Behörden zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wird;

c)      in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen [und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26)] andere als die in Absatz 2 dieses Artikels genannten Informationen, die für die Entscheidung nach Artikel 8 dieser Richtlinie von Bedeutung sind und die erst zugänglich werden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wurde.

(4)      Die betroffene Öffentlichkeit erhält frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 zu beteiligen, und hat zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird.

(5)      Die genauen Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit (beispielsweise durch Anschläge innerhalb eines gewissen Umkreises oder Veröffentlichung in Lokalzeitungen) und Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit (beispielsweise durch Aufforderung zu schriftlichen Stellungnahmen oder durch eine öffentliche Anhörung) werden von den Mitgliedstaaten festgelegt.

(6)      Der Zeitrahmen für die verschiedenen Phasen muss so gewählt werden, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die Öffentlichkeit zu informieren, und dass der betroffenen Öffentlichkeit ausreichend Zeit zur effektiven Vorbereitung und Beteiligung während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Artikels gegeben wird.“

5.        Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)      ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)      eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.“

2.      Wasserrahmenrichtlinie

6.        Die Begriffsbestimmungen von „Zustand des Oberflächengewässers“ und von „Zustand des Grundwassers“ sind in Art. 2 Nrn. 17 bzw. 19 der WRRL geregelt. Für die Zwecke der Wasserrahmenrichtlinie ist der „Zustand des Oberflächengewässers“ „die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand“ und der „Grundwasserzustand“ „die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Grundwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den mengenmäßigen und den chemischen Zustand“.

7.        Nach Art. 2 Nr. 25 der WRRL ist ein „guter chemischer Zustand des Grundwassers“ der chemische Zustand eines Grundwasserkörpers, der alle in Tabelle 2.3.2 des Anhangs V der Richtlinie aufgeführten Bedingungen erfüllt.

8.        Art. 4 („Umweltziele“) der WRRL bestimmt:

„(1)      In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt Folgendes:

a)      bei Oberflächengewässern:

i)      [D]ie Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii)      die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Oberflächenwasserkörper, vorbehaltlich der Anwendung der Ziff. iii betreffend künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper, mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 einen guten Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

iii)      die Mitgliedstaaten schützen und verbessern alle künstlichen und erheblich veränderten Wasserkörper mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhang V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 ein gutes ökologisches Potential und einen guten chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

b)      bei Grundwasser:

i)      [D]ie Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7, unbeschadet des Absatzes 8 und vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe j), die erforderlichen Maßnahmen durch, um die Einleitung von Schadstoffen in das Grundwasser zu verhindern oder zu begrenzen und eine Verschlechterung des Zustands aller Grundwasserkörper zu verhindern;

ii)      die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Grundwasserkörper und gewährleisten ein Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und ‑neubildung mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7, unbeschadet des Absatzes 8 und vorbehaltlich des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe j) einen guten Zustand des Grundwassers zu erreichen;

iii)      die Mitgliedstaaten führen die erforderlichen Maßnahmen durch, um alle signifikanten und anhaltenden Trends einer Steigerung der Konzentration von Schadstoffen aufgrund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten umzukehren und so die Verschmutzung des Grundwassers schrittweise zu reduzieren.

…“

B.      Deutsches Recht

9.        § 4 des am 23. August 2017 bekannt gemachten Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (im Folgenden: UmwRG) bestimmt:

„(1)      Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn

1.      eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung …

a)      erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder

b)      erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit

weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist,

2.      eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes‑Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder

3.      ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der

a)      nicht geheilt worden ist,

b)      nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und

c)      der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.

Eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Absatz 3 Satz 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genügt, steht einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gleich.

(1a)      Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.

(1b)      Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben

1.      § 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie

2.      § 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.

Auf Antrag kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Heilung von Verfahrensfehlern im Sinne der Absätze 1 und 1a ausgesetzt wird, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.

(2)      …

(3)      Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von

1.      Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie

2.      Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.

Auf Rechtsbehelfe von Personen und Vereinigungen nach Satz 1 Nummer 1 ist Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.

(4)      Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. …“

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

10.      Mit Beschluss vom 27. September 2016 stellte die Bezirksregierung Detmold (im Folgenden: Zulassungsbehörde) auf Antrag des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Vorhabenträger) den Plan für den Neubau der Autobahn A 33/Bundesstraße B 61, Anschlussstelle Ummeln, fest. Der planfestgestellte Abschnitt umfasst eine Länge von rund 3,7 km.

11.      Der Beschluss erlaubte dem Vorhabenträger auch, auf den Straßenoberflächen anfallendes Niederschlagswasser in drei Gewässer bzw. in das Grundwasser einzuleiten. Er enthielt jedoch auch zahlreiche Nebenbestimmungen, die die Wasserqualität gewährleisten sollen, sowohl hinsichtlich der Oberflächengewässer als auch hinsichtlich der Versickerung in das Grundwasser.

12.      Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 30. August bis 29. September 2010 öffentlich aus. In der der Auslegung vorangegangenen Bekanntmachung wurden Unterlagen zu Verkehr, Artenschutz und Fauna genannt, nicht jedoch Unterlagen zum Lärmschutz und zur geplanten Entwässerung. Gegen das Fehlen dieser Unterlagen wurden öffentliche Einwendungen erhoben. Am 10. und 11. April 2013 fand ein Erörterungstermin statt.

13.      Aufgrund der Ergebnisse des Konsultationsverfahrens und Einwände der Wasserbehörde beschloss der Vorhabenträger verschiedene Änderungen des Plans, insbesondere in Bezug auf die Entwässerung von Niederschlagswasser. Er erstellte anschließend ein „Deckblatt“, auf dem die vorgelegten Unterlagen aufgeführt und gegebenenfalls daran vorgenommene Änderungen angegeben sind. Es wurden nun zwar zwei verkehrs- und lärmbezogene Unterlagen genannt, nicht jedoch technische Untersuchungen zur Entwässerung. Anschließend wurden in der weiteren neuerlichen Konsultation, die vom 19. Mai bis 18. Juni 2014 stattfand, weitere öffentliche Einwendungen erhoben.

14.      Vor diesem Hintergrund haben sich die Kläger – die in einigen Fällen von einer möglichen Enteignung ihrer privaten Grundstücke bedroht sind oder in anderen Fällen über einen Hausbrunnen für ihre private Trinkwasserversorgung verfügen und eine mögliche Verunreinigung ihrer Wasserversorgung befürchten – mit Klage beim Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) gegen den Planfeststellungsbeschluss gewandt.

