Language of document : ECLI:EU:T:2008:415

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

8. Oktober 2008(*)

„Wettbewerb − Kartelle − Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte − Einrede der Rechtswidrigkeit − Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 − Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung − Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen − Schwere und Auswirkung der Zuwiderhandlung − Abschreckungswirkung − Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens − Grundsatz der Verhältnismäßigkeit − Grundsatz der Gleichbehandlung − Gegenantrag auf Erhöhung der Geldbuße“

In der Rechtssache T‑69/04

Schunk GmbH mit Sitz in Thale (Deutschland),

Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH mit Sitz in Heuchelheim (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte R. Bechtold und S. Hirsbrunner, dann Rechtsanwälte R. Bechtold, S. Hirsbrunner und A. Schädle,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch zunächst F. Castillo de la Torre und H. Gading, dann durch F. Castillo de la Torre und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/420/EG der Kommission vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache Nr. C.38.359 − Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) und, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerinnen durch diese Entscheidung festgesetzten Geldbuße einerseits und eines Gegenantrags der Kommission auf Erhöhung der Geldbuße andererseits

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. Ciucă,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH (im Folgenden: SKT) ist ein deutsches Unternehmen, das Kohlenstoff- und Graphitprodukte für die elektrotechnische und mechanische Nutzung herstellt. SKT ist eine Tochtergesellschaft der Schunk GmbH (im Folgenden zusammen: Schunk oder die Klägerinnen).

2        Am 18. September 2001 trafen sich Vertreter der Morgan Crucible Company plc (im Folgenden: Morgan) mit Vertretern der Kommission, um ihre Zusammenarbeit beim Nachweis eines Kartells auf dem europäischen Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoffprodukte anzubieten und die Anwendung der in der Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) vorgesehenen Kronzeugenregelung zu beantragen.

3        Am 2. August 2002 richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) an die C. Conradty Nürnberg GmbH (im Folgenden: Conradty), Le Carbone-Lorraine (im Folgenden: LCL), die SGL Carbon AG (im Folgenden: SGL), SKT, die Eurocarbo SpA, die Luckerath BV, sowie die Gerken Europe SA Auskunftsverlangen betreffend ihr Verhalten auf dem fraglichen Markt. Das an SKT gerichtete Schreiben betraf auch die Tätigkeiten der von Schunk am 28. Oktober 1999 übernommenen Hoffmann & Co. Elektrokohle AG (im Folgenden: Hoffmann).

4        Mit Schreiben vom 2. September 2002 teilte SKT der Kommission ihre Bereitschaft mit, im Verwaltungsverfahren mit ihr zusammenzuarbeiten, und dass sie prüfe, ob sie in der Lage sei, neben der Beantwortung des Auskunftsverlangens Beweismittel vorzulegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen Mehrwert darstellten.

5        Nachdem SKT am 5. Oktober 2002 eine deutsche Fassung des Auskunftsverlangens zugegangen war, beantwortete sie dieses mit Schreiben vom 25. Oktober 2002.

6        Am 23. Mai 2003 sandte die Kommission auf der Grundlage der ihr zugegangenen Informationen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerinnen und an die anderen betroffenen Unternehmen, nämlich Morgan, Conradty, LCL, SGL und Hoffmann.

7        Nach Anhörung der betroffenen Unternehmen mit Ausnahme von Morgan und Conradty erließ die Kommission die Entscheidung 2004/420/EG vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) (im Folgenden: Entscheidung). Eine Zusammenfassung der Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. April 2004 (ABl. L 125, S. 45) veröffentlicht.

8        In der Entscheidung führte die Kommission aus, dass deren Adressaten an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und ab 1. Januar 1994 gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) teilgenommen hätten, die aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen (mengenmäßige Beschränkungen, Preiserhöhungen und Boykottmaßnahmen) gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestanden habe (Randnr. 2 der Entscheidung).

9        Die Entscheidung enthält folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung – während der angegebenen Zeiträume – an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – ab 1. Januar 1994 – Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen:

a)      [Conradty]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

b)      [Hoffmann]: von September 1994 bis Oktober 1999;

c)      [LGL]: von Oktober 1988 bis Juni 1999;

d)      [Morgan]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

e)      [Schunk]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

f)      [SGL]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      [Conradty]: 1 060 000 EUR;

b)      [Hoffmann]: 2 820 000 EUR;

c)      [LCL]: 43 050 000 EUR;

d)      [Morgan]: 0 EUR;

e)      [Schunk]: 30 870 000 EUR;

f)      [SGL]: 23 640 000 EUR.

Die Geldbußen sind innerhalb von drei Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung … einzuzahlen …

Nach Ablauf dieser Frist werden Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats angewandt wird, in dem diese Entscheidung erlassen worden ist, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte.“

10      Bei der Bemessung der Geldbußen stufte die Kommission die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art, ihrer Auswirkungen auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte, auch wenn diese Auswirkungen nicht genau messbar seien, und des Umfangs des relevanten räumlichen Marktes als besonders schwerwiegend ein (Randnr. 288 der Entscheidung).

11      Um die besondere Bedeutung des rechtswidrigen Verhaltens jedes einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmens und damit seiner tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen entsprechend ihrer nach ihren Marktanteilen bestimmten Bedeutung auf dem fraglichen Markt in drei Kategorien ein (Randnrn. 289 bis 297 der Entscheidung).

12      Infolgedessen wurden LCL und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und SGL wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

13      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für LCL und Morgan, 21 Mio. Euro für SGL und die Klägerinnen sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

14      In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung war die Kommission der Ansicht, dass alle betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung von langer Dauer begangen hätten. Wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 11 Jahren und 2 Monaten erhöhte die Kommission den gegen Schunk, Morgan, SGL und Conradty festgesetzten Ausgangsbetrag um 110 %. Bei LCL ging die Kommission von einer Zuwiderhandlungsdauer von 10 Jahren und 8 Monaten aus und erhöhte den Ausgangsbetrag um 105 %. Bei Hoffmann wurde der Ausgangsbetrag wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 5 Jahren und 1 Monat um 50 % erhöht (Randnrn. 299 und 300 der Entscheidung).

15      Der anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelte Grundbetrag der Geldbuße wurde daher auf 73,5 Mio. Euro für Morgan, 71,75 Mio. Euro für LCL, 44,1 Mio. Euro für die Klägerinnen und SGL, 12,6 Mio. Euro für Conradty und 9 Mio. Euro für Hoffmann festgesetzt (Randnr. 301 der Entscheidung).

16      Die Kommission stellte weder erschwerende Umstände zu Lasten noch mildernde Umstände zu Gunsten der betroffenen Unternehmen fest (Randnr. 316 der Entscheidung) und lehnte den Antrag der Klägerinnen auf Begrenzung des Betrags der verhängten Geldbuße gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 auf 10 % des weltweiten Umsatzes von SKT ab (Randnr. 318 der Entscheidung).

17      In Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit wurde gegen Morgan keine Geldbuße verhängt, weil sie das erste Unternehmen war, das die Kommission auf das Bestehen des Kartells hingewiesen hatte (Randnrn. 319 bis 321 der Entscheidung).

18      Gemäß Abschnitt D dieser Mitteilung setzte die Kommission die Geldbuße, die ohne Zusammenarbeit verhängt worden wäre, für LCL um 40 %, für Schunk und Hoffmann um 30 % und für SGL, die als letzte die Zusammenarbeit aufgenommen hatte, um 20 % herab (Randnrn. 322 bis 338 der Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

19      Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 20. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

20      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer als ihr Präsident zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

21      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. Februar 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

22      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Geldbuße der Klägerinnen zu erhöhen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

24      Die von den Klägerinnen eingereichte Klage hat zweierlei zum Gegenstand, nämlich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung und einen hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße, doch haben die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen nicht zwischen den einzelnen Rügen unterschieden. Auf die Aufforderung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, sich zur genauen Tragweite ihres Vorbringens zu äußern, haben die Klägerinnen im Wesentlichen erklärt, sie stellten dies ins Ermessen des Gerichts.

25      Hierzu ist festzustellen, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und das Vorbringen, mit dem die gesamtschuldnerische Haftung der Schunk GmbH und von SKT bestritten wird, klar den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung betreffen.

26      Außerdem werfen die Klägerinnen der Kommission vor, bei der Bemessung der Geldbuße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, was a priori zu dem Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße gehört. Das Vorbringen zur Begründung dieses Vorwurfs enthält jedoch Einwände, mit denen die von der Kommission zugrunde gelegte Zuwiderhandlung bestritten und damit die Haftung der betroffenen Unternehmen, wie sie in Art. 1 der Entscheidung bestimmt ist, in Frage gestellt wird. Diese Einwände sind daher im Rahmen des Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt, einschließlich ihres Art. 1, zu prüfen.

 Zur Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17

27      Die Klägerinnen machen geltend, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verleihe der Kommission ein nahezu unbegrenztes Ermessen bei der Festsetzung von Geldbußen, was gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 7 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), wie er von den europäischen Gerichten ausgelegt werde, verstoße.

28      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Gemeinschaftsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Juli 1981, Gondrand Frères und Garancini, 169/80, Slg. 1981, S. 1931, Randnr. 17, vom 18. November 1987, Maizena, 137/85, Slg. 1987, S. 4587, Randnr. 15, vom 13. Februar 1996, van Es Douane Agenten, C‑143/93, Slg. 1996, I‑431, Randnr. 27, und vom 12. Dezember 1996, X, C‑74/95 und C‑129/95, Slg. 1996 I‑6609, Randnr. 25).

29      Dieser Grundsatz, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, u. a. in Artikel 7 EMRK, verankert wurde, ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Regelungen zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten (vgl. in diesem Sinne Urteil Maizena, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnrn. 14 und 15 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er gilt nicht nur für Normen, die die Bestandteile einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für diejenigen, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil X, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnrn. 22 und 25).

30      Im Übrigen gehören die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (Gutachten 2/94 des Gerichtshofs vom 28. März 1996, Slg. 1996, I‑1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofs vom 29. Mai 1997, Kremzow, C‑299/95, Slg. 1997, I‑2629, Randnr. 14). Dabei lassen sich der Gerichtshof und das Gericht von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Hierbei kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Mai 1986, Johnston, 222/84, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18, und Kremzow, Randnr. 14). Im Übrigen bestimmt Art. 6 Abs. 2 EU: „Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben“ (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Randnrn. 23 und 24, und Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2001, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑112/98, Slg. 1998, II‑729, Randnr. 60).

31      Insoweit ist an Art. 7 Abs. 1 EMRK zu erinnern, der bestimmt:

„Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“

32      Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) geht aus dieser Bestimmung hervor, dass die Zuwiderhandlungen und die Strafen, mit denen sie bedroht sind, gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Bürger dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung, gegebenenfalls anhand ihrer Auslegung durch die Gerichte, entnehmen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Haftung auslösen (vgl. Urteil des EGMR vom 22. Juni 2000, Coëme u. a./Belgien, Recueil des arrêts et décisions 2000-VII, S.1, § 145).

33      Zudem verlangt Art. 7 Abs. 1 EMRK nicht, dass die Vorschriften, aufgrund deren die Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind. Nach der Rechtsprechung des EGMR führt die Existenz vager Begriffe in einer Bestimmung nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen Art. 7 EMRK, und die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, verletzt als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren (vgl. Urteil des EGMR vom 25. Februar 1992, Margareta und Roger Andersson/Schweden, Serie A, Nr. 226, § 75). Dabei berücksichtigt der EGMR neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden (Urteil des EGMR G./Frankreich vom 27. September 1995, Serie A, Nr. 325‑B, § 25).

34      Was die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten angeht, berechtigt nichts dazu, den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, den der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit darstellt, anders auszulegen, als sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt. So behaupten die Klägerinnen lediglich, ohne dies weiter auszuführen, dass es auf nationaler Ebene keine vergleichbare Norm gebe, die eine Behörde ermächtige, fast unbegrenzt Geldbußen zu verhängen.

35      Im vorliegenden Fall ist zur Rechtmäßigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er vom Gemeinschaftsrichter in Einklang mit den von der EMRK gelieferten Anhaltspunkten und den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten anerkannt worden ist, festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln nicht über ein unbegrenztes Ermessen verfügt.

36      Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 selbst schränkt nämlich das Ermessen der Kommission ein. Zum einen heißt es darin, dass die Kommission „gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen [kann]“; damit sieht er eine Obergrenze der Geldbußen anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen, d. h. anhand eines objektiven Kriteriums, vor. Auch wenn es somit keine für alle Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln geltende absolute Obergrenze gibt, besteht für die mögliche Geldbuße doch eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen ist die Kommission nach dieser Bestimmung verpflichtet, bei der Festsetzung der Geldbußen in jedem Einzelfall „neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen“.

37      Es ist zwar richtig, dass diese beiden Kriterien der Kommission ein weites Ermessen belassen, doch ändert dies nichts daran, dass es sich um Kriterien handelt, die von anderen Gesetzgebern bei vergleichbaren Bestimmungen herangezogen wurden und die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen.

38      Der Rat hat dadurch, dass er für Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln Geldbußen zwischen 1 000 Euro und 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens vorgesehen hat, der Kommission keinen übermäßig großen Handlungsspielraum eingeräumt. Insbesondere ist die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens in Anbetracht der Interessen, die die Kommission im Rahmen der Verfolgung und der Ahndung solcher Zuwiderhandlungen verteidigt, angemessen.

39      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Sanktionen im Fall von Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG ein zentrales Instrument darstellen, das der Kommission zur Verfügung steht, um für die Schaffung eines „System[s], das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Fälschungen schützt“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG), in der Gemeinschaft Sorge zu tragen. Dieses System erlaubt es der Gemeinschaft, ihre Aufgabe zu erfüllen, die darin besteht, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes in der ganzen Gemeinschaft u. a. eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens und einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit zu fördern (Art. 2 EG). Dieses System ist ferner notwendig, um in der Gemeinschaft eine Wirtschaftspolitik einzuführen, die dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist (Art. 4 Abs. 1 und 2 EG). Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 erlaubt damit die Schaffung eines Systems, das den grundlegenden Aufgaben der Gemeinschaft entspricht.

40      Daher ist davon auszugehen, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, auch wenn er der Kommission ein gewisses Ermessen belässt, die Kriterien und Grenzen festlegt, die sie bei der Ausübung ihrer Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen zu beachten hat.

41      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zu beachten hat. Hinzuzufügen ist ferner, dass diese beiden Gerichte nach Art. 229 EG und Art. 17 der Verordnung Nr. 17 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen befinden, mit denen die Kommission Geldbußen festsetzt, und somit nicht nur die Entscheidungen der Kommission für nichtig erklären, sondern auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen können. Die Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt mithin der unbeschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen veranlasst diese Kontrolle den Gemeinschaftsrichter, auf den nach ihrer Ansicht die Aufgabe des Gesetzgebers übertragen wurde, nicht zur Überschreitung seiner Kompetenzen unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EG, denn zum einen ist eine solche Kontrolle in den genannten Bestimmungen, deren Gültigkeit nicht bestritten wird, ausdrücklich vorgesehen und zum anderen übt der Gemeinschaftsrichter sie unter Beachtung der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Kriterien aus.

