Language of document : ECLI:EU:T:2019:892

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

19. Dezember 2019(*)

„Humanarzneimittel – Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Fanaptum – Iloperidon – Ablehnender Beschluss der Kommission – Verordnung (EG) Nr. 726/2004 – Wissenschaftliche Nutzen- und Risiko-Beurteilung eines Arzneimittels – Begründungspflicht – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑211/18,

Vanda Pharmaceuticals Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Meulenbelt, B. Natens, A.‑S. Melin und C. Muttin,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Haasbeek und A. Sipos als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2018) 252 final der Kommission vom 15. Januar 2018 zur Versagung der Zulassung für das Humanarzneimittel Fanaptum – Iloperidon gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1) und des Gutachtens sowie des Beurteilungsberichts des Ausschusses für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vom 9. November 2017

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters D. Spielmann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie des Richters Z. Csehi und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Vanda Pharmaceuticals Ltd, ist in den Vereinigten Staaten Inhaberin einer Zulassung für das Arzneimittel Fanaptum, das den Wirkstoff Iloperidon enthält.

2        Das Arzneimittel Fanaptum zur Behandlung der Symptome von Schizophrenie bei Erwachsenen hat das Profil eines Antipsychotikums der sogenannten „zweiten Generation“. Es wird seit 2010 in den Vereinigten Staaten sowie seit 2012 in Israel und Mexiko vermarktet.

3        Am 4. Dezember 2015 beantragte die Klägerin gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1) in geänderter Fassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden auch: Zulassung) des Arzneimittels Fanaptum.

4        Der Antrag, der gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 726/2004 gestellt wurde, stützte sich auf ein Dossier mit administrativen Angaben, umfassenden qualitativen Daten, klinischen und nicht-klinischen Daten basierend auf den von der Klägerin durchgeführten Versuchen und Studien sowie Quellennachweisen, die bestimmte Versuche oder Studien ersetzten oder stützten.

5        Am 5. Mai 2017 bildete die EMA eine wissenschaftliche Beratergruppe, die mit den Fragen befasst wurde, die der Ausschuss für Humanarzneimittel (im Folgenden: CHMP) aufgeworfen hatte. Die Klägerin verteilte in diesem Zusammenhang einen Informationsvermerk und führte eine Präsentation durch.

6        Am 17. Mai 2017 gab die Klägerin vor dem CHMP eine mündliche Erklärung ab. Die offenen Fragen behandelte sie in einer Präsentation.

7        Am 20. Juli 2017 gab der CHMP ein negatives Gutachten ab und empfahl, die Zulassung für das Arzneimittel Fanaptum zu verweigern.

8        Am 27. Juli 2017 ersuchte die Klägerin die EMA um eine Überprüfung des negativen Gutachtens des CHMP vom 20. Juli 2017. Am 26. September 2017 legte die Klägerin eine ausführliche Begründung ihres Antrags auf Überprüfung vor.

9        Am 30. Oktober 2017 wurde eine andere wissenschaftliche Beratergruppe gegründet, die mit den Fragen befasst wurde, die der CHMP im Rahmen des Überprüfungsverfahrens betreffend Iloperidon aufgeworfen hatte. In diesem Zusammenhang führte die Klägerin eine Präsentation durch.

10      Am 5. November 2017 wurde der letzte gemeinsame Beurteilungsbericht allen Mitgliedern des CHMP übermittelt. Am 6. November 2017 erhielt die Klägerin den „aktualisierten gemeinsamen Beurteilungsbericht der Mitberichterstatter in Bezug auf die Begründung des Überprüfungsverfahrens“, der auf den 11. Oktober 2017 datiert war.

11      Am 6. November 2017 erhielt die Klägerin das Protokoll der Sitzung der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017. Die Klägerin nahm am gleichen Tag zu diesem Protokoll Stellung.

12      Am 7. November 2017 gab die Klägerin vor dem CHMP eine mündliche Erklärung ab.

13      Im Rahmen dieser Anhörung befassten sich der CHMP und die Klägerin mit der ausführlichen Begründung der Überprüfung. Die Klägerin erläuterte ihren Antrag auf Überprüfung im Rahmen einer Präsentation.

14      Am 9. November 2017 wurden der Klägerin das Dokument „Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und Versagungsgründe“, das das vom CHMP formulierte Gutachten der EMA enthielt (im Folgenden: CHMP-Gutachten), sowie der wissenschaftliche Beurteilungsbericht des CHMP (im Folgenden: CHMP-Beurteilungsbericht) übermittelt.

15      Am 15. Januar 2018 erließ die Europäische Kommission den Durchführungsbeschluss C(2018) 252 final zur Versagung der Zulassung für das Humanarzneimittel „Fanaptum – Iloperidon“ gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 (im Folgenden: Durchführungsbeschluss), der der Klägerin am 16. Januar 2018 zugestellt wurde.

16      In Anhang I („Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und Begründung der EMA für die Versagung“) des Durchführungsbeschlusses, der dem CHMP-Gutachten entspricht, heißt es insbesondere:

„Unter Berücksichtigung aller verfügbaren nicht klinischen und klinischen Daten (einschließlich der Thorough-QTc-Studie, des klinischen Programms insgesamt und auch der Fälle kardial bedingter/plötzlicher ungeklärter Todesfälle in den klinischen Prüfungen und nach der Markteinführung) hat Iloperidon ein wesentliches und expositionsabhängiges arrhythmogenes Potenzial. Man ist nicht der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko in diesem speziellen Fall hinreichend begegnen würden. Demgemäß wurde die Sicherheit von Iloperidon nicht hinreichend nachgewiesen.

Außerdem hat Iloperidon eine mäßige Wirkung. Darüber hinaus zeigt es eine Verzögerung beim Einsetzen der Wirkung. Dies führt zu erheblichen Bedenken bei der Behandlung einer akuten Exazerbation einer Schizophrenie. Unter Berücksichtigung des Sicherheits- und Wirksamkeitsprofils von Iloperidon insgesamt kann daher keine Patientenpopulation identifiziert werden, bei der man der Auffassung ist, dass der Nutzen der Behandlung gegenüber den schweren Sicherheitsbedenken überwiegt.

[Somit] wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Iloperidon auf Grundlage der o. g. Punkte als negativ erachtet.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit Klageschrift, die am 26. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

18      Mit Schriftsatz, der am 4. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts einen begründeten Antrag gestellt, mit dem sie das Gericht ersucht hat, bestimmte Angaben im Anhang der Klageschrift nicht in Unterlagen der vorliegenden Rechtssache zu erwähnen, die öffentlich zugänglich sein könnten. In Ansehung der Erläuterungen der Klägerin ist entschieden worden, dem Antrag stattzugeben.

19      Mit Schriftsatz, der am 13. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

20      Die Erwiderung ist bei der Kanzlei des Gerichts am 18. September 2018 eingegangen.

21      Am 30. Oktober 2018 hat die Kommission eine Gegenerwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, woraufhin das schriftliche Verfahren abgeschlossen worden ist.

22      Mit Schreiben, das am 27. November 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

23      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung eine Frage zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Die Parteien sind diesen Maßnahmen fristgemäß nachgekommen.

24      In der Sitzung vom 8. Juli 2019 haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        den Durchführungsbeschluss zusammen mit dem CHMP-Gutachten und dem CHMP-Beurteilungsbericht vom 9. November 2017 für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, nur den Durchführungsbeschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als teilweise unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

27      Die Kommission macht geltend, die vorliegende Klage sei unzulässig, soweit sie gegen das CHMP-Gutachten und den CHMP-Beurteilungsbericht gerichtet sei. Zwar seien diese beiden Dokumente nach ständiger Rechtsprechung Bestandteile des Durchführungsbeschlusses, doch stellten sie Vorbereitungshandlungen für den Beschluss dar. In ihrer Gegenerwiderung führt die Kommission aus, dass die Klägerin zwar in ihrer Erwiderung offenbar geltend mache, niemals beabsichtigt zu haben, eine unabhängige Nichtigerklärung des CHMP-Gutachtens und des CHMP-Beurteilungsberichts zu beantragen, doch gehe eine solche Absicht nicht eindeutig aus den Klageanträgen hervor.

28      Die Klägerin macht geltend, soweit die vorliegende Klage gegen den Durchführungsbeschluss gerichtet sei, werde deren Zulässigkeit von der Kommission nicht beanstandet. Im Gegensatz zu dem, was die Kommission zu verstehen gebe, sei die Klägerin nicht der Auffassung, dass das CHMP-Gutachten und der CHMP-Beurteilungsbericht „Gegenstand einer gesonderten und unabhängigen Nichtigkeitsklage“ sein müssten. Da nach der Rechtsprechung das CHMP-Gutachten und der CHMP-Beurteilungsbericht Bestandteile des Durchführungsbeschlusses seien, setze sich der angefochtene Akt aus diesen drei Handlungen zusammen.

29      Nach gefestigter Rechtsprechung sind gemäß Art. 263 AEUV anfechtbare Handlungen nur Maßnahmen, die den Standpunkt eines Organs beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens endgültig festlegen, was „Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen“, ausschließt (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 10; vgl. auch Urteile vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2017, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, C‑415/15 P, EU:C:2017:216, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Aus der Rechtsprechung geht ebenfalls hervor, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung eines Zulassungsantrags das endgültige wissenschaftliche Gutachten – im vorliegenden Fall das CHMP-Gutachten – eine Zwischenmaßnahme darstellt, deren Zweck darin besteht, die Entscheidung über den Zulassungsantrag vorzubereiten. Es handelt sich um eine Vorbereitungsmaßnahme, die den Standpunkt der Kommission nicht endgültig festlegt und die somit keine anfechtbare Handlung im Sinne der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2003, Olivieri/Kommission und EMEA, T‑326/99, EU:T:2003:351, Rn. 53).

31      Diese Erwägungen gelten sinngemäß für den CHMP-Beurteilungsbericht, der selbst Bestandteil des CHMP-Gutachtens ist. Ein CHMP-Gutachten oder ein CHMP-Beurteilungsbericht können nicht als endgültige Handlung angesehen werden, da sie keinem anderen Zweck als der Vorbereitung des Entwurfs der Entscheidung der Kommission gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 und der endgültigen, nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004 zu erlassenden Entscheidung der Kommission dienen.

32      Zudem geht aus der Rechtsprechung hervor, dass, soweit eine Entscheidung das Gutachten der EMA lediglich bestätigt, der Inhalt dieses Gutachtens ebenso wie derjenige des Beurteilungsberichts, auf den es sich stützt, einen Bestandteil der Gründe der Entscheidung darstellt, insbesondere soweit es um die wissenschaftliche Beurteilung des fraglichen Arzneimittels geht (Urteil vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission, T‑452/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:373, Rn. 60; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2003, Olivieri/Kommission und EMEA, T‑326/99, EU:T:2003:351, Rn. 55).

33      Folglich können weder das CHMP-Gutachten noch der CHMP-Beurteilungsbericht, die mit dem Durchführungsbeschluss verbunden sind, Gegenstand einer gesonderten und unabhängigen Nichtigkeitsklage sein. Die Anträge auf Nichtigerklärung des CHMP-Gutachtens und des CHMP-Beurteilungsberichts haben nämlich keinen eigenständigen Gehalt und fallen in Wirklichkeit mit den Anträgen zusammen, die sich gegen den Durchführungsbeschluss richten.

34      Somit ist die Nichtigkeitsklage, auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die vorliegende Klage nicht auf eine „gesonderte“ Nichtigerklärung des CHMP-Gutachtens und des CHMP-Beurteilungsberichts gerichtet sei, für unzulässig zu erklären, soweit sie sich gegen das CHMP-Gutachten und den CHMP-Beurteilungsbericht richtet. Dagegen ist die vorliegende Klage zulässig, soweit sie gegen den Durchführungsbeschluss (im Folgenden: angefochtener Beschluss) gerichtet ist.

35      Dies vorausgeschickt, sind das CHMP-Gutachten und der CHMP-Beurteilungsbericht bei der Beurteilung der Begründung und der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen. Soweit nämlich der Beschluss das Gutachten der EMA lediglich bestätigt, stellt der Inhalt dieses Gutachtens ebenso wie derjenige des Beurteilungsberichts, auf den es sich stützt, einen Bestandteil der Gründe des Beschlusses dar, insbesondere soweit es um die wissenschaftliche Beurteilung des fraglichen Arzneimittels geht.

36      Was die zwischen den Parteien streitige Frage nach der richtigen Version des zu berücksichtigenden Beurteilungsberichts betrifft, so handelt es sich um den CHMP-Bericht vom 9. November 2017.

37      Da nämlich, wie der 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 726/2004 bestimmt, „[d]ie alleinige Zuständigkeit für die Ausarbeitung der Gutachten der [EMA] über sämtliche Fragen zu Humanarzneimitteln … einem Ausschuss für Humanarzneimittel übertragen werden [sollte]“ und nicht den einzelnen Mitgliedern dieses Ausschusses, kann der „aktualisierte gemeinsame Beurteilungsbericht der Mitberichterstatter in Bezug auf die Begründung des Überprüfungsverfahrens“ vom 11. Oktober 2017, der, wie die Klägerin geltend macht, allen Mitgliedern des CHMP am 5. November 2017 als „letzter Beurteilungsbericht“ übermittelt worden sei, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

38      Wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, handelt es sich bei diesem Bericht um ein Dokument, das die Standpunkte der Mitberichterstatter darlegt und erstellt wurde, um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Klägerin und innerhalb des Kollegialorgans CHMP zu fördern. Das Dokument enthält keineswegs die endgültigen Gutachten des CHMP, da sich der CHMP durch wissenschaftliche Gutachten oder Empfehlungen äußert, die einstimmig oder mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder verabschiedet werden.

