Language of document : ECLI:EU:T:2008:414

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

8. Oktober 2008(*)

„Wettbewerb − Kartelle − Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der Gleichbehandlung – Obergrenze von 10 % des Umsatzes – Verzugszinsen“

In der Rechtssache T‑68/04

SGL Carbon AG mit Sitz in Wiesbaden (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Klusmann und A. von Bonin,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und W. Mölls als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.‑J. Freund,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/420/EG der Kommission vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) und, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin durch diese Entscheidung festgesetzten Geldbuße

erlässt



DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. Ciucǎ,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die SGL Carbon AG (im Folgenden: SGL oder Klägerin) ist ein deutsches Unternehmen, das u. a. Kohlenstoff- und Graphitprodukte für die elektrotechnische und mechanische Nutzung herstellt.

2        Am 18. September 2001 trafen sich Vertreter der Morgan Crucible Company plc (im Folgenden: Morgan) mit Vertretern der Kommission, um ihre Zusammenarbeit beim Nachweis eines Kartells auf dem europäischen Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoffprodukte anzubieten und die Anwendung der in der Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) vorgesehenen Kronzeugenregelung zu beantragen.

3        Am 2. August 2002 richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) an die C. Conradty Nürnberg GmbH (im Folgenden: Conradty), Le Carbone-Lorraine (im Folgenden: LCL), die Schunk GmbH und ihre Tochtergesellschaft Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH (beide zusammen im Folgenden: Schunk), die Eurocarbo SpA, die Luckerath BV, die Gerken Europe SA sowie die Klägerin Auskunftsverlangen betreffend ihr Verhalten auf dem fraglichen Markt. Das an Schunk gerichtete Schreiben betraf auch die Tätigkeiten der von Schunk am 28. Oktober 1999 übernommenen Hoffmann & Co. Elektrokohle AG (im Folgenden: Hoffmann).

4        Mit Schreiben vom 30. September 2002 beantwortete die Klägerin das Auskunftsverlangen.

5        Mit Schreiben vom 17. März 2003 beantragte sie die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit und übermittelte der Kommission Beweismittel über das fragliche Kartell.

6        Am 23. Mai 2003 sandte die Kommission auf der Grundlage der ihr zugegangenen Informationen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin und die anderen betroffenen Unternehmen, nämlich Morgan, Conradty, LCL, Schunk und Hoffmann. In ihrer Antwort wies die Klägerin darauf hin, dass sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen nicht bestreite.

7        Nach Anhörung der betroffenen Unternehmen mit Ausnahme von Morgan und Conradty erließ die Kommission die Entscheidung 2004/420/EG vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) (im Folgenden: Entscheidung), die der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 zugestellt wurde. Eine Zusammenfassung der Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. April 2004 (ABl. L 125, S. 45) veröffentlicht.

8        In der Entscheidung führte die Kommission aus, dass deren Adressaten an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und ab 1. Januar 1994 gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) teilgenommen hätten, die aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen (mengenmäßige Beschränkungen, Preiserhöhungen und Boykottmaßnahmen) gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestanden habe (Randnr. 2 der Entscheidung).

9        Die Entscheidung enthält folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung – während der angegebenen Zeiträume – an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – ab 1. Januar 1994 – Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen:

a)      [Conradty]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

b)      [Hoffmann]: von September 1994 bis Oktober 1999;

c)      [LGL]: von Oktober 1988 bis Juni 1999;


d)      [Morgan]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

e)      [Schunk]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

f)      [SGL]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      [Conradty]: 1 060 000 EUR;

b)      [Hoffmann]: 2 820 000 EUR;

c)      [LCL]: 43 050 000 EUR;

d)      [Morgan]: 0 EUR;

e)      [Schunk]: 30 870 000 EUR;

f)      [SGL]: 23 640 000 EUR.

Die Geldbußen sind innerhalb von drei Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung … einzuzahlen …

Nach Ablauf dieser Frist werden Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats angewandt wird, in dem diese Entscheidung erlassen worden ist, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte.“

10      Bei der Bemessung der Geldbußen stufte die Kommission die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art, ihrer Auswirkungen auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte, auch wenn diese Auswirkungen nicht genau messbar seien, und des Umfangs des relevanten räumlichen Marktes als besonders schwerwiegend ein (Randnr. 288 der Entscheidung).

11      Um die besondere Bedeutung des rechtswidrigen Verhaltens jedes einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmens und damit seiner tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen entsprechend ihrer nach ihren Marktanteilen bestimmten Bedeutung auf dem fraglichen Markt in drei Kategorien ein (Randnrn. 289 bis 297 der Entscheidung).

12      Infolgedessen wurden LCL und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und die Klägerin wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

13      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für LCL und Morgan, 21 Mio. Euro für Schunk und die Klägerin sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

14      In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung war die Kommission der Ansicht, dass alle betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung von langer Dauer begangen hätten. Wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 11 Jahren und 2 Monaten erhöhte die Kommission den gegen die Klägerin, Morgan, Schunk und Conradty festgesetzten Ausgangsbetrag um 110 %. Bei LCL ging die Kommission von einer Zuwiderhandlungsdauer von 10 Jahren und 8 Monaten aus und erhöhte den Ausgangsbetrag um 105 %. Bei Hoffmann wurde der Ausgangsbetrag wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 5 Jahren und 1 Monat um 50 % erhöht (Randnrn. 299 und 300 der Entscheidung).

15      Der anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelte Grundbetrag der Geldbuße wurde daher auf 73,5 Mio. Euro für Morgan, 71,75 Mio. Euro für LCL, 44,1 Mio. Euro für die Klägerin und Schunk, 12,6 Mio. Euro für Conradty und 9 Mio. Euro für Hoffmann festgesetzt (Randnr. 301 der Entscheidung).

16      Die Kommission stellte weder erschwerende Umstände zu Lasten noch mildernde Umstände zu Gunsten der betroffenen Unternehmen fest (Randnr. 316 der Entscheidung).

17      In Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit wurde gegen Morgan keine Geldbuße verhängt, weil sie das erste Unternehmen war, das die Kommission auf das Bestehen des Kartells hingewiesen hatte (Randnrn. 319 bis 321 der Entscheidung).

18      Gemäß Abschnitt D dieser Mitteilung setzte die Kommission die Geldbuße, die ohne Zusammenarbeit verhängt worden wäre, für LCL um 40 %, für Schunk und Hoffmann um 30 % und für die Klägerin, die als letzte die Zusammenarbeit aufgenommen hatte, um 20 % herab (Randnrn. 322 bis 338 der Entscheidung).

19      In der Entscheidung wies die Kommission unter „Zahlungsfähigkeit und andere Faktoren“ das Vorbringen der Klägerin zurück, mit dem diese den Beweis dafür zu erbringen versuchte, dass sie nicht in der Lage sei, die Geldbuße zu zahlen, erinnerte aber daran, dass sie gegen die Klägerin vor kurzer Zeit bereits drei beachtliche Geldbußen wegen Teilnahme an Kartellaktivitäten festgesetzt habe.

20      So seien gegen die Klägerin mit den Entscheidungen 2002/271/EG vom 18. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.490 – Graphitelektroden) (ABl. 2002, L 100, S. 1, im Folgenden: Sache Graphitelektroden) und 2006/460/EG vom 17. Dezember 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.667 – Spezialgraphit) (ABl. 2006, L 180, S. 20, im Folgenden: Sache Spezialgraphit) eine Geldbuße von 80,2 Mio. Euro für die Beteiligung der Klägerin am Graphitelektrodenkartell und zwei Geldbußen von 18,94 Mio. Euro und von 8,81 Mio. Euro, zusammen 27,75 Mio. Euro, für ihre Beteiligung am Kartell betreffend isostatischen Graphit und am Kartell betreffend stranggepressten Graphit festgesetzt worden (Randnr. 358 der Entscheidung).

21      Berücksichtige man die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der Klägerin und die Tatsache, dass die ihr vorgeworfenen verschiedenen Kartellaktivitäten gleichzeitig stattgefunden hätten, sei es unter diesen besonderen Umständen nicht erforderlich, gegen die Klägerin den vollen Betrag der Geldbuße zu verhängen, um eine abschreckende Wirkung sicherzustellen; daher sei die Geldbuße um 33 % vermindert und auf 23,64 Mio. Euro festgesetzt worden (Randnr. 360 der Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

22      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 20. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

23      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer als ihr Präsident zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

24      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. Februar 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;

–        hilfsweise, die Höhe der Geldbuße angemessen herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

27      Mit am 22. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Klägerin erklärt, dass sie die in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründe 4, 5 und 6 nicht weiterverfolge, mit denen sie gerügt hat, dass die Kommission ihre Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren falsch beurteilt und ihre fehlende Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt habe und dass die Geldbuße im Hinblick auf die Beurteilung des Erfordernisses einer effektiven Abschreckung unverhältnismäßig sei.

