Language of document : ECLI:EU:T:2008:379

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

17. September 2008(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke Neurim PHARMACEUTICALS – Ältere nationale und ältere Gemeinschaftswortmarke EURIM-PHARM – Sprache des Beschwerdeverfahrens – Fristen – Zulässigkeit der Beschwerde vor der Beschwerdekammer – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Weiterbehandlung – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Art. 59, 78 und 78a der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2, Regel 49 Abs. 1 und Regel 96 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95“

In der Rechtssache T‑218/06

Neurim Pharmaceuticals (1991) Ltd mit Sitz in Tel Aviv (Israel), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Kinkeldey,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH mit Sitz in Piding (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Raab,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 2. Juni 2006 (Sache R 74/2006‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH und der Neurim Pharmaceuticals (1991) Ltd

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili, des Richters F. Dehousse und der Richterin I. Wiszniewska-Białecka (Berichterstatterin),

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 16. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 18. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2008

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung bestimmt:

„Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen.“

2        In Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 heißt es:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Der Anmelder, der Inhaber der Gemeinschaftsmarke oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. …

(3) Der Antrag ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

…“

3        Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:

„Weiterbehandlung

(1) Dem Anmelder, dem Inhaber einer Gemeinschaftsmarke oder einem anderen an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligten, der eine gegenüber dem Amt einzuhaltende Frist versäumt hat, kann auf Antrag Weiterbehandlung gewährt werden, wenn mit dem Antrag die versäumte Handlung nachgeholt wird. Der Antrag auf Weiterbehandlung ist nur zulässig, wenn er innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der versäumten Frist gestellt wird. Der Antrag gilt erst als gestellt, wenn die Weiterbehandlungsgebühr gezahlt worden ist.

…“

4        Regel 48 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) in geänderter Fassung sieht vor:

„(1) Die Beschwerdeschrift muss folgende Angaben enthalten:

c) eine Erklärung, in der die angefochtene Entscheidung und der Umfang genannt werden, in dem ihre Änderung oder Aufhebung begehrt wird.

(2) Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist.“

5        Regel 49 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 lautet:

„Entspricht die Beschwerde nicht den Artikeln 57 bis 59 der Verordnung [Nr. 40/94] sowie Regel 48 Absatz 1 Buchstabe c) und Absatz 2, so weist die Beschwerdekammer sie als unzulässig zurück, sofern der Mangel nicht bis zum Ablauf der gemäß Artikel 59 der Verordnung [Nr. 40/94] festgelegten Frist beseitigt worden ist.“

6        Regel 70 der Verordnung Nr. 2868/95 über die Berechnung der Fristen bestimmt:

„…

(2) Bei der Fristberechnung wird mit dem Tag begonnen, der auf den Tag folgt, an dem das Ereignis eingetreten ist, aufgrund dessen der Fristbeginn festgestellt wird; dieses Ereignis kann eine Handlung oder der Ablauf einer früheren Frist sein. Besteht die Handlung in einer Zustellung, so ist das maßgebliche Ereignis der Zugang des zugestellten Schriftstücks, sofern nichts anderes bestimmt ist.

(4) Ist als Frist ein Monat oder eine Anzahl von Monaten bestimmt, so endet die Frist in dem maßgeblichen folgenden Monat an dem Tag, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem das Ereignis eingetreten ist. …“

7        In Abs. 1 der im Teil „Sprachenregelung“ der allgemeinen Bestimmungen enthaltenen Regel 96 der Verordnung Nr. 2868/95 heißt es:

„Unbeschadet Artikel 115 Absätze 4 und 7 der Verordnung [Nr. 40/94] und sofern diese Regeln nichts anderes vorsehen, kann jeder Beteiligte im schriftlichen Verfahren vor dem Amt jede Sprache des Amtes benutzen. Ist die von einem Beteiligten gewählte Sprache nicht die Verfahrenssprache, so legt dieser innerhalb eines Monats nach Vorlage des Originalschriftstücks eine Übersetzung in der Verfahrenssprache vor. …“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

8        Am 1. August 2002 meldete die Klägerin, die Neurim Pharmaceuticals (1991) Ltd, beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke nach der Verordnung Nr. 40/94 an.

9        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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10      Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 5 und 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 5: „Pharmazeutika, pharmazeutische Präparate, Pillen für pharmazeutische Zwecke, chemische Präparate für pharmazeutische Zwecke, chemische Präparate für medizinische Zwecke, Arzneimittel für medizinische Zwecke“;

–        Klasse 10: „Medizinische Vorrichtungen“.