15.      Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass keine dokumentierte gewässerkörperbezogene Prüfung der Einhaltung der Gewässerschutzanforderungen stattgefunden habe. Im Planfeststellungsbeschluss werde lediglich zusammenfassend festgestellt, dass vorhabenbedingt weder mit einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers noch mit einer Verschlechterung eines Grundwasserkörpers zu rechnen sei. Erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens habe die Zulassungsbehörde einen 48 Seiten umfassenden technischen Bericht vorgelegt, in dem die betroffenen Wasserkörper und die Auswirkungen des Vorhabens auf deren Qualität beschrieben würden, ohne diesen förmlich zum Inhalt des angefochtenen Beschlusses zu machen.

16.      In der Sache ist das vorlegende Gericht zunächst der Auffassung, dass die Öffentlichkeit im Laufe des Konsultationsverfahrens nicht hinreichend über die Umweltauswirkungen des Vorhabens informiert worden sei. Es stellt jedoch fest, dass nach nationalem Recht ein solcher Verfahrensfehler nur dann von einem Individualkläger geltend gemacht werden und nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen könne, wenn ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden sei. Auch wenn in der vorliegenden Rechtssache der Verfahrensfehler seiner Auffassung nach das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst habe, weist es darauf hin, dass es bei einem Rechtsbehelf eines Individualklägers nur darauf ankomme, ob ihm diese Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden sei. Mit dieser Regelung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen von Einzelpersonen stehen die nationalen Rechtsvorschriften indes nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht im Widerspruch zu dem mit der UVP-Richtlinie verfolgten Ziel, der Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren.

17.      Sodann stellt das vorlegende Gericht in Frage, ob die Prüfung in Bezug auf das Verbot der Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern erst nach Erlass der Planfeststellungsentscheidung stattfinden und anhand entsprechender Dokumentationen nachvollziehbar sein könne.

18.      Ferner geht das vorlegende Gericht davon aus, dass das Verbot der Verschlechterung von Wasserkörpern nicht nur für Oberflächengewässer, sondern auch für das Grundwasser gelte, so dass auch dessen Zustand vor der Genehmigung des Vorhabens bewertet werden müsse. Es fragt indes nach dem Prüfungsmaß für die Beurteilung, ob sich der chemische Zustand eines Grundwasserkörpers verschlechtert, da die WRRL insoweit nur zwischen einem guten und schlechten Zustand unterscheide.

19.      Schließlich folgt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts aus der Verpflichtung zur Verhinderung der Verschlechterung und dem Gebot der Verbesserung von Gewässerkörpern nach Art. 4 der WRRL trotz des verbindlichen Charakters dieser Bestimmung nicht, dass alle Mitglieder der Öffentlichkeit, die von einem Vorhaben betroffen seien und sich auf eine Verletzung ihrer Rechte beriefen, die Möglichkeit haben müssten, eine gegen diese Verpflichtungen verstoßende Entscheidung anzufechten.

IV.    Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 2018, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie dahin auszulegen, dass mit ihm eine Vorschrift des nationalen Rechts vereinbar ist, nach der ein Kläger, der keine anerkannte Umweltvereinigung ist, die Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn der Verfahrensfehler ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat?

2.      a)      Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der WRRL dahin auszulegen, dass er nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren beinhaltet?

b)      Falls die Frage a zu bejahen ist: Muss sich die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 der UVP-Richtlinie stets zwingend auf die Unterlagen zur wasserrechtlichen Prüfung im vorgenannten Sinne beziehen, oder ist eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage und deren Komplexität zulässig?

3.      Ist der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Grundwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der WRRL dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird, und dass unabhängig davon dann, wenn für einen Schadstoff der maßgebliche Schwellenwert bereits überschritten ist, jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung darstellt?

4      a)      Ist Art. 4 der WRRL – unter Berücksichtigung seiner verbindlichen Wirkung (Art. 288 AEUV) und der Garantie wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 EUV) – dahin auszulegen, dass alle Mitglieder der von einem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit, die geltend machen, von der Genehmigung des Vorhabens in ihren Rechten verletzt zu sein, auch befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen?

b)      Falls die Frage a zu verneinen ist: Ist Art. 4 der WRRL – unter Berücksichtigung seiner Zielsetzung – dahin auszulegen, dass jedenfalls solche Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßentrasse Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten, befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen?

21.      Schriftliche Erklärungen sind von den Klägern, der polnischen Regierung und der Europäischen Kommission eingereicht worden. Die Kläger und die Kommission haben in der Sitzung vom 19. September 2019 vor dem Gerichtshof mündliche Ausführungen gemacht. Ich kann jedoch nicht umhin, festzuhalten, dass die Tatsache, dass weder das Land Nordrhein-Westfalen noch die Bundesrepublik Deutschland es für angezeigt hielten, schriftliche Stellungnahmen einzureichen oder auch an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, etwas bedauerlich ist. Da die vorliegende Rechtssache die Auslegung recht komplexer Bestimmungen des deutschen Verwaltungs- und Umweltrechts betrifft, wäre es vielleicht besser gewesen, wenn dem Gerichtshof Gelegenheit gegeben worden wäre, Stellungnahmen der beiden für die Anwendung bzw. Gestaltung der betreffenden Rechtsvorschriften zuständigen Stellen zu hören.

V.      Würdigung

A.      Erste Frage

22.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass damit eine Vorschrift des nationalen Rechts vereinbar ist, nach der ein Kläger, der keine anerkannte Umweltvereinigung ist, die Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn der Verfahrensfehler ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.

1.      Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund von Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie und seine Auslegung

23.      Nach Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

24.      Diese Bestimmung entspricht Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten(4), der seinerseits weitgehend Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten entsprach, das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005(5) genehmigt wurde (im Folgenden auch: Aarhus-Übereinkommen oder Übereinkommen von Aarhus). Fest steht, dass Art. 10a zusammen mit anderen Bestimmungen durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337 und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten(6) in die Richtlinie 85/337 aufgenommen wurde, um das Unionsrecht an die Anforderungen des Aarhus-Übereinkommens anzupassen(7). Es ist ebenso unstreitig, dass dieses Übereinkommen integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist(8).