39      Doch auch wenn die Zwischenberichte, die während des Beurteilungsverfahrens verfasst wurden und zu denen die von den Mitberichterstattern erstellten Dokumente zählen, wie im vorliegenden Fall der im Rahmen des Überprüfungsverfahrens verfasste „aktualisierte gemeinsame Beurteilungsbericht“ vom 11. Oktober 2017, vom endgültigen Beurteilungsbericht des CHMP zu unterscheiden sind, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass diese Zwischendokumente dem Gericht über bestimmte Punkte Aufschluss geben können. Die Zwischendokumente können insbesondere berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen, die der CHMP im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung des vorliegend in Rede stehenden Zulassungsantrags letztlich gezogen hat, mit einem Begründungsmangel oder offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet sind.

 Zur Begründetheit

40      Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, die Risikobeurteilung des arrhythmogenen Potenzials von Iloperidon sei unzureichend begründet und beruhe auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler und einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Der zweite Klagegrund ist darauf gestützt, dass die Beurteilung der für Iloperidon vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung unzureichend begründet sei und auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 1 und 4 EUV und den Grundsatz der Gleichbehandlung beruhe. Mit dem dritten Klagegrund wird geltend gemacht, dass die Beurteilung der Folgen der verzögert einsetzenden Wirkung von Iloperidon auf einem Begründungsmangel beruhe und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Der vierte Klagegrund ist darauf gestützt, dass die Anforderung, eine Bevölkerungsgruppe zu bestimmen, bei der Iloperidon andere Arzneimittel übertreffe, gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Verhältnismäßigkeit (gemäß Art. 5 Abs. 1 bis 3 EUV), Art. 12 und Art. 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004 sowie den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. Mit dem fünften und letzten Klagegrund beanstandet die Klägerin, dass die allgemeine Nutzen-Risiko-Beurteilung von Iloperidon unzureichend begründet und jedenfalls offensichtlich fehlerhaft sei.

 Einleitende Erwägungen zu Art und Tragweite der gerichtlichen Kontrolle

41      Im vorliegenden Fall erscheint es zweckmäßig, vorab einige allgemeine Erwägungen zu formulieren: erstens zum zentralisierten Verfahren der Zulassung von Humanarzneimitteln (wie es insbesondere in der Verordnung Nr. 726/2004 geregelt ist) und zweitens zu Art und Tragweite der Kontrolle, die das Gericht vorzunehmen hat, wenn ein Antragsteller in einem Zulassungsverfahren die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen beanstandet, die die zuständigen Stellen dazu veranlasst haben, die Verweigerung der Zulassung vorzuschlagen.

–       Übersicht zu den wichtigsten Merkmalen des zentralisierten Verfahrens der Zulassung von Arzneimitteln nach der Verordnung Nr. 726/2004

42      Aus der Begründung der Verordnung Nr. 726/2004 (vgl. insbesondere den 19. Erwägungsgrund) geht hervor, dass das in der Verordnung festgelegte zentralisierte Verfahren der Zulassung von Arzneimitteln auf einer von der EMA vorgenommenen wissenschaftlichen Beurteilung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln auf möglichst hohem Niveau beruht. Eines der obersten Ziele des in dieser Verordnung geregelten Zulassungssystems besteht nämlich darin, sicherzustellen, dass Patienten keine Arzneimittel verschrieben werden, deren Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ ist. Insoweit bestimmt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in ihrer durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG hinsichtlich der Pharmakovigilanz (ABl. 2012, L 299, S. 1) geänderten Fassung: „Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung … Nr. 726/2004 in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. 2006, L 378, S. 1)] erteilt wurde.“

43      Art. 1 Nr. 28a in Verbindung mit Art. 26 der Richtlinie 2001/83 und Art. 12 der Verordnung Nr. 726/2004 im Licht des 14. Erwägungsgrundes der genannten Verordnung ist zu entnehmen, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen versagt wird, wenn sich nach Prüfung der maßgeblichen Angaben und Unterlagen ergibt, dass u. a. das Nutzen-Risiko-Verhältnis des fraglichen Arzneimittels nicht als günstig betrachtet wird. Insoweit erfolgt eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem mit der Verwendung des Arzneimittels verbundenen Risiko, d. h. jedem Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit (vgl. Art. 1 Nr. 28 der Richtlinie 2001/83).

44      In diesem Zusammenhang ist der Beweis, dass die Voraussetzungen für die Zulassung eines Arzneimittels erfüllt sind, vom Antragsteller zu erbringen, der u. a. wissenschaftliche Daten bereitstellen muss, die die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels beweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 187 und 188) Insoweit bestimmt Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 ausdrücklich, dass die Zulassung versagt wird, wenn sich nach Prüfung der gemäß Art. 6 der Verordnung vorgelegten Angaben und Unterlagen ergibt, dass der Antragsteller die Qualität, die Sicherheit oder die Wirksamkeit des Humanarzneimittels nicht angemessen oder ausreichend nachgewiesen hat. Anders ausgedrückt muss nicht die mit der Prüfung der Zulassung befasste Stelle beweisen, dass ein Produkt nicht sicher ist, sondern der Antragsteller eines Zulassungsverfahrens muss nachweisen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des fraglichen Arzneimittels günstig ist.

45      Zudem ist die Entscheidung über die Erteilung einer Zulassung, die auf der Grundlage eines hohen Schutzstandards der öffentlichen Gesundheit ergeht, allein anhand der Kriterien der Sicherheit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu treffen, die sich aus den anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts ergeben. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Antragsteller eines Zulassungsverfahrens auf Erkenntnisse vor und nach der Markteinführung in Bezug auf Drittstaaten stützen kann, doch absolut gesehen lässt sich aus dem Umstand, dass in diesen Ländern eine Zulassung erteilt wurde, kein Argument ableiten (vgl. entsprechend zur Erlangung des Status eines Arzneimittels für seltene Leiden Urteil vom 9. September 2010, Now Pharm/Kommission, T‑74/08, EU:T:2010:376, Rn. 57).

46      Ebenso wie die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Aussetzung oder die Rücknahme einer Zulassung müssen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zulassung gemäß dem von der Rechtsprechung aufgestellten allgemeinen Grundsatz ausgelegt werden, wonach dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen zweifelsohne vorrangige Bedeutung beizumessen ist (vgl. Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem darf sich die Kommission aufgrund des Vorsorgegrundsatzes, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, insbesondere auf den Nachweis beschränken, dass ernsthafte und stichhaltige Anhaltspunkte vorliegen, die vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit des fraglichen Arzneimittels oder an einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis erlauben (vgl. entsprechend zu Entscheidungen über die Aussetzung, Rücknahme oder Änderung einer Zulassung Urteil vom 3. Dezember 2015, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission, C‑82/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:796, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Verfahren zur Prüfung von Zulassungsanträgen in der Praxis aus mehreren Phasen der Beurteilung und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Antragsteller besteht. In einem ersten Schritt werden nämlich die im Antrag enthaltenen Angaben gleichzeitig von zwei unabhängigen Teams (Mitberichterstatterteams) geprüft, die ihre ersten Schlussfolgerungen und Empfehlungen abgeben. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind Gegenstand einer ersten wissenschaftlichen Beurteilung durch den CHMP. Nach dieser ersten Beurteilung setzt sich der CHMP in einem zweiten Schritt mit dem Antragsteller über die allgemeine Beurteilung ins Benehmen, wobei er auf etwaige Lücken bei den übermittelten Daten und der vorgelegten Analyse hinweist und gegebenenfalls von einem oder mehreren Auskunftsverlangen Gebrauch macht, bevor er eine endgültige Schlussfolgerung trifft. Die endgültige Schlussfolgerung zu einem Zulassungsantrag wird somit erst nach mehreren Gesprächsrunden getroffen, in deren Verlauf mehrere Zwischendokumente erstellt werden, die Berichte von mehreren Berichterstattern umfassen können. Die Zwischendokumente geben nur den Stand der Beurteilung zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder. Ist der CHMP mit der Beurteilung zufrieden, werden die Berichte einer kritischen Peer Review auf der Ebene des Ausschusses unterzogen und je nach den Ergebnissen der Ausschussdebatten abgeändert.

48      Im Rahmen dieses Beurteilungsverfahrens wird die „alleinige Zuständigkeit“ für die Ausarbeitung der Gutachten der EMA über sämtliche Fragen zu Humanarzneimitteln dem CHMP übertragen (vgl. 23. Erwägungsgrund und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004). Folglich sind die Dokumente, die gegebenenfalls von den Mitberichterstattern erstellt werden, d. h. im vorliegenden Fall u. a. der gemeinsame Beurteilungsbericht vom 11. Oktober 2017 (der den Mitgliedern des CHMP am 5. November 2017 übermittelt wurde), auf den sich die Klägerin zum Teil beziehen will, vom endgültigen Beurteilungsbericht des CHMP zu unterscheiden, auf den sich der angefochtene Beschluss stützt.

–       Zu Umfang und Tragweite der gerichtlichen Kontrolle

49      Auch zu Umfang und Tragweite der gerichtlichen Kontrolle, die im vorliegenden Fall zwischen den Parteien streitig sind, ist eine Klarstellung erforderlich. Die Klägerin macht nämlich in ihrer Erwiderung geltend, die Kommission verfolge, indem sie eine übermäßig einschränkende Auslegung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle befürworte, „eine Vernebelungsstrategie“, die das Gericht von der Prüfung der Begründetheit der geltend gemachten Klagegründe und einiger grundsätzlicher Fragen zur Vereinbarkeit des angefochtenen Beschlusses mit dem Unionsrecht abhalten solle. Nach der Rechtsprechung sei der Unionsrichter in einer Position, die es ihm ermögliche, die Rechtmäßigkeit der wissenschaftlichen Beurteilung durch den CHMP zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2013, Acino/Kommission, T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung) und zu prüfen, ob eine etwaige Rechtswidrigkeit der Beurteilung eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstelle, die die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission beeinträchtige (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 197).

50      Insoweit ist nach der Rechtsprechung die Kontrolle, um die der Unionsrichter ersucht werden kann, zu differenzieren in erstens die Kontrolle der formellen Rechtmäßigkeit des wissenschaftlichen Gutachtens des CHMP und zweitens die Kontrolle der Ermessensausübung durch die Kommission (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2013, Acino/Kommission, T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110, Rn. 92, und vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission, T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 33; vgl. auch in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 199).

51      Was die Ausübung des Ermessens der Kommission betrifft, ist festzustellen, dass sich, da die Unionsbehörden über ein weites Ermessen insbesondere in Bezug auf die Beurteilung von hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umständen bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen erlassenen Maßnahmen verfügen, nach gefestigter Rechtsprechung die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken muss, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder die Behörden die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Unionsbehörden setzen, denen allein der AEU-Vertrag diese Aufgabe anvertraut hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juli 2011, Etimine, C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 60, vom 30. April 2015, Polynt und Sitre/ECHA, T‑134/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:254, Rn. 52, und vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 163).

52      Zu berücksichtigen ist, dass der Wertungsspielraum der Unionsbehörden, der eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, nicht ausschließlich die Art und Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch die Feststellung der Grunddaten betrifft. Für eine solche gerichtliche Kontrolle, auch wenn sie begrenzt ist, ist es jedoch erforderlich, dass die Unionsbehörden, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Unionsrichter zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind (vgl. Urteile vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 30. April 2015, Polynt und Sitre/ECHA, T‑134/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:254, Rn. 53, und vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 164).

53      Was die gerichtliche Kontrolle des CHMP-Gutachtens – und im weiteren Sinne des CHMP-Beurteilungsberichts – betrifft, kann das Gericht seine eigene Beurteilung nicht an die Stelle der vom CHMP vorgenommenen Beurteilung setzen. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich nämlich nur darauf, ob der Ausschuss ordnungsgemäß vorgegangen ist, sowie auf die Schlüssigkeit und die Begründung seines Gutachtens. Unter dem letztgenannten Aspekt prüft das Gericht, ob das Gutachten eine Begründung enthält, anhand deren die Erwägungen beurteilt werden können, auf die es sich stützt, und ob ein verständlicher Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen im Gutachten besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2013, Acino/Kommission, T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110, Rn. 93, und vom 5. Dezember 2018, Bristol-Myers Squibb Pharma/Kommission und EMA, T‑329/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:878, Rn. 99; vgl. auch in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 200).

54      Im vorliegenden Fall ist die Kommission jedoch vom CHMP-Gutachten nicht abgewichen, da der Inhalt dieses Gutachtens ebenso wie derjenige des Beurteilungsberichts, auf den es sich stützt, einen Bestandteil der Gründe des Beschlusses darstellt, insbesondere soweit es um die wissenschaftliche Beurteilung des fraglichen Arzneimittels geht (siehe oben, Rn. 16 und 35). Somit hat sich die Kommission die im Gutachten enthaltenen Feststellungen zu eigen gemacht. Deshalb muss sich die dem Gericht obliegende Kontrolle, insbesondere die Prüfung, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt, auf alle in dem Gutachten und dem oben genannten Beurteilungsbericht enthaltenen Erwägungen erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2018, Bristol-Myers Squibb Pharma/Kommission und EMA, T‑329/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:878, Rn. 98).

 Zum ersten Klagegrund: Begründungsmangel, offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Zusammenhang mit der Risikobeurteilung des arrhythmogenen Potenzials von Iloperidon

55      Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet und beruhe auf offensichtlichen Beurteilungsfehlern und einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf die Risikobeurteilung des arrhythmogenen Potenzials von Iloperidon aufgrund der Verlängerung der QT‑Zeit, einer Veränderung der elektrischen Aktivität des Herzens (im Folgenden: QT‑Zeit), die zu einer Herzrhythmusstörung führen kann, die unter bestimmten Umständen einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen kann.