11      Die Klägerin reichte die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in Englisch ein und gab Deutsch als zweite Sprache an.

12      Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 28/03 vom 31. März 2003 veröffentlicht.

13      Am 27. Juni 2003 legte die Streithelferin, die Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH, Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ein.

14      Der Widerspruch wurde auf die als Gemeinschaftsmarke Nr. 667 899 für „Arzneimittel“ der Klasse 5 und als deutsche Marke Nr. 1 068 926 für „Human- und Tierfertigarzneimittel“ ebenfalls der Klasse 5 eingetragene Wortmarke EURIM-PHARM sowie auf den deutschen Handelsnamen „Eurim-Pharm GmbH“ gestützt, der in Deutschland im Zusammenhang mit der Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln, insbesondere im Arzneimittelgroßhandel, benutzt wird.

15      Der Widerspruch wurde in deutscher Sprache eingereicht. Diese Sprache wurde nach Art. 115 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 Verfahrenssprache.

16      Mit Entscheidung vom 14. November 2005, die den Beteiligten am selben Tag per Fax zugestellt wurde, gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt und wies die Anmeldung zurück.

17      Am 6. Januar 2006 legte die Klägerin Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Dafür verwendete sie das vom HABM bereitgestellte Beschwerdeformblatt in englischer Sprache, in das sie in Feld 31 („Umfang der Beschwerde“) folgenden Satz in englischer Sprache eintrug:

„Die Entscheidung sollte insgesamt aufgehoben und die Eintragung der Anmeldung ermöglicht werden.“

18      Am 18. Januar 2006 schickte die Geschäftsstelle des HABM zwei Dokumente per Fax an die Vertreter der Klägerin: eine zweiseitige Empfangsbestätigung über den Eingang der Beschwerde und eine eine Seite umfassende Mitteilung über einen Mangel betreffend die Sprache, in der die Beschwerde eingereicht worden war, in Ansehung von Regel 48 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95. In dieser Mitteilung wurde die Klägerin aufgefordert, gemäß Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 innerhalb eines Monats nach Vorlage des Originals, d. h. spätestens am 6. Februar 2006, eine Übersetzung der Beschwerdeschrift in die Verfahrenssprache vorzulegen.

19      Der vom HABM vorgelegte Auszug des Faxsendeberichts weist für die Übermittlung der beiden an die Vertreter der Klägerin geschickten Dokumente an diesem Tag den Vermerk „OK“ aus.

20      Am 14. März 2006 reichte die Klägerin eine Beschwerdebegründung in deutscher Sprache ein.

21      Am 22. März 2006 rief ein Bediensteter des HABM einen der Vertreter der Klägerin an und unterrichtete ihn über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift und über die vom HABM in dieser Angelegenheit am 18. Januar 2006 verschickte Mitteilung. Der Vertreter der Klägerin gab an, diese Mitteilung nicht erhalten zu haben.

22      Mit per Fax an das HABM geschicktem Schreiben vom 7. April 2006 bekräftigte der Vertreter der Klägerin unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Telefongespräch mit einem Bediensteten des HABM, dass er am 18. Januar 2006 nur ein Schreiben des HABM, nämlich das mit der Empfangsbestätigung über den Eingang der Beschwerdeschrift, erhalten habe. Als Beleg für diese Behauptung legte er einen Auszug einer elektronischen Liste seiner Faxeingänge am 18. Januar 2006 vor. Ferner bat er um nochmalige Übersendung einer Kopie des Schreibens vom 18. Januar 2006 über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift.

23      Mit weiterem Schreiben vom 7. April 2006 schickte der Vertreter der Klägerin dem HABM eine neue Beschwerdeschrift, diesmal vollständig in deutscher Sprache, wobei er gleichzeitig Weiterbehandlung nach Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 beantragte und zur Abbuchung der zu zahlenden Gebühr von seinem laufenden Konto beim HABM ermächtigte.

24      Am 23. Mai 2006 stellte der Vertreter der Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 und ermächtigte zur Abbuchung der zu zahlenden Gebühr von seinem laufenden Konto beim HABM. Er brachte vor, dass er eine Sekretärin angewiesen habe, dem HABM am 6. Januar 2006 die deutsche Fassung der Beschwerdeschrift zu schicken, und dass aus unerklärlichen Gründen und ohne dass darin eine Vernachlässigung seiner Überwachungsobliegenheit liege, die zweite Seite des Beschwerdeformblatts in englischer Sprache abgeschickt worden sei. Ferner führte er aus, dass die betreffende Sekretärin, eine erfahrene Kraft, deren Leistung zuvor keinen Anlass zur Beanstandung gegeben habe, zur damaligen Zeit der Arbeitgeberseite nicht bekannte schwere Sorgen im familiären Bereich gehabt habe.