42      Im Übrigen hat die Kommission selbst auf der Grundlage der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 herangezogenen und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts präzisierten Kriterien eine allgemein bekannte und zugängliche Entscheidungspraxis entwickelt. Auch wenn die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (Urteile des Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnrn. 201 und 205, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 60), darf die Kommission nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein von ihr zu beachtender allgemeiner Rechtsgrundsatz ist, weder vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich noch unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandeln, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309).

43      Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission allerdings das Niveau der Geldbußen jederzeit anpassen, wenn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft dies verlangt (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion Française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 109, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 237), so dass eine solche Änderung einer Verwaltungspraxis als durch das Ziel, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft generell zu verhindern, objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann. Die von den Klägerinnen behauptete und gerügte Anhebung des Niveaus der Geldbußen in jüngster Zeit kann daher als solche nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen angesehen werden, da sie nicht über den in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 in seiner Auslegung durch die Gemeinschaftsgerichte festgelegten Rahmen hinausgeht.

44      Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kommission im Bestreben nach Transparenz und zur Erhöhung der Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien) veröffentlicht hat, in denen sie die Berechnungsmethode darlegt, zu deren Anwendung sie sich in jedem Einzelfall verpflichtet. Insoweit hat der Gerichtshof im Übrigen die Ansicht vertreten, dass die Kommission dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie diese künftig auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne gegebenenfalls wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung und den Vertrauensschutz mit einer Sanktion belegt zu werden. Außerdem stellen die Leitlinien zwar nicht die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar, doch enthalten sie eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens, das sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 211 und 213). Folglich war der Erlass der Leitlinien, da er sich in den durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte, nur ein Beitrag zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmung bereits eingeräumten Ermessens, und es kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Grenzen der Zuständigkeit der Kommission auf dem fraglichen Gebiet vom Gemeinschaftsgesetzgeber ursprünglich unzureichend bestimmt worden waren.

45      Somit kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die verschiedenen oben genannten Anhaltspunkte – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise die Methode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau erkennen kann, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen dar, da aufgrund der Schwere der von der Kommission zu ahndenden Zuwiderhandlungen die Ziele der Repression und der Abschreckung es rechtfertigen, dass die Unternehmen daran gehindert sind, den Nutzen einzuschätzen, den sie aus ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ziehen würden, indem sie im Voraus die Höhe der Geldbuße berücksichtigen, die ihnen aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens auferlegt würde.

46      Auch wenn die Unternehmen nicht in der Lage sind, das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, im Voraus genau zu erkennen, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 253 EG verpflichtet ist, in der Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt wird, ungeachtet des im Allgemeinen bekannten Kontextes der Entscheidung eine Begründung u. a. für die Höhe der verhängten Geldbuße und die dabei angewandte Methode zu geben. Diese Begründung muss die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie die Zweckmäßigkeit der Anrufung des Gemeinschaftsrichters beurteilen können, und dass dieser gegebenenfalls die ihm obliegende Kontrolle wahrnehmen kann.

47      Schließlich ist das Argument unbegründet, dass der Rat durch die Festlegung des Rahmens der Geldbuße in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 seine Pflicht, die Grenzen der der Kommission übertragenen Befugnisse deutlich anzugeben, verletzt und de facto eine nach dem Vertrag ihm zustehende Befugnis unter Verstoß gegen die Art. 83 EG und 229 EG auf die Kommission übertragen habe.

48      Zum einen belässt Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 zwar, wie bereits ausgeführt, der Kommission ein weites Ermessen, doch beschränkt er dessen Ausübung durch die Einführung objektiver Kriterien, an die sich die Kommission halten muss. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 17 auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 1 EG erlassen wurde, in dem es heißt: „Die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Grundsätze werden vom Rat … auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen.“ Diese Verordnungen oder Richtlinien bezwecken nach Art. 83 Abs. 2 Buchst. a und d EG insbesondere, „die Beachtung der in Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 82 [EG] genannten Verbote durch die Einführung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten“ und „die Aufgaben der Kommission und des Gerichtshofs bei der Anwendung der in diesem Absatz vorgesehenen Vorschriften gegeneinander abzugrenzen“. Im Übrigen hat die Kommission nach Art. 211 erster Gedankenstrich EG „für die Anwendung dieses Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen“, wobei sie nach dem dritten Gedankenstrich dieses Artikels „in eigener Zuständigkeit Entscheidungen … treffen“ kann.

49      Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Befugnis, bei Verstößen gegen die Art. 81 EG und 82 EG Geldbußen zu verhängen, ursprünglich dem Rat zustand, der sie auf die Kommission übertragen oder diese im Sinne von Art. 202 dritter Gedankenstrich EG mit der Durchführung betraut hätte. Nach den vorgenannten Bestimmungen des Vertrags gehört diese Befugnis zur Rolle der Kommission, über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wachen, wobei diese Rolle in Bezug auf die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG durch die Verordnung Nr. 17 präzisiert, umrahmt und formalisiert wurde. Die der Kommission durch diese Verordnung eingeräumte Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ergibt sich somit aus den Bestimmungen des Vertrags selbst und soll die effektive Anwendung der in den genannten Artikeln vorgesehenen Verbote ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 133). Daher ist das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen.

50      Aus allen diesen Erwägungen folgt, dass die in Bezug auf Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unbegründet zurückzuweisen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 69 bis 92, und vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnrn. 66 bis 88).

51      Schließlich tragen die Klägerinnen „hilfsweise“ vor, die Vereinbarkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 mit dem Bestimmtheitsgrundsatz ließe sich allenfalls dann begründen, wenn die Kommission diese Vorschrift einschränkend auslegen würde, wozu sie nicht bereit sei.

52      Hierzu ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen auf allgemeine Ausführungen beschränken, wie die Kommission ihre Bußgeldpolitik allgemein durch Entwicklung einer transparenten und konsistenten Entscheidungspraxis ändern sollte, aber keine konkrete Rüge gegen die Entscheidung erheben.

 Zur gesamtschuldnerischen Haftung der Schunk GmbH und von SKT

53      Zunächst ist festzustellen, dass in der Entscheidung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die Umstände, aufgrund deren sie an die Schunk GmbH gerichtet wurde, klar angegeben sind.

54      Wie aus Randnr. 257 der Entscheidung hervorgeht, war die Kommission der Ansicht, dass „[w]enngleich [SKT] die juristische Person war, die unmittelbar am Kartell beteiligt war, … die Schunk GmbH als hundertprozentige Muttergesellschaft im Zeitraum der Zuwiderhandlung entscheidenden Einfluss auf die Marktpolitik der Schunk Kohlenstofftechnik GmbH ausüben [konnte], was sie vermutlich auch insbesondere im Hinblick auf deren Beteiligung am Kartell tatsächlich getan hat“. Die Kommission befand daher, dass „[d]iese beiden Unternehmen … zusammen die wirtschaftliche Einheit [bilden], die für die Herstellung und den Verkauf von elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukten im EWR verantwortlich ist und die … am Kartell beteiligt war“, und dass sie somit für die begangene Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch für verantwortlich zu erklären seien.

55      Insoweit ist daran zu erinnern, dass das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, dem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, Slg. 2000, I‑10065, Randnr. 27, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 117). Das Verhalten einer Tochtergesellschaft kann daher der Muttergesellschaft zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und diese beiden Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnrn. 133 und 134).

56      In dem speziellen Fall, dass ein Mutterunternehmen 100 % des Kapitals seines Tochterunternehmens hält, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, besteht eine einfache Vermutung, dass dieses Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten seines Tochterunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 961 und 984) und dass beide daher ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellen (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Randnr. 59). Wenn die Muttergesellschaft vor dem Gemeinschaftsrichter gegen eine Entscheidung der Kommission vorgeht, mit der ihr für ein Verhalten ihrer Tochtergesellschaft eine Geldbuße auferlegt wird, obliegt es damit ihr, diese Vermutung durch Beweise zu entkräften, die geeignet sind, die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaft zu belegen (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T‑314/01, Slg. 2006, II‑3085, Randnr. 136, siehe auch in diesem Sinne, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, im Folgenden: Urteil Stora, Randnr. 29).

57      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora (oben in Randnr. 56 angeführt) neben der 100%igen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt hat, dass jedoch diese Umstände vom Gerichtshof nur erwähnt wurden, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und daraufhin festzustellen, dass diese sich nicht nur auf die 100%ige Kapitalbeteiligung des Mutterunternehmens an dem Tochterunternehmen stützte. Dass der Gerichtshof die Würdigung des Gerichts in dieser Rechtssache bestätigt hat, kann somit nicht zu einer Änderung des in Randnr. 50 des Urteils AEG/Kommission (oben in Randnr. 56 angeführt) aufgestellten Grundsatzes führen. Zudem hat der Gerichtshof in Randnr. 29 des Urteils Stora (oben in Randnr. 56 angeführt) ausdrücklich festgestellt, dass „[w]ie die Kommission ausgeführt hat, … das Gericht aufgrund des Vorliegens einer 100%igen Kapitalbeteiligung zu der Annahme berechtigt [war], dass die Muttergesellschaft tatsächlich entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübte“, und befunden, dass es unter diesen Umständen der Rechtsmittelführerin oblag, diese „Annahme“ durch hinreichende Beweise zu entkräften.

58      Im vorliegenden Fall hat die Schunk GmbH in der mündlichen Verhandlung und in Beantwortung einer Frage des Gerichts ausdrücklich bestätigt, dass SKT in der Zeit der Zuwiderhandlung unter ihrer vollen Kontrolle stand, und es ist daher zu vermuten, dass sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihres Tochterunternehmens ausübte; die Schunk GmbH kann diese Vermutung durch Beweise entkräften, die geeignet sind, die Selbständigkeit von SKT zu belegen.

59      Aus den Schriftsätzen der Schunk GmbH geht hervor, dass ihre Argumentation zur Selbständigkeit von SKT im Wesentlichen auf die bloße Behauptung gestützt ist, dass sie eine besondere Rechtsnatur habe, nämlich die einer Holdinggesellschaft. Sie leitet daraus die funktionelle Unabhängigkeit von SKT ab und macht überdies geltend, dass deren Organe unabhängig seien, was im Gegensatz zu der Behauptung der Kommission stehe, dass die Schunk GmbH und SKT eine wirtschaftliche Einheit bildeten und vorliegend wie ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG agiert hätten.

60      Unter den Begriff der Holding fallen unterschiedliche Sachverhalte, doch kann eine Holding allgemein definiert werden als eine Gesellschaft, die an einer oder mehreren Gesellschaften Beteiligungen hält, um sie zu kontrollieren.

61      In Randnr. 260 der Entscheidung zitiert die Kommission Art. 3 des Gesellschaftsvertrags der Schunk GmbH, der bestimmt: „Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Veräußerung, die Verwaltung, insbesondere die strategische Führung industrieller Beteiligungen.“

62      Diese Definition des Gesellschaftszwecks der Schunk GmbH stützt zwar deren Behauptung, dass sie nur eine Finanzholding ohne jede Herstellungs‑ oder Vertriebstätigkeit sei, doch ist die Formulierung „strategische Führung industrieller Beteiligungen“ so weit, dass sie in der Praxis auch eine Tätigkeit der Führung und Leitung von Tochtergesellschaften erfasst und trägt. Zudem sieht dieser Art. 3 des Gesellschaftsvertrags der Schunk GmbH auch vor, dass „[d]ie Gesellschaft … zu allen Handlungen berechtigt [ist], die unmittelbar oder mittelbar dem [in der vorstehenden Randnr. genannten] Zweck zu dienen geeignet sind“.

63      Ferner ist im Rahmen einer Unternehmensgruppe wie der hier fraglichen eine Holding eine Gesellschaft, die die Beteiligungen an verschiedenen Gesellschaften bündeln und als deren Leitungsinstanz fungieren soll. Aus Randnr. 30 der Entscheidung geht hervor, dass die Schunk GmbH die Obergesellschaft der Schunk Gruppe ist, die mehr als 80 Tochterunternehmen umfasst, und dass sie „u. a. für den Firmenbereich Kohlenstofftechnik und Keramik der Gruppe verantwortlich [ist], zu dem die elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte gehören“.

64      Das Bestehen einer Leitungs- und Koordinierungsinstanz wird durch die Umstände bestätigt, unter denen SKT die Umsatzzahlen für 1998 bestimmt und der Kommission vorgelegt hat, wobei sie darauf hinwies, dass sie berechtigt sei, in Bürstenhalter eingebaute Bürsten von ihrem Umsatz auszunehmen.

65      Die Kommission führt nämlich in Randnr. 262 der Entscheidung Folgendes aus:

„Diese Bürstenhalter werden jedoch von der Schunk Metall- und Kunststofftechnik GmbH, einer anderen Gesellschaft der Schunk-Gruppe, hergestellt. Hätte [SKT] tatsächlich eine eigenständige Geschäftspolitik verfolgt, hätte sie den Verkauf dieser Bürsten an die Schunk Metall- und Kunststofftechnik GmbH in ihrem Umsatz ausgewiesen. Dass sie dies nicht getan hat, deutet darauf hin, dass sie diese Verkäufe an ein anderes Unternehmen der Gruppe als Innenumsätze ansah, die von einer höher platzierten Gesellschaft in der Schunk-Gruppe kontrolliert wurden, und nicht als eigenständigen Verkauf an einen unabhängigen Käufer. Die [SKT] hat diese Verkäufe an die Schunk Metall- und Kunststofftechnik GmbH dementsprechend auch als ‚Innenumsätze‘ und ‚Eigenverbrauch‘ ausgewiesen …“

66      Die damit beschriebene Situation zeigt, dass unbestreitbar Interessen der Gruppe berücksichtigt wurden, und spricht gegen die Behauptung einer völligen Unabhängigkeit von SKT. Zudem ist die Bedeutung der Tochtergesellschaft SKT für die Schunk-Gruppe und für die Schunk GmbH insbesondere, die 100 % des Kapitals von SKT hält, hervorzuheben. Während die Gruppe für 2002 einen konsolidierten Umsatz von 584 Mio. Euro auswies, erzielte SKT im selben Jahr einen Gesamtumsatz von 113,6 Mio. Euro.

67      Neben dem Wortlaut von Art. 3 des Gesellschaftsvertrags der Schunk GmbH führt die Kommission die besondere Rechtsform von SKT an, die als GmbH gegründet wurde. Die Schunk GmbH hat gegen die folgenden Ausführungen in Randnr. 259 der Entscheidung keine Einwände erhoben:

„Nach deutschem Gesellschaftsrecht … verfügen die Gesellschafter einer GmbH über weitreichende Befugnisse zur Kontrolle der Geschäftsführung. Ihnen obliegen die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer sowie die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung … Zudem sind die Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, auf Verlangen jedem Gesellschafter unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten …“

68      Zu den Gesellschaftsorganen behauptet die Schunk GmbH, dass es zwischen den beiden Gesellschaften keine personellen Verflechtungen gebe im Sinne von „gesellschaftsübergreifenden Personalstrukturen wie etwa personenidentische Vorstandsmitglieder über längere Zeiträume oder die gegenseitige Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand“.