56      Als Erstes trägt die Klägerin vor, die im vorliegenden Fall durchgeführte Risikobeurteilung des arrhythmogenen Potenzials weiche von den geltenden Leitlinien ab, insbesondere den Leitlinien über die klinische Bewertung der QT/QTc-Zeit-Verlängerung und der möglichen Verstärkung von Herzrhythmusstörungen bei Arzneimitteln, die nicht zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen dienen (CHMP/ICH/2/04, note for guidance on the clinical evaluation of QT/QTc interval prolongation and proarrhythmic potential for non-antiarrhytmic drugs, im Folgenden: QT‑Leitlinien), in denen die maßgeblichen Parameter für die Risikobeurteilung im Zusammenhang mit Arzneimitteln, die eine Verlängerung der QT‑Zeit hervorrufen könnten, festgelegt seien. Insbesondere habe der CHMP, als er vom gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 11. Oktober 2017 abgewichen sei, versäumt, zum einen darzulegen, weshalb die von der Klägerin übermittelten Daten und Berechnungen als irrelevant beurteilt worden seien, und zum anderen die Erfahrungen zu berücksichtigen, die nach dem Inverkehrbringen von Iloperidon gesammelt worden seien.

57      Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Risikobeurteilung sei mit der aktuellen Praxis der EMA nicht vereinbar und verstoße daher gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Im Gegensatz zu dem Ansatz, der bei der Evaluierung anderer Produkte verfolgt worden sei, die ebenfalls der Behandlung von Schizophrenie dienten, nämlich Lurasidon und Cisaprid, habe sich der CHMP geweigert, die zahlreichen von der Klägerin übermittelten Daten zu berücksichtigen, die nach dem Inverkehrbringen erhoben worden seien, insbesondere die positiven Erfahrungen, die mit Iloperidon auf anderen Märkten gemacht worden seien, sogar unter Berücksichtigung einer hohen „Untererfassungsrate“.

58      Als Drittes beanstandet die Klägerin, die Schlussfolgerungen des CHMP seien als unzureichend begründet und jedenfalls offensichtlich fehlerhaft anzusehen, da der CHMP nicht dargelegt habe, warum er von den Daten abgewichen sei, die die Klägerin zu den zwei oben in Rn. 56 genannten Gesichtspunkten vorgelegt habe. Insoweit könne die Klägerin mangels überzeugender Begründung nur mutmaßen, dass sich die vorliegend in Rede stehende ablehnende Entscheidung zum einen auf die nicht bewiesene Behauptung der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017 stütze, die auf der persönlichen Meinung eines Mitglieds dieser Beratergruppe beruhe und wonach Iloperidon eine „sehr hohe“ Zahl plötzlicher und unerwarteter Todesfälle hervorgerufen haben solle, und zum anderen darauf zurückzuführen sei, dass ein Sachverständiger, der für ein mit Iloperidon konkurrierendes Produkt beratende Aufgaben wahrnehme, an der wissenschaftlichen Beratergruppe beteiligt gewesen sei.

59      Die Kommission beantragt die Zurückweisung des ersten Klagegrundes, der mehr darauf gerichtet sei, einer Missbilligung der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden wissenschaftlichen Schlussfolgerungen Ausdruck zu verleihen, als einen Begründungsmangel zu beanstanden.

–       Zur Einhaltung der Begründungspflicht

60      Nach gefestigter Rechtsprechung muss die durch Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Was insbesondere Entscheidungen über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen betrifft, greift Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004, nach dem jede Entscheidung zur Erteilung, Versagung, Änderung, Aussetzung, Rücknahme oder zum Widerruf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eingehend zu begründen ist, nur die allgemeine Begründungspflicht des Art. 296 Abs. 2 AEUV ausdrücklich auf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2014, Acino/Kommission, C‑269/13 P, EU:C:2014:255, Rn. 121 und 122).

62      Im vorliegenden Fall wurde die streitige Zulassung auf der Grundlage des Beurteilungsberichts des CHMP und des CHMP-Gutachtens (das CHMP-Gutachten ist in Anhang I des angefochtenen Beschlusses unter der Überschrift „Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und Begründung der EMA für die Versagung“ wiedergegeben) verweigert, die – wie oben in den Vorbemerkungen dargelegt (siehe insbesondere oben, Rn. 32) – Bestandteil der Entscheidung sind.

63      Diesen Dokumenten sind die wissenschaftlichen Gründe, die auf mehreren Dutzend Seiten geprüft werden und aus denen gefolgert worden ist, dass Iloperidon insbesondere angesichts seines arrhythmogenen Potenzials Risiken für die Sicherheit von Patienten darstelle, eindeutig zu entnehmen. Insbesondere stellte der CHMP in seinem Beurteilungsbericht fest, den ihm vorgelegten Daten lasse sich entnehmen, dass das Arzneimittel trotz der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung zu einer Verlängerung der QT‑Zeit führe, die für den Patienten unter bestimmten Umständen fatale Folgen haben könne.

64      Im CHMP-Gutachten wurden u. a. die folgenden Gründe für die Verweigerung der Zulassung genannt:

„Unter Berücksichtigung aller verfügbaren nicht klinischen und klinischen Daten (einschließlich der Thorough-QTc-Studie, des klinischen Programms insgesamt und auch der Fälle kardial bedingter/plötzlicher ungeklärter Todesfälle in den klinischen Prüfungen und nach der Markteinführung) hat Iloperidon ein wesentliches und expositionsabhängiges arrhythmogenes Potenzial. Man ist nicht der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko in diesem speziellen Fall hinreichend begegnen würden. Demgemäß wurde die Sicherheit von Iloperidon nicht hinreichend nachgewiesen.“

65      Allgemeiner ausgedrückt werden die Gründe, auf die sich der angefochtene Beschluss stützt, im CHMP-Gutachten und im CHMP-Beurteilungsbericht genau benannt. Insbesondere bringen sie die Überlegungen der Behörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck, dass die Klägerin die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen kann und das Gericht seine Kontrolle ausüben kann. Überdies stand die Frage nach dem arrhythmogenen Potenzial von Iloperidon im vorliegenden Fall im Zentrum der Bedenken, die der CHMP in Bezug auf die Sicherheit dieses Wirkstoffs sowohl in seinem ersten Gutachten vom 20. Juli 2017 als auch in seinem endgültigen Beurteilungsbericht vom 9. November 2017 (der im Rahmen des von der Klägerin beantragten Überprüfungsverfahrens erstellt wurde) äußerte. Der CHMP stellte u. a. fest, dass die Gefahr einer Verlängerung der QT‑Zeit trotz der vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen, einschließlich der im Stadium der Überprüfung des Zulassungsantrags vorgelegten Maßnahmen, weiterhin erheblich sei. Insbesondere war es nach Auffassung des CHMP besorgniserregend, dass der genannte Wirkstoff im Körper durch Leberenzyme abgebaut wird, deren Aktivität bei bestimmten Patienten oder durch die Einnahme anderer Arzneimittel reduziert sein kann. Da die Bedeutung dieser Gefahr als höher eingestuft wurde als der voraussichtliche Nutzen, bestätigte der CHMP sein negatives Gutachten in Bezug auf die Zulassung von Iloperidon.

66      Folglich sind das CHMP-Gutachten und der CHMP-Beurteilungsbericht, auf die sich der angefochtene Beschluss stützt, mit keinem Begründungsmangel behaftet, da sie den Beteiligten ermöglichten, die Gründe für die erlassene Maßnahme zur Kenntnis zu nehmen, und das Gericht in die Lage versetzten, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen.

67      Demnach möchte die Klägerin mit ihrem Vorbringen in Wirklichkeit geltend machen, dass die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des CHMP offensichtlich fehlerhaft seien und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstießen.

68      Im Licht dieser einleitenden Klarstellungen sind die verschiedenen Rügen der Klägerin zu prüfen.

–       Zur Rüge der Unvereinbarkeit der Risikobeurteilung für Iloperidon mit den Leitlinien zur Verlängerung der QT/QTc-Zeit

69      Die Klägerin macht geltend, der CHMP habe bei der Beurteilung der Sicherheit von Iloperidon die geltenden Leitlinien und speziell die QT‑Leitlinien nicht eingehalten.

70      Vorab ist festzustellen, dass die Stellen, die u. a. für die Bearbeitung von Zulassungsanträgen zuständig sind und zu denen die EMA zählt, ersucht werden können, Leitlinien zu erstellen, die nicht nur eine Orientierung für die Bearbeitung der Anträge bieten sollen, sondern auch – zwecks Transparenz und Vorhersehbarkeit – den Antragstellern die Parameter offenlegen, die bei der Beurteilung der wissenschaftlichen und technischen Daten, die sie ihrem Antrag beifügen sollen, berücksichtigt werden.

71      Zwar sind diese „Orientierungen“ oder „Leitlinien“ nicht rechtsverbindlich, doch können sie bei der Nutzen-Risiko-Beurteilung eines Arzneimittels in gewissem Umfang als ergänzende Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Oktober 2003, AstraZeneca, C‑223/01, EU:C:2003:546, Rn. 28). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie in der vorliegenden Rechtssache – komplexe technische oder wissenschaftliche Fragestellungen zu erörtern sind.

72      Die QT‑Leitlinien, um die es im vorliegenden Fall geht, wurden aufgrund der – in der Einleitung der QT‑Leitlinien genannten – Feststellung eingeführt, dass bestimmte Arzneimittel die unerwünschte Nebenwirkung einer verzögerten kardialen Repolarisierung, ein Phänomen, das durch eine Verlängerung des auf dem Oberflächen-Elektrokardiogramm (im Folgenden: EKG) üblicherweise als QT‑Zeit bezeichneten Intervalls beobachtet werden kann, auslösen und letztlich Bedingungen schaffen, die plötzliche Todesfälle begünstigen.

73      Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass das arrhythmogene Potenzial eines Wirkstoffs, das aufgrund einer bedeutenden Verlängerung der QT/QTc-Zeit erkennbar ist, ein offensichtlich schwerwiegendes Risiko darstellt, dem bei der Beurteilung von Arzneimitteln vor ihrem Inverkehrbringen eine besondere Bedeutung beizumessen ist. In Nr. 5.1 der QT‑Leitlinien heißt es hierzu, dass „eine bedeutende Verlängerung der QT/QTc-Zeit mit oder ohne dokumentierte Arrhythmien die Nichtzulassung eines Arzneimittels oder die Einstellung seiner klinischen Entwicklung rechtfertigen könnte, insbesondere wenn das Arzneimittel keinen offenkundigen Vorteil gegenüber einer anderen verfügbaren Behandlung bietet und diese Behandlung für die Mehrzahl der Patienten geeignet scheint“.

74      Im vorliegenden Fall möchte die Klägerin mit ihrem Vorbringen beanstanden, dass die QT‑Leitlinien in dreierlei Hinsicht nicht berücksichtigt worden seien, und zwar in Bezug auf die Definition des ungünstigsten Szenarios, die Berücksichtigung der maßgeblichen Daten und die bei der Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln festzusetzenden Schwellenwerte.

75      Was als Erstes im vorliegenden Fall die Berücksichtigung des „ungünstigsten Szenarios“ (worst case scenario) betrifft, wird in den QT‑Leitlinien u. a. darauf hingewiesen, dass „es wichtig ist, das ‚worst case scenario‘ im Rahmen einer Risikobeurteilung für die Arzneimittel zu definieren, bei denen sich Auswirkungen auf die QT/QTc-Zeit feststellen ließen (d. h. das QT/QTc‑Intervall, das bei den Patienten der Zielpopulation zum Zeitpunkt der Maximalwirkung des Arzneimittels und bei den höchsten Blutwerten, die während der Therapie erreicht werden können, gemessen wird)“.

76      Der CHMP beging jedoch keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als er im Rahmen der Beurteilung der Risiken von Iloperidon feststellte, dass das ungünstigste Szenario die Patienten betreffe, denen außerdem Arzneimittel verschrieben worden seien, die die wichtigsten Stoffwechselwege von Iloperidon leicht hemmten. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen dargelegt hat, steht fest, dass das arrhythmogene Potenzial von Iloperidon entsprechend zur Konzentration des Wirkstoffs im Blut ansteigt. Mit anderen Worten: Je langsamer Iloperidon verstoffwechselt wird, desto stärker ist der Patient dem Wirkstoff exponiert und desto höher ist sein Risiko.

77      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat sich der CHMP, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, nicht auf theoretische Überlegungen beschränkt, sondern er hat alle Daten berücksichtigt, die ihm zur Kenntnis gebracht wurden, insbesondere die ihm vorgelegten klinischen und nicht klinischen wissenschaftlichen Daten (siehe unten, Rn. 81 bis 88).

78      Außerdem ist, auch wenn der Definition des ungünstigsten Szenarios bei der Beurteilung der Risiken von Arzneimitteln, die eine Verlängerung der QT‑Zeit bewirken, den QT‑Leitlinien zufolge eine gewisse Bedeutung zukommt, der CHMP im vorliegenden Fall jedenfalls offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen, das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Iloperidon sei unabhängig von der berücksichtigten Population negativ, da es auf wissenschaftlicher Ebene heikel sei, a priori eine Population zu identifizieren, bei der die Verstoffwechslung von Iloperidon herabgesetzt sei.

79      Die Kommission, die in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden ist, die Bedeutung und Tragweite der Definition des „ungünstigsten Szenarios“ zu erläutern, hat insoweit erklärt, ohne dass ihr in diesem Punkt widersprochen worden ist, es sei besonders schwer, wenn nicht unmöglich, a priori die Faktoren zu bestimmen, die eine Verstoffwechslung von Iloperidon hemmten, da sie so zahlreich und unabsehbar seien. Sie gab u. a. an, die gleichzeitige Einnahme gängiger oder weitverbreiteter Konsumgüter (z. B. Kamille, Lakritz und Vitamin D) könne geeignet sein, die Verstoffwechslung von Iloperidon zu verlangsamen und dadurch die betreffenden Personen den Herzrisiken dieses Wirkstoffs auszusetzen, und zwar selbst bei Patienten, die aufgrund ihres genetischen Profils grundsätzlich in der Lage seien, den Wirkstoff schnell abzubauen.