25.      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass zum einen die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Bestimmungen der UVP-Richtlinie eine Kontrolle ist, an der der Unionsgesetzgeber im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Aarhus Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, beteiligen wollte, um zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen(9), und dass zum anderen ein Mitgliedstaat dann, wenn er verfahrensrechtliche Vorschriften erlässt, die auf Rechtsbehelfe gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus anwendbar sind, der Mitgliedstaat eine Verpflichtung umsetzt, die sich aus diesem Artikel ergibt. Daraus folgt daher wiederum, dass der Mitgliedstaat das Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) durchführt, so dass die Charta dementsprechend anwendbar ist(10).

26.      Vor diesem Hintergrund steht fest, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, „[diese Bestimmung, nämlich Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus i]n Verbindung mit Art. 47 der Charta … die Mitgliedstaaten [verpflichtet], einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten“(11).

27.      Daher verfügen die Mitgliedstaaten zwar über einen weiten Wertungsspielraum bei der Bestimmung dessen, was ein „ausreichendes Interesse“ oder eine „Rechtsverletzung“ darstellt, die Bestimmungen des Art. 11 der UVP-Richtlinie über die Rechte der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, dürfen indes nicht restriktiv(12) oder in einer Weise ausgelegt werden, die die Substanz des Rechts eines Widerspruchsführers auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz missachtet.

28.      Der Wortlaut von Art. 11 Abs. 3 der UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 des Aarhus-Übereinkommens bestätigt ferner, dass der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten dadurch eingeschränkt wird, dass das Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, beachtet werden muss(13).

2.      Anwendbarkeit von Art. 11 der UVP-Richtlinie auf die vorliegende Rechtssache

29.      In der vorliegenden Rechtssache ist nach den nationalen Rechtsvorschriften Voraussetzung für die Nichtigerklärung einer Entscheidung, dass der fragliche Verfahrensverstoß dazu geführt hat, dass dem Betroffenen die tatsächliche Möglichkeit einer gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde. Es stellt sich dann die Frage, ob diese Voraussetzung selbst mit den Anforderungen von Art. 11 der UVP-Richtlinie vereinbar ist.

30.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit der Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten für einen Zugang der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit zu einem Überprüfungsverfahren zwecks Anfechtung der materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Bestimmungen der UVP-Richtlinie sorgen müssen, die Gründe, auf die ein solches Verfahren gestützt werden darf, nicht beschränken wollte(14). Ebenso wie „er die Möglichkeit, einen Verfahrensfehler geltend zu machen, nicht an die Voraussetzung knüpfen [wollte], dass dieser Fehler Auswirkungen auf den Inhalt der angegriffenen endgültigen Entscheidung hatte“(15), lässt sich dem Wortlaut und Ziel von Art. 11 der UVP-Richtlinie – mit dem auf dem Gebiet des Umweltschutzes ein weiter Zugang zu Gerichten gewährt werden soll – auch entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber das Recht der Einzelperson auf Anfechtung umweltbezogener Entscheidungen nicht einfach auf jene besondere Kategorie von Fällen beschränken wollte, in denen dem Kläger aufgrund eines Verfahrensfehlers das gesetzlich vorgesehene Recht auf Beteiligung am gesamten Entscheidungsprozess genommen wurde.

31.      Wie der Gerichtshof in seinem Urteil Gemeinde Altrip u. a. bereits entschieden hat, „kommt“ im Gegenteil, „da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.“(16)

32.      Dies gilt insbesondere für Umweltverträglichkeitsprüfungen selbst, da dieser zentrale Aspekt des Umweltschutzes durchaus beeinträchtigt werden könnte, wenn solche Entwicklungsprojekte ohne eine den angemessenen rechtlichen Standards entsprechende Prüfung genehmigt würden. Daraus folgt daher, dass eine von der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung betroffene Person berechtigt sein muss, jeden relevanten Verfahrensfehler in Bezug auf diese Verwaltungsentscheidung zu rügen, sofern nicht die zuständigen Behörden nachweisen, dass die angegriffene Entscheidung ohne diesen Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre(17).

33.      Zwar unterscheidet Art. 11 Abs. 3 der UVP-Richtlinie – im Anschluss an Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens – ganz deutlich zwischen der Lage von Einzelpersonen einerseits und Umweltschutzorganisationen andererseits. Die nationalen Gesetzgeber dürfen daher insoweit grundsätzlich vorsehen, dass die einzigen Rechte, auf deren Verletzung Einzelpersonen, die gegen ein Entwicklungsvorhaben – wie in der vorliegenden Rechtssache die Autobahnanschlussstelle – vorgehen wollen, sich berufen können, subjektive Rechte Einzelner sind. Eine solche nationale Einschränkung kann dagegen nicht für Klagen von Umweltschutzorganisationen gelten(18).

34.      Mit anderen Worten haben das Aarhus-Übereinkommen und die UVP-Richtlinie zwar in gewissem Maße eine Form der Popularklage auf dem Gebiet des Umweltschutzes für Umweltschutzorganisationen zugelassen, hiervon aber für Klagen von Privatpersonen ausdrücklich abgesehen. Zu erinnern ist jedoch daran, dass Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta zu verstehen ist, so dass die Mitgliedstaaten danach verpflichtet sind, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Unionsrecht garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten(19). Hieraus folgt wiederum, dass Art. 11 der UVP-Richtlinie über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden darf(20).

35.      Insoweit ist daher anzuerkennen, dass die in der UVP-Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien – insbesondere die in Art. 6 genannten – als subjektive Rechte Einzelner anzusehen sind. Vor diesem Hintergrund darf der Einzelne durch eine nationale Regelung vernünftigerweise dazu verpflichtet werden, nachzuweisen, dass ihm mindestens eine dieser Verfahrensgarantien – wie beispielsweise der Zugang zu relevanten Unterlagen – genommen wurde, um die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung verlangen zu können. Mit diesem Erfordernis kann etwa bezweckt werden, wichtigen Interessen einer effizienten und geordneten Rechtspflege Rechnung zu tragen und insbesondere dafür zu sorgen, dass Nichtigkeitsklagen von Privatpersonen erhoben werden, die von dem behaupteten Verstoß in irgendeiner Weise betroffen sind oder dies geltend machen.