69      Die Schunk GmbH hat jedoch für ihre Behauptungen kein Beweisdokument vorgelegt; so wäre u. a. die Namensliste der Mitglieder der satzungsmäßigen Organe der beiden Gesellschaften zur Zeit der Zuwiderhandlung als Beweis in Frage gekommen.

70      Unter diesen Umständen reicht die Tatsache, dass der Gesellschaftszweck der Schunk GmbH den Schluss zulässt, sie habe doch eine Holding gebildet, deren Rolle nach ihrer Satzung in der Verwaltung ihre Kapitalbeteiligungen an anderen Gesellschaften bestand, für sich allein nicht aus, um die Vermutung zu entkräften, die dadurch begründet wurde, dass sie 100 % des Kapitals von SKT hält.

71      Dieses Ergebnis erübrigt es, zu prüfen, welche Beweiskraft einem in Randnr. 261 der Entscheidung angeführten Indiz – der Rolle von F, dessen Name im Adressbuch eines Vertreters von Morgan vermerkt gewesen sei und der später Geschäftsführer der Schunk GmbH geworden sei – zukommt, mit dem nachgewiesen werden sollte, dass der Geschäftsführung der Schunk GmbH die Beteiligung von SKT an den wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen nicht verborgen geblieben sein konnte.

72      Im Übrigen ist der von der Schunk GmbH gezogene Vergleich mit der Situation von Hoffmann und deren Behandlung als eigenständige Beteiligte durch die Kommission unerheblich, da die Kommission die spezifische Verantwortlichkeit dieses Unternehmens für die Zeit von September 1994 bis Oktober 1999, d. h. vor ihrer Übernahme durch die Schunk GmbH, bejaht hat.

73      Schließlich macht die Schunk GmbH geltend, dass eine Muttergesellschaft nur dann für eine Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft zur Rechenschaft gezogen werden könne, wenn ihr ein eigener Wettbewerbsverstoß nachgewiesen werde, und dass die Zurechnung einer Zuwiderhandlung zu einer anderen Person als dem Täter gegen den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit verstoße, wonach ein Rechtssubjekt nur dann mit Sanktionen belegt werden dürfe, wenn ihm ein selbständiger Tatvorwurf gemacht werden könne.

74      Hierzu genügt die Feststellung, dass die Argumentation der Schunk GmbH auf der falschen Prämisse beruht, dass ihr gegenüber kein Verstoß festgestellt worden sei. Aus Randnr. 257 und Art. 1 der Entscheidung ergibt sich im Gegenteil, dass gegen die Schunk GmbH selbst wegen einer Zuwiderhandlung vorgegangen wurde, die ihr aufgrund ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu SKT, die es ihr erlaubten, das Marktverhalten von SKT zu bestimmen, persönlich zur Last gelegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Metsä-Serla u. a./Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 34).

75      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Schunk GmbH nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission sie zu Unrecht für gesamtschuldnerisch mit SKT für die Zahlung der Geldbuße von 30,87 Mio. Euro verantwortlich erklärt hat.

76      Demzufolge beruht die Behauptung, die Kommission habe Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 falsch angewandt, indem sie den weltweiten Umsatz der zu Unrecht als gesamtschuldnerisch mit SKT verantwortlich angesehenen Schunk GmbH berücksichtigt habe, auf einer falschen Prämisse und ist zurückzuweisen.

 Zum Bestreiten der Zuwiderhandlung

–       Vorbemerkungen

77      Wie dargelegt, enthält das Vorbringen der Klägerinnen zur Begründung der Rüge, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen habe, Einwände, mit denen die von der Kommission zugrunde gelegte Zuwiderhandlung bestritten und damit die Haftung der betroffenen Unternehmen in Frage gestellt wird.

78      So machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe unzutreffend angenommen,

–        dass die an dem Kartell beteiligten Unternehmen vereinbart hätten, sich der Werbung und der Teilnahme an Verkaufsausstellungen zu enthalten;

–        dass SKT sich an den Absprachen bezüglich des Lieferverbots von Kohlenstoffblöcken an Zuschneider beteiligt habe;

–        dass es wettbewerbswidrige Absprachen über die Produkte und Kunden der Geschäftsbereiche Automobiltechnik und Konsumgüter gegeben habe;

–        dass die betroffenen Unternehmen einen „Gesamtplan, der darauf abzielte, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern“, gehabt hätten; einen solchen Plan habe es zu keiner Zeit gegeben bzw. er habe nur von SGL und Morgan ausgedacht und durchgeführt werden können, ohne dass die Klägerinnen davon Kenntnis gehabt hätten;

–        dass die betroffenen Unternehmen ein hoch differenziertes System zur Überwachung und Durchsetzung ihrer Vereinbarungen betrieben hätten.

79      Die Kommission hält diesen Behauptungen entgegen, dass die Klägerinnen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestimmte darin angeführte Tatsachen nicht bestritten hätten und sie erstmals im Nichtigkeitsverfahren vor dem Gericht bestritten. Nach der Rechtsprechung seien Tatsachen, die im Verwaltungsverfahren anerkannt worden seien, als erwiesen anzusehen und könnten vor dem Gericht nicht mehr angefochten werden.

80      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte, durch die den Unternehmen, an die sie gerichtet ist, die wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte gewährleistet werden soll, eine Eingrenzung des Gegenstands des gegen ein Unternehmen eingeleiteten Verfahrens bewirkt, da in ihr die Haltung der Kommission gegenüber dem Unternehmen festgelegt wird und die Kommission nicht berechtigt ist, in ihrer Entscheidung Beschwerdepunkte heranzuziehen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt sind (vgl. in diesem Sinne, Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Francolor/Kommission, 54/69, Slg. 1972, S. 851, Randnr. 12, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 86).

81      Die Kommission hat ihre Haltung für den weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens insbesondere auf der Grundlage der Antworten festzulegen, die von den Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet ist, auf diese gegeben wurden.

82      Die Kommission ist zum einen berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet, im Laufe des Verwaltungsverfahrens neue Ermittlungen anzustellen, wenn sich zusätzliche Nachprüfungen als notwendig erweisen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 14), die die Kommission veranlassen können, an die betroffenen Unternehmen eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zu richten.

83      Zum anderen kann sie angesichts der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, insbesondere soweit die betroffenen Unternehmen den vorgeworfenen Sachverhalt einräumen, sowie der Ergebnisse der Ermittlungen befinden, dass sie in der Lage ist, eine endgültige Entscheidung zu erlassen, mit der das Verwaltungsverfahren abgeschlossen wird und ihre Aufgabe, den Sachverhalt, der den fraglichen Zuwiderhandlungen zugrunde liegt, festzustellen und nachzuweisen, endet. In dieser Entscheidung bestimmt die Kommission die Haftung der betroffenen Unternehmen und setzt die Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen fest.

84      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Randnr. 37 seines Urteils vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101) festgestellt, dass die Kommission den Sachverhalt nachweisen muss, wenn das beschuldigte Unternehmen ihn nicht ausdrücklich einräumt, und es dem Unternehmen freisteht, zu gegebener Zeit und insbesondere im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens alle ihm zweckdienlich erscheinenden Verteidigungsmittel vorzubringen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass dies nicht der Fall sein kann, wenn das betreffende Unternehmen den Sachverhalt einräumt (Urteile des Gerichts vom 9. Juli 2003 Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 227, und vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, im Folgenden: Urteil Tokai I, Randnr. 108; vgl. außerdem in diesem Sinne Urteil Tokai II, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnrn. 324 und 326).

85      Diese Rechtsprechung zielt nicht darauf ab, die Möglichkeit für ein von der Kommission mit einer Sanktion belegtes Unternehmen, Klage zu erheben, zu beschränken, vielmehr will sie klarstellen, in welchem Umfang eine Anfechtung vor dem Richter möglich ist, um eine Verlagerung der Feststellung des Sachverhalts der fraglichen Zuwiderhandlung von der Kommission auf das Gericht zu verhindern, das im Rahmen einer Klage nach Art. 230 EG ja dafür zuständig ist, die Entscheidung, mit der die Sanktion verhängt wird, auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung abzuändern (Beschluss des Gerichts vom 9. November 2004, FNICGV/Kommission, T‑252/03, Slg. 2004, II‑3795, Randnr. 24).

86      Im vorliegenden Fall übersandte die Kommission den Klägerinnen am 23. Mai 2003 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und ließ ihnen eine Frist von acht Wochen, um davon Kenntnis zu nehmen und eine Antwort zu formulieren. Während dieses Zeitraums konnten die Klägerinnen im Beistand ihrer Berater die gegen sie erhobenen Vorwürfe prüfen und über ihre Haltung dazu in Kenntnis der Sachlage und unter Berücksichtigung des Wortlauts der Mitteilung über Zusammenarbeit entscheiden.

87      Die Schunk GmbH erklärt in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass sie weder den Sachverhalt noch seine rechtliche Qualifizierung als verbotene Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweise bestreite, sondern sich dagegen wehre, dass ihr eine kartellrechtliche Zuwiderhandlung von SKT zugerechnet werde. Die Stellungnahme der Schunk GmbH ist daher dem Bestreiten einer gesamtschuldnerischen Haftung mit SKT gewidmet.

88      Die Stellungnahme von SKT weist insofern eine formale Besonderheit auf, als sie eine Einleitung enthält, in der Folgendes allgemein ausgeführt ist:

„[SKT] bestreitet den Sachverhalt nicht …Bestritten wird auch nicht die rechtliche Qualifizierung dieses Sachverhalts als verbotene Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweise. [SKT] wehrt sich mit der vorliegenden Stellungnahme nur gegen einzelne Bewertungen des Sachverhaltes und rechtliche Schlussfolgerungen der Kommission. Wir werden den Sachverhalt deshalb um bestimmte Gesichtspunkte ergänzen.“

89      In der gewählten Formulierung kommt eine umfassende Anerkennung nicht nur des zugrunde gelegten Sachverhalts, sondern auch der rechtlichen Qualifizierung dieses Sachverhalts in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Ausdruck, jedoch mit einem Vorbehalt in Bezug auf einzelne Tatsachen und von der Kommission daraus gezogene rechtliche Schlussfolgerungen.

90      Hierzu ist hervorzuheben, dass die Kommission Schunk eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % – die Höhe wurde in der mündlichen Verhandlung präzisiert – gewährt hat, und zwar gemäß Abschnitt D Nr. 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit, der eine solche Herabsetzung vorsieht, wenn „[das] Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet“.

91      Daher ist zu prüfen, ob die oben in Randnr. 78 genannten Einwände den von SKT in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gemachten Vorbehalten entsprechen.

–       Zum Werbeverbot

92      Die Kommission trägt vor, die Klägerinnen hätten erstmals in der Klageschrift bestritten, dass es eine Vereinbarung über Werbung und Teilnahme an Verkaufsausstellungen gegeben habe, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich erwähnt sei, während die Klägerinnen geltend machen, sie hätten die Richtigkeit des betreffenden Sachverhalts im Verwaltungsverfahren zu keiner Zeit eingeräumt.

93      Es ist festzustellen, dass die Frage des Werbeverbots in den Randnrn. 106 und 107 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig angesprochen wird. So weist die Kommission darauf hin, dass die Kartellmitglieder vereinbart hätten, auf Werbung und die Mitwirkung in Verkaufsausstellungen zu verzichten (Randnr. 106), und dass im Protokoll der Sitzung des Technischen Ausschusses vom 3. April 1998 unter der Überschrift „Werberegeln” festgehalten sei, dass „Morgan Cupex und Pantrak verbotswidrig für Kohlenstoffbürsten geworben hatten“ (Randnr. 107).

94      Wie erwähnt, haben SKT und die Schunk GmbH in ihren Stellungnahmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, weder den Sachverhalt noch seine rechtliche Qualifizierung als verbotene Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweise zu bestreiten, vorbehaltlich, im Fall von SKT, einzelner Bewertungen und rechtlicher Schlussfolgerungen der Kommission, die in den Randnrn. 3 und 33 ihrer Stellungnahme erwähnt seien. In den genannten Randnummern findet sich jedoch keine Bezugnahme auf die Bewertungen und Schlussfolgerungen der Kommission zum Werbeverbot.

95      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen eindeutig eingeräumt haben, dass eine wettbewerbswidrige Vereinbarung über das Werbeverbot bestand; dies kann vor dem Gericht nicht erstmals bestritten werden.

–       Zur Lieferung von Kohlenstoffblöcken

96      SKT trägt vor, sie habe sich entgegen den Behauptungen der Kommission nicht an den Absprachen über das Lieferverbot von Kohlenstoffblöcken an Zuschneider beteiligt.

97      Aus der Entscheidung geht hervor, dass diese Rüge auf einem unvollständigen und falschen Verständnis der Entscheidung beruht und daher nicht als wirklicher verspäteter Einwand gegen den vorgeworfenen Sachverhalt betrachtet werden kann.

98      Die Kommission erläutert in Randnr. 154 der Entscheidung, dass Kartellmitglieder abgesehen von Fertigerzeugnissen aus Kohlenstoff wie Kohlebürsten auch Kohlenstoffblöcke verkauft hätten, die zwar schon ausgepresst, aber noch nicht zerschnitten und in Bürsten oder andere Produkte umgeformt gewesen seien. Eine Reihe nicht am Kartell beteiligter Zuschneider kaufe diese Blöcke, zerschneide sie, verarbeite sie zu Fertigprodukten und verkaufe sie an die Abnehmer. Diese Zuschneider seien zwar Kunden der Kartellmitglieder, aber auch ihre Konkurrenten auf den Märkten für Fertigerzeugnisse.

99      Aus den Randnrn. 154 bis 166 der Entscheidung geht hervor, dass das Kartell bestrebt gewesen sei, die Konkurrenz der Zuschneider mit aus Blöcken hergestellten Fertigerzeugnissen dadurch zu begrenzen, dass sie ihnen die Belieferung verweigerten oder aber sie zu erhöhten Kohlenstoffblock-Preisen belieferten.

100    In Randnr. 161 der Entscheidung wirft die Kommission Schunk eindeutig vor, die Zuschneider zu Preisen beliefert zu haben, die vorher mit den anderen Kartellmitgliedern vereinbart worden seien, was die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen nicht bestreiten. Die Behauptung der Klägerinnen, sie seien an den Absprachen bezüglich des Lieferverbots von Kohlenstoffblöcken nicht beteiligt gewesen, ist daher unerheblich.

101    Folglich hat die Kommission zu Recht angenommen, dass die Klägerinnen durch ihre Beteiligung an einer Reihe von wettbewerbswidrigen Absprachen, darunter insbesondere die Absprachen über die Kohlenstoffblock-Preise für Zuschneider, gegen Art. 81 EG verstoßen haben.

–       Zu den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betreffend Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller

102    Nach Auffassung der Klägerinnen geht aus den Verfahrensakten und der Entscheidung selbst hervor, dass die Produkte und Kunden der Geschäftsbereiche Automobiltechnik und Konsumgüter nicht von den wettbewerbswidrigen Absprachen betroffen gewesen seien. Im Übrigen hätten sie im Verwaltungsverfahren nicht die Existenz solcher Absprachen für die betroffenen Geschäftsbereiche anerkannt.