28      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Rücknahme der genannten Klagegründe bestätigt und ausgeführt, dass die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung, wie sie in der Klageschrift formuliert seien, als nur auf die Nichtigerklärung von Art. 2 der Entscheidung gerichtet zu verstehen seien, in dem die Kommission die Geldbußen gegen die betroffenen Unternehmen festsetzt. Diese Erklärungen sind in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden.

 Zur Bestimmung des Grundbetrags

29      Die Klägerin rügt, die Kommission habe bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie die Begründungspflicht nicht berücksichtigt.

 Zur Schwere der Zuwiderhandlung

–       Zur Verletzung der Begründungspflicht

30      Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, weil die Frage, ob sie den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Zusammenhangs, in dem dieser Rechtsakt erlassen wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).




31      Bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts genügt die Kommission ihrer Begründungspflicht, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen; sie ist nicht verpflichtet, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnrn. 38 bis 47; Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission (T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 1532). Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen sind, so nützlich sie auch sein mögen, für die Beachtung der Begründungspflicht nicht unabdingbar (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C‑182/99 P, Slg. 2003, I‑10761, Randnr. 75).

32      In Bezug auf die Begründung für die Ausgangsbeträge in absoluten Zahlen ist daran zu erinnern, dass die Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei ihrer Festsetzung einen Ermessensspielraum benötigt, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T‑150/89, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59). Außerdem muss verhindert werden, dass die Geldbußen für die Wirtschaftsteilnehmer leicht vorhersehbar sind. Daher kann nicht verlangt werden, dass die Kommission insoweit andere als die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung betreffende Begründungsfaktoren liefert.

33      Vorliegend geht aus der Entscheidung hervor, dass die Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängt wurden und dass die Kommission – obwohl in der Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien) Bezug genommen wird – die Höhe der Geldbußen nach der in den Leitlinien festgelegten Methode ermittelt hat.

34      Zur Behauptung der Klägerin, die Entscheidung sei hinsichtlich der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Festsetzung des Ausgangsbetrags unzureichend begründet, genügt der Hinweis, dass die Kommission in den Randnrn. 277 bis 288 der Entscheidung eindeutig angegeben hat, welche Merkmale sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung herangezogen hat, nämlich ihre Art, ihre Auswirkung auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte und den Umfang des relevanten räumlichen Marktes, und für jedes dieser Merkmale seine Anwendung auf den vorliegenden Fall dargelegt hat.

35      So hat die Kommission in der Entscheidung ausgeführt,

–        dass die vorliegende Zuwiderhandlung im Wesentlichen aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestehe und dass solche Verhaltensweisen ihrem Wesen nach die schwerwiegendsten Verstöße gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen darstellten (Randnr. 278 der Entscheidung);

–        dass die Kartellvereinbarungen umgesetzt worden seien und sich auf den betreffenden EWR-Produktmarkt ausgewirkt hätten, auch wenn sich diese Auswirkungen nicht konkret beziffern ließen (Randnr. 286 der Entscheidung);

–        dass sich das Kartell über den gesamten Gemeinsamen Markt und nach seiner Gründung auch auf den gesamten EWR erstreckt habe (Randnr. 287 der Entscheidung).

36      Unter Berücksichtigung aller Umstände gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die betroffenen Unternehmen eine besonders schwere Zuwiderhandlung begangen hätten, für deren Ahndung Nr. 1 Teil A Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Leitlinien einen voraussichtlichen Betrag oberhalb von 20 Mio. ECU vorsieht.

37      Sodann führte die Kommission aus, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Zuwiderhandlungen die Geldbußenskala eine Differenzierung der Unternehmen ermögliche, um ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung zu tragen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte.

38      Im Rahmen dieser Differenzierung, die besonders geboten sei, wenn die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen beträchtliche Größenunterschiede hinsichtlich ihres Marktanteils aufwiesen, teilte die Kommission die beteiligten Unternehmen entsprechend ihrer nach ihren Marktanteilen bestimmten Bedeutung auf dem relevanten Markt in drei Kategorien ein. Angesichts eines auf 14 % angesetzten Marktanteils wurde die Klägerin der zweiten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 288 bis 297 der Entscheidung).

39      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission für die Klägerin einen anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag von 21 Mio. Euro fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

40      Eine solche Begründung kann nicht, wie die Klägerin dies tut, als bloße Wiederholung des Wortlauts der Leitlinien betrachtet werden, sondern ist als den Anforderungen des Art. 253 EG entsprechend anzusehen, wie dieser von der oben in den Randnrn. 30 bis 32 angeführten Rechtsprechung ausgelegt wird.

41      Folglich ist die Rüge einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zurückzuweisen.

–       Zur Entscheidungspraxis der Kommission

42      Die Klägerin behauptet, dass die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbeträge gegenüber jenen, die nach dem gleichen Verfahren für andere Unternehmen in ähnlichen Sachen festgesetzt worden seien, unverhältnismäßig und/oder diskriminierend seien.

43      Nach ständiger Rechtsprechung kann die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden, den ausschließlich die Verordnung Nr. 17 darstellt (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 234); Entscheidungen in anderen Fällen haben nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (Urteile des Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnrn. 201 und 205, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 60).

44      Die Klägerin trägt insoweit lediglich vor, dass die von der Kommission festgesetzten Ausgangsbeträge bei Preiskartellen betreffend Märkte vergleichbarer Größe regelmäßig unter 20 Mio. Euro lägen und gelegen hätten und dass in der Entscheidung der Ausgangsbetrag „im Durchschnitt“ 48 % des von den beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt erwirtschafteten Umsatzvolumens entspreche gegenüber 38,8 % in der Sache Graphitelektroden und 32,2 % in der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel [81 EG] (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1, im Folgenden: Sache Fernwärmetechnik). Es ist jedoch festzustellen, dass diese allgemeinen und ungenauen Ausführungen, die sich auf Daten beziehen, die Durchschnittswerten entsprechen, nicht zum Nachweis einer unverhältnismäßigen und/oder diskriminierenden Behandlung der Klägerin geeignet sind.

45      Auch der genauere Hinweis auf die Entscheidung der Kommission in der Sache Spezialgraphit, in der deutlich niedrigere Ausgangsbeträge als im vorliegenden Fall festgesetzt worden seien, obwohl die Marktanteile der betroffenen Unternehmen insgesamt höher gewesen seien, geht fehl.

46      Wie die Kommission zutreffend hervorhebt, unterscheidet sich die genannte Sache von der vorliegenden durch den besonderen Umstand der Größe der relevanten Märkte. Selbst wenn, wie die Klägerin behauptet, die Volumina der EWR-Märkte für isostatischen Graphit und stranggepresste Erzeugnisse in der Sache Spezialgraphit zwischen 100 und 120 Mio. Euro bzw. 60 und 70 Mio. Euro lägen, wären sie unbestreitbar weit niedriger als das Gesamtvolumen des EWR-Markts für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte, das sich im Jahr 1998 auf 291 Mio. Euro belief (Randnr. 37 der Entscheidung).

47      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erstmals diesen von der Kommission zugrunde gelegten Wert von 291 Mio. Euro bestritten und insbesondere gerügt, dass die Kommission bei der Ermittlung der Umsätze und der Marktanteile der betroffenen Unternehmen den Wert des Eigenverbrauchs berücksichtigt habe.

48      Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich hierbei um ein neues Angriffsmittel, das gemäß Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden kann. Die Kritik an der geschätzten Höhe des Gesamtwerts des relevanten Markts, die im Übrigen in der mündlichen Verhandlung sehr knapp dargelegt worden ist, beruht nicht auf neuen Gründen, die erst während des Verfahrens zutage getreten wären, denn der von der Kommission zugrunde gelegte Betrag von 291 Mio. Euro und die Argumentation, mit der die Berücksichtigung des Eigenverbrauchs bei der Ermittlung der Umsätze und der Marktanteile der beteiligten Unternehmen gerechtfertigt wurde, sind in den Randnrn. 37, 291 bis 295 der Entscheidung klar angeführt. Die bloße Behauptung der Klägerin, sie habe die Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße schon in der Klageschrift beanstandet, berechtigt nicht zu der Annahme, dass die fragliche Rüge eine Erweiterung eines bereits vorher, unmittelbar oder implizit, in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und mit diesem eng zusammenhängt. Sie ist daher für unzulässig zu erklären.

49      Ferner ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, damit sie die Unternehmen dazu anhalten kann, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 127). Die Kommission ist somit dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau jederzeit anzuheben, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion Française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 109) und um die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu verstärken (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 179, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101).

50      Die Behauptung der Klägerin, die Anhebung des Niveaus der Geldbußen sei in ihrem Fall angesichts der in Parallelverfahren gegen sie verhängten Sanktionen gerade nicht erforderlich gewesen, gehört zu der Beurteilung der abschreckenden Wirkung durch die Kommission, wie sie in Randnr. 359 der Entscheidung dargestellt ist. Die Klägerin hat jedoch den Klagegrund, in dem sie eine fehlerhafte Beurteilung dieses Begriffs durch die Kommission rügte, ausdrücklich fallen gelassen.