25      Mit Entscheidung vom 2. Juni 2006 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde gemäß Regel 49 Abs. 1 in Verbindung mit Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 als unzulässig zurück. Darüber hinaus behandelte sie die Anträge auf Weiterbehandlung nach Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 78 dieser Verordnung „als nicht gestellt“, da die Anweisung zur Zahlung der entsprechenden Gebühren nicht rechtzeitig erfolgt sei.

 Anträge der Parteien

26      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

27      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

28      Die Streithelferin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

29      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 sowie gegen Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2, Regel 49 Abs. 1 und Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95, zweitens einen Verstoß gegen Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94, drittens einen Verstoß gegen Art. 78 dieser Verordnung und viertens einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

30      Da der vierte Klagegrund wie der erste die Zulässigkeit der Beschwerde vor der Beschwerdekammer betrifft, ist er im Anschluss an den ersten Klagegrund an zweiter Stelle zu prüfen. Der zweite und der dritte Klagegrund, die im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Antrags auf Weiterbehandlung und der fristgemäßen Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stehen, werden an dritter und an vierter Stelle geprüft.

 Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94, Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2, Regel 49 Abs. 1 und Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95

 Vorbringen der Parteien

31      Die Klägerin macht geltend, dass sie eine fristgerechte und ordnungsgemäße Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung gemäß den Bestimmungen des Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 eingelegt habe und lediglich die Darlegung des Umfangs der Beschwerde in der Sprache der Anmeldung anstatt in der Verfahrenssprache abgefasst gewesen sei. Sie habe vom HABM keine schriftliche Mitteilung über den Mangel betreffend die Sprache, in der die Beschwerde eingelegt worden sei, erhalten.

32      Sie bringt zum einen vor, dass der vom HABM vorgelegte Faxsendebericht vom 18. Januar 2006 mit dem Übermittlungsvermerk „OK“ für die Mitteilung über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift nur eine Eingangsvermutung begründe. Nach der Rechtsprechung und den Richtlinien des HABM für die Verfahren vor ihm könne eine solche Vermutung widerlegt werden, wenn der Adressat einer Mitteilung des HABM nachweise, dass er sie nicht erhalten habe. Im vorliegenden Fall habe sie diese Vermutung durch die Vorlage eines Faxeingangsprotokolls vom 18. Januar 2006 widerlegt, aus dem hervorgehe, dass bei ihr eine einzige, zweiseitige Mitteilung des HABM eingegangen sei, bei der es sich um die Empfangsbestätigung über den Eingang der Beschwerdeschrift handele. Die Mitteilung über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift müsse deshalb als nicht erfolgt angesehen werden.

33      Zum anderen sei es die ständige Praxis des HABM, auf Mängel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 anzuwenden, was die Möglichkeit impliziere, eine Übersetzung des Originalschriftstücks in der Verfahrenssprache innerhalb eines Monats nach dessen Vorlage nachzureichen. Eine weitere ständige Praxis des HABM bestehe darin, die Beschwerdeführer mit einer Mitteilung ausdrücklich auf ihre Fehler im Zusammenhang mit der Verfahrenssprache und die entsprechende Abhilfefrist der Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 hinzuweisen.

34      Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes müsse sich die Klägerin auf die Einhaltung dieser ständigen, das HABM bindenden Verwaltungspraxis verlassen können, zumal hier eine Beschwerdeschrift bereits eingereicht gewesen sei und ihr der fragliche Mangel ohne Weiteres vor Fristablauf hätte erneut ordnungsgemäß mitgeteilt werden können. Darum sei von ihren Vertretern in mehreren Telefonaten erfolglos gebeten worden. Bei einer solchen Änderung einer ständigen Verwaltungspraxis unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz müsse der Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift durch die erneute Einreichung der Beschwerdeschrift, diesmal in deutscher Sprache, am 7. April 2006 als wirksam behoben gelten.

35      Das HABM macht geltend, nach Regel 48 Abs. 2, Regel 49 und Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 müsse eine Beschwerde, die wie im vorliegenden Fall in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache eingereicht und nicht fristgemäß in Übersetzung vorgelegt worden sei, als unzulässig zurückgewiesen werden. Das von der Klägerin vorgelegte Dokument sei kein ausreichender Nachweis dafür, dass ihr das vom HABM gesandte Fax zu ihrer Unterrichtung über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift nicht zugegangen sei.