103    Die Kommission macht geltend, diese beiden Geschäftsbereiche seien eindeutig in Randnr. 11 der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschrieben und die sie betreffende Zuwiderhandlung liege, wie bereits aus den Randnrn. 91 und 94 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervorgehe, nicht in der Anwendung des Richtpreissystems, sondern darin, dass die Kartellmitglieder sich über die Argumente abgesprochen hätten, mit denen Preisreduzierungen in Verhandlungen mit Wirtschaftsteilnehmern dieser Bereiche hätten abgelehnt werden können.

104    SKT habe diesen Sachverhalt in Randnr. 24 ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, in der es heißt:

„Bei den Kohlebürsten und Modulen für den Bereich der Automobiltechnik und die Hersteller von Haushaltsgeräten und sogenannten Power-Tools sahen sich die Anbieter großen Kunden gegenüber, die über Nachfragemacht verfügten und in der Lage waren, die Anbieter gegeneinander auszuspielen. Diese Kunden waren nie Gegenstand einer vollumfänglichen Abstimmung auf europaweiten Kartelltreffen. Es gab zwar Gespräche. Doch wurden diese ausschließlich zu dem Zwecke geführt, dass die Anbieter untereinander Argumente austauschen konnten, damit sie den Forderungen nach Preissenkungen der Großkunden argumentativ begegnen konnten.“

105    Es zeigt sich somit, dass SKT zwar die Existenz einer Preisabsprache bestreitet, aber einräumt, dass es unter den am Kartell beteiligten Unternehmen tatsächlich eine rechtswidrige Abstimmung über das Preisniveau der für Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller bestimmten Produkte gab; dies kann vor dem Gericht nicht erstmals bestritten werden.

106    Die Klägerinnen bestreiten jedoch, dass die Ausführungen in Randnr. 24 der Stellungnahme von SKT zur Mitteilung der Beschwerdepunkte als ausdrückliches Eingeständnis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verstanden und eingestuft werden können.

107    Sollten die genannten Ausführungen angesichts einer gewissen Ungenauigkeit der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die Art und die zutreffende rechtliche Qualifizierung der beanstandeten Zuwiderhandlung nicht als ein ausdrückliches Einräumen des vorgeworfenen Sachverhalts angesehen werden können, wäre die Rüge der Klägerinnen, dass im Bereich der Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller keine Zuwiderhandlung vorliege, als zulässig zu betrachten, aber jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

108    Wie aus der Entscheidung hervorgeht, sah die Kommission in der Verhaltensweise der verschiedenen Kartellunternehmen einen einzigen fortlaufenden Verstoß, der sich schrittweise durch Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert habe.

109    So heißt es in Artikel 1 der Entscheidung, dass die betreffenden Unternehmen, darunter die Klägerin, durch ihre Beteiligung „an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ im Sektor elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff‑ und Graphitprodukte gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen haben. Insoweit ist daran zu erinnern, dass bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der mehrere Hersteller über mehrere Jahre beteiligt waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, von der Kommission nicht verlangt werden kann, dass sie die Zuwiderhandlung für jedes Unternehmen zu den einzelnen Zeitpunkten entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Art. 81 EG umfasst werden (Urteil PVC II, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 696).

110    Hinsichtlich der rechtswidrigen Tätigkeiten betreffend Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller führt die Kommission in Randnr. 40 der Entscheidung aus, diese Zulieferer und Hersteller gehörten zur ersten Kategorie „Großabnehmer“ elektrotechnischer Produkte, die dadurch gekennzeichnet sei, dass nur wenige Unternehmen sehr große Mengen kauften und über eine starke Verhandlungsposition verfügten.

111    Gestützt u. a. auf die Angaben von LCL weist die Kommission darauf hin, dass „[d]ie einzigen Abnehmerkategorien, gegenüber denen kein Richtpreissystem praktiziert wurde, … augenscheinlich die Automobilzulieferer und möglicherweise die Hersteller von Konsumgütern [waren]“ (Randnr. 120 der Entscheidung). Doch hätten vor den jährlichen Preisverhandlungsrunden mit den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern direkte Kontakte zwischen potenziellen Lieferanten stattgefunden mit dem Ziel, sich über die Argumente zu einigen, mit denen von den Großabnehmern verlangte Preisreduzierungen abgelehnt werden könnten (Randnr. 124 der Entscheidung).

112    Die Klägerinnen behaupten, das von LCL stammende Dokument, auf das die Kommission ihre Schlussfolgerungen stütze, enthalte keinen Hinweis darauf, dass sich der fragliche Austausch von Argumenten auf die Geschäftsbereiche Automobiltechnik und Konsumgüter bezogen haben könne, und sind der Ansicht, dass dieser Austausch kein nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotenes Verhalten darstelle.

113    Erstens ist festzustellen, dass in dem fraglichen Dokument die „Méthode de calcul des prix de balais pour moteurs électriques“ (Methode zur Preisermittlung für Bürsten für Elektromotoren) behandelt wird und dass es im ersten Teil um „Balais automobiles“ (Auto-Kohlebürsten) und „Balais FHP“ (FHP-Kohlebürsten) geht. Im Anschluss an eine Beschreibung des Kontexts der Nachfrage für diese beiden Produkte, die ähnlich ausfällt wie die oben in Randnr. 110, führt LCL folgendes aus:

„In einem solchen Kontext dienten die Abstimmungen zwischen den Wettbewerbern während des fraglichen Zeitraums nur dem Zweck, zu versuchen, trotz eines zugunsten der Kunden sehr unausgeglichenen Kräfteverhältnisses standzuhalten.

Die Preise für die Produkte ‚Auto-Kohlebürsten‘ und ‚FHP-Kohlebürsten‘ standen bei den technischen Treffen [der European Carbon and Graphite Association] nie zur Diskussion. Sie wurden zu keiner Zeit anhand gemeinsamer Methoden oder Preislisten festgelegt.

Während des Kartellzeitraums, der 1999 endete, stimmten sich die Wettbewerber anlässlich der jährlichen Verhandlungsrunden mit den Kunden ab, um Informationen und Argumente auszutauschen, anhand deren jeder Wettbewerber dann versuchte, dem Druck der Kunden und ihren ständigen Forderungen nach Preissenkungen standzuhalten.

Ergebnis

Während des Kartellzeitraums gab es Abstimmungen zwischen den Wettbewerbern bei ‚Auto-Kohlebürsten‘ und ‚FHP-Kohlebürsten‘ mit dem Zweck, den Wettbewerbern zu helfen, dem starken Druck der Kunden und ihren wiederholten Forderungen nach Preissenkungen möglichst standzuhalten.“

114    Angesichts der Art der Produkte, um die es in dem fraglichen Dokument geht, besteht kein Zweifel, dass sich die erwähnte Abstimmung auf die Geschäftsbereiche Automobiltechnik und Konsumgüter bezieht. Elektrotechnische Kohlenstoff- und Graphitprodukte werden unstreitig in erster Linie zur Übertragung von elektrischem Strom eingesetzt. Zu diesen Produkten gehören Bürsten aus Graphit, die in Elektromotoren des Bereichs Automobiltechnik eingebaute „Auto-Kohlebürsten“ und in Elektromotoren für Haushaltsgeräte und tragbare Werkzeuge eingebaute „FHP-Kohlebürsten“ einschließen.

115    Überdies hat SKT in Randnr. 24 ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte die fragliche Abstimmung eindeutig den „Kohlebürsten und Modulen für den Bereich der Automobiltechnik und die Hersteller von Haushaltsgeräten und sogenannten Power-Tools“ zugeordnet.

116    Zweitens ist daran zu erinnern, dass die „abgestimmte Verhaltensweise“ in einer Form der Koordinierung zwischen Unternehmen besteht, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteil ICI/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 64). Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit verlangen keineswegs die Ausarbeitung eines wirklichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Es ist zwar richtig, dass dieses Autonomiepostulat nicht das Recht der Wirtschaftsteilnehmer beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen solchen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich selbst entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, S. 1663, Randnrn. 173 und 174; Urteil PVC II, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 720).

117    Der Gegenstand der direkten Kontakte zwischen den Kartellmitgliedern, wie sie LCL und SKT geschildert haben, zeigt, dass eine rechtswidrige Abstimmung im Sinne der angeführten Rechtsprechung stattfand. Indem sie Informationen mit dem Ziel austauschten, bei den Produkten für Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller ein bestimmtes Preisniveau zu halten, haben die Unternehmen Absprachen getroffen, die in offensichtlichem Widerspruch zu dem Postulat, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt, die Koordinierung ihres Geschäftsverhaltens erleichterten.

118    Im Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I‑4125), hat der Gerichtshof klargestellt, dass schon nach dem Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 EG eine abgestimmte Verhaltensweise über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraussetzt (Randnr. 118). Außerdem hat er entschieden, dass vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Vermutung gilt, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Mitbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121).

119    Im vorliegenden Fall ist mangels Gegenbeweises, der ihr oblegen hätte, davon auszugehen, dass SKT, die während des gesamten Zuwiderhandlungszeitraums weiterhin auf dem fraglichen Markt tätig war, die rechtswidrige Abstimmung, an der sie beteiligt war, bei der Bestimmung ihres Verhaltens auf den genannten Markt berücksichtigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnrn. 121).

120    Folglich hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Klägerinnen durch ihre Beteiligung an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen insbesondere in Bezug auf die Produkte für Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller gegen Art. 81 EG verstoßen haben; die auf der falschen Prämisse, diese Produkte seien nicht von den Absprachen betroffen gewesen, beruhenden Behauptungen der Klägerinnen, dass die in den fraglichen Geschäftsbereichen erzielten Umsätze nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, sind daher zurückzuweisen.

–       Zum Fehlen eines Gesamtplans der Kartellmitglieder, der darauf abzielte, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern

121    Im Rahmen ihrer Bemerkungen zur Schwere der Zuwiderhandlung weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Kommission in Bezug auf in der Vergangenheit getätigte Unternehmenskäufe in Randnr. 173 der Entscheidung jedenfalls in der deutschen Fassung feststellt: „Mit diesen Maßnahmen hatte sich das Kartell praktisch sämtlicher ‚Outsider‘ entledigt, die auf dem EWR-Markt tätig waren.“

122    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission mit dieser Feststellung den betroffenen Unternehmen einen Gesamtplan unterstelle, der darauf abgezielt habe, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern. Einen solchen Plan habe es zu keiner Zeit gegeben bzw. habe er nur von SGL und Morgan ausgedacht und durchgeführt werden können, ohne dass die Klägerinnen davon Kenntnis gehabt hätten.

123    Soweit diese Behauptungen als Bestreiten der den Klägerinnen zur Last gelegten Zuwiderhandlung, wie sie in Randnr. 2 der Entscheidung beschrieben ist, aufgefasst werden können, ist festzustellen, dass sie auf einem offensichtlich falschen Verständnis der Entscheidung beruhen und als unerheblich zurückzuweisen sind.

124    Randnr. 173 der Entscheidung stellt eine Schlussfolgerung dar, die sich nicht nur auf die Aufkäufe von Konkurrenzunternehmen durch einige Kartellmitglieder bezieht.

125    Der Ausdruck „diese Maßnahmen“ bezieht sich auf sämtliche wettbewerbswidrigen Handlungen, die in Randnr. 167 der Entscheidung beschrieben sind, nämlich Einbeziehung der Konkurrenten in die Zusammenarbeit, Druck auf die Konkurrenten, um sie zur Zusammenarbeit zu bewegen, koordiniertes Verdrängen vom Markt oder zumindest Erteilung einer Lektion, nicht dem Kartell ins Gehege zu kommen; das Aufkaufen von Konkurrenten kam zu diesen Handlungen hinzu. Die fragliche Randnummer enthält also keine Behauptung oder Unterstellung seitens der Kommission eines „Gesamtplans der Kartellmitglieder, der darauf abgezielt habe, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern“.

126    Hinzu kommt, dass die Kommission weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der Entscheidung den Klägerinnen Aufkäufe von Konkurrenzunternehmen zurechnet und dass die Klägerinnen nicht die den Kartellmitgliedern neben den Unternehmensaufkäufen zugerechneten sonstigen gegen Konkurrenzunternehmen gerichteten wettbewerbswidrigen Handlungen bestreiten, wie sie in den Randnrn. 168 bis 171 der Entscheidung beschrieben sind.

–       Zur Existenz eines hoch differenzierten Systems zur Überwachung und Durchsetzung der fraglichen Vereinbarungen

127    Aus den Randnrn. 2 und 219 der Entscheidung geht hervor, dass deren Adressaten nach Ansicht der Kommission an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und ab 1. Januar 1994 gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) teilgenommen und im Rahmen dieser Zuwiderhandlung „ein hoch differenziertes System zur Überwachung und Durchsetzung ihrer Vereinbarungen“ betrieben haben.

128    Die Klägerinnen behaupten, ein solches System habe es zu keiner Zeit gegeben und in der Entscheidung werde nicht ausgeführt, worin es bestanden haben solle.

129    Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Entscheidung zwei Randnummern enthält, in denen auf die „Durchsetzung“ der Kartellregeln eingegangen wird.

130    Randnr. 189 lautet wie folgt:

„In der Vereinbarung von 1937 zur Errichtung der Europakonvention der Hersteller von Kohlebürsten war ein offizielles Schlichtungsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Kartellteilnehmern bei der vermuteten Nichteinhaltung der Kartellregeln enthalten … Nach dem Inkrafttreten der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft war ein derart förmliches Verfahren zur Durchsetzung der Kartellregeln nicht mehr möglich. Deshalb gingen die Kartellteilnehmer dazu über, ihre Preisangebote an die Kunden gegenseitig zu überwachen und bei den Zusammenkünften und sonstigen Kontakten auf der Einhaltung der Regeln und Preise des Kartells zu bestehen. Hierfür lassen sich folgende Beispiele anführen:

–        Zusammenkunft des Technischen Ausschusses vom 16. April 1993:

‚G [Schunk] verlangt Folgendes:

1. Preisangebot an Burgmann [ein Kunde] zu 25-30 % unterhalb des Preisschemas, muss schriftlich zurückgezogen werden.

2. Auf dieser Preishöhe werden keine weiteren Angebote unterbreitet‘ …

–        Regionale Zusammenkunft in den Niederlanden vom 27. Oktober 1994:

‚Morganite – Belgien Probleme mit den Kollegen. Keine Preiserhöhung im Sommer vorgenommen‘ …“

131    In Randnr. 90 der Entscheidung fügt die Kommission unter Verweisung auf mehrere Dokumente hinzu: „Auf den Kartellzusammenkünften wurden Beispiele von zu niedrigen Preisen angeführt, die zu Ausgleichsforderungen führen könnten …“

132    In ihren Schriftsätzen macht die Kommission geltend, die Klägerinnen bestritten die genannten Tatsachen, die in Randnr. 62 der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt seien, erstmals vor dem Gericht.

133    Es ist hervorzuheben, dass die von SKT in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte geäußerten Vorbehalte und kritischen Bemerkungen, mit denen die Bedeutung der zunächst grundsätzlich erklärten Einräumung des Sachverhalts und seiner rechtlichen Qualifizierung relativiert wurde, nicht die Frage der Überwachung der Durchsetzung der Vereinbarungen betreffen; diese kann daher von den Klägerinnen nicht erstmals vor dem Gericht erörtert werden.