51      Jedenfalls ist hervorzuheben, dass die Kommission im Rahmen der Verfahren und der Sanktionen zu Recht zwischen dem Kartell betreffend Graphitelektroden, den Kartellen betreffend isostatischen Graphit und betreffend stranggepressten Graphit und dem Kartell betreffend elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte unterschieden hat, da es sich um vier verschiedene Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 1 EG handelt.

52      Folglich stand es der Kommission frei, gegen SGL wegen deren Beteiligung an dem Kartell betreffend elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte eine neue Geldbuße festzusetzen, um das Unternehmen mit einer Sanktion, die das Niveau einer rein symbolischen Sanktion übersteigt, abzuschrecken. Im Übrigen hielt die Kommission unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, die in der teilweisen Gleichzeitigkeit der verschiedenen Kartellaktivitäten, an denen die Klägerin beteiligt war, bestanden, eine um 33 % verminderte Geldbuße für ausreichend, um die gewünschte abschreckende Wirkung zu erzielen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Randnr. 336).

53      Schließlich ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 Abs. 1 EG oder Art. 82 EG verstoßen, zu den Befugnissen gehört, die der Kommission eingeräumt worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe umfasst mit Sicherheit die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden; sie beinhaltet aber auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 105, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 105).

54      Infolgedessen ist die Kommission befugt, das Niveau der Geldbußen mit dem Ziel festzusetzen, deren abschreckende Wirkung zu verstärken, wenn Zuwiderhandlungen einer bestimmten Art wegen des Gewinns, den einige der betroffenen Unternehmen daraus ziehen können, immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 108, und Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 106).

55      Wie sich aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung ergibt, besteht das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, darin, zu gewährleisten, dass Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im EWR festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Die abschreckende Wirkung einer wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festgesetzten Geldbuße darf daher nicht allein nach Maßgabe der besonderen Situation des verurteilten Unternehmens bestimmt werden (Urteil Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 110).

56      Im vorliegenden Fall, der eine im Wettbewerbsrecht typische Zuwiderhandlung und ein Verhalten zum Gegenstand hat, dessen Rechtswidrigkeit die Kommission, seit sie auf diesem Gebiet tätig ist, häufig bestätigt hat, durfte diese es als erforderlich ansehen, die Höhe der Geldbuße auf einem Niveau festzusetzen, das innerhalb der durch die Verordnung Nr. 17 gesteckten Grenzen ausreichend abschreckend ist.

57      Daher ist die Rüge einer unverhältnismäßigen und/oder diskriminierenden Behandlung der Klägerin bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße und angesichts der Entscheidungspraxis der Kommission zurückzuweisen.

–       Zur Einteilung der Kartellmitglieder in Kategorien

58      Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen und zu dem Zweck, das Gewicht jedes einzelnen Unternehmens und damit die tatsächliche Auswirkung der individuellen Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, in der Entscheidung zwischen den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen entsprechend Nr. 1 Teil A Abs. 4 und 6 der Leitlinien differenzierte. Sie teilte sie hierzu in drei Kategorien ein, wobei sie den Umsatz heranzog, den jedes Unternehmen mit den in Rede stehenden Produkten im EWR einschließlich des Werts des Eigenverbrauchs erzielt hatte. Hieraus ergibt sich ein Marktanteil, der die Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung erkennen lässt und Aufschluss über ihre tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit gibt, den Wettbewerb erheblich zu schädigen (Randnrn. 289 bis 291 der Entscheidung).

59      Dem Vergleich wurden die Umsatzdaten (ausgedrückt in Mio. Euro) von 1998, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, für die in Rede stehenden Produkte zugrunde gelegt, wie sie aus der in Randnr. 37 der Entscheidung enthaltenen Tabelle 1 „Geschätzte Umsätze (einschließlich des Eigenverbrauchs) und Marktanteile im EWR für die vom Verfahren betroffene Produktgruppe im Jahr 1998“ hervorgehen:

Anbieter

Umsatz (einschließlich Eigenverbrauch)

Marktanteil im EWR (in %)

Conradty

9

3

Hoffmann

17

6

[LCL]

84

29

Morgan

68

23

Schunk

52

18

SGL

41

14

Andere

20

7

Insgesamt

291

100


60      Infolgedessen wurden LCL und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und SGL wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

61      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für LCL und Morgan, 21 Mio. Euro für Schunk und SGL sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

62      Insoweit ist hervorzuheben, dass sich die Klägerin nicht grundsätzlich gegen die Methode wendet, die Mitglieder eines Kartells im Hinblick auf eine differenzierte Behandlung im Stadium der Festsetzung der Ausgangsbeträge ihrer Geldbußen in Kategorien einzuteilen. Diese Methode, die das Gericht im Übrigen grundsätzlich für zulässig erklärt hat, obwohl die Größenunterschiede zwischen Unternehmen derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 385, und vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, im Folgenden: Urteil Tokai I, Randnr. 217), führt zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen derselben Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags.

63      Die Klägerin behauptet vielmehr unter Berufung auf den Wortlaut des Urteils Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt), wenn bei der Einteilung in Kategorien, wie vom Gericht in Randnr. 223 des genannten Urteils ausgeführt, in Tranchen von etwa 5 % der Marktanteile vorzugehen sei, weil dies die Proportionalität unterschiedlicher Marktanteile beurteilungsfehlerfrei widerspiegeln könne, sei die von der Kommission im vorliegenden Fall gewählte Einteilung mit Tranchen von 10 % zu grob und werde den Marktverhältnissen nicht gerecht.

64      Sie trägt vor, eine Einteilung der Unternehmen in sechs Kategorien mit Tranchen von 5 % der Marktanteile hätte bei Berücksichtigung der durchschnittlichen Marktanteile pro Kategorie oder bei Betrachtung der Schwellenwerte einen Ausgangsbetrag von höchstens 15,9 Mio. Euro bzw. 14 Mio. Euro ergeben.

65      Zwar trifft es zu, dass die Kommission in der Sache Graphitelektroden die betroffenen Unternehmen in drei Kategorien eingeteilt hatte und dabei in Tranchen von 5 % der Marktanteile vorgegangen war, doch ergibt sich weder aus Randnr. 223 des Urteils Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) noch aus den Gründen dieses Urteils insgesamt, dass eine solche Art und Weise, die Mitglieder eines Kartells in Kategorien einzuteilen, als die einzige angesehen wird, die in von der Kommission zur Ahndung eines Kartells eingeleiteten Verfahren die Proportionalität der verschiedenen Marktanteile beurteilungsfehlerfrei widerspiegeln kann.

66      Die Klägerin kann aus dem Urteil Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) nicht ableiten, dass die Einteilung der an dem Kartell, das Gegenstand der Entscheidung ist, beteiligten Unternehmen in Kategorien allein deshalb grob oder benachteiligend sei, weil die Kommission vorliegend in Ausübung ihres weiten Ermessens eine andere Einteilungsmethode wählte und mit Tranchen von 10 % der Marktanteile drei Kategorien bildete, wobei daran zu erinnern ist, dass sich die Zahl der Marktteilnehmer, die Gegenstand der Entscheidung Graphitelektroden waren, und die Verteilung ihrer Marktanteile vom vorliegenden Fall unterschieden.

67      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Argumentation der Klägerin im vorliegenden Fall mit Tranchen von je 5 % der Marktanteile (beginnend mit 0 % bis 5 % und endend mit 25 % bis 30 %) sechs Kategorien ergeben, von denen jede nur ein einziges Unternehmen umfasst, was bereits dem Grundgedanken einer Kategorisierung widerspricht.

68      Gleichwohl muss die von der Kommission in der Entscheidung vorgenommene Einteilung in Kategorien dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechen, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. Im Übrigen muss die Höhe der Geldbußen nach der Rechtsprechung zumindest in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren stehen, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle gespielt haben (vgl. Urteil Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 219 und die dort genannte Rechtsprechung).

69      Bei der Prüfung, ob die Einteilung der Mitglieder eines Kartells in Kategorien mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht, muss sich das Gericht jedoch im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission das ihr in diesem Bereich zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, darauf beschränken, zu überprüfen, ob die Einteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist (Urteile CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 416, und Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnrn. 220 und 222).

70      Insoweit ist eine Einteilung der Unternehmen in drei Kategorien – große, mittlere und kleine Marktteilnehmer – als eine nicht sachwidrige Vorgehensweise für die Berücksichtigung ihrer relativen Bedeutung auf dem Markt zwecks Anpassung des Ausgangsbetrags anzusehen, sofern sie nicht zu einer grob verfälschenden Darstellung des fraglichen Marktes führt. Überdies ist festzustellen, dass die Marktanteile der Mitglieder des Kartells mit Sätzen von 3 %, 6 %, 14 %, 18 %, 23 % und 29 % auf einer Skala von 0 bis 30 relativ gleichmäßig verteilt sind und dass der Methode der Kommission, die Schwellenwerte für die Bildung der Kategorien bei 10 % und bei 20 % anzusetzen, die innere Schlüssigkeit nicht von vornherein abgesprochen werden kann.