80      Folglich ist nicht nur die Definition der Subpopulation, für die das mit Iloperidon verbundene Risiko erhöht sein soll, mit keinem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, sondern darüber hinaus hat der CHMP jedenfalls festgestellt, dass das genannte Risiko unabhängig von der Population und dem geprüften Szenario bestehe.

81      Was als Zweites die Gesichtspunkte betrifft, die der CHMP berücksichtigt hat, um ein arrhythmogenes Potenzial von Iloperidon festzustellen, bestehen sie, wie dem CHMP-Gutachten zu entnehmen ist, aus vier Datenquellen. Der CHMP erstellte sein Gutachten nämlich unter Zugrundelegung „aller verfügbaren nicht klinischen und klinischen Daten (einschließlich der Thorough-QTc-Studie, des klinischen Programms insgesamt und auch der Fälle kardial bedingter/plötzlicher ungeklärter Todesfälle in den klinischen Prüfungen und nach der Markteinführung)“.

82      Was zunächst die präklinischen Daten betrifft, stellte der CHMP fest:

„Iloperidon und der Metabolit P88 zeigen eine höhere Affinität für den hERG-Kanal als andere Antipsychotika sowie eine Verlängerung des Aktionspotenzials in Abhängigkeit von der Konzentration bei Purkinje-Fasern vom Hund. Auch wenn in den Studien an Hunden keine Auswirkung auf das EKG festgestellt wurde, wird Iloperidon als Wirkstoff angesehen, der eine erhöhte Gefahr für das Eintreten einer Torsade de Pointes mit sich bringt, was für Patienten ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt.“

83      Schließlich stellt der CHMP-Beurteilungsbericht zur Thorough-QTc-Studie Folgendes fest:

„Die Thorough-QTc-Studie 2328 wird als Nachweis für eine erhebliche Verlängerung der QT‑Zeit angesehen. Nach dem Zufallsprinzip wurden Patienten ausgewählt, denen 8 mg Iloperidon (ILO) zweimal täglich, 12 mg ILO zweimal täglich (die empfohlene therapeutische Maximaldosis), 24 mg ILO einmal täglich, 80 mg Ziprasidon zweimal täglich (Positivkontrolle) oder 375 mg Quetiapin zweimal täglich (Negativkontrolle) in Abwesenheit (Zeitraum 1) und in Anwesenheit einer einfachen (Zeitraum 2) und zweifachen metabolischen Hemmung (2D 6 & 3A 4 – Zeitraum 3) verabreicht wurde. Der Umstand, dass kein Teilnehmer der Studie einen QT‑ oder QTc-Wert über 500 ms aufwies, ist nicht sonderlich beruhigend, da es sich um eine Gruppe von Personen handelt, die von keinem Risikofaktor betroffen waren und eine normale QT‑Zeit ab der Baseline aufwiesen, und die Zahl der Teilnehmer an der Studie (etwa 30 Personen pro Gruppe) gering war. Die Beobachtung einer Änderung der QTc-Zeit von mehr als 60 ms zum Tmax bei sieben Teilnehmern der Gruppen, die mit Iloperidon behandelt wurden, beweist das Vorliegen eines potenziell hohen Sicherheitsrisikos. Außerdem ist in Bezug auf die gleiche Studie festzustellen, dass von 94 Patienten, die Iloperidon in verschiedenen Dosen ohne metabolische Hemmung (Zeitraum 1 der Behandlung) erhalten hatten, in der sekundären QTc-Population 43 bzw. 2 Patienten eine Verlängerung des QTcF von mehr als 30 bzw. 60 ms entwickelten.“

84      Was außerdem das klinische Programm insgesamt betrifft, enthält der CHMP-Beurteilungsbericht die folgenden Aussagen:

„Was die klinischen Daten zur Sicherheit, Gruppe Sicherheit 1, betrifft, zeigten 4,5 % der mit Iloperidon behandelten Patienten ungeachtet der Dosis (4–24 mg/Tag) zu irgendeinem Zeitpunkt der klinischen Studien einen Anstieg um mehr als 60 ms. In der Gruppe Ziprasidon (160 mg/Tag) betrug dieser Anteil 1,6 %.

3 Patienten hatten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein QTcF‑Intervall von über 500 ms (diese Gruppe hatte täglich 10–16 mg Iloperidon erhalten). Dieses Ergebnis wurde nicht in der Gruppe Ziprasidon beobachtet. Allerdings wurden weniger Patienten diesem Arzneimittel exponiert.

In der Gruppe Iloperidon traten mehr Todesfälle ein als in allen anderen Gruppen; außerdem könnten sechs dieser Todesfälle im Zusammenhang mit einer Verlängerung der QT‑Zeit stehen (Arrhythmie, plötzlicher Herzstillstand und plötzlicher Tod). Da 4 423 Patienten im Rahmen des klinischen Prüfungsprogramms Iloperidon erhalten hatten, beträgt der Anteil aller behandelten Patienten, die eines plötzlichen Todes oder im Zusammenhang mit einem kardialen Ereignis verstorben sind, 0,14 %, was einer NNH (number needed to harm) [Anzahl der Behandlungen, die durchschnittlich erfolgen können, bis schädliche Nebenwirkungen eintreten] von 714 entspricht. Anders ausgedrückt wird von 714 Patienten, die mit Iloperidon behandelt werden, ein Patient eines plötzlichen Todes oder im Zusammenhang mit einem kardialen Ereignis sterben.“

85      Aus der Gesamtheit dieser Daten ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin, dass nachgewiesen wurde, dass Iloperidon zur Gefahr der Verlängerung der QT‑Zeit um mehr als 30 ms – statt einer durchschnittlichen Länge von 5 bis 30 ms – führen kann, was Patienten dem Risiko einer Torsade de Pointes und eines plötzlichen Todes aussetzen kann.

86      Was schließlich die Daten betrifft, die nach der Markteinführung erhoben wurden, insbesondere die in den Vereinigten Staaten erfassten kardial bedingten Todesfälle und plötzlichen Todesfälle, stellt der CHMP-Beurteilungsbericht Folgendes fest:

„Am 24. August 2016 waren insgesamt 33 Todesfälle in der globalen amerikanischen Datenbank für Postmarketing-Überwachung der Vanda registriert. 3 Patienten sind im Schlaf gestorben, 6 starben eines plötzlichen Todes, 6 starben aufgrund von Herzproblemen. Die übrigen Todesfälle erfolgten durch Suizid (6), aufgrund von unbekannten Ursachen (7), anderen Ursachen (2) und Lungenembolie (3).“

87      Selbst wenn man, wie die Klägerin in ihrer Erwiderung geltend macht, annimmt, dass die Zahl der in den Vereinigten Staaten gemeldeten kardial bedingten Todesfälle nicht als „alarmierend“ angesehen werden könne, quod non, konnte der CHMP, ohne die Grenzen des Wertungsspielraums, der ihm im Rahmen der Evaluierung ihm vorgelegter wissenschaftlicher Daten zusteht, feststellen, dass diese Todesfälle ein Indiz für das arrhythmogene Potenzial von Iloperidon und insofern für das in diesem Wirkstoff liegende Sicherheitsrisiko seien.

88      Der Umstand, dass das festgestellte Risiko „potenziell“ ist, rechtfertigt das negative Gutachten des CHMP. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann nicht verlangt werden, dass der CHMP das Vorliegen eines „erheblichen realen Risikos“ wie einen deutlichen Anstieg der kardialen Sterblichkeit nachweist.

89      Angesichts all dieser in der Gesamtschau zu betrachtenden Daten und Erwägungen ist der CHMP demnach ohne Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und im Einklang mit seinen medizinischen und wissenschaftlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine Patientenpopulation gebe, die durch eine Behandlung mit Iloperidon realen und nicht akzeptablen Sicherheitsrisiken ausgesetzt wäre.

90      Was als Drittes die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin betrifft, wonach die Risiken einer Verlängerung der QT‑Zeit im Zusammenhang mit Iloperidon nicht die in den QT‑Leitlinien festgelegten „Schwellenwerte für Bedenken“ erreichten, bestimmen die QT‑Leitlinien: „Zwar werden Verlängerungen der QT/QTc-Zeit um mehr als 500 ms bzw. mehr als 60 ms ab der Baseline häufig als Schwellenwerte für die potenzielle Beendigung der Verwendung eines Arzneimittels benutzt, doch hängen die genauen Kriterien, die für eine bestimmte Studie verwendet werden, von der Höhe der Risikotoleranz ab, die für die betreffende Indikation und Patientengruppe für angemessen erachtet wird.“

91      Folglich legen die QT‑Leitlinien keinen Schwellenwert fest, der als absoluter Wert ein Risiko repräsentiert, das geeignet ist, die fehlende Sicherheit eines Arzneimittels festzustellen, und erst recht definieren sie keinen Schwellenwert, dessen Überschreitung für sich genommen die Verweigerung einer Zulassung rechtfertigen kann. Auch wenn, wie der CHMP im Übrigen festgestellt hat, „eine Verlängerung von mehr als 60 ms ab der Baseline bei einer medikamentösen Behandlung besorgniserregend ist und im Allgemeinen zur Absetzung des Arzneimittels führen würde“, schließt dies keinesfalls aus, dass ein Arzneimittel, das eine Verlängerung der QT‑Zeit auslöst, die unterhalb dieses Wertes liegt, unter bestimmten Umständen ein Sicherheitsrisiko darstellen kann.

92      Außerdem enthält das Gutachten des CHMP jedenfalls die folgende Feststellung:

„Bei der Überprüfung der Ergebnisse der Thorough-QTc-Studie wurde festgestellt, dass von 94 Patienten, die Iloperidon in verschiedenen Dosen ohne metabolische Hemmung erhalten hatten, in der sekundären QTc-Population 43 bzw. 2 Patienten eine Verlängerung des QTcF von mehr als 30 bzw. 60 ms entwickelten.“

93      Diese Feststellung basiert auf einer bestimmten Anzahl klinischer Daten, die im CHMP-Beurteilungsbericht folgendermaßen beschrieben werden:

„Was die klinischen Daten zur Sicherheit, Gruppe Sicherheit 1, betrifft, zeigten 4,5 % der mit Iloperidon behandelten Patienten ungeachtet der Dosis (4‑24 mg/Tag) zu irgendeinem Zeitpunkt der klinischen Studien einen Anstieg um mehr als 60 ms. In der Gruppe Ziprasidon (160 mg/Tag) betrug dieser Anteil 1,6 %.

3 Patienten hatten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein QTcF‑Intervall von über 500 ms (diese Gruppe hatte täglich 10‑16 mg Iloperidon erhalten). Dieses Ergebnis wurde nicht in der Gruppe Ziprasidon beobachtet. Allerdings wurden weniger Patienten diesem Arzneimittel exponiert.“

94      Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass sowohl das Gutachten als auch der Bericht des CHMP eindeutig und im Einklang mit den QT‑Leitlinien erläutern, weshalb die Ergebnisse der vorgelegten klinischen Studien, die verschiedene Berechnungs- und Präsentationsmethoden beinhalteten, darauf hindeuteten, dass die Einnahme von Iloperidon mit dem realen Risiko einer Herzarrhythmie (Torsade de Pointes) verbunden bleibt, die einen plötzlichen Tod versuchen kann.

–       Zur Rüge, der CHMP-Beurteilungsbericht sei mit der aktuellen Praxis der EMA unvereinbar, da er die positiven Erfahrungen nach dem Inverkehrbringen von Iloperidon nicht berücksichtigt habe

95      Die Klägerin macht geltend, der CHMP habe es abgelehnt, Daten zu berücksichtigen, die nach der Markteinführung von Iloperidon erhoben worden seien, insbesondere Daten, die in den Vereinigten Staaten nach dem Inverkehrbringen dieses Wirkstoffs erhoben worden seien. Diese Weigerung verstoße nicht nur gegen die derzeitige Praxis der EMA, sondern auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da der CHMP solche Daten in der Vergangenheit bei der Zulassung anderer Arzneimittel berücksichtigt habe.

96      Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.

97      Als Erstes kann dem Vorbringen der Klägerin, die EMA habe im vorliegenden Fall versäumt, nach der Markteinführung erhobene Daten zu berücksichtigen, nicht gefolgt werden. Der Akte ist nämlich zu entnehmen, dass der CHMP die Erfahrungen, die nach der Markteinführung von Iloperidon u. a. auf dem amerikanischen Markt gemacht wurden, sehr wohl berücksichtigt hat. Allerdings hat er sie als nicht schlüssig angesehen.