134    Selbst wenn der Einwand der Klägerinnen doch als zulässig angesehen werden könnte angesichts des Umstands, dass die Kommission den Ausdruck „hoch differenziertes System“ erstmals in der Entscheidung verwendet, wäre er jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerinnen haben nämlich nichts vorgetragen, was die Feststellungen der Kommission in den Randnrn. 89 und 90 der Entscheidung entkräften könnte, insbesondere in Bezug auf das Bestehen eines Systems zur Überwachung der Preispolitik der Kartellmitglieder, das Entschädigungen zu Lasten der Unternehmen einschließt, die zu niedrige Preisangebote gemacht haben.

135    Schließlich kritisieren die Klägerinnen – in einem Abschnitt der Klageschrift, der dem „Tatbeitrag von Schunk“, den die Kommission überschätze, gewidmet ist – die von der Kommission in Randnr. 178 der Entscheidung geäußerte Ansicht, es sei „unüblich“, dass einige Mitglieder schon auf der Gründungsversammlung der European Carbon and Graphite Association (ECGA, Europäischer Kohlenstoff- und Graphitverband) am 1. März 1995 auf die Notwendigkeit eines Spezialgraphit-Ausschusses hingewiesen hätten, ohne damals jedoch schon angeben zu können, welche legitimen Themen ein solcher Ausschuss behandeln solle.

136    Abgesehen davon, dass die Argumentation der Klägerinnen knapp und wenig aufschlussreich ist, scheinen die genannten Ausführungen der Kommission in den Rahmen der Beurteilung der Frage zu gehören, welche Rolle den Unternehmensverbänden, insbesondere der ECGA, in dem Kartell zukam. Unter diesen Umständen erscheint die fragliche Argumentation der Klägerinnen nicht geeignet, die Beurteilung der Verantwortlichkeit der Klägerinnen durch die Kommission, ebenso wenig übrigens wie ihre Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, in Zweifel zu ziehen.

137    Nach alledem ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen durch ihre Beteiligung an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff‑ und Graphitprodukte eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG, wie sie in Randnr. 2 der Entscheidung beschrieben ist, begangen haben.

 Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

138    Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, bei der Bemessung der Geldbuße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen zu haben.

139    Aus der Entscheidung geht hervor, dass die Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängt wurden und dass die Kommission – obwohl in der Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Leitlinien Bezug genommen wird – die Höhe der Geldbußen nach der in den Leitlinien festgelegten Methode ermittelt hat.

 Zur Behauptung, die Kommission habe die Schwere der Zuwiderhandlung hinsichtlich ihrer Art und ihrer Auswirkungen überschätzt

140    Nach der in den Leitlinien festgelegten Methode wählt die Kommission als Ausgangspunkt bei der Berechnung der gegen die betroffenen Unternehmen zu verhängenden Geldbußen einen anhand der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrag. Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Teil A Abs. 1). Dabei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt: „minder schwere Verstöße“, bei denen Geldbußen zwischen 1 000 und 1 Million Euro in Betracht kommen, „schwere Verstöße“, bei denen die Geldbußen zwischen 1 Million und 20 Millionen Euro liegen können, und „besonders schwere Verstöße“, für die Geldbußen oberhalb von 20 Millionen Euro vorgesehen sind (Nr. 1 Teil A Abs. 2, erster bis dritter Gedankenstrich).

141    Die Kommission hat in der Entscheidung folgende drei Merkmale hervorgehoben:

–        Die vorliegende Zuwiderhandlung bestehe im Wesentlichen aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber, und solche Verhaltensweisen stellten ihrem Wesen nach die schwerwiegendsten Verstöße gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen dar (Randnr. 278 der Entscheidung);

–        die Kartellvereinbarungen seien umgesetzt worden und hätten sich auf den betreffenden EWR-Produktmarkt ausgewirkt, auch wenn sich diese Auswirkungen nicht konkret beziffern ließen (Randnr. 286 der Entscheidung);

–        das Kartell habe sich über den gesamten Gemeinsamen Markt und nach seiner Gründung auch auf den gesamten EWR erstreckt (Randnr. 287 der Entscheidung).

142    Sie hat ihr Ergebnis in Randnr. 288 wie folgt formuliert:

„Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass die Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet ist, eine besonders schwere Zuwiderhandlung begangen haben. Nach Auffassung der Kommission ist die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art und ihrer geographischen Reichweite als besonders schwerwiegend einzustufen, unabhängig davon, ob die Auswirkungen auf den Markt messbar sind oder nicht. In jedem Fall steht fest, dass die wettbewerbswidrigen Kartellvereinbarungen durchgeführt worden sind und sich auf den Markt ausgewirkt haben, auch wenn diese Auswirkungen nicht genau messbar sind.“

143    Die Klägerinnen behaupten, die Kommission habe die Schwere der Zuwiderhandlung überschätzt, und tragen dafür verschiedene Argumente vor, die im Wesentlichen an die Analyse der Art der Zuwiderhandlung anknüpfen. Sie beanstanden außerdem die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Auswirkungen dieser Zuwiderhandlung.

–       Zur Art der Zuwiderhandlung

144    Zunächst ist festzustellen, dass die Begründung der Kommission zur Art der Zuwiderhandlung in zwei Teile gegliedert ist: Im ersten Teil wird darauf abgestellt, worin die fraglichen wettbewerbswidrigen Aktivitäten bestehen (Randnr. 278 der Entscheidung), der zweite Teil betrifft die äußeren Merkmale, wobei jedoch von der Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung ausgegangen wird (Randnr. 279 der Entscheidung).

145    Im ersten Teil führt die Kommission aus, die vorliegende Zuwiderhandlung bestehe „im Wesentlichen“ in der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, in der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und in abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber.

146    Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Behauptungen der Klägerinnen, es habe keine wettbewerbswidrige Vereinbarung über das Werbeverbot und keinen Gesamtplan der Kartellmitglieder, der darauf abgezielt habe, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern, gegeben und sie hätten kein hoch differenziertes System zur Überwachung und Durchsetzung ihrer Vereinbarungen betrieben, die in dem Teil ihrer Schriftsätze stehen, in dem sie die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission förmlich bestreiten, aus den oben genannten Gründen zurückgewiesen worden sind.

147    Ferner geht aus der Formulierung der Randnr. 278 der Entscheidung hervor, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung die wettbewerbswidrigen Aktivitäten der am Kartell beteiligten Unternehmen unterschiedlich gewichtet und das Werbeverbot und den Betrieb eines hoch differenzierten Systems zur Überwachung und Durchsetzung ihrer Vereinbarungen angesichts der objektiv geringeren Bedeutung und des bloß ergänzenden Charakters dieser Praktiken nicht einmal erwähnt hat.

148    Unter diesen Umständen können die von den Klägerinnen vorgetragenen Einwände betreffend das Werbeverbot und das genannte System, selbst wenn sie als begründet anzusehen sein sollten, nicht die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission in Frage stellen.

149    Im zweiten Teil der Begründung zur Schwere der Zuwiderhandlung (Randnr. 279 der Entscheidung) führt die Kommission Folgendes aus:

„Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sämtliche Hauptakteure im EWR, die zusammen mehr als 90 % des EWR-Markts kontrollieren, in die Kartellabsprachen einbezogen waren. Diese Absprachen wurden von der höchsten Führungsebene der beteiligten Unternehmen dirigiert oder zumindest wissentlich toleriert. Die Kartellmitglieder hatten weitreichende Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um die Aufdeckung des Kartells zu vermeiden. Es besteht daher kein Zweifel, dass ihnen die Unrechtmäßigkeit ihres Vorgehens bewusst war. Das Kartell war stark institutionalisiert, und seine Beschlüsse wurden weitestgehend befolgt. Die Kartellmitglieder kamen regelmäßig zusammen und pflegten darüber hinaus Kontakte in anderer Form. Das Kartell wurde ausschließlich zum Nutzen der beteiligten Unternehmen und damit zum Schaden der Kunden und letztendlich der Verbraucher allgemein betrieben.“

150    Zur Stützung ihrer Behauptung, dass die Schwere der Zuwiderhandlung falsch beurteilt worden sei, tragen die Klägerinnen vor, es sei nicht zutreffend, wenn die Kommission in Fußnote 4 der Entscheidung schreibe, das Kartell habe „zum Zwecke von Preisabsprachen“ die von ihm angebotenen elektrotechnischen Produkte in verschiedene große Kategorien eingeteilt, so dass die Auffassung der Kommission, die Absprachen seien durch ein stringent organisiertes System umgesetzt worden, „deshalb“ auf einer Fehlinterpretation von Tatsachen beruhe.

151    Zwischen diesen beiden Aussagen besteht offensichtlich kein logischer Zusammenhang. Zudem stehen die Behauptungen der Klägerinnen in keinerlei Bezug zu der von der Kommission in der Entscheidung vorgenommenen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und sind daher für den Vorwurf einer Überschätzung dieser Schwere irrelevant.

152    Ferner tragen die Klägerinnen vor, weder die Geheimhaltung des Kartells noch die Schädigung der Allgemeinheit hätten in der Entscheidung (Randnr. 279) als erschwerender Umstand herangezogen werden dürfen, da es sich um ein Wesensmerkmal eines jeden Kartells handele, das bereits im Rahmen der Bestimmung des Bußgeldrahmens durch den Gesetzgeber berücksichtigt worden sei. Im Übrigen führe die Kommission keinen Beleg für ihre These an, dass die Kartellmitglieder versucht hätten, ihre unrechtmäßigen Handlungen mit Methode geheim zu halten.

153    Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Schwere einer Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören und hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteile des Gerichtshofs Dansk Rørindustri u. a../Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 241, und vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 43).

154    Im vorliegenden Kontext war die Kommission berechtigt, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung den Umstand, dass die Unternehmen weitreichende Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatten, sowie die Schädigung der Allgemeinheit zu berücksichtigen, wobei diese beiden Faktoren im eigentlichen Sinne keine „erschwerenden Umstände“ darstellen, wie die Klägerinnen behaupten.

155    Anders als von den Klägerinnen behauptet, hat die Kommission die zur Geheimhaltung der Zusammenkünfte und Kontakte getroffenen Vorsichtsmaßnahmen in den Randnrn. 81 bis 87 der Entscheidung eingehend beschrieben und diese Beschreibung durch Beweisdokumente untermauert, denen die Klägerinnen nicht widersprochen haben.

156    Im Übrigen schädigen, wie die Kommission hervorhebt, nicht alle Wettbewerbsverstöße den Wettbewerb und die Verbraucher in gleicher Weise. Die Schädigung der Allgemeinheit wird anders berücksichtigt als die wirtschaftliche Fähigkeit eines Kartellmitglieds, den Wettbewerb und die Verbraucher zu schädigen, die im Rahmen eines in den Leitlinien vorgesehenen Schritts bei der Bemessung der Geldbuße erfolgt und zu einer differenzierten Behandlung führen soll, wenn, wie hier, mehrere Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt sind.

157    Schließlich ist hervorzuheben, dass nach dem Wortlaut der Randnr. 279 der Entscheidung die darin genannten Faktoren gegenüber den in Randnr. 278 der Entscheidung aufgeführten hilfsweise herangezogen wurden. Unter diesen Umständen hätte, selbst wenn der Einwand der Klägerinnen gegen die Berücksichtigung der Geheimhaltung des Kartells und der Schädigung der Allgemeinheit als begründet angesehen werden könnte, dies nicht zur Folge, dass die Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung durch die Kommission in Frage gestellt wird, wie sie sich aus den in Randnr. 278 der Entscheidung angeführten schlüssigen und ausreichenden Gründen ergibt.

–       Zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung

158    Im Rahmen ihrer Rüge, dass die Schwere der Zuwiderhandlung überschätzt worden sei, werfen die Klägerinnen der Kommission vor, bei der Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung zwei Fehler begangen zu haben.

159    Erstens habe die Kommission die Größe des relevanten Marktes fehlerhaft bestimmt, indem sie davon ausgegangen sei, dass das Kartell wettbewerbswidrige Absprachen betreffend Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller umfasst habe, Absprachen, die sie jedoch zu keiner Zeit eingeräumt hätten.

160    Es wurde bereits ausgeführt, dass mit diesem Vorbringen die von der Kommission in der Entscheidung zugrunde gelegte Zuwiderhandlung bestritten wird und dass, anders als von den Klägerinnen behauptet, eingeräumt worden ist, dass die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen des Kartells Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller betrafen. Überdies ist dieses Vorbringen für die Prüfung, ob die Beurteilung der Auswirkungen des Kartells zutrifft, unerheblich. Diese Beurteilung hängt, anders von den Klägerinnen behauptet, nicht von dem Umsatz ab, den die Unternehmen mit den betroffenen Produkten erzielt haben.

161    Zweitens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, die Umsetzung der Absprachen fehlerhaft beurteilt zu haben, und rügen, sie habe zum einen entgegen ihren Leitlinien keinen Nachweis der konkreten Auswirkungen des Kartells erbracht und zum anderen nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Absprachen nur teilweise umgesetzt worden seien.

162    In Randnr. 281 der Entscheidung stellt die Kommission fest, der Wettbewerb sei konkret beeinträchtigt worden, was sich vorliegend aus der Umsetzung der Kartellvereinbarungen ergebe, auch wenn diese Wirkung nicht konkret quantifizierbar sei. Diese Feststellung folgt auf die Beschreibung der Art der Zuwiderhandlung und steht vor der Bestimmung ihrer geographischen Reichweite. Aus dem Inhalt von Randnr. 288 der Entscheidung, insbesondere der Verwendung des Formulierung „[u]nter Berücksichtigung aller Umstände“, lässt sich schließen, dass die Kommission die konkrete Auswirkung des Kartells auf den Markt bei der Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwerwiegend“ sehr wohl berücksichtigt hat, auch wenn sie hinzugefügt hat, diese Einstufung sei unabhängig davon gerechtfertigt, ob die Auswirkungen messbar seien oder nicht.

163    Aus den Randnrn. 244 bis 248 und 280 bis 286 geht somit hervor, dass die Kommission aus der Umsetzung des Kartells eindeutig gefolgert hat, dass dieses sich auf den fraglichen Sektor konkret auswirkte.

164    Die Kommission führt insoweit Folgendes an: „Die vereinbarten allgemeinen prozentualen Preiserhöhungen wurden von jedem Kartellmitglied bei der Herausgabe einer neuen Preisliste umgesetzt … bei Aufträgen öffentlicher Verkehrsunternehmen [erhielten] Unternehmen den Zuschlag …, deren Angebote von vornherein so gestaltet waren, dass sie knapp unter dem Angebot anderer Kartellmitglieder lagen … die Zuweisung eines Hauptlieferanten für jeden Großabnehmer, so dass dieser seine Waren nur von dem ihm zugeteilten Lieferanten zu einem vorab bestimmten Preis beziehen konnte, ohne dass echter Wettbewerb stattfinden konnte … die Vereinbarung, Zuschneidebetriebe nicht oder nur zu künstlich überhöhten Preisen zu beliefern, so dass von den Zuschneidern auf dem Markt für Endprodukte kein wirksamer Wettbewerb ausgehen konnte“. Nach Ansicht der Kommission konnte es angesichts des langen Zuwiderhandlungszeitraums und des Umstands, dass die beteiligten Unternehmen mehr als 90 % des EWR-Markts kontrollierten, keinen Zweifel daran geben, dass der Wettbewerb auf diesem Markt konkret beeinträchtigt worden war (Randnrn. 245 und 281 der Entscheidung).