71      In die erste Kategorie stufte die Kommission die Unternehmen LCL und Morgan ein und setzte einen Ausgangsbetrag von 35 Mio. Euro fest. Entgegen den Behauptungen der Klägerin kann diese Wahl der Kommission nicht als willkürlich qualifiziert werden und überschreitet nicht die Grenzen des ihr insoweit zustehenden weiten Ermessens.

72      Erstens ist die Festsetzung des Ausgangsbetrags auf 35 Mio. Euro in Randnr. 298 der Entscheidung das Ergebnis der von der Kommission vorgenommenen, in den Randnrn. 277 bis 297 der Entscheidung dargelegten Untersuchung, in der die Kommission zum einen die Zuwiderhandlung als solche anhand objektiver Gesichtspunkte bewertete, d. h. nach der Art der Zuwiderhandlung selbst, ihren Auswirkungen auf den Markt und dem räumlichen Umfang des Marktes. Zum anderen berücksichtigte sie subjektive Gesichtspunkte, nämlich das Gewicht jedes einzelnen an dem Kartell beteiligten Unternehmens und damit die tatsächlichen Auswirkungen des individuellen rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb. Im Rahmen dieses zweiten Teils ihrer Beurteilung verfolgte sie insbesondere das Ziel, eine abschreckende Höhe der Geldbuße zu gewährleisten, unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung und ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt erheblich zu schädigen. Im Anschluss an die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung setzte die Kommission unmittelbar einen Ausgangsbetrag fest, hier 35 Mio. Euro für LCL und Morgan, in dem alle diese Gesichtspunkte einschließlich des Abschreckungsziels berücksichtigt waren.

73      Zweitens beschränken sich die Leitlinien speziell bei den als „besonders schwer“ einzustufenden Verstößen auf die Angabe, dass die voraussichtlichen Beträge der Geldbußen „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ liegen. Die einzigen in den Leitlinien erwähnten Obergrenzen, die für solche Verstöße zur Anwendung kommen können, sind die allgemeine Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 (vgl. die Präambel und Nr. 5 Buchstabe a der Leitlinien) – deren Verletzung im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wird – und die Obergrenzen für den Aufschlag, der aufgrund der Dauer des Verstoßes vorgenommen werden kann (vgl. Nr. 1 Teil B Abs. 1, zweiter und dritter Gedankenstrich, der Leitlinien). Die Leitlinien enthalten nichts, was bei einem „besonders schweren“ Verstoß einer Erhöhung um einen absoluten Betrag, wie ihn die Kommission vorliegend anwandte, entgegenstünde.

74      Drittens würde entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Bedeutung des mit den fraglichen Produkten erzielten Umsatzes überbewertet, wenn die Proportionalität des von der Kommission festgesetzten Ausgangsbetrags der Geldbuße allein nach dem Verhältnis dieses Betrags zu dem genannten Umsatz beurteilt würde. Die Art der Zuwiderhandlung, ihre konkreten Auswirkungen, der räumliche Umfang des betroffenen Markts und die erforderliche Abschreckungskraft der Geldbuße sind Kriterien, die den genannten Betrag rechtfertigen können und vorliegend auch von der Kommission berücksichtigt wurden. Insoweit ist die Kommission zu Recht von einem „besonders schweren“ Verstoß ausgegangen, da die Klägerin an einer horizontalen Absprache beteiligt war, deren Zweck im Wesentlichen in der unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, in der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und in abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestand und die sich konkret auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte auswirkte.

75      Viertens beliefen sich die relevanten Umsätze von LCL und Morgan auf 84 Mio. Euro bzw. 68 Mio. Euro, womit ihre Marktanteile 29 % bzw. 23 % betrugen. Die Kommission befand daher zu Recht, dass diese beiden Unternehmen in dieselbe, einem durchschnittlichen Umsatz von 76 Mio. Euro und einem durchschnittlichen Marktanteil von etwa 26 % entsprechende Kategorie einzustufen waren.

76      Da somit die Zusammensetzung der ersten Kategorie und der entsprechende Ausgangsbetrag als schlüssig und objektiv gerechtfertigt angesehen werden können, ist zu prüfen, ob auch die zweite Kategorie, der die Klägerin und Schunk angehören, in schlüssiger und objektiv gerechtfertigter Weise gebildet wurde.

77      Der Auffassung der Klägerin zufolge kann, wenn sich gemäß der Begründung des Urteils Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) das Verhältnis der verschiedenen Marktanteile zueinander in den für die verschiedenen Kategorien festgesetzten Ausgangsbeträgen widerspiegeln muss, „nur der jeweils höchste Marktanteilswert der höheren Kategorie mit dem jeweils niedrigsten Marktanteilswert der niedrigeren Kategorie verglichen werden“. Der Quotient dieser beiden Marktanteilswerte müsse dann mindestens noch der verhältnismäßigen Abstufung der absoluten Marktanteile entsprechen. Das Verhältnis der Marktanteile von LCL zu denen der Klägerin betrage 2,07, weshalb der Ausgangsbetrag der Geldbuße für die Klägerin und das andere Unternehmen der zweiten Kategorie dieses Verhältnis hätte widerspiegeln müssen und auf höchstens 16,9 Mio. Euro hätte festgesetzt werden dürfen.

78      Auch hier ist auf die Unterschiede hinzuweisen, die zwischen der Sache, zu der das Urteil Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) ergangen ist, und dem vorliegenden Fall hinsichtlich der Zahl der betroffenen Marktteilnehmer, der Verteilung der Marktanteile und des Umstands bestehen, dass sich die Kommission in der Sache Graphitelektroden entschieden hatte, eine spezifische arithmetische Methode anzuwenden, die darin bestand, in Tranchen von etwa 5 % der Marktanteile vorzugehen, wobei jede Tranche einem Betrag von etwa 8 Mio. Euro entsprach. Das Gericht hat im Urteil Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 232) bei seiner Prüfung der Schlüssigkeit dieser Differenzierungsmethode ausgeführt, dass die Kommission, sobald sie sich aus freien Stücken für die Anwendung einer solchen arithmetischen Methode entschieden hat, gegenüber allen Mitgliedern eines Kartells an die Regeln dieser Methode gebunden ist, sofern es für eine Abweichung keine ausdrückliche Rechtfertigung gibt.

79      Jedenfalls lässt sich dem Urteil Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) nicht entnehmen, dass das Verhältnis der Ausgangsbeträge, die im Rahmen der Einteilung der Mitglieder des Kartells in Kategorien festgesetzt werden, nach dem Verhältnis des Marktanteils des „größten“ Unternehmens der höheren Kategorie zu dem des „kleinsten“ Unternehmens der niedrigeren Kategorie bestimmt werden muss.

80      Die Analyse der Klägerin, die darin besteht, ihren Marktanteil isoliert zu betrachten und ihn ausschließlich mit dem Marktanteil von LCL zu vergleichen, um das Verhältnis der für sie und für LCL festgesetzten Ausgangsbeträge zu bestimmen, das dann für beide Unternehmen der zweiten Kategorie gelten soll, läuft in Wirklichkeit darauf hinaus, den von der Rechtsprechung gebilligten Grundsatz der Einteilung in Kategorien und die damit verbundene Pauschalisierung der Ausgangsbeträge in Abrede zu stellen.

81      Dagegen zeigt sich bei Zugrundelegung der Durchschnittswerte der Unternehmen einer bestimmten Kategorie, dass die in der Entscheidung vorgenommene Einteilung in Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist.

82      Der durchschnittliche Umsatz und der durchschnittliche Marktanteil von LCL und Morgan (erste Kategorie) beliefen sich auf 76 Mio. Euro bzw. 26 %, während die entsprechenden Durchschnittswerte für Schunk und die Klägerin (zweite Kategorie) 46,5 Mio. Euro bzw. 16 % betrugen. Für diese beiden Durchschnittswerte ergibt sich somit ein Verhältnis von 1,634 (für den Umsatz) bzw. 1,625 (für den Marktanteil).

83      Diese Größen liegen sehr nahe an dem Verhältnis des Ausgangsbetrags für die erste Kategorie (35 Mio. Euro) zum Ausgangsbetrag für die zweite Kategorie (21 Mio. Euro), das 1,66 beträgt. Dieses Verhältnis gereicht der Klägerin folglich nicht zum Nachteil, sondern zum Vorteil, da für die beiden Durchschnittswerte das Verhältnis 1,634 (für den Umsatz) bzw. 1,625 (für den Marktanteil) beträgt.

84      Bei der dritten Kategorie – Hoffmann und Conradty – beliefen sich der durchschnittliche Umsatz und der durchschnittliche Marktanteil dieser Unternehmen auf 13 Mio. Euro bzw. 4,5 %. Ausgehend von den Daten für LCL und Morgan (erste Kategorie) ergibt sich für diese beiden Durchschnittswerte somit ein Verhältnis von 5,846 (für den Umsatz) bzw. 5,777 (für den Marktanteil). Diese Größen liegen sehr nahe am Verhältnis des Ausgangsbetrags für die erste Kategorie (35 Mio. Euro) zum Ausgangsbetrag für die dritte Kategorie (6 Mio. Euro), das 5,83 beträgt.