98      Insoweit enthält Nr. 2.6 („Post marketing experience“; Erfahrungen nach Markteinführung) des CHMP-Beurteilungsberichts die folgende Feststellung:

„Am 24. August 2016 waren insgesamt 33 Todesfälle in der globalen amerikanischen Datenbank für Postmarketing-Überwachung der Vanda registriert. 3 Patienten sind im Schlaf gestorben, 6 starben eines plötzlichen Todes, 6 starben aufgrund von Herzproblemen. Die übrigen Todesfälle erfolgten durch Suizid (6), aufgrund von unbekannten Ursachen (7), anderen Ursachen (2) und Lungenembolie (3).“

99      In dem Bericht wird allerdings darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin bereitgestellten, nach der Markteinführung erhobenen Daten als nicht verlässlich angesehen wurden:

„Was die Erfahrungen betrifft, die nach der Markteinführung gesammelt wurden, lassen sich aus der Berechnung, die die Klägerin zur Übersterblichkeit angeführt hat, kaum Schlüsse ziehen. Dies ist den Schwierigkeiten geschuldet, die bei der Bewertung der Übereinstimmungsrate und der angenommenen Dunkelziffer aufgetreten sind. Unter qualitativen Gesichtspunkten bewertet, aus Sicht des Gutachters und angesichts des Alters des Patienten, der seit Behandlungsbeginn verstrichenen Zeit und der näheren Umstände des Todes könnten 15 Fälle als sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit Iloperidon stehend bewertet werden. Mindestens ein Todesfall könnte möglicherweise auf eine ventrikuläre Arrhythmie und Torsade de Pointes gefolgt sein.“

100    Wie von der Kommission in ihren Schriftsätzen dargelegt und in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht, hat der CHMP vor der qualitativen Prüfung der Daten, die sich auf den Zeitraum nach der Markteinführung von Iloperidon beziehen, die von der Klägerin vorgelegte quantitative Analyse dieser Daten geprüft.

101    Er war jedoch der Ansicht, dass die quantitative Analyse wegen zwei methodischer Schwächen wenig verlässlich sei.

102    Als erste Schwäche wurde festgestellt, dass sich der Vergleich, den die Klägerin angestellt habe, um das Fehlen von Übersterblichkeit zu beweisen, auf nicht vergleichbare Populationen beziehe. Im CHMP-Beurteilungsbericht heißt es dazu:

„Die verfügbaren Daten und die fehlende Austauschbarkeit (und in gewissem Umfang Vergleichbarkeit) der verglichenen Populationen lassen es nicht zu, einen Anstieg der kardialen Sterblichkeit im klinischen Entwicklungsprogramm auszuschließen, zu bestätigen oder zu quantifizieren.“

103    Die zweite Schwäche der von der Klägerin vorgelegten quantitativen Analyse war nach Auffassung des CHMP darin begründet, dass die von der Klägerin angenommene Dunkelziffer willkürlich sei und nicht berücksichtigt werden könne. Im CHMP-Beurteilungsbericht heißt es dazu:

„Ebenso scheint es unmöglich, das Ausmaß der Dunkelziffer in Bezug auf Todesfälle im Zusammenhang mit Iloperidon zu schätzen. Bei den Daten, die spontan nach der Markteinführung gemeldet wurden, wird nicht davon ausgegangen, dass sie eine erhebliche Absicherung in Bezug auf die Herzverträglichkeit bieten. Es gibt verschiedene Gründe, aus denen anzunehmen ist, dass die Dunkelziffer bei Todesfällen in Zusammenhang mit Iloperidon sehr hoch ist. Im Allgemeinen ist es nicht möglich, bei einem durch Herzversagen verursachten plötzlichen Tod mit Sicherheit nachzuweisen, dass er auf eine iatrogen verursachte Verlängerung der QT‑Zeit und eine ventrikuläre Arrhythmie zurückzuführen ist, da es an einem Post-mortem-Marker fehlt. Selbst wenn der Verdacht besteht, dass es sich um eine wahrscheinliche Todesursache handelt, könnte ein möglicher kausaler Zusammenhang nicht gemeldet werden, da Iloperidon bekanntermaßen zu einer Verlängerung der QT‑Zeit führt.“

104    Angesichts des Wertungsspielraums der Stellen, die mit der Prüfung der einen Zulassungsantrag stützenden wissenschaftlichen Daten beauftragt sind, könnten die Schlussfolgerungen und Beurteilungen des CHMP nur dann beanstandet werden, wenn feststünde, dass sie angesichts der Aktenlage in keinem Zusammenhang zu den medizinischen und wissenschaftlichen Feststellungen stehen. Die Klägerin hat jedoch nicht dargelegt, aus welchen Gründen vorliegend festzustellen wäre, dass dies der Fall ist. Sie konnte insoweit nicht erklären, warum die quantitativen Daten, die sie zur Stützung ihres Zulassungsantrags übermittelt hatte, geeignet sein sollen, die Beurteilung, dass Iloperidon ein arrhythmogenes Potenzial besitzt, und somit das vom CHMP identifizierte Risiko in Frage zu stellen.

105    Das Gebot der Sicherheit, das im Bereich der öffentlichen Gesundheit gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung), impliziert logischerweise, dass die zuständigen Stellen bei Zweifeln an der Verlässlichkeit der zur Stützung eines Zulassungsantrags vorgelegten Daten zugunsten einer Verweigerung der Zulassung entscheiden können.

106    Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass die Schlussfolgerungen, die der CHMP in Bezug auf die nach der Markteinführung in Drittländern, u. a. den Vereinigten Staaten, erhobenen Daten getroffen hat, nicht schlüssig oder mit einem Analysefehler behaftet sind. Der Beurteilungsbericht des CHMP enthält insoweit eine Begründung, anhand deren die Erwägungen beurteilt werden können, auf die sich das CHMP-Gutachten stützt, und es besteht ein verständlicher Zusammenhang zwischen den maßgeblichen wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen.

107    Als Zweites konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass die Kommission von der bis dahin befolgten Praxis bei der Berücksichtigung von Daten, die nach der Markteinführung erhoben und zur Stützung von Zulassungsanträgen für bestimmte Arzneimittel vorgelegt wurden, insbesondere Lurasidon und Cisaprid, abgewichen ist. Als der CHMP feststellte, dass die nach der Markteinführung erhobenen und von der Klägerin vorgelegten Daten wenig überzeugend seien, war dies keine grundsätzliche Weigerung, solche Daten im Hinblick auf die Beurteilung der Unbedenklichkeit von Iloperidon zu berücksichtigen, sondern eine Beurteilung der Verlässlichkeit der Daten aus wissenschaftlicher Hinsicht.

–       Zur Rüge der unzulässigen Beeinflussung des CHMP durch die Stellungnahme der Ad-hoc-Sachverständigengruppe vom 30. Oktober 2017

108    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, sie könne, da der CHMP seine Entscheidung über die Ablehnung der Zulassung nicht begründet habe, nur „mutmaßen“, dass dem angefochtenen Beschluss zwei Gesichtspunkte zugrunde lägen, nämlich erstens die nicht bewiesene Behauptung der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017, die auf der persönlichen Meinung eines Mitglieds dieser Beratergruppe beruhe und wonach Iloperidon eine „sehr hohe“ Zahl plötzlicher und unerwarteter Todesfälle hervorgerufen haben solle, und zweitens der Umstand, dass ein Sachverständiger an der wissenschaftlichen Beratergruppe beteiligt gewesen sei, der ein Unternehmen beraten habe, das ein Konkurrenzprodukt zu dem Iloperidon enthaltenden Arzneimittel herstelle.

109    Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.

110    Was als Erstes die Rüge betrifft, der CHMP sei durch die Stellungnahme der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017 unzulässig beeinflusst worden, so ist dieses Vorbringen nicht belegt.

111    Die Beratergruppe wurde aufgrund eines entsprechenden Antrags der Klägerin gemäß Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 im Rahmen des Überprüfungsverfahrens konsultiert.

112    Wie die Kommission festgestellt hat, wurde nicht bewiesen, dass die Gruppe wissenschaftlicher Sachverständiger, die eine rein beratende Funktion hatte und deren Berichte für den CHMP somit nicht verbindlich waren, einen unzulässigen Einfluss auf die Ausarbeitung des CHMP-Beurteilungsberichts genommen hatte.

113    Als Zweites ist über das Vorbringen zu entscheiden, wonach eines der Mitglieder der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017 während der laufenden Evaluierung von Iloperidon beratende Aufgaben für ein Konkurrenzprodukt wahrgenommen habe. Wie die Kommission dargelegt hat, entspricht es der Politik der EMA beim Umgang mit konkurrierenden Interessen, dass Sachverständige, die angeben, dass sie derzeit Beratungsdienste für ein spezifisches Produkt anbieten, berechtigt sind, an Sitzungen einer wissenschaftlichen Beratergruppe oder einer Ad-hoc-Sachverständigengruppe unter der Einschränkung teilzunehmen, dass sie von einer Teilnahme an der Gruppe ausgeschlossen sind, wenn die Gruppe zu dem spezifischen deklarierten Produkt konsultiert wird. Im vorliegenden Fall betrafen die zwei Ad-hoc-Sachverständigengruppen jedoch Iloperidon und nicht das Produkt, das in der Interessenerklärung des Sachverständigen enthalten war (d. h. Cariprazin). Folglich wurde nach der Prüfung der Dokumente zur Interessenerklärung gemäß den bestehenden Verfahren festgestellt, dass in Bezug auf den fraglichen Sachverständigen kein Interessenkonflikt vorliege, weshalb er ermächtigt wurde, in vollem Umfang an den zwei Ad-hoc-Sachverständigengruppen teilzunehmen.

114    Die Klägerin hat in ihrer Erwiderung jedoch vorgebracht, sie wolle nicht behaupten, dass ein „Interessenkonflikt“ vorliege, sondern versuche lediglich, da der angefochtene Beschluss keine überzeugende Begründung enthalte, eine Erklärung zu finden, um die Überlegungen des CHMP zu verstehen.

115    Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden ist, die genaue Tragweite ihres Vorbringens zu präzisieren, hat sie bestätigt, dass sie keine Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit oder einen Interessenkonflikt beanstanden wolle, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist, sondern ihre Argumentation auf die Geltendmachung eines Begründungsmangels gerichtet sei.

116    Folglich sind sowohl das Vorbringen zum unzulässigen Einfluss der wissenschaftlichen Beratergruppe vom Oktober 2017 auf den CHMP als auch das Vorbringen zu einem etwaigen unzulässigen Einfluss, den ein an dieser Gruppe beteiligter Sachverständiger gehabt haben könne, als unbegründet zurückzuweisen.

117    Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Klagegrund: Die Beurteilung der für Iloperidon vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung sei unzureichend begründet und beruhe auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 1 und 4 EUV und den Grundsatz der Gleichbehandlung

118    Mit ihrem zweiten Klagegrund beanstandet die Klägerin im Wesentlichen die Feststellung, man sei „nicht der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko … hinreichend begegnen würden“, die die EMA schließlich dazu bewogen hat, das Nutzen-Risiko-Verhältnis als negativ einzustufen. Die Klägerin beanstandet insoweit die Bewertung der für Iloperidon vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung, die die Möglichkeit beinhalteten, die Zulassung für dieses Arzneimittel auf Sekundärtherapien zu beschränken. Die Bewertung sei nicht nur mit einem Begründungsmangel und offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet (erste Rüge), sondern verstoße auch gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung (zweite Rüge).

119    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

120    Bevor die verschiedenen Rügen geprüft werden, die die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes geltend macht, ist festzustellen, dass die Maßnahmen zur Risikominimierung im Allgemeinen darauf gerichtet sind, das Auftreten unerwünschter Reaktionen, die unvermeidbar und mit der Exposition gegenüber einem Arzneimittel verbunden sind, zu verhindern oder zu reduzieren oder im Fall des Eintretens unerwünschter Reaktionen deren Schwere oder Auswirkung auf den Patienten zu reduzieren. Die Maßnahmen zur Risikominimierung sollen die sichere und wirksame Verwendung eines pharmazeutischen Produkts während seines gesamten Lebenszyklus optimieren. Von den Akteuren auf dem Gebiet der Pharmakovigilanz wird allgemein anerkannt, dass sowohl die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Risikominimierung als auch die Bewertung ihrer Wirksamkeit zentrale Elemente des Risikomanagements sind. Ob vorgeschlagene Maßnahmen zur Risikominimierung ausreichend sind oder nicht, kann daher für jede Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels ausschlaggebend sein.

121    Im vorliegenden Fall beinhalteten die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung nicht nur „Routinemaßnahmen“, d. h. die klassischen Hinweise und Warnungen im Beipackzettel und die Zusammenfassung der Produkteigenschaften, sondern auch aufwändigere begleitende medizinische Maßnahmen wie Genotypisierung und EKG-Monitoring. Ergänzend zu den vorgeschlagenen Maßnahmen hat die Klägerin auch geltend gemacht, dass die Verwendung von Iloperidon als Sekundärtherapie erwogen werden sollte.

–       Zur Rüge, die Beurteilung der Risikominimierungsmaßnahmen verstoße gegen die Begründungspflicht und sei mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet

122    Die Klägerin macht geltend, die Beurteilung der Risikominimierungsmaßnahmen, die sie zur Stützung ihres Zulassungsantrags vorgeschlagen habe, sei mit einem Begründungsmangel behaftet und jedenfalls offensichtlich fehlerhaft. In seinem Beurteilungsbericht habe der CHMP nicht plausibel begründet, warum die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen, darunter die Möglichkeit einer Beschränkung der Zulassung auf Sekundärtherapien (d. h. auf Fälle, in denen andere Produkte keine Wirkung entfalten oder von den Patienten nicht vertragen werden), als nicht ausreichend erachtet worden seien, um die mit Iloperidon verbundenen Sicherheitsrisiken zu kontrollieren.