165    Es ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission, wenn sie die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt beurteilt, auf den Wettbewerb beziehen muss, der normalerweise ohne die Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnrn. 619 und 620; Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 235, vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 645, und Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 150).

166    Im Fall eines Preiskartells darf die Kommission annehmen, dass die Zuwiderhandlung Auswirkungen hatte, wenn die Kartellmitglieder Maßnahmen zur Anwendung der vereinbarten Preise getroffen haben, indem sie diese z. B. den Kunden ankündigten, ihre Mitarbeiter anwiesen, sie als Verhandlungsgrundlage zu benutzen, und die Anwendung durch ihre Konkurrenten sowie ihren eigenen Vertrieb überwachten. Um auf eine Auswirkung auf den Markt schließen zu können, genügt es nämlich, dass die vereinbarten Preise als Grundlage für die Festlegung individueller Transaktionspreise dienten und damit den Verhandlungsspielraum der Kunden einschränkten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnrn. 340 und 341, und vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 285).

167    Dagegen kann, wenn die Umsetzung eines Kartells erwiesen ist, von der Kommission nicht verlangt werden, systematisch darzulegen, dass die Vereinbarungen es den betroffenen Unternehmen tatsächlich ermöglichten, ein höheres Niveau der Transaktionspreise als ohne Kartell zu erzielen. Insoweit kann der These, bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung könne nur berücksichtigt werden, dass ohne Absprache ein anderes Niveau der Transaktionspreise bestanden hätte, nicht gefolgt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnrn. 53 und 62). Im Übrigen wäre es unverhältnismäßig, eine solche Darlegung zu verlangen, die beträchtliche Ressourcen in Anspruch nehmen würde, weil sie den Rückgriff auf hypothetische Berechnungen anhand wirtschaftlicher Modelle erfordern würde, deren Genauigkeit nur schwer gerichtlich nachprüfbar und deren Unfehlbarkeit keineswegs erwiesen ist (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Slg. 2000, I‑9855, I‑9858, Nr. 109).

168    Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist nämlich entscheidend, ob die Kartellmitglieder alles in ihrer Macht Stehende taten, damit ihre Pläne konkrete Auswirkungen hatten. Was dann auf der Ebene der tatsächlich erzielten Marktpreise geschah, konnte durch andere, von den Kartellmitgliedern nicht kontrollierbare Faktoren beeinflusst werden. Die Kartellmitglieder können externe Faktoren, die ihre Bemühungen durchkreuzten, nicht zu ihren Gunsten anführen und zu Umständen umdeuten, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 167 angeführt, Nrn. 102 bis 109).

169    Die Kommission war somit berechtigt, aus der Umsetzung des Kartells auf das Vorliegen einer Auswirkung auf den Markt zu schließen, nachdem sie in schlüssiger Weise darauf hingewiesen hatte, dass das Kartell über einen Zeitraum von mehr als elf Jahren bestand und seine Mitglieder über 90 % des EWR-Marktes kontrollierten.

170    Zur Stichhaltigkeit der Feststellungen, aus denen die Kommission vorliegend dieses Ergebnis ableitete, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen nicht beweisen und nicht einmal behaupten, dass das Kartell nicht umgesetzt worden sei. Aus ihren Schriftsätzen geht hervor, dass sie sich darauf beschränken, geltend zu machen, dass das Kartell nur teilweise umgesetzt worden sei, ein Behauptung, die, ihre Richtigkeit unterstellt, nicht zum Nachweis geeignet ist, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung einen Fehler begangen hat, indem sie den Umstand berücksichtigte, dass die in Rede stehenden rechtswidrigen Verhaltensweisen tatsächliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte hatten (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 148).

171    Schließlich ist festzustellen, dass die Einstufung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung als „besonders schwerwiegend“ auch dann noch angemessen wäre, wenn die Kommission eine konkrete Auswirkung des Kartells nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hätte. Die drei Aspekte der Bewertung der Schwere des Verstoßes haben nämlich im Rahmen der Gesamtprüfung nicht das gleiche Gewicht. Die Art der Zuwiderhandlung spielt insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ eine vorrangige Rolle. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schweren Verstöße in den Leitlinien, dass die Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen, die insbesondere wie hier auf die Festsetzung der Preise abzielen, allein schon aufgrund ihrer Natur als „besonders schwerwiegend“ eingestuft werden können, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere Auswirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet zu sein brauchen. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass zwar in der Beschreibung der schweren Verstöße ausdrücklich erwähnt wird, dass sie Auswirkungen auf den Markt haben und in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen, die Beschreibung der besonders schweren Verstöße aber kein Erfordernis konkreter Auswirkungen auf den Markt oder auf ein besonderes geografisches Gebiet enthält (Urteil des Gerichts vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 178, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 170 angeführt, Randnr. 150).

172    Nach alledem ist die Rüge, dass die Schwere der Zuwiderhandlung hinsichtlich ihrer Art und ihrer Auswirkungen überschätzt worden sei, zurückzuweisen.

 Zur Einteilung der Unternehmen in Kategorien

173    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe im Widerspruch zu ihren Leitlinien den Ausgangsbetrag der Geldbußen unabhängig vom Gesamtumsatz der Unternehmen ermittelt, was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. So seien Schunk und SGL derselben Kategorie zugeordnet worden, obwohl SGL fast doppelt so groß wie Schunk sei. Die Kommission sei in der Entscheidung auf „pauschale“ Weise vorgegangen und habe bestimmte Faktoren wie die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Klägerinnen und ihren erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten, die Rückschlüsse auf die individuelle Fähigkeit der Unternehmen, zur Schädigung des Wettbewerbs und das Maß der erforderlichen Abschreckungswirkung erlaubten, ausgeblendet.

174    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet ist, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen, insbesondere deren Gesamtumsatz, beruhen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 255).

175    Sofern die Obergrenze eingehalten wird, die Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorsieht und die sich auf den Gesamtumsatz bezieht (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 119), darf die Kommission den Umsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen, um bei der Bemessung der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung zu beurteilen, doch darf diesem Umsatz nicht eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 257).

176    Im vorliegenden Fall hat die Kommission die in den Leitlinien festgelegte Berechnungsmethode angewandt, die für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Rahmen der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Berücksichtigung zahlreicher Faktoren vorsieht, darunter die Art der Zuwiderhandlung, ihre konkreten Auswirkungen, der räumliche Umfang des betroffenen Marktes und die erforderliche Abschreckungskraft der Geldbuße. Auch wenn die Leitlinien nicht vorsehen, dass die Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des relevanten Umsatzes berechnet werden, schließen sie nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnrn. 258 und 260).

177    Angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen und zu dem Zweck, das Gewicht jedes einzelnen Unternehmens und damit die tatsächliche Auswirkung der individuellen Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, differenzierte die Kommission in der Entscheidung zwischen den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen entsprechend Nr. 1 Teil A Abs. 4 und 6 der Leitlinien. Sie teilte sie hierzu in drei Kategorien ein, wobei sie den Umsatz heranzog, den jedes Unternehmen mit den in Rede stehenden Produkten im EWR einschließlich des Werts des Eigenverbrauchs erzielt hatte. Hieraus ergibt sich ein Marktanteil, der die Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung erkennen lässt und Aufschluss über ihre tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit gibt, den Wettbewerb erheblich zu schädigen (Randnrn. 289 bis 291 der Entscheidung).

178    Dem Vergleich wurden die Umsatzdaten (ausgedrückt in Mio. Euro) von 1998, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, für die in Rede stehenden Produkte zugrunde gelegt, wie sie aus der in Randnr. 37 der Entscheidung enthaltenen Tabelle 1 „Geschätzte Umsätze (einschließlich des Eigenverbrauchs) und Marktanteile im EWR für die vom Verfahren betroffene Produktgruppe im Jahr 1998“ hervorgehen:

Anbieter

Umsatz (einschließlich Eigenverbrauch)

Marktanteil im EWR (in %)

Conradty

9

3

Hoffmann

17

6

[LCL]

84

29

Morgan

68

23

Schunk

52

18

SGL

41

14

Andere

20

7

Insgesamt

291

100


179    Infolgedessen wurden LCL und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und SGL wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

180    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für LCL und Morgan, 21 Mio. Euro für Schunk und SGL sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

181    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass sich das Kartell auf den gesamten Gemeinsamen Markt und nach seiner Gründung auch auf den gesamten EWR erstreckte und dass der Umsatz mit den in Frage stehenden Produkten eine geeignete Grundlage darstellen kann, um, wie dies die Kommission in der Entscheidung getan hat, die Schädigung des Wettbewerbs auf dem betreffenden EWR-Produktmarkt und die relative Bedeutung der Kartellteilnehmer zu ermitteln. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 121, und Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 165 angeführt, Randnr. 369) kann der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Insbesondere stellt, wie das Gericht hervorgehoben hat, der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 T‑151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II‑629, Randnr. 643).

182    Drittens ist hervorzuheben, dass die Methode, die Mitglieder eines Kartells im Hinblick auf eine differenzierte Behandlung im Stadium der Festsetzung der Ausgangsbeträge ihrer Geldbußen in Kategorien einzuteilen, die das Gericht grundsätzlich für zulässig erklärt hat, obwohl die Größenunterschiede zwischen Unternehmen derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 385, und Tokai I, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 217), zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen derselben Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags führt.

183    Gleichwohl muss die von der Kommission in der Entscheidung vorgenommene Einteilung in Kategorien dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechen, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. Im Übrigen muss die Höhe der Geldbußen nach der Rechtsprechung zumindest in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren stehen, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle gespielt haben (vgl. Urteil Tokai I, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 219 und die dort angeführte Rechtsprechung).

184    Bei der Prüfung, ob die Einteilung der Mitglieder eines Kartells in Kategorien mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht, muss sich das Gericht jedoch im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission das ihr in diesem Bereich zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, darauf beschränken, ob die Einteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist (Urteile CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 182 angeführt, Randnr. 416, und Tokai I, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnrn. 220 und 222).

185    Viertens beanstanden die Klägerinnen lediglich die Zusammensetzung der zweiten Kategorie und behaupten, gegenüber SGL diskriminiert worden zu sein. Die Klägerinnen wurden ebenso wie SGL dieser Kategorie zugeordnet mit Marktanteilen von 18 % bzw. 14 %, die Umsätzen auf dem relevanten Markt von 52 Mio. Euro bzw. 41 Mio. Euro entsprechen, womit sie eindeutig in die Tranche der Marktanteile zwischen 10 % und 20 % fallen.

186    Der Größenunterschied zwischen Schunk und SGL (4 Prozentpunkte), die derselben Kategorie angehören, ist geringer als der zwischen Schunk und Morgan, dem kleinsten Marktteilnehmer der ersten Kategorie, und der zwischen Schunk und Hoffmann, dem größten Marktteilnehmer der dritten Kategorie. Der geringe Abstand zwischen Schunk und SGL ermöglichte es der Kommission angesichts des nicht besonders hohen Marktanteils von SGL somit, Schunk in schlüssiger und objektiver Weise und damit ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit ebenso wie SGL als mittleren Marktteilnehmer zu behandeln und deshalb für sie den gleichen Ausgangsbetrag in Höhe von 21 Mio. Euro festzusetzen, der unter dem für LCL und Morgan, die auf dem Markt erhebliches Gewicht hatten (29 % bzw. 23 %), liegt und höher ist als der für Hoffmann und Conradty, deren Stellung auf dem relevanten Markt ganz untergeordnet war (6 % bzw. 3 %).

187    Die Klägerinnen können somit nicht mit dem Vorbringen durchdringen, dass eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Behandlung vorliege, weil sich der Ausgangsbetrag der festgesetzten Geldbuße im Licht des von der Kommission für die Beurteilung der Bedeutung jedes Unternehmens auf dem relevanten Markt zugrunde gelegten Kriteriums rechtfertigen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 304), zumal der festgesetzte Betrag von 21 Mio. Euro nahezu der in den Leitlinien für „besonders schwere“ Verstöße vorgesehenen Untergrenze entspricht.

188    Unter diesen Umständen ist die Behauptung, SKT, ein nicht börsennotiertes Unternehmen, das weltweit über einen Marktanteil von deutlich unter 10 % verfüge, habe eine weitaus geringere Wirtschaftskraft als börsennotierte Unternehmen wie beispielsweise Morgan, LCL oder SGL, die als Mutterunternehmen weltweiter Konzerne erleichterten Zugang zu den Finanzmärkten hätten, als unerheblich zurückzuweisen.

189    Im Übrigen ist, selbst wenn nachgewiesen wäre, dass zwischen der spezifischen Rechtsnatur eines Unternehmens und einem erleichterten Zugang zu den Finanzmärkten ein notwendiger Zusammenhang besteht, nicht ersichtlich, dass dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall relevant wäre, um für jedes einzelne am Kartell beteiligte Unternehmen das Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre tatsächliche Bedeutung auf dem betroffenen Markt konkret zu bestimmen.

 Zur abschreckenden Wirkung

190    Die Klägerinnen tragen erstens vor, die Kommission habe die Erforderlichkeit der Abschreckung gegenüber den betroffenen Unternehmen unabhängig von den Unternehmensumsätzen undifferenziert und einheitlich bestimmt, was den Anforderungen der Rechtsprechung und der Leitlinien zuwiderlaufe.

191    Es ist daran zu erinnern, dass die in Art. 15 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Sanktionen sowohl dazu dienen, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden, als auch dazu, ihrer Wiederholung vorzubeugen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 173; Urteil PVC II, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 1166).

192    Da die Abschreckung somit einen Zweck der Geldbuße darstellt, ist das Erfordernis ihrer Gewährleistung ein allgemeines Erfordernis, von dem sich die Kommission bei der gesamten Bußgeldberechnung leiten lassen muss, so dass diese Berechnung nicht zwingend einen speziellen Abschnitt umfassen muss, der zur Gesamtbeurteilung aller für die Verwirklichung dieses Zweckes relevanten Umstände dient (Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 226).

193    Die Kommission hat für die Berücksichtigung des Abschreckungszwecks in den Leitlinien keine individualisierten Methoden oder Kriterien festgelegt, deren Einzeldarstellung verbindlich sein könnte. In Nr. l Abschnitt A Abs. 4 der Leitlinien heißt es im Kontext der Ausführungen über die Bewertung der Schwere eines Verstoßes nur, dass es nötig sei, die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte.

194    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Rahmen der Darstellung der allgemeinen Vorgehensweise bei der Festsetzung der Geldbußen ausdrücklich hervorgehoben, dass es geboten sei, die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine abschreckende Wirkung entfalte, dass sie die Kartellteilnehmer anhand ihrer nach ihren jeweiligen Umsätzen bestimmten Marktanteile unterschiedlich behandelt habe und dass sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße von Schunk auf 21 Mio. Euro festgesetzt habe (Randnrn. 271 und 189 der Entscheidung).