85      Bei den Unternehmen der zweiten und der dritten Kategorie ergibt der Vergleich für die beiden Durchschnittswerte ein Verhältnis von 3,576 (für den Umsatz) bzw. 3,555 (für den Marktanteil), was fast dem Verhältnis des Ausgangsbetrags für die zweite Kategorie (21 Mio. Euro) zum Ausgangsbetrag für die dritte Kategorie (6 Mio. Euro) entspricht, das 3,5 beträgt.

86      In der Erwiderung macht die Klägerin geltend, eine Beurteilung anhand des Durchschnitts als Maßstab führe ebenfalls zu einem diskriminierenden und unverhältnismäßigen Ergebnis, und trägt hierzu vor, die Kommission habe für LCL und Hoffmann einen Ausgangsbetrag festgesetzt, der 1,207 Mio. Euro bzw. 1 Mio. Euro für jeden Prozentpunkt Marktanteil (35:29 = 1,207 und 6:6 = 1) entspreche, was auf ihre Situation bezogen einen Ausgangsbetrag von 16,9 Mio. Euro bzw. 14 Mio. Euro hätte ergeben müssen.

87      Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin mit diesem Vorbringen ihre oben in Randnr. 77 zusammengefasste Argumentation, nur anders formuliert, wiederholt, dass im Verhältnis zwischen den einzelnen Unternehmen jeweils die Proportionalität strikt gewahrt werden müsse.

88      Wie dargelegt, läuft diese Argumentation darauf hinaus, den von der Rechtsprechung gebilligten Grundsatz der Einteilung der Unternehmen in Kategorien, wie sie die Kommission in der Entscheidung vorgenommen hat, in Abrede zu stellen; das Gericht kann dem nicht folgen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass die Einteilung der Klägerin in die zweite Kategorie gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstößt.

89      Die Klägerin macht im Rahmen ihrer Argumentation gerade geltend, dass ihre Aufnahme in dieselbe Kategorie wie Schunk eine benachteiligende Ungleichbehandlung zu ihren Lasten darstelle, da Schunk einen Marktanteil von 18 % habe, was einem Mehrumsatz ihr gegenüber von rund 12 Mio. Euro entspreche.

90      Es ist daran zu erinnern, dass Schunk und die Klägerin derselben Kategorie zugeordnet wurden mit Marktanteilen von 18 % bzw. 14 %, die Umsätzen auf dem relevanten Markt von 52 Mio. Euro bzw. 41 Mio. Euro entsprechen, womit sie eindeutig in die Tranche der Unternehmen fallen, deren Marktanteile zwischen 10 % und 20 % liegen.

91      Der Größenunterschied zwischen Schunk und der Klägerin, die derselben Kategorie angehören, ist geringer als der zwischen der Klägerin und Hoffmann, die verschiedenen Kategorien angehören. Der Marktanteil der Klägerin (14 %) kommt dem von Schunk (18 %) mit einem Abstand von 4 Prozentpunkten näher als dem des größten Marktteilnehmers der dritten Kategorie (Hoffmann, 6 %), von dem sie 8 Prozentpunkte trennen. Der geringe Abstand zwischen Schunk und der Klägerin (4 Prozentpunkte) erlaubte es der Kommission, angesichts des nicht besonders hohen Marktanteils von Schunk somit, die Klägerin in schlüssiger und objektiver Weise und damit ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit ebenso wie Schunk und im Gegensatz zu Hoffmann und Conradty als mittleren Marktteilnehmer zu behandeln und deshalb für sie den gleichen Ausgangsbetrag wie für Schunk und einen höheren Ausgangsbetrag als für Hoffmann und Conradty festzusetzen, deren Stellung auf dem relevanten Markt ganz untergeordnet war (6 % bzw. 3 %).

92      Zudem ist daran zu erinnern, dass, selbst wenn wegen der Einteilung in Kategorien gegen einige Unternehmen trotz ihrer unterschiedlichen Größe der gleiche Ausgangsbetrag festgesetzt worden ist, diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist, weil der Art der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung ihrer Schwere ein sehr viel größeres Gewicht zukommt als der Unternehmensgröße (vgl. Urteil CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 411 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Schließlich rügt die Klägerin, die von der Kommission vorgenommene Kategorieneinteilung sei falsch, da die Kommission die Marktanteile von Schunk und Hoffmann hätte zusammenzählen müssen, denn die Unternehmen seien so zu betrachten, wie sie sich bei Erlass der Entscheidung über die Festsetzung einer Geldbuße darstellten. Danach hätte die Klägerin in eine dritte Kategorie für Marktanteile unter 20 % aufgenommen müssen, während die erste Kategorie für Marktanteile über 25 % aus LGL und die zweite Kategorie für Marktanteile zwischen 20 % und 25 % aus Schunk und Hoffmann mit einem gemeinsamen Marktanteil von 24 % bestanden hätte. Entsprechend hätte nach der Entscheidungspraxis der Kommission der vorliegend gegen die Klägerin festgesetzte Ausgangsbetrag um 17,5 bis 13 Mio. Euro niedriger liegen müssen.

94      Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission Hoffmann gesondert zur Verantwortung zog, weil dieses Unternehmen von September 1994 bis Oktober 1999 eigenständig an der Zuwiderhandlung teilnahm und Schunk erst am 28. Oktober 1999 die Kontrolle von Hoffmann übernahm.

95      Entsprechend dieser Beurteilung, der die Klägerin nicht unmittelbar widersprochen hat, teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen, einschließlich Hoffmann, in drei Kategorien ein, wobei sie den Umsatz heranzog, den jedes Unternehmen mit den in Rede stehenden Produkten im EWR einschließlich des Werts seines Eigenverbrauchs erzielt hatte. Hieraus ergibt sich ein Marktanteil, der die Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung erkennen lässt und Aufschluss über ihre tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit gibt, den Wettbewerb erheblich zu schädigen.

96      Dem Vergleich wurden die Umsatzdaten von 1998, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, für die in Rede stehenden Produkte zugrunde gelegt, wogegen sich die Klägerin wendet und unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend macht, dass die Kommission die Situation der Unternehmen, wie sie am Tag der Festsetzung der Geldbuße bestanden habe, hätte würdigen müssen und folglich die Marktanteile von Schunk und Hoffmann hätte zusammenzählen müssen.

97      Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen die eigenständige Verantwortung von Hoffmann, wie sie die Kommission in der Entscheidung zugrunde gelegt hat, in Frage gestellt wird, ist es als bar jeder rechtlichen Grundlage zurückzuweisen.

98      Die Klägerin beanstandet einen Schritt bei der Bemessung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung, mit dem die Kommission den für die Geldbuße aufgrund der Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwerwiegend“ in Betracht kommenden Betrag von über 20 Mio. Euro mit Rücksicht auf das Gewicht jedes einzelnen an dem Kartell beteiligten Unternehmens und damit die tatsächlichen Auswirkungen der individuellen Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb anpasst.

99      Hinsichtlich der Bestimmung des Ausmaßes der Zuwiderhandlung auf dem Markt und des jeden Kartellteilnehmer treffenden Teils der Verantwortung ist entschieden worden, dass der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern kann (vgl. u. a. Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 121, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 369). Insbesondere stellt, wie das Gericht hervorgehoben hat, der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, British Steel/Kommission, T‑151/94, Slg. 1999, II‑629, Randnr. 643).

100    Die Kommission hat insoweit daher zu Recht den mit den fraglichen Produkten erzielten Umsatz und den EWR-Marktanteil der einzelnen auf dem relevanten Markt vertretenen Unternehmen im Jahr 1998, dem letzten abgeschlossenen Kalenderjahr der Zuwiderhandlung, berücksichtigt und nicht die Situation dieser Unternehmen am Tag des Erlasses der Entscheidung, vier Jahre nach dem Ende der Zuwiderhandlung.

101    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass sämtliche Rügen gegen die von der Kommission in der Entscheidung vorgenommene Einteilung der Mitglieder des Kartells in Kategorien zurückzuweisen sind.

 Zur Dauer der Zuwiderhandlung

102    Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ist die Dauer der Zuwiderhandlung einer der Gesichtspunkte, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße für Unternehmen, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.

103    In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung unterscheiden die Leitlinien zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Ausgangsbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag um bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich).

104    Es steht fest, dass die Klägerin von Oktober 1988 bis Dezember 1999 an dem Kartell teilnahm, d. h., ihre Zuwiderhandlung dauerte 11 Jahre und 2 Monate, was einem Verstoß von langer Dauer entspricht, und dass der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße folglich aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung um 110 % erhöht wurde.

105    Die Klägerin macht geltend, diese Erhöhung um 110 % für die Dauer der Zuwiderhandlung sei unverhältnismäßig und widerspreche sowohl der in den Leitlinien vorgesehenen Berechnungsmethode für Geldbußen als auch der früheren Entscheidungspraxis der Kommission.