123    Um das Risiko einer Verlängerung der QT‑Zeit zu kontrollieren, habe die Klägerin vier Arten von Risikominimierungsmaßnahmen vorgeschlagen, die auf dem Unionsmarkt häufig eingesetzt würden, insbesondere für Produkte, die der Behandlung von Schizophrenie dienten. Erstens habe sie, wie dies üblich sei, in die Zusammenfassung der Produkteigenschaften und in die für Patienten bestimmte Packungsbeilage strenge Warnungen und spezielle Warnhinweise für den Gebrauch aufgenommen, denen zu entnehmen sei, dass das Produkt eine Verlängerung der QT‑Zeit verursachen und unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen könne und dass plötzliche Todesfälle gemeldet worden seien. Zweitens habe sie entsprechend einer gängigen Praxis und im Einklang mit den Empfehlungen des CHMP Warnhinweise für den Gebrauch gegeben und sogar Kontraindikationen aufgezählt, um zu verhindern, dass Iloperidon Patienten verabreicht werde, bei denen ein vergleichsweise hohes Risiko bestehe, d. h. Patienten, die ein inhärentes Risiko hätten, den unerwünschten Nebenwirkungen ausgesetzt zu sein, die theoretisch mit einer Verlängerung der QT‑Zeit verbunden seien. Drittens habe sie – ebenfalls im Einklang mit den Empfehlungen des CHMP – vorgeschlagen, in der Zusammenfassung der Produktmerkmale darauf hinzuweisen, dass für alle Patienten vor Behandlungsbeginn eine Genotypisierung durchzuführen sei, um Patienten eines bestimmten Genotyps zu identifizieren, bei denen Iloperidon kontraindiziert sei. Viertens habe sie eingewilligt und vorgeschlagen, den Beginn einer Behandlung mit Iloperidon auf Situationen zu beschränken, in denen ein Kardiologe zur Verfügung stehe, und vorzuschreiben, dass ein EKG-Monitoring vor und während der Behandlung mit Iloperidon durchgeführt werde.

124    Die Kombination dieser vier Risikominimierungsmaßnahmen sowie der Vorschlag, die Behandlung mit Iloperidon auf die „Sekundärtherapie“ zu beschränken, den sie, wie von der im Mai 2017 einberufenen wissenschaftlichen Beratergruppe empfohlen, im Rahmen ihres Antrags auf Überprüfung mit Hilfe eines komplizierten Behandlungsalgorithmus dargelegt habe, hätte den CHMP nach Auffassung der Klägerin zu der Feststellung veranlassen müssen, dass die beschriebenen Risiken angemessen kontrolliert würden, was jedoch unterblieben sei. Die Schlussfolgerungen des CHMP, die keinen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den wissenschaftlichen Feststellungen aufzeigten, seien folglich mit einem Begründungsmangel und offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet, insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der Genotypisierungsmaßnahmen und die Durchführung von EKGs sowie in Bezug auf den Vorschlag einer Nutzung als Sekundärtherapie.

125    Im vorliegenden Fall war der CHMP der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung nicht ausreichten, um das erkannte Risiko, d. h. das erhebliche arrhythmogene Potenzial von Iloperidon, angemessen zu kontrollieren.

126    Im CHMP-Gutachten, das sich in Anhang I des angefochtenen Beschlusses befindet, heißt es zusammenfassend:

„Unter Berücksichtigung der komplexen Kausalkette, die die Exposition gegenüber Iloperidon mit Ereignissen, wie etwa Torsade de Pointes, in Zusammenhang bringt, einschließlich unbekannter und stochastischer Elemente sowie von Elementen, die einer unvorhersagbaren Variabilität unterliegen, ist man der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko in der klinischen Praxis nicht hinreichend begegnen würden. Der Vorschlag zur Durchführung von EKGs zum geschätzten Tmax zum Beispiel könnte zu einem Verfehlen des tatsächlichen Tmax aufgrund von intrinsischen und extrinsischen Faktoren führen, was zu einer Unterschätzung der QTcF‑Verlängerung führen könnte.

Ob die korrekte Umsetzung aller Maßnahmen im klinischen Umfeld durchführbar wäre, ist darüber hinaus aus praktischen Gründen (zum Beispiel hinsichtlich der Verfügbarkeit eines entsprechend geschulten Kardiologen) fraglich, wie auch von den Experten beim Ad-hoc-Treffen angesprochen wurde.“

127    Der CHMP-Beurteilungsbericht erläutert die Gründe, aus denen die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen als unzureichend erachtet wurden.

128    Ihm ist u. a. zu entnehmen, dass der CHMP im Stadium der ersten Prüfung des vorliegend in Rede stehenden Zulassungsantrags die folgende Feststellung traf:

„Unter Berücksichtigung aller verfügbaren nicht klinischen und klinischen Daten (einschließlich der Thorough-QTc-Studie, des klinischen Programms insgesamt und auch der Fälle kardial bedingter/plötzlicher ungeklärter Todesfälle in den klinischen Prüfungen und nach der Markteinführung) hat Iloperidon ein wesentliches und expositionsabhängiges arrhythmogenes Potenzial. Da der Metabolismus von Iloperidon stark auf CYP3A 4 und CYP2D 6 beruht, besteht ein erhöhtes Risiko von Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und eine extreme Anfälligkeit des Metabolismus in Bezug auf genetische Polymorphien. Die Risikominimierungsmaßnahmen wie eine Genotypisierung von CYP2D 6 oder ein extensives EKG-Monitoring werden als nicht ausreichend erachtet, um dieses Risiko zu minimieren.“

129    Aus dem CHMP-Beurteilungsbericht geht außerdem hervor, dass der CHMP im Stadium der Überprüfung des Zulassungsantrags seine Schlussfolgerung aufrechterhalten hat, wonach die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen aus den folgenden Gründen nicht ausreichten:

„Es wird anerkannt, dass die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen für ein Nischenprodukt, das für eine begrenzte Zahl von Patienten bestimmt ist, in bestimmten klinischen Umgebungen der EU praktikabel scheinen, jedoch wahrscheinlich nicht in allen. Allerdings ist angesichts bekannter und unbekannter Variabilitätsquellen fraglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen den Risiken angemessen begegnen können. Es können einige Beispiele für solche Variabilitätsquellen genannt werden, doch ist eine abschließende Aufzählung naturgemäß unmöglich:

–        Die Empfehlung, EKG zum Tmax durchzuführen, könnte aufgrund intrinsischer oder extrinsischer Faktoren unmöglich werden;

–        die Erhöhung der Exposition mit nicht kontraindizierten Faktoren, die die Verstoffwechslung von Iloperidon hemmen, könnte angesichts einer geringen Sicherheitsmarge erheblich schwanken.

Auch der Vorschlag, die Schwelle für die Kontraindikation von [Iloperidon] zu senken, indem die QT‑Zeit ab der Baseline als Referenzwert zugrunde gelegt wird, kann aufgrund der intraindividuellen Variabilität dieser Maßnahme in der betroffenen Population nicht akzeptiert werden.“

130    In dem Abschnitt „Schlussfolgerung und aktualisierte Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses“ in Nr. 4 des CHMP-Beurteilungsberichts stellt der CHMP fest:

„Unter Berücksichtigung aller verfügbaren nicht klinischen und klinischen Daten (einschließlich der Thorough-QTc-Studie, des klinischen Programms insgesamt und auch der Fälle kardial bedingter/plötzlicher ungeklärter Todesfälle in den klinischen Prüfungen und nach der Markteinführung) hat Iloperidon ein wesentliches und expositionsabhängiges arrhythmogenes Potenzial. Man ist nicht der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko in diesem speziellen Fall hinreichend begegnen würden. Demgemäß wurde die Sicherheit von Iloperidon nicht hinreichend nachgewiesen.“

131    Es ist festzustellen, dass zum einen das CHMP-Gutachten und der CHMP-Beurteilungsbericht, auf die sich der angefochtene Beschluss stützt, mit keinem Begründungsmangel in Bezug auf die Risikominimierungsmaßnahmen behaftet sind und zum anderen der CHMP in seinem Beurteilungsbericht im Einklang mit den Anforderungen der Rechtsprechung eine Reihe plausibler Gründe formuliert hat, die seine Schlussfolgerung stützen, wonach die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen nicht geeignet seien, die potenziell unerwünschten Nebenwirkungen von Iloperidon abzuschwächen.

132    Was als Erstes die ersten zwei Kategorien der vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen betrifft, die als „Routinemaßnahmen“ bezeichnet werden und aus den Hinweisen und Warnungen in der Zusammenfassung der Produkteigenschaften und in der Packungsbeilage bestehen, geht – wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen hat – aus der Gesamtheit dieser Informationen hervor, dass angesichts der Erheblichkeit des festgestellten Risikos die Relevanz „einfacher“ Risikominimierungsmaßnahmen, wie z. B. Warnungen in der Zusammenfassung der Produkteigenschaften und in der Packungsbeilage, ausgeschlossen wurde.

133    Was als Zweites die Risikominimierungsmaßnahme betrifft, die aus der Genotypisierung besteht, hat der CHMP diese Maßnahme offensichtlich aus zwei Hauptgründen als unzureichend erachtet.

134    Erstens war der CHMP der Auffassung, dass eine Genotypisierung die Risiken, die durch eine Exposition gegenüber Iloperidon ausgelöst würden, nur teilweise kontrollieren könne. Wie von der Kommission in ihren Schriftsätzen dargelegt, hat sich, da feststeht, dass der Wirkstoff ein arrhythmogenes Potenzial hat, das entsprechend der Exposition ansteigt, herausgestellt, dass der Patient umso stärker dem Risiko einer Herzarrhythmie ausgesetzt ist, die für ihn fatale Folgen haben kann, je höher die Konzentration des Wirkstoffs in seinem Blut ist. Umgekehrt gilt: Je schneller Iloperidon verstoffwechselt wird, desto geringer ist das Risiko. Aus den Daten, die dem CHMP vorliegen, geht jedoch hervor, dass Iloperidon vor allem von zwei Enzymen verstoffwechselt wird, nämlich Cytochrom P450 3A 4 (CYP3A 4) und Cytochrom P450 2D 6 (CYP2D 6), die durch die Einnahme von Arzneimitteln gehemmt werden können. In einem solchen Fall lässt sich durch Genotypisierung nicht mit hinreichender Verlässlichkeit ermitteln, für welche Patienten die Einnahme von Iloperidon mit erheblichen Risiken verbunden wäre.

135    Diese Analyse wird vom CHMP in seinem Beurteilungsbericht klar dargelegt. Es heißt dazu:

„Die Multiplikationen von Cmax mit einem Faktor, der bis zu 2,3 erreichen kann, die bei der metabolischen Hemmung beobachtet wurden, sind nicht zu vernachlässigen und stellen überdies einen Mittelwert dar; sie beschreiben nicht das Ausmaß, in dem bestimmte Personen eine viel höhere Steigerung des Cmax von Iloperidon aufgrund starker CYP3A‑4- und CYP2D‑6-Hemmer aufweisen könnten. Dies hängt von der Aktivität nachrangiger Stoffwechselwege von Iloperidon ab, die durchaus extrem variabel sein könnte. Im Rahmen der Beurteilung der durch ein Arzneimittel hervorgerufenen Risiken von [Torsade de Pointes] ist die durchschnittliche Wirkung für die Population weniger relevant als das ungünstigste Szenario. Es gibt keine Daten, denen man die wahrscheinliche Auswirkung auf Arzneimittelkonzentrationen bei Patienten entnehmen kann, deren nachrangige Stoffwechselwege für Iloperidon aufgrund schwacher CYP3A‑4- und CYP2D‑6-Hemmer eine geringe Aktivität aufweisen.“

136    Zweitens ist, selbst wenn man annimmt, dass die Exposition gegenüber Iloperidon durch Genotypisierung zufriedenstellend kontrolliert werden kann, dem CHMP-Beurteilungsbericht zu entnehmen, dass festgestellt wurde, dass, auch wenn a priori ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Verlängerung der QT‑Zeit (und somit dem arrhythmogenen Potenzial) und dieser Exposition bestehe, die Exposition nicht der einzige Faktor im Zusammenhang mit der Verwendung von Iloperidon sei, der Auswirkungen wie Torsade de Pointes haben könne, die zum Tod des Patienten führen könnten. Mit anderen Worten wurde festgestellt, dass die Kontrolle – u. a. durch Genotypisierung – der Exposition gegenüber Iloperidon nicht geeignet sei, um die mit der Einnahme dieses Arzneimittels verbundenen Risiken angemessen abzuschwächen.

137    Insoweit erläutert der CHMP in seinem Beurteilungsbericht:

„Die Sachverständigen haben festgestellt, dass die Kausalkette, die die Exposition gegenüber Iloperidon mit Ereignissen, wie etwa Torsade de Pointes, in Zusammenhang bringe, komplex sei und einige unbekannte oder stochastische Elemente beinhalte, die naturgemäß im Rahmen eines wie auch immer gearteten Konzepts zur Risikominimierung in der klinischen Praxis sehr schwer zu kontrollieren seien.“

138    Was als Drittes die Beurteilung der Risikominimierungsmaßnahme betrifft, die aus der Durchführung von EKGs besteht, gelten die Feststellungen zur Genotypisierung sinngemäß.

139    Die Verwendung dieser Risikominimierungsmaßnahme zum „Tmax“, der aus einer Schätzung der Zeit besteht, die bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration verstreicht, ist nämlich aufgrund mehrerer intrinsischer (mit dem einzelnen Patienten verbundener) und extrinsischer (mit der Verfügbarkeit eines Kardiologen im betreffenden klinischen Umfeld zur Gewährleistung einer Überwachung der Schizophreniepatienten verbundener) Faktoren als nicht wirksam genug angesehen worden.

140    Was die Durchführung von EKGs im Anfangsstadium betrifft, d. h. in dem Stadium, in dem eine Verschreibung von Iloperidon erwogen wird, hat der CHMP festgestellt, dass dies nicht zwangsläufig zu verlässlichen Informationen in Bezug auf die QT‑Zeit des Patienten führe. Der CHMP-Beurteilungsbericht kommt insoweit zu dem Ergebnis, dass „der Vorschlag, die Schwelle für die Kontraindikation von [Iloperidon] zu senken, indem die QT‑Zeit ab der Baseline als Referenzwert zugrunde gelegt wird, … aufgrund der intraindividuellen Variabilität dieser Maßnahme in der betroffenen Population nicht akzeptiert werden“ kann.