195    Aus der Entscheidung geht eindeutig hervor, dass die Kommission, um die Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festzusetzen, diese zum einen als solche anhand objektiver Gesichtspunkte bewertete, d. h. nach der Art der Zuwiderhandlung selbst, ihren Auswirkungen auf den Markt und dessen räumlichen Umfang. Zum anderen stützte sie sich auf subjektive Gesichtspunkte, nämlich das Gewicht jedes einzelnen an dem Kartell beteiligten Unternehmens und damit die tatsächlichen Auswirkungen des individuellen rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb. Im Rahmen dieses zweiten Teils ihrer Beurteilung verfolgte sie insbesondere das Ziel, eine abschreckende Höhe der Geldbuße zu gewährleisten.

196    Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Kommission die betroffenen Unternehmen im Rahmen dieser Analyse in drei Kategorien einteilte, wobei sie den Umsatz heranzog, den jedes Unternehmen mit den in Rede stehenden Produkten im EWR einschließlich des Werts des Eigenverbrauchs erzielt hatte. Hieraus ergibt sich ein Marktanteil, der die Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung erkennen lässt und Aufschluss über ihre tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit gibt, den Wettbewerb erheblich zu schädigen (Randnrn. 289 bis 291 der Entscheidung).

197    Somit hat die Kommission entgegen den Behauptungen der Klägerinnen die Erforderlichkeit der Abschreckung gegenüber den betroffenen Unternehmen nicht undifferenziert und einheitlich bestimmt, sondern vielmehr ihre Bedeutung auf dem betroffenen Markt ausgehend von ihren maßgeblichen Unternehmensumsätzen berücksichtigt.

198    Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die Kommission fordere die betroffenen Unternehmen in der Entscheidung auf, die Zuwiderhandlung abzustellen, obwohl sie diese bereits im Dezember 1999, also über vier Jahre vorher, eingestellt hätten, was belege, dass die Kommission ihrer Beurteilung der erforderlichen Abschreckung einen unzutreffenden Umstand zugrunde gelegt habe.

199    Diese Rüge beruht auf einer falschen Prämisse und ist daher zurückzuweisen. Schon aus dem Wortlaut der Randnr. 268 und des Art. 3 der Entscheidung ergibt sich nämlich, dass die an die Adressaten der Entscheidung gerichtete Anordnung, die festgestellte Zuwiderhandlung unverzüglich abzustellen, soweit dies nicht bereits geschehen ist, mit der Beurteilung der Abschreckung durch die Kommission in keinerlei Zusammenhang steht.

200    Drittens tragen die Klägerinnen vor, sie seien im Vergleich zu SGL schlechter gestellt worden, da die Kommission bei der Beurteilung der erforderlichen Abschreckung unberücksichtigt gelassen habe, dass SGL als börsennotiertes Unternehmen einen erleichterten Zugang zu den Finanzmärkten habe.

201    Es ist festzustellen, dass, wie oben in den Randnrn. 184 bis 187 dargelegt, in der Aufnahme von Schunk und SGL in dieselbe Kategorie unter Zugrundelegung ihrer Umsätze mit den betroffenen Produkten keine Diskriminierung von Schunk liegt.

202    Sofern anzunehmen sein sollte, dass ein börsennotiertes Unternehmen die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen kann, könnte dies, um eine ausreichende Abschreckung sicherzustellen, gegebenenfalls die Festsetzung einer entsprechend höheren Geldbuße rechtfertigen als im Fall einer gleichen Zuwiderhandlung eines Unternehmens, das nicht über derartige Ressourcen verfügt.

203    Unter diesen Umständen könnte der etwaige Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot durch die Kommission nur zu einer Erhöhung der gegen SGL festgesetzten Geldbuße führen und nicht, wie Schunk dies in ihren Schriftsätzen beantragt, zu einer Reduzierung ihrer Geldbuße. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf einen gegenüber anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14, Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 160, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 367).

204    Viertens behaupten die Klägerinnen, die Unangemessenheit der von der Kommission verhängten Geldbuße verdeutliche ein Blick auf die Sanktionen, die von den Kartellbehörden der Vereinigten Staaten, deren Markt etwa so groß sei wie der europäische Markt, im „gleichen Verfahren“ verhängt worden seien.

205    Hierzu ist festzustellen, dass die Ausübung der Befugnisse der mit dem Schutz des freien Wettbewerbs betrauten Behörden von Drittstaaten im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit den dort bestehenden Anforderungen genügen muss. Die den Rechtsordnungen anderer Staaten im Bereich des Wettbewerbs zugrunde liegenden Elemente enthalten nämlich nicht nur spezielle Zwecke und Zielsetzungen, sondern führen auch zum Erlass besonderer materieller Vorschriften sowie zu ganz unterschiedlichen Rechtsfolgen im Bereich des Verwaltungs-, Straf- oder Zivilrechts, wenn die Behörden der genannten Staaten das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die anwendbaren Wettbewerbsregeln festgestellt haben (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, Slg. 2006, I‑5977, Randnr. 29).

206    Ganz anders ist die Rechtslage dagegen, wenn auf ein Unternehmen im Bereich des Wettbewerbs ausschließlich das Gemeinschaftsrecht und das Recht eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, d. h., wenn sich ein Kartell ausschließlich auf den räumlichen Anwendungsbereich der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft beschränkt (Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 205 angeführt, Randnr. 30).

207    Daraus folgt, dass die Kommission, wenn sie das rechtswidrige Verhalten eines Unternehmens ahndet – auch wenn dieses Verhalten seinen Ursprung in einem Kartell mit internationalem Charakter hat –, zum Schutz des freien Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes tätig wird, der nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG ein grundlegendes Ziel der Gemeinschaft darstellt. Aufgrund des speziellen Charakters des auf Gemeinschaftsebene geschützten Rechtsguts können die Beurteilungen, die die Kommission kraft ihrer einschlägigen Befugnisse vornimmt, erheblich von den Beurteilungen durch die Behörden von Drittstaaten abweichen (Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 205 angeführt, Randnr. 31).

208    In Bezug auf die von den Klägerinnen gerügte Verkennung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und/oder der Billigkeit ist darauf hinzuweisen, dass Erwägungen, die auf der Existenz der von den Behörden eines Drittstaats verhängten Geldbußen beruhen, nur im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden können, über das die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verfügt. Folglich kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission Geldbußen berücksichtigt, die zuvor von den Behörden von Drittstaaten verhängt wurden, doch ist sie dazu nicht verpflichtet (Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 205 angeführt, Randnr. 36).

209    Das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, besteht nämlich darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im EG-Vertrag für ihre Tätigkeiten innerhalb des Gemeinsamen Marktes festgelegten Wettbewerbsregeln beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil ACF Chemiefarma/Kommission, oben in Randnr. 191 angeführt, Randnrn. 173 bis 176). Folglich ist die Kommission bei der Beurteilung der Abschreckungswirkung einer wegen eines Verstoßes gegen diese Regeln zu verhängenden Geldbuße nicht verpflichtet, etwaige Sanktionen zu berücksichtigen, die gegen ein Unternehmen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln von Drittstaaten verhängt wurden (Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 205 angeführt, Randnr. 37).

210    Vorliegend genügt der Hinweis, dass das Kartell, wie es Gegenstand der Entscheidung ist, ausschließlich auf den räumlichen Anwendungsbereich der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft beschränkt und die Kommission somit nicht dazu verpflichtet war, die von den amerikanischen Behörden gegen Unternehmen wegen Verletzung nationaler Wettbewerbsvorschriften verhängten Sanktionen auf die eine oder andere Weise zu berücksichtigen. Angesichts der Besonderheiten der Kontrolle und der Verfolgung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht in den Vereinigten Staaten, die mit der Bedeutung von Schadensersatzklagen und Strafverfahren zusammenhängen, können die Klägerinnen nicht die Höhe der in einem Verfahren in diesem Drittland verhängten Geldbußen anführen, um die Unverhältnismäßigkeit der gegen sie in der Entscheidung festgesetzten Geldbuße darzutun.

 Zur Zusammenarbeit von Schunk

211    Es ist daran zu erinnern, dass der Kommission hinsichtlich der Methode für die Berechnung von Geldbußen ein weites Ermessen zusteht; sie kann insoweit eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, zu denen auch die Kooperationsbeiträge der betroffenen Unternehmen während der von den Dienststellen der Kommission durchgeführten Untersuchungen gehören. In diesem Rahmen muss die Kommission komplexe Tatsachenwürdigungen, wie die Würdigung der jeweiligen Kooperationsbeiträge dieser Unternehmen, vornehmen (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 81).

212    Insoweit verfügt die Kommission bei der Beurteilung der Qualität und der Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, über einen weiten Wertungsspielraum (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 88).

213    In der Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission genau festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A Nr. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

214    Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht vor:

„1.      Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.

2.      Dies gilt insbesondere, wenn

–        ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–        ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

215    Im vorliegenden Fall wurde die Geldbuße von Schunk gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit um 30 % herabgesetzt.

216    Zur Begründung ihrer Beurteilung führt die Kommission in Randnr. 328 der Entscheidung Folgendes aus:

„Wie [LCL] beantragte auch Schunk die Anwendung der Kronzeugenregelung nach Erhalt des Auskunftsverlangens im Sinne von Artikel 11 [der Verordnung Nr. 17]. Schunk legte sein Beweismaterial jedoch einen Monat später als [LCL] vor … Dabei gab Schunk die Existenz des Kartells und seine Teilnahme am Kartell zu. Schunk legte jedoch keine zeitgenössischen Aufzeichnungen von Kartelltreffen vor. Am nützlichsten war eine Liste der von Schunk bestätigten Kartelltreffen … In dieser Liste waren einige Zusammenkünfte aufgeführt, von denen die Kommission noch nichts wusste. Schunk legte auch ein Bündel von Reiseunterlagen vor, die sich auf mehrere Zusammenkünfte bezogen. Die meisten Unterlagen bezogen sich auf Zusammenkünfte, von denen die Kommission bereits wusste und zu denen sie in ihrem Auskunftsverlangen im Sinne von Artikel 11 alle verfügbaren Unterlagen anforderte. Im Laufe der Untersuchung ergänzte Schunk auf Nachfrage der Kommission im Rahmen seiner Mitarbeit eine Reihe von Informationen, die das Unternehmen zuvor freiwillig erteilt hatte. Die Kommission stellt jedoch fest, dass Schunk anders als [LCL] der Kommission nicht aktiv zusätzliche Informationen über das Kartell lieferte. Insgesamt ist die Kommission der Ansicht, dass die von Schunk freiwillig vorgelegten Beweismittel die Bedingung, zur Feststellung des Verstoßes beizutragen, erfüllen.“

217    Außerdem wies die Kommission darauf hin, dass Schunk ihr nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitgeteilt habe, dass sie den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet (Randnr. 329 der Entscheidung).

218    Es ist hervorzuheben, dass die Tatsache, dass Schunk bei Erlass der Entscheidung die in Abschnitt D Nr. 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Voraussetzungen erfüllte, unbestritten ist. Der Rechtsstreit betrifft allein den Umfang des gewährten Abschlags, der 30 % gegenüber 40 % zugunsten von LCL beträgt, wobei beiden Unternehmen jeweils ein Abschlag um 10 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts zugestanden wurde. Schunk macht im Wesentlichen geltend, die in der Entscheidung enthaltene Begründung dieser Differenz sei unzutreffend und es liege eine diskriminierende Behandlung vor.

219    Zur Behauptung, schneller reagiert zu haben als LCL, ist hervorzuheben, dass Schunk, nachdem sie im Schreiben der Kommission vom 2. August 2002 in englischer Sprache ein Auskunftsverlangen erhalten hatte, am 8. August 2002 um eine deutschsprachige Fassung ersuchte, die sie am 4. Oktober 2002 erhielt. Diese Situation erklärt nach Ansicht von Schunk, dass sie das Auskunftsverlangen erst am 25. Oktober 2002 habe beantworten können, d. h. nur drei Wochen nach Erhalt der deutschen Übersetzung des Auskunftsverlangens, während LCL das an sie gerichtete Auskunftsverlangen mehr als sieben Wochen nach dessen Erhalt beantwortet habe.

220    Es ist jedoch festzustellen, dass SKT der Kommission bereits mit Schreiben vom 2. September 2002 ihre Bereitschaft mitteilte, im Verwaltungsverfahren mit ihr zusammenzuarbeiten, und dass sie prüfe, ob sie in der Lage sei, neben der Beantwortung des Auskunftsverlangens Beweismittel vorzulegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen Mehrwert darstellten.

221    Am 30. September 2002 ging SKT über ihren Rechtsbeistand detailliert und mit kritischen Anmerkungen auf den Inhalt des Auskunftsverlangens ein, u. a. indem sie dieses auslegte, um darzutun, dass sich die gestellten Fragen nicht innerhalb der von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen hielten und dass die Antworten auf diese Fragen und die Vorlage der entsprechenden Unterlagen in rechtlicher Hinsicht über die von dem Unternehmen geschuldete Mitwirkung hinausgingen. Schunk gab jedoch an, dass sie diese Fragen freiwillig beantworten werde, und dass die über die geschuldete Mitwirkung hinausgehenden Informationen in ihrer Antwort durch Fettdruck kenntlich gemacht seien.

222    Diese beiden Schriftsätze von SKT belegen, dass das Auskunftsverlangen vor seiner Übersetzung ins Deutsche völlig verstanden wurde, und die Klägerinnen können unter diesen Umständen nicht ernsthaft behaupten, sie seien erst ab Erhalt dieser Übersetzung in der Lage gewesen, ihren Kooperationsbeitrag zu leisten.

223    Hinzu kommt, dass LCL das Auskunftsverlangen ebenfalls in englischer Sprache erhielt und nicht in französischer und dass sie zu den in Rede stehenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen bereits am 22. August 2002 und dann am 24. und am 30. September 2002 Informationen einreichte. Unter diesen Umständen folgerte die Kommission zu Recht, dass SKT sein Beweismaterial mindestens einen Monat später als LCL vorlegte.

224    Selbst wenn diese Folgerung bereits unter dem Gesichtspunkt des Zugangs der Übersetzung des Auskunftsverlangens ins Deutsche als unzutreffend angesehen werden könnte, würden die anderen in Randnr. 328 der Entscheidung genannten Gründe die beanstandete unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

225    Wie aus Randnr. 328 der Entscheidung hervorgeht, stützte sich die Kommission, um die Höhe des Abschlags zu beurteilen, im Wesentlichen auf den Wert des von SKT geleisteten Beitrags. Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die Herabsetzung von Geldbußen im Fall der Kooperation von Unternehmen, die an Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt waren, auf der Erwägung beruht, dass eine solche Kooperation der Kommission die Aufgabe erleichtert, eine Zuwiderhandlung festzustellen und ihr gegebenenfalls ein Ende zu setzen (Urteil des Gerichtshofs Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 399; Urteile des Gerichts BPB de Eendracht/Kommission, oben in Randnr. 42 angeführt, Randnr. 325, vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 363, und Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 165 angeführt, Randnr. 330).

226    Die Kommission befand zum einen im Wesentlichen, dass der Mehrwert des von SKT vorgelegten Beweismaterials gegenüber dem, das sich bereits in ihrem Besitz befand, gering war.