106    Was erstens den behaupteten Verstoß gegen die Leitlinien angeht, macht die Klägerin – gleichzeitig und in widersprüchlicher Weise – geltend, dass durch die beanstandete Erhöhung dem vorangehenden Schritt, mit dem die Schwere der Zuwiderhandlung bestimmt werde, der Sinn genommen und diese Schwere ein zweites Mal berücksichtigt werde, da die von der Kommission als „besonders schwere“ Zuwiderhandlung eingestuften Preiskartelle naturgemäß Verstöße von langer Dauer seien.

107    Die erste Behauptung der Klägerin stellt eine reine Grundsatzbehauptung dar, die unerheblich ist. Die Kommission setzte am Ende ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung einen Ausgangsbetrag fest, der für die Klägerin 21 Mio. Euro beträgt. Nach diesem ersten Schritt bezog die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung in die Betrachtung ein und erhöhte den zuvor festgesetzten Ausgangsbetrag wegen der langen Dauer der Zuwiderhandlung. Dass der Aufschlag auf die Geldbuße eine Erhöhung des Ausgangsbetrags um über 100 % ausmacht, bedeutet für sich allein keineswegs, dass der Festsetzung des Ausgangsbetrags anhand der Schwere der Zuwiderhandlung der Sinn genommen wird.

108    Auch die zweite Behauptung entbehrt der Grundlage, denn sie beruht auf der falschen Annahme, dass zwischen der Art und der Dauer bestimmter Zuwiderhandlungen ein notwendiger Zusammenhang besteht, und führt zu einer Vermengung der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Kriterien der Schwere und der Dauer.

109    Selbst wenn Preiskartelle ihrem Wesen nach auf Dauer angelegt sein sollten, kann es der Kommission nicht verwehrt sein, ihre tatsächliche Dauer in jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Manche Kartelle werden nämlich, obwohl langfristig angelegt, nach kurzem tatsächlichen Wirken von der Kommission entdeckt oder von einem Teilnehmer aufgedeckt. Ihre nachteilige Wirkung ist zwangsläufig geringer, als wenn sie für eine lange Dauer tatsächlich durchgeführt worden wären. Folglich ist nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 stets zu unterscheiden zwischen der tatsächlichen Dauer von Zuwiderhandlungen und ihrer Schwere, wie sie sich aus ihrem Wesen ergibt (Urteile Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 259, und Tokai II, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 275).

110    Die Kommission war daher berechtigt, in Nr. 1 Teil B Abs. 3 der Leitlinien anzukündigen, dass der Aufschlag bei Verstößen von langer Dauer gegenüber der bisherigen Praxis spürbar erhöht werde, um die Wettbewerbsbeschränkungen, „die sich auf die Verbraucher dauerhaft schädlich ausgewirkt haben“, wirksam zu ahnden (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 260).

111    Auch sieht Nr. 1 Teil B Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Leitlinien für Verstöße von langer Dauer keine automatische Erhöhung um 10 % pro Jahr vor, sondern lässt der Kommission insoweit einen Ermessensspielraum. Aus den Randnrn. 299 und 300 der Entscheidung geht eindeutig hervor, dass die Kommission ihr Ermessen ausgeübt hat, als sie beschloss, die Ausgangsbeträge für jedes abgeschlossene Jahr der Zuwiderhandlung um 10 % und für jeden weiteren Zeitraum, der mehr als 6 Monate, aber weniger als ein Jahr umfasst, um weitere 5 % zu erhöhen, und zwar im Hinblick darauf, dass sich die Zuwiderhandlung weit über den Fünfjahreszeitraum hinaus erstreckte, der die Kategorie der Verstöße „von mittlerer Dauer“ abgrenzt.

112    Dass die Kommission den Grundsatz einer 10%igen Erhöhung pro Jahr auf alle an der – zu Recht als von langer Dauer eingestuften – Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen angewandt hat, verstößt keineswegs gegen die Leitlinien, und das Vorbringen der Klägerin zur Verletzung eines „Prinzips der degressiven Straferhöhung“ bei Verstößen von langer Dauer, dessen Geltung im Gemeinschaftsrecht nicht nachgewiesen worden ist, verkennt den Fortsetzungscharakter der Zuwiderhandlung, von dem die Kommission in Verbindung mit deren Einheitlichkeit ausgegangen ist und den die Klägerin nicht bestreitet.

113    Daher spricht nichts dagegen, dass die Kommission in Anwendung der Regeln, die sie sich selbst in den Leitlinien gesetzt hat, den Ausgangsbetrag für die Geldbuße der Klägerin um 110% für eine Zuwiderhandlungsdauer von 11 Jahren und zwei Monaten erhöht hat. Zudem kann diese Erhöhung um 110 % angesichts der langen Dauer der Zuwiderhandlung nicht als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden.

114    Zweitens ist zu dem behaupteten Verstoß gegen die Entscheidungspraxis der Kommission daran zu erinnern, dass diese Praxis nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann, den ausschließlich die Verordnung Nr. 17 darstellt (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 234), und dass Entscheidungen in anderen Fällen nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (Urteile JCB Service/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 201 und 205, und Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 60).

115    Die Klägerin verweist insoweit auf drei Entscheidungen der Kommission, in denen der Ausgangsbetrag der Geldbuße aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung erst ab dem zweiten Jahr des Zuwiderhandlungszeitraums erhöht worden war, weil in den Leitlinien Erhöhungen von Geldbußen nur für Zeiträume vorgesehen seien, die den als von „mittlerer Dauer“ angesehenen Zuwiderhandlungszeitraum übersteigen.

116    Es ist jedoch festzustellen, dass die von der Klägerin angeführten Fälle nicht mit der vorliegenden Rechtssache vergleichbar sind.

117    So hat die Kommission in der Entscheidung in der Sache Fernwärmetechnik und in der Entscheidung 2001/135/EG vom 5. Juli 2000 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP.F.1. 36.516 – Nathan-Bricolux) (ABl. 2001, L 54, S. 1) berücksichtigt, dass die fraglichen Beschränkungen anders als in der vorliegenden Rechtssache während des streitigen Zeitraums nicht systematisch durchgeführt worden waren.

118    In der Entscheidung 2001/418/EG vom 7. Juni 2000 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] bzw. Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/36.545/F3 – Aminosäuren) (ABl. 2001, L 152, S. 24) hat die Kommission die Teilnahme mehrerer Unternehmen an einem Kartell auf dem Lysinmarkt geahndet. Sie hatte den Grundsatz einer Erhöhung um 10 % pro Jahr der Zuwiderhandlung aufgestellt, diesen Grundsatz dann aber nicht einheitlich angewandt, ohne dies zu erklären. Das Gericht hat dies im Urteil vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission (T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnrn. 130 bis 139) korrigiert, indem es die aufgrund der Dauer vorgesehene Erhöhung zugunsten des Unternehmens, auf das der Grundsatz einer Erhöhung um 10 % pro Jahr angewandt worden war, herabsetzte.

119    Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf einen gegenüber anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14, Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 160, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 367).

120    Entgegen dem Vortrag der Klägerin ergibt sich aus Nr. 1 Teil B der Leitlinien nicht, dass das erste Jahr der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt werden darf. Insoweit ist nämlich nur vorgesehen, dass bei Verstößen von kurzer Dauer, in der Regel bei einer Dauer von weniger als einem Jahr, kein Aufschlag vorgenommen wird. Dagegen wird bei Verstößen von längerer Dauer ein Aufschlag von bis zu 10 % des Ausgangsbetrags für jedes Jahr des Verstoßes vorgenommen, wenn wie hier der Verstoß mehr als fünf Jahre gedauert hat (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 133).

121    Daher ist die Rüge einer unverhältnismäßigen und/oder diskriminierenden Behandlung der Klägerin bei der Festsetzung der Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung und angesichts der Entscheidungspraxis der Kommission zurückzuweisen.

 Zur Obergrenze der Geldbuße nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17

 Zur Nichtanwendung der Obergrenze von 10 % des weltweiten Umsatzes auf die Klägerin

122    Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG verstoßen, Geldbußen in Höhe von bis zu „zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes“ festsetzen.

123    Die Klägerin rügt erstens, die Kommission habe gegen die genannte Bestimmung verstoßen, da sie danach im vorliegenden Fall von Rechts wegen den Grundbetrag der Geldbuße hätte reduzieren müssen, denn bei Berücksichtigung der in den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit gegen die Klägerin verhängten Geldbußen, gleich ob der Grundbetrag oder der definitive Betrag angesetzt werde, ergebe sich unter Einbeziehung der in der Entscheidung festgesetzten Geldbuße eine Gesamtsumme, die deutlich höher liege als 10 % des von der Klägerin weltweit erzielten Umsatzes. Diese Lösung sei durch das Ziel der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten 10%‑Obergrenze vorgegeben, das Unternehmen vor einer exzessiven Geldbuße zu schützen, die seine wirtschaftliche Existenz gefährden könnte.