36      Die Streithelferin ist der Ansicht, dass die Beschwerde zu Recht nach Regel 49 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 zurückgewiesen worden sei, da die Beschwerdeschrift unter Verstoß gegen Regel 48 Abs. 2 dieser Verordnung in einer anderen als der Verfahrenssprache eingereicht worden sei. Die Praxis der Beschwerdekammer, die Beteiligten auf Formmängel ihrer Schriftsätze hinzuweisen, stelle keine Verpflichtung dar und habe deshalb keinerlei Auswirkung auf die vorgesehenen Fristen. Die Verlängerung dieser Fristen könne zu Ungleichbehandlungen führen.

 Würdigung durch das Gericht

37      Aus Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 ergibt sich, dass die Beschwerdeschrift eine Erklärung enthalten muss, in der angegeben wird, in welchem Umfang die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird, und dass sie in der Verfahrenssprache eingereicht werden muss, in der diese Entscheidung ergangen ist.

38      Nach Regel 49 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 weist die Beschwerdekammer die Beschwerde, wenn diese u. a. Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 dieser Verordnung nicht entspricht, als unzulässig zurück, sofern der Mangel nicht bis zum Ablauf der gemäß Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 festgelegten Frist, d. h. innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der streitigen Entscheidung, beseitigt worden ist.

39      Nach Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 kann jeder Beteiligte, sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, eine Sprache des HABM, die nicht Verfahrenssprache ist, benutzen, wenn er innerhalb eines Monats nach Vorlage des Originalschriftstücks eine Übersetzung in die Verfahrenssprache vorlegt.

40      Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin die streitige Entscheidung der Widerspruchsabteilung am 14. November 2005 per Fax zugestellt. Mit der Einreichung der Beschwerdeschrift am 6. Januar 2006 wurde die Beschwerde innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 eingelegt. Allerdings entsprach die Beschwerdeschrift, die gemäß Regel 48 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 2868/95 die Angabe enthielt, in welchem Umfang die Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung begehrt wird, nicht Regel 48 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95, weil diese Angabe in englischer Sprache und nicht in der Verfahrenssprache Deutsch formuliert war.

41      Nach Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 wäre es möglich gewesen, innerhalb eines Monats nach Vorlage der Beschwerdeschrift, d. h. spätestens am 6. Februar 2006, eine Übersetzung der Beschwerdeschrift in der Verfahrenssprache einzureichen. Eine solche Übersetzung ging beim HABM jedoch nur mit einer neuen, in deutscher Sprache verfassten Beschwerdeschrift ein, die am 7. April 2006, also mehr als zwei Monate nach Ablauf der gesetzten Frist, eingereicht wurde.

42      Deshalb hat die Beschwerdekammer die Beschwerde rechtsfehlerfrei nach Regel 49 Abs. 1 und Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 als unzulässig zurückgewiesen.

43      An dieser Feststellung ändert auch das Vorbringen der Klägerin zum angeblichen Fehlen einer Mitteilung des HABM über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift und zum angeblichen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nichts. Aus Regel 49 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 ergibt sich nämlich, dass die Nichtbeachtung von Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 dieser Verordnung – gegebenenfalls nach Ablauf der in Regel 96 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Frist – unmittelbar und ohne vorherige Mitteilung die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig zur Folge hat. Weder aus den anwendbaren Verordnungen noch aus der Rechtsprechung geht hervor, dass das HABM verpflichtet wäre, etwaige Beschwerdeführer bei den Beschwerdekammern auf die Folgen einer Nichteinhaltung der Formvorschriften dieser Verordnungen hinzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2005, Solo Italia/HABM – Nuova Sala [PARMITALIA], T‑373/03, Slg. 2005, II‑1881, Randnr. 59).

44      Selbst wenn die Unterrichtung der Beschwerdeführer über Formmängel ihrer Schriftsätze eine ständige Praxis des HABM darstellen sollte, wäre das im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Eine solche Praxis kann nämlich nicht den in Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehenen Fristbeginn verändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. September 2003, Classen Holding/HABM – International Paper [BECKETT EXPRESSION], T‑71/02, Slg. 2003, II‑3181, Randnr. 41). Außerdem dienen die Vorschriften über die Fristen nach ständiger Rechtsprechung dem Zweck, Rechtssicherheit zu gewährleisten und jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung zu verhindern (vgl. Beschluss des Gerichts vom 21. November 2005, Tramarin/Kommission, T‑426/04, Slg. 2005, II‑4765, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese allgemeine Feststellung gilt auch für die in den Verordnungen über die Gemeinschaftsmarke vorgesehenen Fristen. Die Beschwerdekammer hat deshalb nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, als sie die in Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehene Frist ohne Änderung angewandt hat.