141    Mit anderen Worten ist der CHMP der Auffassung, dass die Durchführung von EKGs nicht als völlig zufriedenstellende Maßnahme zur Kontrolle der Auswirkungen einer Einnahme von Iloperidon erscheine, da sich die mit Hilfe eines EKGs erhobenen Werte von Person zu Person sehr stark unterschieden und daher unvorhersehbar seien. Somit erscheine es nicht möglich, einen Wert zu bestimmen, der den betreffenden Fachkräften als Warnsignal dienen könne. Letztlich sei daher die Zuverlässigkeit dieses Instruments als Mittel zur Kontrolle der mit Iloperidon verbundenen Risiken zu bezweifeln.

142    Was als Viertes den Vorschlag betrifft, Iloperidon als „Sekundärtherapie“ zu verwenden, d. h. in Fällen, in denen die Behandlung eines Patienten mit einem anderen Arzneimittel nicht zufriedenstellend war, ist zusätzlich zu den vorstehenden Erwägungen zu prüfen, ob ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen den wissenschaftlichen Feststellungen, die der EMA bekannt waren, und der vorliegend in Rede stehenden negativen Empfehlung besteht.

143    Insoweit ist den Akten, die dem Gericht vorliegen, zu entnehmen, dass die Klägerin nach dem negativen Gutachten des CHMP vom 20. Juli 2017 und zur Stützung ihres Antrags auf Überprüfung vorschlug, Iloperidon „für eine Sekundärtherapie von Schizophrenie bei Erwachsenen zu empfehlen“.

144    Vor diesem Hintergrund hatte die Klägerin zwei Untergruppen der Gesamtpopulation unterschieden, für die sie ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis von Iloperidon nachweisen wollte, nämlich erstens Schizophreniepatienten, die sich stabilisiert hätten, und zweitens Patienten, die sich in einer schweren Krise befänden und wegen einer Unverträglichkeit mit keinem anderen Arzneimittel vollständig stabilisiert werden könnten.

145    Das Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde jedoch angesichts der erheblichen Sicherheitsprobleme, die für diese zwei Subpopulationen beständen (wie sie auch für die Gesamtpopulation beständen), negativ beurteilt. Der Beurteilungsbericht des CHMP stellt einen verständlichen Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen her, die er in Bezug auf die Verwendung von Iloperidon als Sekundärtherapie zieht.

146    Zwar gibt es, wie beide Parteien anerkennen, bis heute medizinische Bedürfnisse, die bei Schizophreniepatienten, u. a. Patienten mit Akathisie, nicht erfüllt werden, doch betrifft dies den Daten zufolge, die im vorliegenden Fall im Rahmen des Überprüfungsverfahrens vorgelegt wurden, die Patienten, die Zugang zu einem Arzneimittel bräuchten, das keine oder so gut wie keine Tendenz aufweist, ein solches Problem zu verursachen. Dies ist bei Iloperidon jedoch nicht der Fall, da es, wie der CHMP in seinem Beurteilungsbericht feststellte, „eine geringe, jedoch nicht extrem geringe Tendenz hat, extrapyramidale Wirkungen im weiteren Sinne auszulösen“.

147    Fünftens und letztens ist das Vorbringen unbegründet, wonach der CHMP nicht dargelegt habe, warum die vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit – und nicht separat betrachtet – nicht ausreichten, um die mit Iloperidon zusammenhängenden Sicherheitsrisiken zu kontrollieren.

148    Insoweit heißt es im CHMP-Gutachten: „Unter Berücksichtigung der komplexen Kausalkette, die die Exposition gegenüber Iloperidon mit Ereignissen, wie etwa Torsade de Pointes, in Zusammenhang bringt, einschließlich unbekannter und stochastischer Elemente sowie von Elementen, die einer unvorhersagbaren Variabilität unterliegen, ist man der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominimierung dem festgestellten Risiko in der klinischen Praxis nicht hinreichend begegnen würden.“

149    Wie zudem aus der Stellungnahme der Ad-hoc-Gruppe vom 30. Oktober 2017 hervorgeht, wurde festgestellt, dass unabhängig von der Art, in der die Risikominimierungsmaßnahmen kombiniert würden, eine bestimmte Anzahl von Patienten einem erheblichen Sicherheitsrisiko ausgesetzt werde, das u. a. mit der Entwicklung von Torsade de Pointes verbunden sei. Die Gruppe stellte u. a. fest:

„Die Sachverständigen haben festgestellt, dass die Kausalkette, die die Exposition gegenüber Iloperidon mit Ereignissen, wie etwa Torsade de Pointes, in Zusammenhang bringe, komplex ist und einige unbekannte oder stochastische Elemente beinhaltet, die naturgemäß im Rahmen eines wie auch immer gearteten Konzepts zur Risikominimierung in der klinischen Praxis sehr schwer zu kontrollieren sind. Angesichts dieser Erwägungen und der verfügbaren Daten sind die Sachverständigen mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht möglich ist, ein Maßnahmenpaket zur Risikominimierung zusammenzustellen, das den identifizierten Risiken angemessen begegnen kann, und dass die vorgeschlagenen Maßnahmen ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln.“

150    Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Schlussfolgerung, wonach die Risikominimierungsmaßnahmen, die die Klägerin im Hinblick auf eine Zulassung von Iloperidon vorgeschlagen hat, nicht ausreichen, mit keinem Begründungsmangel und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet ist.

–       Zur Rüge der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

151    Die Klägerin macht geltend, die Beurteilung der vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die pauschale Ablehnung der Risikominimierungsmaßnahmen – und somit die Verweigerung der Zulassung – übersteige das Maß, das erforderlich sei, um das Ziel eines ausgewogenen Risiko-Nutzen-Verhältnisses zu erreichen. Die Ablehnung stelle nicht die am wenigsten belastende Maßnahme zur ausreichenden Minimierung der mit Iloperidon verbundenen Risiken dar. Nach Auffassung der Klägerin hätte der CHMP praktikable Risikominimierungsmaßnahmen festlegen können, die gewährleisteten, dass Iloperidon so verschrieben und verabreicht werde, dass die Risiken kontrolliert würden und ein akzeptabler Grad an Sicherheit garantiert sei.

152    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nunmehr in Art. 5 EUV festgelegt ist, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

153    In einem Bereich wie demjenigen, der vorliegend in Rede steht, in dem die betroffene öffentliche Stelle komplexe Prüfungen durchführen muss, ist eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das die zuständigen Organe verfolgen, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 2016, Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. März 2016, Dextro Energy/Kommission, T‑100/15, EU:T:2016:150, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

154    Bei der Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der öffentlichen Gesundheit beachtet wurde, ist zu berücksichtigen, dass unter den vom AEU-Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend zur Wahrung dieses Grundsatzes durch die Mitgliedstaaten im Bereich der öffentlichen Gesundheit Urteil vom 8. Juni 2017, Medisanus, C‑296/15, EU:C:2017:431, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

155    Das Gericht hat entschieden, dass die Verhältnismäßigkeit der Aussetzung oder Rücknahme einer Arzneimittelzulassung speziell unter Berücksichtigung der Ausschließlichkeit der im Unionssystem der Harmonisierung der Gewährung und Verwaltung solcher Zulassungen verankerten Kriterien der Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität nur anhand eben dieser Kriterien zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass sich die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblichen Interessen mit den bei der Anwendung der maßgeblichen Regelung berücksichtigten Interessen, die mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zusammenhängen, decken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2010, Artegodan/Kommission, T‑429/05, EU:T:2010:60, Rn. 128).

156    Im vorliegenden Fall vermischt sich das Vorbringen der Klägerin offensichtlich mit dem Vorbringen, das oben in den Rn. 125 bis 150 im Rahmen der Ausführungen zur Prüfung der ersten Rüge des zweiten Klagegrundes untersucht wurde, wonach der CHMP bei der Prüfung der Risikominimierungsmaßnahmen, die zur Lösung der mit Iloperidon verbundenen Sicherheitsprobleme vorgeschlagen worden seien, offensichtliche Beurteilungsfehler begangen habe.

157    Da die Auffassung vertreten wurde, dass die Risikominimierungsmaßnahmen, sowohl isoliert als auch in Kombination betrachtet, nicht ausreichten, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis festzustellen, musste sich der CHMP zwangsläufig gegen die Zulassung dieses Arzneimittels aussprechen. Anders ausgedrückt: Da bei Vorliegen eines Arzneimittels, dessen Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ ist, keine weniger belastende Alternative als die Ablehnung eines Antrags auf Zulassung des Arzneimittels existiert, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die im angefochtenen Beschluss enthaltene Ablehnung der Zulassung offensichtlich unverhältnismäßig ist.

–       Zur Rüge der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

158    Die Klägerin macht geltend, der CHMP habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, da er die für Iloperidon vorgeschlagenen Risikominimierungsmaßnahmen anders behandelt habe als die Risikominimierungsmaßnahmen, die für andere Arzneimittel zur Behandlung von Schizophrenie vorgeschlagen worden seien. Insbesondere für Sertindol seien das EKG-Monitoring und die Sekundärtherapie als Risikominimierungsmaßnahmen akzeptiert worden. Ebenso habe der CHMP die Zulassung für Cariprazin nicht abgelehnt, sondern akzeptiert, dass die für dieses Arzneimittel festgestellten Sicherheitsprobleme in der Produktinformation und ‑spezifikation angegeben würden.

159    Insoweit ist es ständige Rechtsprechung, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Differenzierung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteile vom 29. April 2004, Novartis Pharmaceuticals, C‑106/01, EU:C:2004:245, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 4. Mai 2016, Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. September 2010, CSL Behring/Kommission und EMA, T‑264/07, EU:T:2010:371, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Da sich jedoch im vorliegenden Fall die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit der Arzneimittel voneinander unterscheiden, kann es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte handeln.

161    Was speziell die Daten zur Verlängerung der QT‑Zeit und somit das arrhythmogene Potenzial von Iloperidon betrifft, die bei der Beurteilung des vorliegend in Rede stehenden Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine zentrale Rolle spielten, ergibt sich aus den von der Kommission übermittelten Daten, die von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten worden sind, dass sich die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen von den Schlussfolgerungen unterscheiden, die für Cariprazin und Sertindol getroffen wurden. Insbesondere in Bezug auf Sertindol hat die Kommission erklärt, aufgrund der vorgelegten Daten habe ausgeschlossen werden können, dass Indikatoren für Torsade de Pointes vorlägen, was bei der Beurteilung von Iloperidon nicht der Fall gewesen sei. Was die Vergleichbarkeit der wissenschaftlichen Beurteilungen von Cariprazin und Iloperidon betrifft, hat die Kommission angegeben, aus welchen Gründen objektive Unterschiede in Bezug auf die Ergebnisse der Analysen betreffend die Verlängerung der QT‑Zeit im Hinblick auf die in den QT‑Leitlinien festgelegten sicherheitsbezogenen Schwellenwerte bestünden.

162    Wie nämlich aus dem CHMP-Beurteilungsbericht hervorgeht, scheinen die konsultierten Sachverständigen übereinstimmend das Vorliegen eines erheblichen arrhythmogenen Potenzials von Iloperidon aufgrund der Verlängerung der QT‑Zeit festgestellt zu haben, was bei Cariprazin und Sertindol nicht gegeben war.

163    Zudem hat die Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts im Rahmen prozessleitender Maßnahmen erklärt, dass Sertindol, dessen Nutzen-Risiko-Verhältnis infolge der Aussetzung der Zulassung von Sertindol seit 2002 nicht erneut beurteilt worden sei, in keinem der Arzneimittel enthalten sei, die seit diesem Zeitpunkt gemäß dem zentralisierten Verfahren zugelassen worden seien. Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung ist bestätigt worden, dass die Parameter, die in der Vergangenheit bei der Beurteilung des arrhythmogenen Potenzials bestimmter Wirkstoffe berücksichtigt worden seien, weniger streng als die derzeit geltenden Parameter gewesen seien und sich der regulatorische Kontext, der in dem Bereich gelte, seit 1997 weiterentwickelt habe.

164    Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung unbegründet und zurückzuweisen.

165    Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Die Beurteilung der Folgen der verzögert einsetzenden Wirkung von Iloperidon sei unzureichend begründet und verstoße gegen den in Art. 5 Abs. 1 und 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

166    Die Klägerin macht geltend, die Beurteilung der Folgen der verzögert einsetzenden Wirkung von Iloperidon, die in sich widersprüchlich sei, sei mit einem Begründungsmangel behaftet und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Indem der CHMP die Auffassung vertreten habe, dass die verzögert einsetzende Wirkung zu „erheblichen Bedenken“ bei der Behandlung einer akuten Exazerbation einer Schizophrenie führe und folglich einen weiteren Grund darstelle, um diesem Arzneimittel die Zulassung zu verweigern, habe der CHMP drei wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Erstens sei der Leitlinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln einschließlich Depotpräparaten bei der Behandlung von Schizophrenie (guideline on clinical investigation of medicinal products, including depot preparations in the treatment of schizophrenia), die die EMA am 20. September 2012 veröffentlicht habe (EMA/CHMP/40072/2010 Rev. 1) und in der darauf hingewiesen werde, dass die kurzfristige Wirksamkeit eines Arzneimittels durch eine klinische Studie von sechs Wochen festgestellt werden könne, zu entnehmen, dass es nicht notwendig sei, eine sofortige Wirkung nachzuweisen, um die Wirksamkeit von Produkten zur Behandlung dieser Krankheit zu bestätigen. Was zweitens die Behandlung einer chronischen Erkrankung betreffe, dürfe die Zeit, die bis zum Eintreten der Wirkung eines zur Behandlung der Erkrankung eingesetzten Arzneimittels verstreiche, keine entscheidende Rolle spielen, insbesondere wenn das Arzneimittel als Sekundärtherapie verschrieben werde, d. h. bei fehlender Wirksamkeit oder Verträglichkeit anderer Produkte. Drittens habe der CHMP selbst in seinem Beurteilungsbericht eingeräumt, dass die verzögert einsetzende Wirkung „als solche nicht als Hinderungsgrund für die Zulassung von Iloperidon angesehen würde“. Der CHMP habe insoweit die Auffassung vertreten, dass die Verzögerung nur die klinischen Situationen einschränke, in denen der Einsatz dieses Arzneimittels erwogen werden könne.