36.      Wenn die betreffende nationale Regelung lediglich diese Wirkung hat, stünde sie mit dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie im Einklang und würde gleichzeitig das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel wahren, einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Wenn die betreffende nationale Regelung jedoch die Wirkung hat, dass das Recht einer Einzelperson, die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung zu verlangen, von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass ihr das Recht auf Beteiligung am gesamten Entscheidungsprozess genommen wurde – weil die in der UVP-Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien nicht als subjektive Rechte Einzelner angesehen würden –, würde sich die Sache ganz anders darstellen. Meines Erachtens würde eine solche Sachlage einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie darstellen, da diesen Widerspruchsführern die Substanz ihres Rechts auf Zugang zu einem Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten genommen würde.

37.      Diese Schlussfolgerung steht auch im Einklang mit den Erfordernissen nach Art. 47 und Art. 52 Abs. 1 der Charta(21). Wie ich gerade im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie festgestellt habe, dient ein allgemeines Erfordernis, wonach eine Privatperson geltend machen muss, von dem Verfahrensfehler betroffen zu sein, den sie rügt, sicherlich den Interessen der allgemeinen Rechtspflege und geht nicht über das zur Wahrung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Eine solche Voraussetzung könnte daher nicht als mit den Erfordernissen des Art. 47 der Charta unvereinbar angesehen werden. Wenn die nationale Regelung jedoch die Wirkung hat, das Widerspruchsrecht ausschließlich auf solche Fälle zu beschränken, in denen die Privatperson nachweisen kann, dass ihr das Recht auf Beteiligung am gesamten Verfahren genommen wurde, wäre ein solches Erfordernis übermäßig und unverhältnismäßig. Ergänzt sei, dass eine solche Sachlage zu dem Ziel im Widerspruch stände, einen wirksamen Umweltschutz in dem sowohl vom Aarhus-Übereinkommen als auch von der UVP-Richtlinie verfolgten Sinne zu gewährleisten. Somit würde durch eine solche, sich aus einer derartigen nationalen Regelung ergebende Beschränkung der von mir soeben genannten Art der Wesensgehalt des in Art. 47 der Charta anerkannten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nicht gewahrt.

3.      Ergebnis zu Frage 1

38.      Demnach steht aufgrund der vorstehenden Erwägungen meines Erachtens Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein Kläger, der keine anerkannte Umweltorganisation ist, die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn er nachweist, dass ihm selbst mindestens eine der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien, insbesondere die in Art. 6 genannten, genommen wurde. Dagegen steht Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen, die das Recht einer Einzelperson, die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung zu verlangen, von der Voraussetzung abhängig macht, dass ihr das Recht auf Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde, weil die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien nicht als subjektive Rechte Einzelner angesehen werden.

B.      Zweite Frage

39.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren beinhaltet, so dass ausgeschlossen wäre, dass die Prüfung in Bezug auf das Verbot der Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern erst nach Erlass der Planfeststellungsentscheidung stattfinden könnte und anhand entsprechender Dokumentationen nachvollziehbar würde.

40.      Falls dies zu bejahen ist, möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, ob eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von Art. 6 der UVP-Richtlinie sich stets auf die Unterlagen zur Prüfung nach der Wasserrahmenrichtlinie beziehen muss oder ob eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage und deren Komplexität zulässig ist.

41.      Wie vom vorlegenden Gericht in seiner Entscheidung festgestellt, ist die Antwort auf diese Frage im Geltungsbereich der Habitatrichtlinie eindeutig: Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie muss eine Prüfung auf Verträglichkeit des Plans bzw. Projekts für das betreffende Gebiet vor seiner Genehmigung stattfinden(22). Es ist daher Sache der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, im Licht der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung für das betreffende Gebiet einen Plan bzw. ein Projekt zu genehmigen, und zwar erst, nachdem sie zuvor festgestellt haben, dass dieses Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird(23).

42.      Auch wenn die Wasserrahmenrichtlinie eine genau gleiche Bestimmung nicht enthält, ist darauf hinzuweisen, dass erstens eine Nichteinhaltung der Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der WRRL und von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie die gleichen Folgen hat; zweitens werden mit der erstgenannten Bestimmung die gleichen Ziele verfolgt, auf die der Gerichtshof auch seine Auslegung der letztgenannten Bestimmung stützt; drittens stehen beide im gleichen allgemeinen rechtlichen und umweltbezogenen Kontext.

43.      Erstens muss, wie bereits angeführt, nach der Habitatrichtlinie die zuständige Behörde die Genehmigung des Planes oder des Projekts versagen, wenn Unsicherheit darüber besteht, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gebiet als solches auftreten(24). Ferner steht fest, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der WRRL vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet sind, die Erteilung einer Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach dieser Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet(25).

44.      Zweitens hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie „einen Beitrag zur Verwirklichung des mit den aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen verfolgten Ziels, das gemäß Art. 2 Abs. 2 darin besteht, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Union zu bewahren oder wiederherzustellen, und des allgemeineren Ziels der Richtlinie [leistet], ein hohes Niveau des Umweltschutzes für die gemäß ihren Bestimmungen geschützten Gebiete zu gewährleisten“(26). Diese beiden konkreten und allgemeinen Ziele werden auch mit Art. 4 der WRRL auf dem Gebiet des Gewässerschutzes verfolgt. Nach Auffassung des Gerichtshofs trägt diese Bestimmung nämlich zum einen zur Verwirklichung des Hauptziels bei, das mit den nach der WRRL ergriffenen Maßnahmen verfolgt wird, nämlich, die Umwelt zu schützen, und zum anderen, insbesondere die Qualität der aquatischen Umwelt der Union zu erhalten und allgemein zu verbessern (vgl. Art. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 11, 19, 27 und 34 der Richtlinie)(27).

45.      Drittens schließt das Genehmigungskriterium nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie nach ständiger Rechtsprechung den Vorsorgegrundsatz ein und soll damit Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solcher durch Pläne oder Projekte verhüten(28). Daher können die zuständigen nationalen Behörden die betreffende Tätigkeit nur dann genehmigen, wenn sie festgestellt haben, dass sie sich nicht nachteilig auf dieses Gebiet als solches auswirkt(29). Dies muss ebenso für Art. 4 Abs. 1 der WRRL gelten, da diese Richtlinie auf Art. 175 EGV (jetzt Art. 192 AEUV) beruht. Damit trägt sie zur Erreichung der Ziele der Umweltpolitik der Union bei, die – wie in Art. 191 Abs. 2 AEUV (früher Art. 174 Abs. 2 EGV) ausdrücklich vorgeschrieben und im elften Erwägungsgrund der WRRL angeführt – auf dem Vorsorgegrundsatz beruht.