45      Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 Vorbringen der Parteien

46      Die Klägerin macht geltend, die Zurückweisung ihrer mit Ausnahme eines einzigen, in Englisch verfassten Satzes frist- und formgerecht eingelegten Beschwerde durch die Beschwerdekammer als unzulässig verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil ihr damit die Möglichkeit genommen werde, das Verfahren weiterzuverfolgen und ihre Anmeldung zu verteidigen.

47      Wenn man erstens das Interesse der Streithelferin an einer leichten Verständlichkeit der Beschwerde und an der Kontinuität der Verfahrenssprache gegen das Interesse der Klägerin an der Verteidigung ihrer Anmeldung abwäge, gehe es zu weit, die Beschwerde allein deshalb zurückzuweisen, weil dem Formerfordernis der Einreichung der Beschwerdeschrift in der Verfahrenssprache nicht genügt worden sei.

48      Zweitens habe die Beschwerdekammer selbst in der Vergangenheit eingeräumt, dass es der Sprachenregelung der Verordnungen Nrn. 40/94 und 2868/95 an Klarheit mangele. Es sei unnötig streng und formalistisch, eine solche Regelung auf die Beschwerdeschrift anzuwenden, bei der ein Übersetzungsbedarf nur für wenige wesentliche Elemente bestehe. Die auf dem Beschwerdeformblatt zu machenden Angaben seien nämlich Minimalangaben, was auch für die Angabe des Beschwerdeumfangs gelte, die bei der gegenwärtigen Fassung des Formblatts schlicht in einem anzukreuzenden Kästchen enthalten sei.

49      Drittens sei die Wahl der Verfahrenssprache auf die in der Gemeinschaft meistbekannten Sprachen beschränkt, um gerade zu verhindern, dass die Verfahrenssprache einem der Verfahrensbeteiligten völlig unbekannt sei. Im vorliegenden Fall habe die Streithelferin den Inhalt der Beschwerdeschrift einschließlich der in Englisch verfassten Angabe zum Umfang der Beschwerde verstehen können, da die Anmeldung, gegen die sie Widerspruch eingelegt habe, ebenfalls in Englisch verfasst gewesen sei. Dass sie Englisch verstehe, stehe außer Zweifel, zumal es sich um ein pharmazeutisches Unternehmen und nicht um eine Einzelperson handele.

50      Das HABM weist darauf hin, dass die Beschwerdekammer nicht dafür zuständig sei, die Verhältnismäßigkeit der Vorschriften, die die Zurückweisung einer in einer anderen als der Verfahrenssprache eingelegten Beschwerde vorsähen, zu prüfen, und führt aus, dass gerade das Bestehen unterschiedlicher Rechtsbehelfe, die es gestatteten, Formfehlern oder Fristversäumnissen abzuhelfen, für die Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung spreche. Da die Klägerin von diesen ihr eröffneten Rechtsbehelfen keinen Gebrauch gemacht habe und in Anbetracht der wiederholten Fristversäumnisse, die an der Sorgfalt ihrer Vertreter zweifeln ließen, gebe es keinen Anlass, die Verhältnismäßigkeit der betreffenden Rechtsgrundlagen in Frage zu stellen.

51      Die Streithelferin hält es nicht für unverhältnismäßig, die Einhaltung der Vorschriften über die Fristen und die Verfahrenssprache zu verlangen, deren Anwendung einer Abwägung der Interessen der Beteiligten nicht zugänglich sei. Da außerdem die Klägerin die Möglichkeit habe, eine neue Anmeldung einzureichen, sei die Zurückweisung ihrer Beschwerde nicht unbillig.

 Würdigung durch das Gericht

52      Bei der Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig hat die Beschwerdekammer Regel 96 Abs. 1, Regel 49 Abs. 1 und Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 angewandt. Diese für die Zulässigkeit der Beschwerde im vorliegenden Fall geltenden Regeln mussten von ihr angewandt werden. Ihre Nichtbefolgung hätte den Grundsatz der Rechtmäßigkeitsvermutung verletzt, wonach die Gemeinschaftsregelung so lange voll wirksam bleibt, wie ihre Rechtswidrigkeit nicht durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Kik/HABM [Kik], T‑120/99, Slg. 2001, II‑2235, Randnr. 55).