167    Wie aus dem CHMP-Gutachten hervorgeht (siehe oben, Rn. 16), hat der CHMP festgestellt, dass die Verzögerung beim Einsetzen der Wirkung von Iloperidon „zu erheblichen Bedenken bei der Behandlung einer akuten Exazerbation einer Schizophrenie“ führe.

168    Als Erstes beruht das Vorbringen, die Schlussfolgerungen seien widersprüchlich und mit einem Begründungsmangel behaftet, auf einem fehlerhaften Verständnis des Gutachtens und des Beurteilungsberichts des CHMP.

169    Zwar stellte der CHMP in seinem Beurteilungsbericht fest, dass „die verzögert einsetzende Wirkung als solche nicht als Hinderungsgrund für die Zulassung von Iloperidon angesehen würde“.

170    Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die verzögerte Wirkung nicht auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels auswirken könnte.

171    Im vorliegenden Fall stellte der CHMP in seinem Beurteilungsbericht fest, dass die verzögert einsetzende Wirkung von Iloperidon eine klinische Relevanz bei der Behandlung akuter Exazerbationen von Schizophrenie haben könnte, d. h. bei der Behandlung von Patienten der zweiten identifizierten Subpopulation. Diese Feststellung war unter den gegebenen Umständen geeignet, das Vorliegen eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu bestätigen.

172    Der CHMP stellte hierzu in seinem Beurteilungsbericht fest:

„Außerdem hat Iloperidon eine mäßige Wirkung. Darüber hinaus zeigt es eine Verzögerung beim Einsetzen der Wirkung. Dies führt zu erheblichen Bedenken bei der Behandlung einer akuten Exazerbation einer Schizophrenie. Unter Berücksichtigung des Sicherheits- und Wirksamkeitsprofils von Iloperidon insgesamt kann daher keine Patientenpopulation identifiziert werden, bei der man der Auffassung ist, dass der Nutzen der Behandlung gegenüber den schweren Sicherheitsbedenken überwiegt.“

173    Als Zweites kann auch das Vorbringen, der CHMP habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, da er keine eingeschränkte Indikation für Iloperidon zugelassen – und noch nicht einmal erwogen – habe, nicht überzeugen.

174    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. die oben in Rn. 152 angeführte Rechtsprechung).

175    Was speziell die Frage betrifft, ob einem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels stattzugeben ist, nimmt die Nutzen-Risiko-Analyse des Arzneimittels, die von den mit der Antragsprüfung befassten Behörden durchgeführt wird, eine zentrale Rolle ein. Sofern ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis festgestellt wird, ist der Zulassungsantrag abzulehnen. Wie die Kommission dargelegt hat, muss die Verschreibung eines solchen Arzneimittels verhindert werden, und folglich darf sie nicht dem Ermessen der im Gesundheitswesen tätigen Personen überlassen werden.

176    Da der CHMP in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Iloperidon ein negatives Gutachten verfasst hat, kann ihm somit nicht wirksam vorgeworfen werden, dass er gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, als er sich weigerte, eine „beschränkte“ Zulassung für dieses Arzneimittel zu erteilen, da eine beschränkte Zulassung keine „weniger belastende“ und „geeignete“ Maßnahme darstellt, die im Hinblick auf die Realisierung der angestrebten Ziele in Betracht kommt.

177    Nach alledem enthalten die Schlussfolgerungen zu den Folgen der verzögert einsetzenden Wirkung von Iloperidon weder einen Begründungsmangel noch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

178    Der dritte Klagegrund greift daher nicht durch und ist als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Verhältnismäßigkeit (gemäß Art. 5 Abs. 1 bis 3 EUV), Art. 12 und Art. 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004 sowie den Grundsatz der Gleichbehandlung durch die Anforderung, eine Bevölkerungsgruppe zu bestimmen, bei der Iloperidon andere Arzneimittel übertreffe

179    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss verstoße dadurch, dass er von ihr verlange, die „Überlegenheit“ von Iloperidon gegenüber anderen in Sekundärtherapie zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzten Arzneimitteln nachzuweisen, gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Gleichbehandlung sowie gegen die Art. 12 und 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004, deren Bestimmungen die genauen Gründe enthielten, aus denen ein Zulassungsantrag abgelehnt werden könne.

180    Erstens habe der CHMP eine zusätzliche Zulassungsvoraussetzung eingeführt und angewandt, als er von der Klägerin diesen Nachweis verlangt habe, insbesondere durch die Anforderung, „eine Population zu bestimmen“, für die Iloperidon im Vergleich zu anderen Produkten, die für die Behandlung von Schizophrenie eingesetzt würden, und sogar im Vergleich zu allen derzeit verfügbaren Produkten in der Gesamtbetrachtung einzigartige Vorteile biete. Obwohl die Klägerin im Überprüfungsverfahren darauf hingewiesen habe, dass diese Voraussetzung gegen Unionsrecht verstoße, habe der CHMP sie beibehalten und in seinem Beurteilungsbericht angewandt. Folglich habe der CHMP gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität sowie die Bestimmungen der Art. 12 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 726/2004 verstoßen, denen zufolge eine Zulassung nur dann versagt werden könne, wenn der Antragsteller die Qualität, die Sicherheit oder die Wirksamkeit des Arzneimittels nicht angemessen oder ausreichend nachgewiesen habe.

181    Zweitens verstoße der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da er entgegen bisheriger Praxis im Bereich von Produkten der zweiten Generation zur Behandlung von Schizophrenie zusätzliche Anforderungen für die Zulassung von Iloperidon aufstelle. Bislang habe der CHMP bei der Beurteilung solcher Produkte niemals verlangt, dass sie bessere Ergebnisse erzielten, insbesondere in Bezug auf die Verträglichkeit und die therapeutische Wirksamkeit.

182    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.

183    Im vorliegenden Fall beruht das Vorbringen der Klägerin zum vorliegenden Klagegrund auf der irrigen Annahme, der CHMP habe ihr eine Anforderung auferlegt, die in den für die Zulassung von Arzneimitteln geltenden Rechtsvorschriften nicht vorgesehen sei, und zwar in Form des Nachweises, dass Iloperidon anderen Arzneimitteln zur Behandlung von Schizophreniesymptomen überlegen sei.

184    Eine aufmerksame Lektüre der Begründung des angefochtenen Beschlusses, insbesondere des CHMP-Beurteilungsberichts, lässt nämlich eindeutig erkennen, dass der CHMP gerade durch die Argumentation der Klägerin, Iloperidon decke einen „ungedeckten medizinischen Bedarf“, da sich dieses Arzneimittel an Personen richte, für deren gesundheitliches Leiden es keine völlig zufriedenstellende Behandlungsmethode gebe, dazu veranlasst wurde, eine vergleichende Prüfung der Vorteile durchzuführen, die diesem Arzneimittel im Vergleich zu anderen, derzeit auf dem Markt verfügbaren Produkten der zweiten Generation zur Behandlung von Schizophreniesymptomen zugeschrieben wurden. Insbesondere wurde der CHMP gebeten, näher darzulegen, ob und in welchem Umfang Iloperidon ein geringeres Risiko für extrapyramidale Wirkungen, darunter Akathisie, als andere derzeit verfügbare Arzneimittel aufweise.

185    Folglich sind sowohl die Rüge einer Verletzung der Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität als auch der Vorwurf eines Verstoßes gegen Bestimmungen der Verordnung Nr. 726/2004 unbegründet. Wie die Kommission zu Recht dargelegt hat, ist die Entscheidung des CHMP, Iloperidon nicht zu empfehlen, auf dessen negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis und nicht, wie die Klägerin geltend macht, auf das Ergebnis eines Vergleichs zwischen diesem Wirkstoff und zugelassenen Arzneimitteln zurückzuführen.

186    Ebenso wenig überzeugt das Vorbringen, bei seiner Beurteilung von Iloperidon sei der CHMP unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung viel strenger vorgegangen als bei den Beurteilungen anderer Arzneimittel zur Behandlung von Schizophrenie.

187    Anknüpfend an die Ausführungen im Rahmen des dritten Klagegrundes (siehe oben, Rn. 160) ist festzustellen, dass es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte handelt, da sich die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit der Arzneimittel unterscheiden.

188    Dies gilt umso mehr, wenn die betreffenden Arzneimittel verschiedenen Wirkstoffklassen angehören, da sich die wissenschaftlichen Erwägungen, die für die Beurteilung der Sicherheit und Wirksamkeit maßgeblich sind, naturgemäß je nach Krankheitsgruppe voneinander unterscheiden. Wie die Kommission dargelegt hat, ohne dass ihr die Klägerin widersprochen hätte, gehören Iloperidon und Cisaprid verschiedenen Wirkstoffklassen an. Iloperidon ist ein Antipsychotikum, das in den Bereich der Therapie neurologischer Störungen fällt. Dagegen ist Cisaprid ein Arzneimittel, das der Behandlung von Erkrankungen des Verdauungstrakts und von Stoffwechselstörungen dient.

189    Selbst wenn man annimmt, dass die Stellen, die mit der Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Arzneimittels im Rahmen eines nach dem zentralisierten Verfahren gestellten Zulassungsantrags befasst sind, bei der Ermittlung der mit anderen Arzneimitteln verbundenen Risiken weniger streng waren, kann dies jedenfalls die Erteilung einer Zulassung nicht rechtfertigen. Die Beurteilung der Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit eines Arzneimittels muss sich auf die objektive Prüfung der wissenschaftlichen Analysen stützen, die zur Begründung eines Zulassungsantrags eingereicht werden, und nicht auf eine vergleichende Prüfung der von den zuständigen Stellen vorgenommenen Beurteilungen. Außerdem muss feststehen, dass das fragliche Arzneimittel im Bereich der Wirksamkeit und Sicherheit Vorteile bietet, die ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis rechtfertigen.

190    Aus alledem ergibt sich, dass der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

 Zum fünften Klagegrund: Begründungsmangel und jedenfalls offensichtliche Fehlerhaftigkeit der allgemeinen Nutzen-Risiko-Beurteilung von Iloperidon

191    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die vom CHMP vorgenommene allgemeine Nutzen-Risiko-Beurteilung von Iloperidon sei nicht ausreichend begründet und jedenfalls offensichtlich fehlerhaft. Selbst wenn nämlich die Fehler und Begründungsmängel, die sie im Rahmen der vier ersten Klagegründe identifiziert habe, isoliert betrachtet nicht als offensichtlich angesehen werden könnten, hätten sie in der Gesamtbetrachtung dazu geführt, die mit Iloperidon verbundenen Risiken überzubewerten und dessen Vorteile, die sich nicht leugnen ließen (nämlich geringeres Risiko für Akathisie und Verringerung der Rezidivrate), unterzubewerten und somit ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis festzustellen. Abgesehen von diesen Vorteilen habe der CHMP anscheinend aus dem Blickwinkel verloren, dass es sich bei Schizophrenie um eine schwere Erkrankung handle und die unerfüllten Bedürfnisse der betroffenen Patienten erheblich seien.

192    Die Kommission beantragt die Zurückweisung dieses Klagegrundes.

193    Mit dem vorliegenden Klagegrund fügt die Klägerin ihrem Vorbringen im Rahmen der vier ersten Klagegründe nichts Neues hinzu. Die Klägerin beschränkt sich nämlich auf das Vorbringen, der CHMP habe anscheinend aus dem Blickwinkel verloren, dass es sich bei Schizophrenie um eine schwere Erkrankung handle, die unerfüllten Bedürfnisse der betroffenen Patienten erheblich seien und Iloperidon bei der Behandlung der Symptome Vorteile biete (und zwar ein geringeres Risiko für Akathisie und eine erhebliche Verringerung der Rezidivrate). Nach Auffassung der Klägerin hätten diese Gesichtspunkte den CHMP bei vernünftiger Betrachtung dazu veranlassen müssen, eine positive Empfehlung für die Zulassung dieses Arzneimittels abzugeben.

194    Hierzu ist festzustellen, dass sich die Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung eines Antrags auf Zulassung eines Arzneimittels auf eine Prüfung stützen muss, die die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels voraussetzt und grundsätzlich auf einer objektiven Beurteilung seiner wahrscheinlichen Wirkungen auf der Grundlage der von den Antragstellern eingereichten wissenschaftlichen Daten beruhen muss. Es steht nämlich fest, dass den Geboten der öffentlichen Gesundheit eine übergeordnete Bedeutung zukommt (siehe insbesondere oben, Rn. 45 und 46).

195    Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass bei den derzeit verfügbaren Medikationen zur Behandlung von Schizophreniesymptomen weiterhin ein erheblicher medizinischer Bedarf besteht, doch darf dies die mit der Prüfung von Zulassungsanträgen befassten Stellen nicht dazu veranlassen, bei der Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des jeweiligen Arzneimittels in Bezug auf Parameter, die bei der Beurteilung der Sicherheit des Arzneimittels zu berücksichtigen sind, weniger streng vorzugehen.

196    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

197    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterliegt, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Vanda Pharmaceuticals Ltd trägt die Kosten.

Spielmann

Csehi

Spineanu-Matei

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Dezember 2019.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.