46.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen dürfte Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Wasserrahmenrichtlinie meines Erachtens dahin auszulegen sein, dass er nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab beinhaltet, sondern notwendigerweise darüber hinaus auch voraussetzt, dass jede Prüfung oder Überprüfung dieser Kriterien in Bezug auf das Verbot der Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern vor dem Erlass der Planfeststellungsentscheidung stattfinden muss.

47.      Ferner ist festzuhalten, dass diese Auslegung bereits im Urteil vom 1. Juni 2017, Folk (C‑529/15, EU:C:2017:419), zum Ausdruck kommt. Der Gerichtshof stellte nämlich fest, dass ein nationales Gericht nicht selbst prüfen muss, ob die Bedingungen nach Art. 4 Abs. 7 der WRRL erfüllt sind – wonach eine Genehmigung erteilt werden kann, auch wenn das Projekt voraussichtlich negative Auswirkungen auf das Wasser haben wird –, und sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rechtsakts beschränken kann, soweit die zuständige nationale Behörde die Bewilligung erteilt hat, ohne die Einhaltung dieser Bedingungen zu prüfen(30). Vor allem aber hat der Gerichtshof festgestellt, dass „[u]nbeschadet der Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung … die für die Bewilligung eines Vorhabens zuständigen nationalen Behörden vor der Bewilligung … zu prüfen [haben], ob die in Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60 aufgeführten Bedingungen erfüllt sind“(31). Der der WRRL zugrunde liegende Vorsorgegrundsatz setzt somit notwendigerweise voraus, dass die sich aus Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie ergebende Verpflichtung zur vorherigen Prüfung – die in Bezug auf die Anwendbarkeit einer Ausnahme gilt – auch für die Hauptverpflichtung nach Abs. 1 dieses Artikels gilt.

48.      Was den zweiten Teil der zweiten Frage betrifft, ist es meines Erachtens im Kontext der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 der UVP-Richtlinie nicht zulässig, eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Erstellung der für die Prüfung nach der WRRL relevanten Unterlage oder deren Komplexität vorzunehmen.

49.      Erstens ist im Blick zu behalten, dass an jeder Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Bestimmungen der UVP-Richtlinie – im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Aarhus – Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit beteiligt werden sollen, um zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen(32).

50.      Zweitens ist Art. 6 der UVP-Richtlinie im Licht der Anforderungen von Art. 6 des Aarhus-Übereinkommens, das mit ihr umgesetzt wird, auszulegen. Wie Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:249) erläutert hat, soll die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen, die erhebliche Umweltauswirkungen haben können, frühzeitig zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann. Dies hebt den Zweck der frühzeitigen Beteiligung in dem Sinne hervor, dass „[s]ie … wirksamer [ist], wenn sie bei der Verwirklichung des Vorhabens umfassend berücksichtigt werden kann“(33). Ferner mag angeführt werden, dass dieses Bestreben, die Beteiligung der Öffentlichkeit vor dem Erlass endgültiger Entscheidungen sicherzustellen, auf dem Gebiet des Gewässerschutzes im 46. Erwägungsgrund der WRRL ausdrücklich genannt wird.

51.      Insoweit dürfte auf der Hand liegen, dass die vom vorlegenden Gericht erwogenen Differenzierungen diesen Zielen zuwiderlaufen würden. Zum einen würde eine Differenzierung nach dem Datum einer Unterlage voraussichtlich dazu führen, dass bestimmte Projekte genehmigt würden, ohne dass die betroffene Öffentlichkeit im Vorhinein über ihre potenziellen Umweltauswirkungen informiert worden wäre. Zum anderen könnte eine Unterscheidung je nach der Komplexität einer Unterlage dazu führen, dass die nationalen Behörden einen selektiven – und möglicherweise subjektiven – Ansatz zum Nachteil der betroffenen Öffentlichkeit und gegebenenfalls des Umweltschutzes verfolgen.

52.      Demnach komme ich aufgrund der vorstehenden Erwägungen zu dem Ergebnis, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab beinhaltet, sondern auch voraussetzt, dass die Prüfung in Bezug auf das Verbot der Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern, unabhängig vom Zeitpunkt des Ergehens oder der Komplexität der für diese Überprüfung relevanten Unterlage, vor dem Erlass der Planfeststellungsentscheidung stattfinden muss.

C.      Dritte Frage

53.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Grundwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der WRRL dahin auszulegen ist, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird, und dass unabhängig davon dann, wenn für einen Schadstoff der maßgebliche Schwellenwert bereits überschritten ist, jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung darstellt.

54.      Im Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433) hat der Gerichtshof auf der Grundlage einer wörtlichen und kontextuellen Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL und im Licht der Ziele dieser Richtlinie entschieden, dass der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in dieser Bestimmung dahin auszulegen ist, dass „eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt“(34). Der Gerichtshof führte weiter aus, dass, „[wenn] die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet [ist], … jede Verschlechterung dieser Komponente eine ‚Verschlechterung des Zustands‘ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dar[stellt]“(35).

55.      Zwar unterscheidet die WRRL anders als bei Oberflächenwasserkörpern – für die sie eine Abstufung in fünf ökologische Zustandsklassen vorsieht – in Bezug auf den mengenmäßigen und chemischen Zustand des Grundwassers nur zwischen gutem und schlechtem Zustand. Der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ von Wasserkörpern im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie sollte meines Erachtens jedoch unabhängig davon, ob es sich um Oberflächen- oder Grundwasser handelt, durchaus ähnlich ausgelegt werden.

56.      Neben den Umweltzielen der WRRL, die nach Art. 4 Abs. 1 für Oberflächengewässer und Grundwasser eindeutig ähnlich sind, können nämlich auch die Grundlage für die wörtliche Auslegung und das kontextuelle Argument, auf die der Gerichtshof seine Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL stützt, sinngemäß auch für Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i herangezogen werden(36).