53      Es ist somit Sache des Gerichts, sich zur Rechtmäßigkeit dieser Regeln in Ansehung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu äußern, da die Klägerin, indem sie in der Unzulässigkeit ihrer Beschwerde aufgrund dieser Regeln einen Verstoß gegen diesen Grundsatz sieht, implizit geltend macht, dass die Regeln selbst gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstießen.

54      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Regeln Teil der mit der Verordnung Nr. 40/94 errichteten Sprachenregelung sind. Nach der Rechtsprechung steht aber diese Regelung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2003, Kik/HABM, C‑361/01 P, Slg. 2003, I‑8283, Randnrn. 92 bis 94, und Urteil Kik, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnrn. 62 und 63). In diesen Regeln kann somit kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesehen werden.

55      Im Übrigen kann die Nichtbeachtung von Obliegenheiten wie der Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung sind, von der Gemeinschaftsregelung mit dem Verlust eines Rechts geahndet werden, ohne dass dies mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. März 2003, APOL/Kommission, T‑61/00 und T‑62/00, Slg. 2003, II‑635, Randnrn. 96 und 98).



56      Nach alledem kann die Entscheidung der Beschwerdekammer, die Beschwerde in Anwendung von Regel 96 Abs. 1, Regel 49 Abs. 1 und Regel 48 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 als unzulässig zurückzuweisen, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Der vorliegende Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

 Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94

 Vorbringen der Parteien

57      Die Klägerin macht geltend, Regel 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 betreffend den Fristablauf müsse auch auf die Ermittlung des Fristbeginns angewandt werden, damit ein Beschwerdeführer nicht aufgrund des für die Einreichung seiner Beschwerde verwendeten Kommunikationsmittels benachteiligt werde. Nach dieser Regel erstrecke sich eine Frist, die an einem Tag ablaufe, an dem das HABM zur Entgegennahme von Schriftstücken nicht geöffnet sei oder an dem gewöhnliche Postsendungen am Sitz des HABM nicht zugestellt würden, auf den nächstfolgenden Tag, an dem das HABM zur Entgegennahme von Schriftstücken geöffnet sei und an dem gewöhnliche Postsendungen zugestellt würden. Hier habe die Einmonatsfrist der Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 somit nicht am Freitag, dem 6. Januar 2006, dem Tag der Einreichung der Beschwerdeschrift, zu laufen begonnen, weil dieser Tag nach der für das Jahr 2006 geltenden Liste der Tage, an denen das HABM geschlossen sei, ein Feiertag gewesen sei. Die Beschwerdeschrift müsse als am Montag, dem 9. Januar 2006 eingereicht gelten. Demnach sei die Einmonatsfrist für die Vorlage der Übersetzung der Beschwerdeschrift in der Verfahrenssprache am 9. Februar 2006 und nicht, wie vom HABM geltend gemacht, am 6. Februar 2006 abgelaufen.

58      Somit sei der Antrag auf Weiterbehandlung, der am 7. April 2006 zusammen mit der deutschen Übersetzung der Beschwerdeschrift und der Zahlungsanweisung für die Weiterbehandlungsgebühr eingereicht worden sei, im Einklang mit Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 gestellt worden. Indem das HABM diesem Antrag nicht stattgegeben habe, habe es daher gegen Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen.

59      Das HABM und die Streithelferin widersprechen dem Vorbringen der Klägerin und machen geltend, da die Beschwerdeschrift in englischer Sprache am 6. Januar 2006 eingereicht worden sei, sei die in Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehene Frist am 6. Februar 2006 abgelaufen und die Frist des Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 für die Stellung eines Antrags auf Weiterbehandlung habe am 6. April 2006 geendet. Der am 7. April 2006 eingereichte Antrag auf Weiterbehandlung sei somit einen Tag nach Fristablauf gestellt worden.

 Würdigung durch das Gericht

60      Mit ihrem Klagegrund betreffend die Zulässigkeit des Antrags auf Weiterbehandlung beanstandet die Klägerin im Wesentlichen, dass die Beschwerdekammer diesem Antrag nicht stattgegeben habe, weil sie ihn als nicht gestellt behandelt habe.