227    Sie weist – unwidersprochen seitens Schunk – darauf hin, dass sie von SKT eine Liste von Kartelltreffen erhalten habe, von denen ihr die meisten bereits bekannt gewesen seien; einige davon seien offizielle Treffen des europäischen Branchenverbands ECGA gewesen.

228    Anders als Schunk behauptet, erklärt die Kommission in Randnr. 328 der Entscheidung nicht, dass SKT keine Dokumente aus der Zeit des beanstandeten Sachverhalts übermittelt habe. Im Übrigen ist unstreitig, dass SKT mit ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen Schreiben an Vertreter des ECGA und eine Vielzahl von Unterlagen, die Reisen und Hotelaufenthalte im Zusammenhang mit den in der Liste aufgeführten Kartelltreffen belegen, übermittelte. Diese Unterlagen stellen jedoch keine zeitgenössischen „Aufzeichnungen“ oder Protokolle über den Inhalt der Besprechungen dar.

229    Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zutreffend hervorhebt, waren die Liste der Treffen und die Unterlagen über die entsprechenden Reisen nur im Zusammenhang mit von anderen Unternehmen erbrachten Informationen über den Inhalt der Besprechungen sinnvoll. Zum anderen wies die Kommission – unwidersprochen seitens Schunk – darauf hin, dass SKT zwar mehrere Fragen, die ihr im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zur Ergänzung bereits freiwillig erteilter Informationen gestellt wurden, beantwortet habe, doch habe Schunk anders als LCL nicht aus eigenem Antrieb zusätzliche Informationen über das Kartell geliefert.

230    Ferner behauptet Schunk, die Kommission hebe in Randnr. 328 der Entscheidung hervor, dass ihre Kooperation in die Zeit nach Erhalt des Auskunftsverlangens gefallen sei; dies laufe der Rechtsprechung zuwider, wonach dieser Umstand kein Grund sei, die Kooperation als minderwertig anzusehen.

231    Der erste Satz von Randnr. 328 der Entscheidung lautet:

„Wie [LCL] beantragte auch Schunk die Anwendung der Kronzeugenregelung nach Erhalt des Auskunftsverlangens im Sinne von Artikel 11. Schunk legte sein Beweismaterial jedoch einen Monat später als [LCL] vor …“

232    Ausgehend von dieser Formulierung erscheint die von der Kommission in der Klagebeantwortung gegebene Auslegung, wonach dieser Satz deutlich mache, dass sie Informationen nur insoweit für die Kronzeugenregelung berücksichtige, als sie über das hinausgingen, was unter die Auskunftspflicht nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 falle, zu weit und ist zurückzuweisen. Aus dem Wortlaut der Randnr. 328 ergibt sich, dass die Kommission, um den Umfang des für den Beitrag von SKT in Frage kommenden Abschlags festzulegen, auf den Zeitpunkt abstellte, in dem die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragt wurde.

233    Schunk macht unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Daesang und Sewon/Kommission (T‑230/00, Slg. 2003, II‑2733, Randnr. 139), geltend, das Abstellen auf diesen Zeitpunkt laufe der Rechtsprechung zuwider. Aus der von Schunk ausdrücklich genannten Randnr. 139 dieses Urteils geht jedoch hervor, dass diese für den vorliegenden Fall völlig irrelevant ist. Das Gericht hat in diesem Urteil festgestellt, dass es gegen die Voraussetzungen des Abschnitts C – und nicht des hier in Rede stehenden Abschnitts D – der Mitteilung über Zusammenarbeit verstößt, den Klägerinnen die darin vorgesehene Herabsetzung mit der Begründung zu „verweigern“, dass ein Auskunftsverlangen an sie ergangen sei.

234    In Wirklichkeit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, wie bereits dargelegt, die Kommission bei der Beurteilung der Qualität und der Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens über einen weiten Wertungsspielraum verfügt (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 88) und im Rahmen einer Gesamtwürdigung den Umstand berücksichtigen kann, dass dieses Unternehmen erst nach Erhalt eines Auskunftsverlangens Unterlagen zur Verfügung stellte (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 365, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 408), wobei sie diesen Umstand jedoch nicht als ausschlaggebend dafür ansehen darf, die Kooperation eines Unternehmens gemäß Abschnitt D Nr. 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit geringer zu bewerten (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 410). Die Randnr. 328 der Entscheidung läuft dieser Rechtsprechung nicht zuwider.

235    Jedenfalls ergibt sich aus dem Wortlaut der Randnrn. 324 und 328 der Entscheidung, dass die Kommission sowohl bei Schunk als auch bei LCL den Umstand berücksichtigte, dass diese beiden Unternehmen die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit nach Erhalt des Auskunftsverlangens beantragt hatten, und dass ihnen somit die gleiche Behandlung zuteil wurde.

236    Schließlich ist festzustellen, dass Schunk in ihren Schriftsätzen bestimmte Ausführungen der Kommission in der Entscheidung hervorhebt, in denen die Nützlichkeit der von LCL gelieferten Informationen relativiert werde. Soweit Schunk geltend macht, die Herabsetzung der Geldbuße von Hoffmann sei rechtswidrig, und auch unterstellt, die Kommission hätte diesem Unternehmen aufgrund einer falschen Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ohne Rechtsgrund eine Herabsetzung gewährt, ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf einen gegenüber anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann (Urteil Williams/Rechnungshof, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 14, Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 160, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 367).

237    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge einer falschen Beurteilung der Zusammenarbeit der Klägerinnen durch die Kommission und einer diskriminierenden Behandlung gegenüber SGL zurückzuweisen ist.

 Zum Gegenantrag der Kommission

238    Die Kommission beantragt, das Gericht möge in Ausübung der ihm in Art. 229 EG und Art. 17 der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die gegen die Klägerinnen, die den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt erstmals vor dem Gericht bestritten hätten, festgesetzte Geldbuße erhöhen. Schunk bestreitet, dass die Kommission überhaupt einen Antrag auf Erhöhung der Geldbuße stellen kann, und hält diesen jedenfalls für unbegründet.

 Zur Zulässigkeit

239    Das Gericht ist vorliegend mit einer von Schunk auf der Grundlage der Art. 230 EG und 231 EG erhobenen Klage befasst, die auf Nichtigerklärung der Entscheidung und, hilfsweise, Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße gerichtet ist.

240    Gemäß Art. 229 EG können aufgrund des EG-Vertrags vom Rat erlassene Verordnungen hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen dem Gerichtshof eine Zuständigkeit übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfasst.

241    Eine solche Zuständigkeit ist dem Gemeinschaftsrichter in Art. 17 der Verordnung Nr. 17 verliehen worden, der bestimmt: „Bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt ist, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung im Sinne von Artikel [229 EG] …“

242    Das Gericht hat im Rahmen der ihm durch Art. 229 EG und Art. 17 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C‑248/98 P, Slg. 2000, I‑9641, Randnr. 40, Cascades/Kommission, oben in Randnr. 167 angeführt, Randnr. 42, und Weig/Kommission, C‑280/98 P, Slg. 2000, I‑9757, Randnr. 41). Im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung kann der Gemeinschaftsrichter nicht nur, wie in Artikel 231 EG vorgesehen, die angefochtene Entscheidung für nichtig erklären, sondern er kann auch die in dieser Entscheidung festgesetzte Zwangsmaßnahme abändern (Beschluss FNICGV/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 24).

243    Der Gemeinschaftsrichter ist daher befugt, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (Urteil vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnr. 61).

244    Somit ist, auch wenn die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung meist von den Klägern beantragt wird, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nichts ersichtlich, was die Kommission daran hindern würde, den Gemeinschaftsrichter ebenfalls mit der Frage der Höhe der Geldbuße zu befassen und deren Erhöhung zu beantragen.

245    Eine solche Möglichkeit ist im Übrigen in Abschnitt E Nr. 4 der Mitteilung über Zusammenarbeit ausdrücklich vorgesehen, der bestimmt: „Bestreitet ein Unternehmen, gegenüber dem eine niedrigere Geldbuße festgesetzt wurde, weil es den Sachverhalt nicht bestritten hat, diesen erstmals in einem Nichtigkeitsverfahren vor dem Gericht …, so beantragt die Kommission grundsätzlich eine Heraufsetzung der Geldbuße, die sie gegen dieses Unternehmen festgesetzt hat.“ Der vorliegende Antrag der Kommission ist auf eben diese Bestimmung gestützt.

246    Zudem ist hervorzuheben, dass die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung von den Gemeinschaftsgerichten nur im Rahmen der Kontrolle von Handlungen der Gemeinschaftsorgane, insbesondere im Rahmen der Nichtigkeitsklage, ausgeübt werden kann. Art. 229 EG hat nämlich nur eine Erweiterung des Umfangs der Befugnisse des Gemeinschaftsrichters in Verfahren nach Art. 230 EG zur Folge (Beschluss FNICGV/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 25).

247    Folglich ist das Vorbringen von Schunk, der Antrag der Kommission auf Erhöhung der Geldbuße sei mit Art. 230 EG unvereinbar und verkenne den durch die Klage definierten Streitgegenstand, zurückzuweisen.

248    Im Übrigen ist das Vorbringen von Schunk, der genannte Antrag verstoße gegen den „Grundsatz von Treu und Glauben“, soweit er mit Verhaltensweisen begründet werde, von denen die Kommission bereits im Verwaltungsverfahren Kenntnis gehabt habe, ebenfalls zurückzuweisen, da es auf einem falschen Verständnis der Schriftsätze der Kommission beruht.

249    Der Antrag auf Erhöhung der Geldbuße ist nämlich, wie dargelegt, auf die Haltung von Schunk gestützt, die nach Ansicht der Kommission Tatsachen, die vorher im Verwaltungsverfahren eingeräumt worden waren, erstmals vor dem Gericht bestreitet.

250    Nach alledem ist der genannte Antrag für zulässig zu erklären und in der Sache zu entscheiden.

 Zur Begründetheit

251    In Anbetracht der Befugnis des Gerichts zur Erhöhung einer nach der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Geldbuße ist zu prüfen, ob, wie die Kommission im Wesentlichen geltend macht, die Umstände des vorliegenden Falles es rechtfertigen, dass die Schunk wegen ihrer Zusammenarbeit gewährte Herabsetzung um 10 % aufgehoben wird, was zu einer Erhöhung des Endbetrags der Geldbuße führen würde.

252    Gemäß Abschnitt D Nr. 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit wird die Höhe der Geldbuße niedriger festgesetzt, wenn „ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet“.

253    Vorliegend ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nur die Herabsetzung der Geldbuße, sondern auch die Nichtigerklärung der Entscheidung als solcher beantragen und dass sie im Rahmen ihres Vorbringens zur Begründung der Rügen, dass gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen worden sei, unmittelbar den Sachverhalt bestreiten, der ihnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeworfen worden war und auf den die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 81 EG gestützt ist.

254    Wie bereits dargelegt, haben die Klägerinnen die Absprachen über das Werbeverbot, die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betreffend die für Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller bestimmten Produkte sowie das System zur Überwachung der Durchsetzung der Kartellvereinbarungen, auf die in der Entscheidung die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 81 EG gestützt ist, erstmals vor dem Gericht bestritten.

255    Die Kommission macht geltend, die Klägerinnen hätten auch die Bedeutung des in der Verfahrensakte als Nr. 9823 (Anlage A 21) geführten Dokuments im Hinblick auf Kfz-Zulieferer und Hersteller von Konsumgütern sowie die Absprachen zur Verdrängung von Wettbewerbern erstmals in der Klageschrift bestritten.

256    Das genannte Dokument bezieht sich auf das oben in Randnr. 254 angeführte Bestreiten der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betreffend die für Kfz-Zulieferer und Konsumgüterhersteller bestimmten Produkte.

257    Was die Absprachen zur Verdrängung von Wettbewerbern angeht, verweist die Kommission auf die Rüge der Klägerinnen, dass es keinen Gesamtplan der Kartellmitglieder, der darauf abzielte, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt dauerhaft durch Unternehmenskäufe zu verändern, gegeben habe; zu dieser Rüge ist festgestellt worden, dass sie auf einem offensichtlich falschen Verständnis der Randnr. 173 der Entscheidung beruht und nicht als verspäteter Einwand gegen den vorgeworfenen Sachverhalt betrachtet werden kann.

258    An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass die drei oben in Randnr. 254 genannten Einwände aufgrund der Rechtsprechung zurückgewiesen wurden, wonach Tatsachen, die ein Unternehmen im Verwaltungsverfahren ausdrücklich eingeräumt hat, als erwiesen anzusehen sind und es dem Unternehmen nicht mehr freisteht, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens Verteidigungsmittel gegen sie vorzubringen (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 227, Urteil Tokai I, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 108, sowie Urteil Tokai II, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnrn. 324 und 326).

259    Unter diesen Umständen ist die Mindestherabsetzung um 10 %, die Schunk nach Abschnitt D Nr. 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährt wurde, nicht aufzuheben; der Gegenantrag der Kommission ist deshalb zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 369).

260    Ferner ist noch hervorzuheben, dass die Kommission in ihren Schriftsätzen auf das Urteil Tokai I (oben in Randnr. 84 angeführt) hingewiesen hat, in dem das Gericht, obwohl die Klägerin ausdrücklich eingeräumten Sachverhalt nicht in Frage gestellt hatte, einem Antrag der Kommission auf Erhöhung der Geldbuße stattgegeben und ausgeführt hat, dass die Kommission entgegen den Erwartungen, die sie vernünftigerweise aufgrund der objektiven Zusammenarbeit der Klägerin im Verwaltungsverfahren hegen durfte, gezwungen war, vor Gericht eine Verteidigung gegen das Bestreiten von Zuwiderhandlungen auszuarbeiten und vorzubringen, von denen sie mit gutem Grund angenommen hatte, dass die Klägerin sie nicht mehr in Frage stellen werde.

261    Die Ausführungen der Kommission laufen darauf hinaus, dass das, was in einem Fall gilt, in dem der Kläger ausdrücklich eingeräumten Sachverhalt nicht in Frage gestellt hatte, erst recht zu gelten hat, wenn, wie hier, im Verwaltungsverfahren eingeräumter Sachverhalt später bestritten wird.

262    Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 kann jedoch, wie die Klägerinnen zutreffend vorgetragen haben, die Höhe der Geldbuße nur anhand der Schwere und der Dauer eines Verstoßes festgesetzt werden. Der Umstand, dass die Kommission gezwungen war, eine Verteidigung gegen das Bestreiten von Zuwiderhandlungen auszuarbeiten, von denen sie mit gutem Grund angenommen hatte, dass der Kläger sie nicht mehr in Frage stellen werde, kann angesichts der beiden ausschließlichen Kriterien für die Bemessung der Geldbuße nicht als Grundlage für deren Heraufsetzung dienen. Mit anderen Worten, die der Kommission durch das gerichtliche Verfahren entstandenen Kosten sind kein Kriterium für die Bemessung der Geldbuße und dürfen nur im Rahmen der Anwendung der Vorschriften der Verfahrensordnung über die Kostenerstattung berücksichtigt werden.

263    Nach alledem sind sämtliche im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gestellten Anträge zurückzuweisen.

 Kosten

264    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Schunk GmbH und die Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH tragen die Kosten.



Vilaras

Prek

Ciucă

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Oktober 2008.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Vilaras


* Verfahrenssprache: Deutsch.