57.      Erstens spricht, ebenso wie bei Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i, der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der WRRL für eine Auslegung, die von den Spezifikationen des Anhangs V unabhängig ist, da in beiden Bestimmungen ausdrücklich festgelegt ist, dass eine Verschlechterung des Zustands aller Wasserkörper – ob Oberflächen- oder Grundwasser – verhindert werden soll. Es beziehen sich nämlich nur Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii und iii und Buchst. b Ziff. ii der WRRL auf Anhang V, diese Bestimmungen betreffen indes die Verpflichtung zur Verbesserung des Zustands von Wasserkörpern. Bei der Verpflichtung zur Verhinderung einer Verschlechterung und der Verpflichtung zur Verbesserung handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Ziele(37). Außerdem ist nach der Definition in Art. 2 Nr. 19 der WRRL – ähnlich wie bei derjenigen nach Art. 2 Nr. 17 derselben Richtlinie für den Zustand des Oberflächengewässers – der Zustand des Grundwassers die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Grundwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den mengenmäßigen und den chemischen Zustand.

58.      Ebenso wie bei Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL stellt daher auch der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i in allgemeiner Form ohne den Bezug zu der Einstufung in Anhang V die Verpflichtung auf, eine Verschlechterung des Grundwasserzustands zu verhindern.

59.      Zweitens basiert zwar die Bewertung des Zustands des Oberflächenwassers auf einer Analyse des ökologischen Zustands, die fünf Klassen umfasst, während die Bewertung des Grundwasserzustands auf einer Analyse des mengenmäßigen und des chemischen Zustands anhand der Tabellen 2.1.2. und 2.3.2. des Anhangs V basiert(38).

60.      Wie gerade angemerkt, nimmt jedoch weder Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL noch Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i auf Anhang V Bezug. Vor diesem Hintergrund ist ebenso wie bei dem Begriff der „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers der Begriff der „Verschlechterung des Zustands“ eines Grundwasserkörpers als Begriff von allgemeiner Tragweite zu betrachten. Die hierzu in diesen Tabellen festgelegten Klassen und Bedingungen sind demzufolge – in der Formulierung des Gerichtshofs im Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – „nur ein Instrument, das den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Qualitätskomponenten beschränkt, die den tatsächlichen Zustand eines bestimmten Wasserkörpers widerspiegeln“(39).

61.      Drittens ist auch Art. 4 Abs. 5 Buchst. c der WRRL zu berücksichtigen, der jede weitere Verschlechterung für bestimmte Wasserkörper, für die die Mitgliedstaaten möglicherweise weniger strenge Umweltziele verfolgen, ausdrücklich verbietet(40).

62.      Vor diesem Hintergrund ist, wie der Gerichtshof für „Wasserkörper“ im Allgemeinen festgestellt hat, der Begriff der „Verschlechterung“ im Hinblick auf eine Qualitätskomponente oder einen Stoff auszulegen, so dass „die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers … ihre volle praktische Wirksamkeit [behält], da sie jede Veränderung umfasst, die geeignet ist, die Verwirklichung des Hauptziels der [WRRL] zu beeinträchtigen“(41). Dieser Auslegung gebührt erst recht im Fall eines Grundwasserkörpers der Vorzug, für den es nur den Zustand „gut“ oder „schlecht“ geben kann, während es für Oberflächengewässer fünf Zustandsklassen geben kann.

63.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof bereits in ähnlicher allgemeiner Form darauf hingewiesen, dass sich, „[w]as die Kriterien angeht, anhand deren auf eine Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers geschlossen werden kann, … aus der Systematik von Art. 4 der [WRRL] und insbesondere dessen Abs. 6 und 7 ergibt, dass Verschlechterungen des Zustands eines Wasserkörpers, seien sie auch vorübergehend, nur unter strengen Bedingungen zulässig sind. Folglich muss der Schwellenwert, ab dem ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Vermeidung einer Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers festgestellt wird, niedrig sein.“(42)

64.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 25 der WRRL ein „guter chemischer Zustand des Grundwassers“ der chemische Zustand eines Grundwasserkörpers ist, der alle in Tabelle 2.3.2 des Anhangs V aufgeführten Bedingungen erfüllt. Das heißt, dass die die chemische Zusammensetzung des Grundwasserkörpers so beschaffen ist, dass die Schadstoffkonzentrationen keine Anzeichen für Salz- oder andere Intrusionen erkennen lassen und die Qualitätsnormen und Schwellenwerte der Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung(43) nicht überschreiten und nicht so beschaffen sind, dass dies zur Folge haben könnte, dass die Umweltziele des Art. 4 für verbundene Oberflächengewässer nicht erreicht werden können oder eine signifikante Verschlechterung der ökologischen oder chemischen Qualität dieser Wasserkörper oder signifikante Schädigungen terrestrischer Ökosysteme, die direkt vom betreffenden Grundwasserkörper abhängen, eintreten könnten.

65.      Wie nach Art. 17 der WRRL vorgesehen, legt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/118 somit Kriterien für die Beurteilung des chemischen Zustands des Grundwassers fest. Nach dieser Bestimmung haben die Mitgliedstaaten die in Anhang I aufgeführten Grundwasserqualitätsnormen und Schwellenwerte heranzuziehen, die sie nach dem in Anhang II Teil A genannten Verfahren für die Schadstoffe, Schadstoffgruppen und Verschmutzungsindikatoren festzulegen haben, die zur Einstufung von Grundwasserkörpern oder Gruppen von Grundwasserkörpern als gefährdet beitragen, und hierbei zumindest die Liste in Anhang II Teil B zu berücksichtigen.

66.      Vor diesem Hintergrund dürfte der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Grundwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Wasserrahmenrichtlinie meines Erachtens dahin auszulegen sein, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, wenn vorhabenbedingt eine Umweltqualitätsnorm im Sinne von Anhang I der Richtlinie 2006/118 oder ein Schwellenwert eines Mitgliedstaats im Sinne von Anhang II dieser Richtlinie bei mindestens einem Schadstoff überschritten wird oder wenn die anderen, in Anhang V Tabelle 2.3.2 der WRRL genannten Bedingungen nicht eingehalten werden. Liegt der Grundwasserkörper jedoch bereits in der niedrigsten Klasse im Sinne von Anhang V der WRRL, würde jede spätere Erhöhung der Schadstoffkonzentration, die die vom Mitgliedstaat festgelegten Umweltqualitätsnormen oder Schwellenwerte überschreitet, zwangsläufig eine Verschlechterung darstellen. In diesem Fall stellt ein Anstieg der Konzentration eines anderen Schadstoffs auch eine Verschlechterung dar, wenn er die vom Mitgliedstaat festgelegten Umweltqualitätsnormen oder Schwellenwerte überschreitet.