61      Nach Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 kann einem an einem Verfahren vor dem HABM Beteiligten, der eine Frist versäumt hat, auf Antrag Weiterbehandlung gewährt werden, wenn mit dem Antrag die versäumte Handlung nachgeholt wird. Der Antrag ist nur zulässig, wenn er innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der versäumten Frist gestellt wird, und gilt erst als gestellt, wenn eine Weiterbehandlungsgebühr gezahlt worden ist.

62      Regel 96 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 sieht vor, dass die Einmonatsfrist für die Vorlage einer Übersetzung eines in einer anderen Sprache verfassten Originalschriftstücks in der Verfahrenssprache mit der Vorlage des Originalschriftstücks zu laufen beginnt. Wenn als Frist ein Monat oder eine Anzahl von Monaten bestimmt ist, so endet nach Regel 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2868/95 die Frist in dem maßgeblichen folgenden Monat an dem Tag, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem das Ereignis eingetreten ist.

63      Hier wurde die Beschwerdeschrift in ihrer englischen Fassung unstreitig mit am 6. Januar 2006 an das HABM gesandtem Fax eingereicht. Die Beschwerdekammer war daher zu Recht der Ansicht, dass die Einmonatsfrist für die Vorlage der Übersetzung der Beschwerdeschrift in der Verfahrenssprache am 6. Februar 2006 endete.

64      Da die versäumte Frist am 6. Februar 2006 abgelaufen war, hätte spätestens am 6. April 2006 der Antrag auf Weiterbehandlung gestellt und auch die Abbuchung der fälligen Gebühr genehmigt werden müssen. Der Antrag auf Weiterbehandlung und die Übersetzung der Beschwerdeschrift in die Verfahrenssprache wurden aber genau wie die Ermächtigung zur Abbuchung der zu zahlenden Gebühr erst am 7. April 2006 eingereicht.

65      Die Beschwerdekammer hat den Antrag auf Weiterbehandlung daher rechtsfehlerfrei als nicht gestellt behandelt.

66      An dieser Feststellung ändert auch das Vorbringen der Klägerin nichts, wonach Beginn der Einmonatsfrist nicht der 6. Januar 2006, das Eingangsdatum des Fax mit der Beschwerdeschrift, sondern der 9. Januar 2006 sei. Dieses Vorbringen wird auf die im vorliegenden Fall nicht anwendbaren Vorschriften über den Fristablauf in Sonderfällen gestützt. Anzuwenden ist nämlich Regel 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95, die den Fristbeginn im Fall einer Zustellung betrifft. Danach ist das maßgebliche Ereignis für den Fristbeginn der Zugang des zugestellten Schriftstücks. Im Übrigen bestimmt Regel 79 der Verordnung Nr. 2868/95, dass alle an das HABM gerichteten Mitteilungen durch Fernkopierer übermittelt werden können, und verweist auf Regel 80 derselben Verordnung, nach dem der Tag des Eingangs der Fernkopie maßgeblich ist. Handelt es sich um die Übermittlung einer an das HABM gerichteten Mitteilung per Fax, ist daher das Ereignis, das den Fristlauf auslöst, der Eingang des Fax beim HABM, und zwar unabhängig davon, ob der Eingangstag auf einen Feiertag fällt.

67      Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94

 Vorbringen der Parteien

68      Die Klägerin macht geltend, die Mitteilung eines Mangels betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift könne wirksam nur schriftlich erfolgen und das Datum einer formlosen Mitteilung anlässlich eines Telefonats könne nicht als Datum für den Wegfall des Hindernisses gelten, ab dem die Frist für die Einreichung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand laufe. Da ihr der Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift nicht schriftlich mitgeteilt worden sei, sei das Hindernis niemals weggefallen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht als verspätet angesehen werden.

69      Das HABM und die Streithelferin machen geltend, das Hindernis sei im vorliegenden Fall spätestens am 22. März 2006 weggefallen, als einem der Vertreter der Klägerin der Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift telefonisch mitgeteilt worden sei. Die Zweimonatsfrist des Art. 78 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 sei spätestens am 22. Mai 2006 abgelaufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei somit einen Tag zu spät, am 23. Mai 2006, eingereicht worden. Die Beschwerdekammer habe ihn deshalb zu Recht als nicht gestellt behandelt.

 Würdigung durch das Gericht

70      Nach Art. 78 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, das der Versäumung einer Frist mit der unmittelbaren Folge des Verlusts eines Rechts oder eines Rechtsmittels zugrunde liegt, schriftlich einzureichen. Der Antrag ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind, und gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

71      Im vorliegenden Fall besteht das Hindernis, das der Versäumung der Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift in der Verfahrenssprache, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist, zugrunde liegt, nach den Angaben der Klägerin in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in der Unkenntnis ihrer Vertreter von dem Umstand, dass die Beschwerdeschrift am 6. Januar 2006 in ihrer englischen Fassung an das HABM geschickt worden war. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde am 23. Mai 2006 gestellt.