124    Es ist festzustellen, dass die Kommission zwar – unter der Kontrolle des Gerichts – frei entscheiden kann, ob sie im Einzelfall nach der Mitteilung über Zusammenarbeit Herabsetzungen von Geldbußen gewährt, dass sie jedoch zur Einhaltung der Obergrenze von 10 % verpflichtet ist. Die Kommission verfügt bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % nicht über ein Ermessen; deren Anwendung hängt einzig und allein von der Höhe des Umsatzes im Sinne von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ab. Wie Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen zum Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, I‑5439, Randnr. 125) ausführt, stellt „ein Plafond per definitionem einen absoluten Grenzwert [dar], der automatisch gilt, sobald eine bestimmte Schwelle erreicht ist, und unabhängig von anderen Bewertungsfaktoren Anwendung findet“.

125    Im vorliegenden Fall wurde der anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelte Grundbetrag für die Klägerin auf 44,1 Mio. Euro festgesetzt, ein Betrag, der unverändert blieb, da die Kommission bei der Prüfung etwaiger erschwerender Umstände zu Lasten oder mildernder Umstände zu Gunsten der Klägerin keine solchen Umstände feststellte. Dieser Betrag von 44,1 Mio. Euro liegt jedoch offensichtlich unter der Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes des genannten Unternehmens, der sich für das Jahr 2002 auf 1 112 Mio. Euro belief. Der Klägerin konnte daher keine Verringerung des Grundbetrags zugestanden werden, und die Kommission hat Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 angemessen angewandt.

126    Die Klägerin verkennt mit ihrem oben in Randnr. 123 angeführten Vorbringen den klaren Wortlaut der genannten Bestimmung, wonach die Obergrenze von 10 % gesondert für jede von der Kommission geahndete Zuwiderhandlung gilt (Urteil Tokai II, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 377). Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Grenzen die Schwere und die Dauer der „Zuwiderhandlung“ zu berücksichtigen sind.

127    Der ausdrückliche Bezug auf den Umsatz des Unternehmens soll nach der Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter verhindern, dass die Geldbußen außer Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen, und da allein der Gesamtumsatz einen ungefähren Anhaltspunkt hierfür liefern kann, muss davon ausgegangen werden, dass sich dieser Prozentsatz auf den Gesamtumsatz bezieht (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 119). Diese Definition des Ziels der Obergrenze von 10 % ist jedoch nicht unabhängig vom Wortlaut und der Tragweite von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, wie sie in der vorstehenden Randnummer in Erinnerung gerufen worden sind, und dieses Ziel ist nicht geeignet, eine Auslegung der genannten Bestimmung gegen ihren Wortlaut zu stützen, wie sie die Klägerin vorgetragen hat.

128    Außerdem verweist die Klägerin für ihre Rüge auf die Entscheidung 2003/2/EG der Kommission vom 21. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 – Vitamine) (ABl. 2003, L 6, S. 1), in der die Kommission zwei Unternehmen je acht Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG zur Last gelegt und folglich acht Geldbußen gegen sie festgesetzt habe. Hierzu ist festzustellen, dass jede dieser acht Geldbußen ihrer Höhe nach die Obergrenze von 10 % einhält und dass das Vorbringen der Klägerin, die Summe der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbußen habe weniger als 10 % des Gesamtumsatzes des jeweiligen Unternehmens betragen, nicht geeignet ist, um darzutun, dass die Kommission im vorliegenden Fall gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen hat.

129    Zweitens rügt die Klägerin, die Kommission habe im Kern einen Ermessensmissbrauch begangen. Sie habe versucht, sich der Beachtung der Obergrenze von 10 % zu entziehen, indem sie eine über einen Zeitraum reichende kartellrechtswidrige Verhaltensweise getrennt mit drei verschiedenen Entscheidungen geahndet habe.

130    Die Klägerin hat auf Fragen in der mündlichen Verhandlung nach der genauen Bedeutung dieser Behauptung erklärt, sie wolle nicht geltend machen, dass die in den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit beanstandeten Kartelle und das Kartell, zu dem die Entscheidung ergangen sei, in Wirklichkeit ein und dieselbe Zuwiderhandlung gebildet hätten.

131    An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass es der Kommission freistand, gegen die Klägerin vier verschiedene Geldbußen zu verhängen, von denen jede einzelne in den Grenzen des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 liegt, sofern die Klägerin vier verschiedene Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 12 EG begangen hat, wobei daran zu erinnern ist, dass die Kommission in der Sache Spezialgraphit nur ein Verfahren eingeleitet hatte, dass zum Erlass einer einheitlichen Entscheidung führte, mit der zwei verschiedene Zuwiderhandlungen, eine auf dem Markt für isostatischen Graphit und eine auf dem Markt für stranggepressten Graphit, festgestellt und gegen die Klägerin zwei verschiedene Geldbußen verhängt wurden.

132    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin, die Obergrenze des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 sei „unzulässig umgangen“ worden, unerheblich. Wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, macht es nämlich für die Anwendung dieser Obergrenze keinen Unterschied, ob verschiedene Wettbewerbsverstöße in einem einheitlichen Verfahren oder in getrennten, zeitlich versetzten Verfahren geahndet werden, da die Obergrenze von 10 % für jede einzelne Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG gilt.

133    Die allgemeinen Ausführungen der Klägerin, die Haltung der Kommission im vorliegenden Fall habe einen Zermürbungseffekt für das Unternehmen, dem keine Möglichkeit zur finanziellen Gesundung gelassen und das einer fortgesetzten öffentlichen Anprangerung ausgesetzt werde, die zu einer zusätzlichen Schädigung in Form eines Imageschadens führe, sind ebenfalls unerheblich angesichts der Beweisanforderungen für die Behauptung, die Kommission habe gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen oder einen Ermessensmissbrauch begangen.

134    Schließlich ist hervorzuheben, dass die Kommission der Klägerin eine Herabsetzung der Geldbuße um 33 % im Hinblick darauf gewährte, dass die Klägerin finanziell stark unter Druck stand und erst kurze Zeit zuvor in den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit wegen Beteiligung an gleichzeitigen Kartellaktivitäten mit hohen Geldbußen belegt worden war.

 Zur diskriminierenden Anwendung der Obergrenze von 10 % zugunsten von Hoffmann

135    Die Klägerin behauptet nicht, sich in einer ähnlichen Lage wie Hoffmann befunden zu haben, sondern, dass die Kommission die Obergrenze von 10 % zugunsten von Hoffmann unzutreffend angewandt habe, indem sie einen falschen Gesamtumsatz berücksichtigt habe. Hoffmann sei am 28. Oktober 1999 von Schunk übernommen worden, und die Summe der gegen die beiden Unternehmen festgesetzten Grundbeträge (53,1 Mio. Euro) mache weniger als 10 % ihres gemeinsamen Umsatzes für das Jahr 2002 (624,4 Mio. Euro) aus, weshalb sich eine Herabsetzung der Geldbuße in Anwendung der Obergrenze von 10 % verbiete.

136    Soweit die Klägerin geltend macht, die Herabsetzung der Geldbuße von Hoffmann sei rechtswidrig, und auch unterstellt, die Kommission hätte diesem Unternehmen aufgrund einer falschen Anwendung der Obergrenze von 10 % ohne Rechtsgrund eine Herabsetzung gewährt, ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf einen gegenüber anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann (Urteil Williams/Rechnungshof, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 14, Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 160, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 367).

137    Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % den Umsatz des betreffenden Unternehmens zu berücksichtigen hat, also des Unternehmens, dem die Zuwiderhandlung zugerechnet wurde und das daher für verantwortlich erklärt und dem die Entscheidung, mit der die Geldbuße festgesetzt wird, bekannt gegeben wurde (Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Randnr. 116).

138    Im vorliegenden Fall steht jedoch fest, dass die Kommission den Verstoß gegen Art. 81 EG Hoffmann zur Last legte, weil diese autonom und in eigener Verantwortung an dem Kartell von September 1994 bis Oktober 1999, also vor ihrer Übernahme durch Schunk, teilgenommen habe. Zudem habe Hoffmann nach dieser Übernahme ihre Rechtspersönlichkeit, Geschäftstätigkeit und angemessene Vermögenswerte bewahrt, selbst wenn die Leitung des Unternehmens nunmehr in den Händen von Schunk gelegen habe (Randnr. 256 der Entscheidung). Die Kommission nahm daher zutreffend an, dass Hoffmann selbst für die von ihr vor der Übernahme durch Schunk begangene Zuwiderhandlung zur Verantwortung zu ziehen sei, und zog zutreffend ausschließlich den Umsatz von Hoffmann für die Anwendung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes im Sinne des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 heran.

139    Folglich sind die Rügen einer falschen bzw. diskriminierenden Anwendung und einer „unzulässigen Umgehung“ der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Obergrenze von 10 % des Umsatzes zurückzuweisen.

 Zu den Verzugszinsen

140    Die Klägerin weist darauf hin, dass für einen nach Zustellung der Entscheidung und Ablauf einer Dreimonatsfrist nicht beglichenen Betrag der Geldbuße automatisch Verzugszinsen in Höhe von 5,5 % anfielen, d. h. zum Refinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank (EZB), der zum maßgeblichen Zeitpunkt 2 % betragen habe, zuzüglich 3,5 %, wobei dieser Zinssatz von 5,5 % auf 3,5 % reduziert werden könne, wenn eine Bankbürgschaft gestellt werde.