67.      Wenn nämlich eine nachteilige Veränderung eines der Parameter für den Zustand eines als schlecht eingestuften Grundwasserkörpers nicht als Verschlechterung qualifiziert werden könnte, würde dies bedeuten, dass eine weitere Verschlechterung des Zustands des Grundwassers hingenommen und ferner Gewässer der niedrigsten Klasse vom Geltungsbereich der Verpflichtung zur Verhinderung einer Verschlechterung ihres Zustands ausgenommen würden. Da die Einstufung des Grundwasserkörpers von dem jeweils schlechteren Wert der herangezogenen Parameter abhängt, könnten alle anderen Werte abgesenkt werden, ohne dass dies rechtliche Folgen hätte. Dies würde folglich zur Genehmigung von Vorhaben führen, die der in der WRRL genannten Verpflichtung zur Vermeidung von Verschlechterungen und zur Verbesserung des Gewässerzustands zuwiderlaufen, und damit der WRRL ihre praktische Wirksamkeit nehmen(44).

D.      Vierte Frage

68.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 der WRRL dahin auszulegen ist, dass alle Mitglieder der von einem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit, die geltend machen, von der Genehmigung des Vorhabens in ihren Rechten verletzt zu sein, auch befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot für die Wasserqualität gerichtlich geltend zu machen. Alternativ fragt das vorlegende Gericht, ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass jedenfalls solche Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßentrasse Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten, befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen.

69.      Es kann nicht bestritten werden, dass Art. 4 der WRRL zur Verwirklichung des Hauptziels beiträgt, das mit den nach der Richtlinie ergriffenen Maßnahmen verfolgt wird, nämlich, die Umwelt zu schützen, insbesondere die Qualität der aquatischen Umwelt der Union zu erhalten und zu verbessern (vgl. Art. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 11, 19 und 27 der Richtlinie)(45).

70.      Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass „es mit der einer Richtlinie durch Art. 288 AEUV zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar [wäre], grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. Die praktische Wirksamkeit der [WRRL] und deren Ziel des Umweltschutzes … verlangen, dass Einzelne oder gegebenenfalls eine ordnungsgemäß gegründete Umweltorganisation sich vor Gericht auf sie berufen und die nationalen Gerichte sie als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen können, um insbesondere zu prüfen, ob die nationale Behörde, die ein Vorhaben genehmigt hat, das Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer haben kann, ihre Verpflichtungen aus Art. 4 der Richtlinie, insbesondere die Verpflichtung, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, beachtet hat und somit innerhalb des den zuständigen nationalen Behörden in dieser Bestimmung eingeräumten Gestaltungsspielraums geblieben ist.“(46)

71.      Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt(47). Die Wasserrahmenrichtlinie hat die gleiche Zielsetzung, da eine gute Wasserqualität für die allgemeine öffentliche Trinkwasserversorgung von zentraler Bedeutung ist(48).

72.      Insoweit „[müssen die Mitgliedstaaten b]ei der Festlegung der Modalitäten gerichtlicher Rechtsbehelfe zum Schutz der durch die [WRRL] eingeräumten Rechte … die Beachtung des in Art. 47 der Charta, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt, verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht gewährleisten“ (49).

73.      Daher habe ich im Rahmen der Würdigung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts darzulegen versucht, dass die Mitgliedstaaten zwar über einen weiten Wertungsspielraum bei der Bestimmung dessen verfügen, was ein „ausreichendes Interesse“ oder eine „Rechtsverletzung“ darstellt, die Bestimmungen des Art. 11 der UVP-Richtlinie über das Klagerecht der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, indes nicht restriktiv ausgelegt werden dürfen(50). Der Wortlaut von Art. 11 Abs. 3 der UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 des Aarhus-Übereinkommens bestätigt, dass der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten dadurch eingeschränkt wird, dass das Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, beachtet werden muss(51).

74.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof vor Kurzem entschieden, dass „zumindest natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von einer Verletzung von Richtlinienbestimmungen betroffen sind, die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen [wie der in Art. 4 der WRRL verankerten] bei den zuständigen Behörden – gegebenenfalls auch auf dem Rechtsweg – einfordern können müssen“(52). Da dieses Erfordernis, „unmittelbar betroffen“ zu sein, eine Beschränkung des Zugangs zu Gerichten darstellt, ist es jedoch eng auszulegen. Festgehalten werden kann ferner, dass der Gerichtshof eine konkrete, unabweisbare Gesundheitsgefährdung nicht zur Voraussetzung für eine Klageerhebung gemacht hat(53).

75.      Demnach sind meines Erachtens in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßentrasse Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten, eindeutig unmittelbar von der Gefahr einer Verschlechterung der Wasserqualität der betroffenen Gewässer betroffen und können sich somit auf Art. 4 der WRRL berufen. Andererseits dürften, wenn das in Rede stehende Vorhaben voraussichtlich Auswirkungen auf den Wasserverbrauch von Personen haben wird, die das öffentliche Wasserversorgungsnetz nutzen, oder wenn sie von dem Vorhaben in anderer Weise besonders betroffen sind, diese Personen meines Erachtens ebenfalls hinreichend betroffen sein, um sich auf Art. 4 der WRRL berufen und wegen der Verletzung des Verbots der Wasserverschlechterung Klage erheben zu können.

76.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen komme ich demnach zu dem Ergebnis, dass Art. 4 der WRRL dahin auszulegen ist, dass Personen, die Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten oder ein öffentliches Wasserversorgungsnetz nutzen, das von dem betreffenden Vorhaben voraussichtlich betroffen ist, oder von diesem Vorhaben in anderer Weise besonders betroffen sind, unmittelbar von der Gefahr einer Verschlechterung der betreffenden Wasserkörper betroffen sind und sich somit auf Art. 4 der WRRL berufen und wegen der Verletzung des Verbots der Wasserverschlechterung Klage erheben können.