72      Ausweislich eines internen Vermerks des HABM vom 24. März 2006 und der Angaben der Klägerin in der Klageschrift wurde einer der Vertreter der Klägerin am 22. März 2006 in einem Telefonat mit einem Bediensteten des HABM über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift unterrichtet.

73      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Zweifel daran geäußert, dass dieses Gespräch den Wegfall des Hindernisses begründen könne, und vorgebracht, dass dies vielmehr am 27. April 2006 anlässlich eines Telefongesprächs zwischen dem Berichterstatter der Beschwerdekammer und einem der Vertreter der Klägerin geschehen sei.

74      Diesem Vorbringen, seine Zulässigkeit einmal unterstellt, kann nicht gefolgt werden.

75      Aus den oben beschriebenen übereinstimmenden Angaben des HABM und der Klägerin zum Telefonat vom 22. März 2006 ergibt sich nämlich, dass die Klägerin während dieses Gesprächs über den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift unterrichtet wurde. Außerdem geht aus den Akten hervor, dass sich das erste der beiden von einem der Vertreter der Klägerin am 7. April 2006 an den Bediensteten des HABM gesandten Schreiben auf ihr Telefongespräch und darauf bezieht, dass es in diesem um die bei der Klägerin nicht eingegangene Mitteilung des HABM vom 18. Januar 2006 gegangen sei. In Anbetracht dessen, dass dieses eine Seite umfassende Schreiben ausschließlich den Mangel betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift betraf, darf davon ausgegangen werden, dass der fragliche Mangel in dem betreffenden Telefonat angesprochen wurde. Außerdem heißt es in dem zweiten, unmittelbar nach dem ersten Schreiben versandten Schreiben vom 7. April 2006, dass in Anbetracht des vom HABM erwähnten Mangels betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift vorsichtshalber eine neue, in deutscher Sprache verfasste Beschwerdeschrift eingereicht werde.

76      Demnach durfte die Beschwerdekammer berechtigterweise davon ausgehen, dass das der Fristversäumnis zugrunde liegende Hindernis, wie es von der Klägerin geltend gemacht wird, spätestens am 22. März 2006 weggefallen war und somit die Zweimonatsfrist des Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 spätestens am 22. Mai 2006 endete.





77      An dieser Feststellung ändert auch das Vorbringen der Klägerin nichts, wonach die Frist des Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 erst mit der schriftlichen Mitteilung des Mangels betreffend die Sprache der Beschwerdeschrift durch das HABM in Gang gesetzt werde. Eine solche schriftliche Mitteilung ist nämlich in Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 nicht vorgesehen. Außerdem ist das HABM nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet, dem betreffenden Beteiligten die Verfahrensmängel mitzuteilen, und eine entsprechende Mitteilung durch das HABM kann deshalb keinen Einfluss auf den Beginn der Antragsfrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben (Urteil BECKETT EXPRESSION, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 41).

78      Da die Ermächtigung zur Abbuchung der zu zahlenden Gebühr erst am 23. Mai 2006 erfolgte, hat die Beschwerdekammer somit den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerfrei als nicht gestellt behandelt.

79      Jedenfalls ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 78 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 auch an die Voraussetzung geknüpft, dass alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet worden ist. Selbst wenn man davon ausginge, dass, wie von der Klägerin geltend gemacht, der Fehler beim Absenden der Beschwerdeschrift, der von einer Sekretärin begangen wurde und von dem die Vertreter der Klägerin keine Kenntnis hatten, ein Hindernis im Sinne des Art. 78 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 darstellt, so musste die Klägerin gegenüber der Beschwerdekammer den Nachweis erbringen, dass sie die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hatte. Die Klägerin hat jedoch insoweit keinerlei Beweis vorgelegt. Deshalb ist die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Nachweis, dass die Klägerin alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet habe, nicht erbracht worden sei.

80      Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

81      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.






Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Neurim Pharmaceuticals (1991) Ltd trägt die Kosten.



Tiili

Dehousse

Wiszniewska-Białecka

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. September 2008.

Der Kanzler

 

      Die Präsidentin

E. Coulon

 

      V. Tiili


* Verfahrenssprache: Deutsch.