141    Die Kommission habe diesen überhöhten und willkürlichen Zinssatz in der Entscheidung nicht begründet. Überdies handele es sich um einen Strafzins, der sich, ohne Rechtsgrundlage, als Zusatzstrafe für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz auswirke und „gegen den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts [verstößt], nach dem jede Person einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen darf, ohne dass ihr aus der Tatsache, dass sie Rechtsschutz gesucht hat, ein Nachteil entstehen darf“.

142    Es ist festzustellen, dass SGL im Rahmen der Rechtsstreitigkeiten, in denen die Urteile Tokai I (oben in Randnr. 62 angeführt) und Tokai II (oben in Randnr. 52 angeführt) ergangen sind, bereits eine ähnliche Rüge vorgebracht hatte, die das Gericht in den genannten Urteilen zurückwies, was der Gerichtshof in den Rechtsmittelverfahren durch die Urteile vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission (C‑308/04 P, Slg. 2006, I‑5977, Randnrn. 113 bis 118), und vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission (C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnrn. 109 bis 115) bestätigt hat.

143    Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 141 bis 143; Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, Slg. 1995, II‑2169, Randnrn. 46 bis 49, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 395 und 396) die der Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis das Recht umfasst, den Fälligkeitstermin für Geldbußen und den Beginn der Laufzeit der Verzugszinsen zu bestimmen sowie den Zinssatz für diese Zinsen und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen, wobei sie gegebenenfalls die Stellung einer Bankbürgschaft verlangen kann, die die Hauptforderung und die Zinsen für die festgesetzten Geldbußen abdeckt. Hätte sie diese Befugnis nämlich nicht, könnten die Unternehmen aus der verspäteten Zahlung der Geldbußen einen Vorteil ziehen, wodurch die Sanktionen abgeschwächt würden, die die Kommission im Rahmen ihrer Aufgabe, über die Anwendung der Wettbewerbsregeln zu wachen, verhängt hat. So ist die Berechnung von Verzugszinsen auf Geldbußen gerechtfertigt, um zu verhindern, dass die praktische Wirksamkeit des Vertrags durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen wird, die die Zahlung der Geldbußen hinauszögern, zu denen sie verurteilt worden sind, und um auszuschließen, dass diese Unternehmen gegenüber den Unternehmen einen Vorteil erlangen, die ihre Geldbußen zum festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 475).

144    In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung der Kommission das Recht zuerkannt, Verzugszinsen in Höhe des Marktzinses zuzüglich 3,5 Prozentpunkte (Urteile des Gerichts CB/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 54, vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, T‑24/93 bis T‑26/93 und T28/93, Slg. 1996, II‑1201, Randnr. 250, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 397) und im Fall der Stellung einer Bankbürgschaft in Höhe des Marktzinses zuzüglich 1,5 Prozentpunkte (Urteil CB/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 54) anzusetzen.

145    Diese Vorgehensweisen haben nunmehr eine normative Grundlage, da sie in der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357, S. 1) vorgesehen sind, und zwar in deren Art. 86, dessen Rechtmäßigkeit die Klägerin nicht bestreitet. Diese Verordnung ist nach ihrem Art. 273 am 1. Januar 2003 in Kraft getreten.

146    Das Gericht hat in seiner Rechtsprechung Verzugszinsen in Höhe von 7,5 %, 13,25 % und 13,75 % gebilligt und ausgeführt, dass die Kommission befugt ist, eine Bezugsgröße zu wählen, die über dem üblichen durchschnittlichen Marktzins liegt, soweit dies erforderlich ist, um hinhaltenden Maßnahmen vorzubeugen (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 476 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unter diesen Umständen können die im vorliegenden Fall festgesetzten Zinssätze von 5,5 % und 3,5 % angesichts des genannten legitimen Ziels nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

147    Mit ihrem Vorbringen zum Verstoß gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, nach dem „jede Person einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen darf, ohne dass ihr aus der Tatsache, dass sie Rechtsschutz gesucht hat, ein Nachteil entstehen darf“, fordert die Klägerin im Wesentlichen, dass ein Unternehmen, dem eine Geldbuße auferlegt wurde, einen Rechtsbehelf einlegen kann, ohne hinsichtlich der Folgen einer Zurückweisung des Rechtsbehelfs ein Risiko einzugehen, womit im Ergebnis der Normzweck der Festsetzung von Verzugszinsen, nämlich rechtsmissbräuchliche Klagen zu verhindern, geleugnet wird.

148    Die Klägerin weist jedenfalls nicht nach, dass die Kommission durch Festsetzung der Zinssätze auf 5,5 % bzw. 3,5 % den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, der ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, verletzt hat. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Zinssätze, die die Kommission in ihren Entscheidungen in den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit und der vorliegenden Sache festgesetzt hat, die Klägerin offensichtlich nicht von einer Klage beim Gemeinschaftsrichter abgehalten haben.

149    Im Übrigen kann das Vorbringen der Klägerin zu den Auswirkungen der Dauer des gerichtlichen Verfahrens, deren Ungewissheit zum Wesen eines solchen Verfahrens gehört, nichts an diesem Ergebnis ändern. Außerdem kann ein Unternehmen, um die Auswirkungen der ungewissen Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf die Höhe der Zinsen zu vermeiden, beantragen, den Vollzug der Entscheidung der Kommission auszusetzen, mit der ihm eine Geldbuße auferlegt wird, oder eine Bankgarantie stellen, durch die der Zinssatz von 5,5 % auf 3,5 % reduziert werden kann.

150    Die Klägerin bezieht sich ferner auf eine Praxis der Kommission, Zahlungen, die Unternehmen zur Begleichung ihrer Geldbußen leisten, mit 0,1 % über dem Mindestbietungssatz für Refinanzierungsgeschäfte der EZB zu verzinsen, womit dem in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Risiko begegnet werden kann.

151    Die Klägerin sieht in dieser Praxis einen Beleg dafür, dass die Kommission selbst der Auffassung sei, dass niedrigere Zinsen offenbar ausreichten, um rechtsmissbräuchliche Klagen zu verhindern, da sonst keine Verzinsung erfolge; daher sei die vorliegend verlangte Zinshöhe jedenfalls und mindestens, soweit sie die Verzinsung geleisteter Zahlungen durch die Kommission übersteige, unberechtigt.

152    Indem sie Zahlungen, die von Unternehmen zur Begleichung ihrer Geldbußen vorsorglich geleistet werden, mit 0,1 % über dem Mindestbietungssatz für Refinanzierungsgeschäfte der EZB verzinst, gewährt die Kommission dem betroffenen Unternehmen eine Vergünstigung, die sich weder aus den Vorschriften des Vertrags noch aus denen der Verordnung Nr. 17 oder der Verordnung Nr. 2342/2002 ergibt (Urteil CB/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 82) und auf die sich die Rüge der Klägerin nicht wirksam stützen lässt. Die Verzinsung von Geldbußen, von denen sich später herausstellt, dass sie zu Unrecht entrichtet wurden, durch die Kommission dient nämlich einem ganz anderen Ziel als die Verzugszinsen. Die erstgenannten Zinsen sollen eine ungerechtfertigte Bereicherung der Gemeinschaften zu Lasten eines Unternehmens beseitigen, das mit der Klage auf Nichtigerklärung seiner Geldbuße obsiegt, während die letztgenannten Zinsen missbräuchliche Verzögerungen bei der Zahlung einer Geldbuße verhindern sollen (Urteil Tokai II, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 414).

153    Schließlich zeigt der Blick auf Art. 2 der Entscheidung in Verbindung mit dem Schreiben vom 11. Dezember 2003, mit dem die Entscheidung der Klägerin bekannt gegeben wurde, dass dort klar dargelegt ist, wie die Verzugszinsen festgesetzt wurden; die Kommission hat damit die in Art. 253 EG vorgesehene Begründungspflicht erfüllt.

154    Folglich ist die Rüge betreffend die in der Entscheidung vorgesehenen Zinssätze, wie sie oben in Randnr. 141 wiedergegeben ist, zurückzuweisen.

155    Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

156    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die SGL Carbon AG trägt die Kosten.



Vilaras

Prek

Ciucǎ

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Oktober 2008.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Vilaras

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Bestimmung des Grundbetrags

Zur Schwere der Zuwiderhandlung

– Zur Verletzung der Begründungspflicht

– Zur Entscheidungspraxis der Kommission

– Zur Einteilung der Kartellmitglieder in Kategorien

Zur Dauer der Zuwiderhandlung

Zur Obergrenze der Geldbuße nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17

Zur Nichtanwendung der Obergrenze von 10 % des weltweiten Umsatzes auf die Klägerin

Zur diskriminierenden Anwendung der Obergrenze von 10 % zugunsten von Hoffmann

Zu den Verzugszinsen

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.