VI.    Ergebnis

77.      Dementsprechend schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein Kläger, der keine anerkannte Umweltorganisation ist, die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn er nachweist, dass ihm selbst mindestens eine der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien, insbesondere die in Art. 6 genannten, genommen wurde. Dagegen steht Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/92 einer nationalen Regelung entgegen, die das Recht einer Einzelperson, die Nichtigerklärung einer unter diese Richtlinie fallenden Entscheidung, Handlung oder Unterlassung zu verlangen, von der Voraussetzung abhängig macht, dass ihr das Recht auf Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde, weil die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien nicht als subjektive Rechte Einzelner angesehen werden.

2.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik ist dahin auszulegen, dass er nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab beinhaltet, sondern auch voraussetzt, dass die Prüfung in Bezug auf das Verbot der Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern, unabhängig vom Zeitpunkt des Ergehens oder der Komplexität der für diese Überprüfung relevanten Unterlage, vor dem Erlass der Planfeststellungsentscheidung stattfinden muss.

3.      Der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Grundwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, wenn vorhabenbedingt eine Umweltqualitätsnorm im Sinne von Anhang I der Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung oder ein Schwellenwert eines Mitgliedstaats im Sinne von Anhang II dieser Richtlinie bei mindestens einem Schadstoff überschritten wird oder wenn die anderen, in Anhang V Tabelle 2.3.2 der Richtlinie 2000/60 genannten Bedingungen nicht eingehalten werden. Liegt der Grundwasserkörper jedoch bereits in der niedrigsten Klasse im Sinne von Anhang V der Richtlinie 2000/60, stellt jede spätere Erhöhung der Schadstoffkonzentration, die die vom Mitgliedstaat festgelegten Umweltqualitätsnormen oder Schwellenwerte überschreitet, eine Verschlechterung dar. In diesem Fall stellt ein Anstieg der Konzentration eines anderen Schadstoffs auch eine Verschlechterung dar, wenn er die vom Mitgliedstaat festgelegten Umweltqualitätsnormen oder Schwellenwerte überschreitet.

4.      Art. 4 der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass Personen, die Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten oder ein öffentliches Wasserversorgungsnetz nutzen, das von dem betreffenden Vorhaben voraussichtlich betroffen ist, oder von diesem Vorhaben in anderer Weise besonders betroffen sind, unmittelbar von der Gefahr einer Verschlechterung der betreffenden Wasserkörper betroffen sind und sich somit auf Art. 4 der Richtlinie 2000/60 berufen und wegen der Verletzung des Verbots der Wasserverschlechterung Klage erheben können.


1      Originalsprache: Englisch.


2      ABl. 2012, L 26, S. 1.


3      ABl. 2000, L 327, S. 1.


4      ABl. 1985, L 175, S. 40.


5      ABl. 2005, L 124, S. 1.


6      ABl. 2003, L 156, S. 17.


7      Vgl. in diesem Sinne fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35 und Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 26).


8      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 45).


9      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 28).


10      Vgl. in diesem Sinne zur Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) (im Folgenden: Habitatrichtlinie) Urteil vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie  (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 52), und zur Wasserrahmenrichtlinie Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 44).


11      Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 45).


12      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 38 und 40).


13      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 39).


14      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 37), vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 36 und 47), und vom 15. Oktober 2015, Kommission/Deutschland (C‑137/14, EU:C:2015:683, Rn. 47, 58 und 77).


15      Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 47).


16      Urteil vom 7. November 2013 (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 48). Hervorhebung nur hier.


17      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 49 bis 53 und 57).


18      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 45), und vom 15. Oktober 2015, Kommission/Deutschland (C‑137/14, EU:C:2015:683, Rn. 33 und 91).


19      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 45).


20      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 38 und 40).


21      Erinnert sei daran, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta „[j]ede Einschränkung der Ausübung der in [der] Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten [muss]. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“


22      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482‚ Rn. 53), und vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 42).


23      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482‚ Rn. 55).


24      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 55 und 57).


25      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 51), und vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 31).


26      Urteil vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 43).


27      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 33).


28      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482‚ Rn. 58), vom 11. April 2013, Sweetman u. a. (C‑258/11, EU:C:2013:220, Rn. 41), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Puszcza Białowieska)  (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 118).


29      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482‚ Rn. 59).


30      Urteil vom 1. Juni 2017, Folk (C‑529/15, EU:C:2017:419, Rn. 38).


31      Urteil vom 1. Juni 2017, Folk (C‑529/15, EU:C:2017:419, Rn. 39). Hervorhebung nur hier.


32      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 28).


33      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:249, Nr. 26).


34      Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 70).


35      Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 70).


36      Vgl. in diesem Sinne Waller, H., „Case C‑461/13, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.: Could This Case Change the Current of EU Environmental Law or Will It Just Wash Over?“, European Law Reporter, 2016, Nr. 2, S. 53 bis 66, insbesondere S. 60.


37      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 39).


38      Vgl. Art. 2 Nrn. 25 und 28 der Wasserrahmenrichtlinie.


39      Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 61).


40      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 64).


41      Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 66).


42      Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 67).


43      ABl. 2006, L 372, S. 19.


44      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 63).


45      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 33).


46      Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 2008, Janecek (C‑237/07, EU:C:2008:447, Rn. 37), vom 26. Mai 2011, Stichting Natuur en Milieu u. a. (C‑165/09 bis C‑167/09, EU:C:2011:348, Rn. 94), und vom 19. November 2014, ClientEarth (C‑404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 55).


48      Vgl. 24. Erwägungsgrund der WRRL, wonach „[e]ine gute Wasserqualität … die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser [sichert]“. Vgl. auch Art. 1 Buchst. d der WRRL, wonach diese Richtlinie eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung des Grundwassers und Verhinderung seiner weiteren Verschmutzung sicherstellt, die in Art. 2 Nr. 33 der WRRL definiert ist als „die durch menschliche Tätigkeiten direkt oder indirekt bewirkte Freisetzung von Stoffen oder Wärme in Luft, Wasser oder Boden, die der menschlichen Gesundheit … schaden können …“.


49      Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 87).


50      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 38 und 40).


51      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 39).


52      Urteil vom 3. Oktober 2019, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u. a. (C‑197/18, EU:C:2019:824, Rn. 32). Hervorhebung nur hier.


53      Vgl in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u. a. (C‑197/18, EU:C:2019:274, Nr. 54).