Language of document : ECLI:EU:T:2008:416

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

8. Oktober 2008(*)

„Wettbewerb − Kartelle − Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte − Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen − Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung − Mildernde Umstände − Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens − Grundsatz der Verhältnismäßigkeit − Grundsatz der Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑73/04

Le Carbone-Lorraine mit Sitz in Courbevoie (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte A. Winckler und I. Simic, dann A. Winckler und H. Kanellopoulos,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/420/EG der Kommission vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache C.38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) und, hilfsweise, Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin durch diese Entscheidung festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. Ciucă,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2008

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Le Carbone-Lorraine (im Folgenden: LCL oder Klägerin) ist ein französisches Unternehmen, das Kohlenstoff- und Graphitprodukte für die elektrotechnische und mechanische Nutzung herstellt.

2        Am 18. September 2001 trafen sich Vertreter der Morgan Crucible Company plc (im Folgenden: Morgan) mit Vertretern der Kommission, um ihre Zusammenarbeit beim Nachweis eines Kartells auf dem europäischen Markt für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte anzubieten und die Anwendung der in der Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) vorgesehenen Kronzeugenregelung zu beantragen.

3        Am 2. August 2002 richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) an die C. Conradty Nürnberg GmbH (im Folgenden: Conradty), die SGL Carbon AG (im Folgenden: SGL), die Schunk GmbH und ihre Tochtergesellschaft Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH (beide zusammen im Folgenden: Schunk), die Eurocarbo SpA, die Luckerath BV, die Gerken Europe SA (im Folgenden: Gerken) sowie die Klägerin Auskunftsverlangen betreffend ihr Verhalten auf dem fraglichen Markt. Das an Schunk gerichtete Schreiben betraf auch die Tätigkeiten der von Schunk am 28. Oktober 1999 übernommenen Hoffmann & Co. Elektrokohle AG (im Folgenden: Hoffmann).

4        Mit Telefax vom 16. August 2002 an die Kommission beantragte die Klägerin die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit.

5        Am 22. August und 23. September 2002 übermittelte die Klägerin der Kommission Beweise bezüglich des Kartells.

6        Am 30. September 2002 erhielt die Kommission die Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17.

7        Am 23. Mai 2003 sandte die Kommission auf der Grundlage der ihr zugegangenen Informationen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin und an die anderen betroffenen Unternehmen, nämlich an Morgan, Conradty, SGL, Schunk und Hoffmann. In ihrer Stellungnahme erklärte die Klägerin, dass sie den in der Mitteilung dargelegten Sachverhalt im Kern nicht bestreite.

8        Nach Anhörung der betroffenen Unternehmen mit Ausnahme von Morgan und Conradty erließ die Kommission die Entscheidung 2004/420/EG vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte) (im Folgenden: Entscheidung), die der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 zugestellt wurde. Eine Zusammenfassung der Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. April 2004 (ABl. L 125, S. 45) veröffentlicht.

9        In der Entscheidung führte die Kommission aus, dass deren Adressaten an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und ab 1. Januar 1994 gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) teilgenommen hätten, die aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen (mengenmäßige Beschränkungen, Preiserhöhungen und Boykottmaßnahmen) gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestanden habe (Randnr. 2 der Entscheidung).

10      Die Entscheidung enthält folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung – während der angegebenen Zeiträume – an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – ab 1. Januar 1994 – Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen:

a)       [Conradty]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

b)       [Hoffmann]: von September 1994 bis Oktober 1999;

c)       [LCL]: von Oktober 1988 bis Juni 1999;

d)       [Morgan]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

e)       [Schunk]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999;

f)      [SGL]: von Oktober 1988 bis Dezember 1999.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)       [Conradty]: 1 060 000 EUR;

b)       [Hoffmann]: 2 820 000 EUR;

c)       [LCL]: 43 050 000 EUR;

d)       [Morgan]: 0 EUR;

e)       [Schunk]: 30 870 000 EUR;

f)       [SGL]: 23 640 000 EUR.

Die Geldbußen sind innerhalb von drei Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung … einzuzahlen …

Nach Ablauf dieser Frist werden Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats angewandt wird, in dem diese Entscheidung erlassen worden ist, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte.“

11      Bei der Bemessung der Geldbußen stufte die Kommission die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art, ihrer Auswirkungen auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte, auch wenn diese Auswirkungen nicht genau messbar seien, und des Umfangs des relevanten räumlichen Marktes als besonders schwerwiegend ein (Randnr. 288 der Entscheidung).

12      Um die besondere Bedeutung des rechtswidrigen Verhaltens jedes einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmens und damit seiner tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, teilte die Kommission die betroffenen Unternehmen entsprechend ihrer nach ihren Marktanteilen bestimmten Bedeutung auf dem fraglichen Markt in drei Kategorien ein (Randnrn. 289 bis 297 der Entscheidung).

13      Infolgedessen wurden die Klägerin und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und SGL wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

14      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für die Klägerin und Morgan, 21 Mio. Euro für Schunk und SGL sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

15      In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung war die Kommission der Ansicht, dass alle betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung von langer Dauer begangen hätten. Wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 11 Jahren und 2 Monaten erhöhte die Kommission den gegen SGL, Morgan, Schunk und Conradty festgesetzten Ausgangsbetrag um 110 %. Bei der Klägerin ging die Kommission von einer Zuwiderhandlungsdauer von 10 Jahren und 8 Monaten aus und erhöhte den Ausgangsbetrag um 105 %. Bei Hoffmann wurde der Ausgangsbetrag wegen einer Zuwiderhandlungsdauer von 5 Jahren und 1 Monat um 50 % erhöht (Randnrn. 299 und 300 der Entscheidung).

16      Der anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelte Grundbetrag der Geldbuße wurde daher auf 73,5 Mio. Euro für Morgan, 71,75 Mio. Euro für die Klägerin, 44,1 Mio. Euro für Schunk und SGL, 12,6 Mio. Euro für Conradty und 9 Mio. Euro für Hoffmann festgesetzt (Randnr. 301 der Entscheidung).

17      Die Kommission stellte weder erschwerende Umstände zu Lasten noch mildernde Umstände zu Gunsten der betroffenen Unternehmen fest (Randnr. 316 der Entscheidung).

18      In Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit wurde gegen Morgan keine Geldbuße verhängt, weil sie das erste Unternehmen war, das die Kommission auf das Bestehen des Kartells hingewiesen hatte (Randnrn. 319 bis 321 der Entscheidung).

19      Gemäß Abschnitt D dieser Mitteilung setzte die Kommission die Geldbuße, die ohne Zusammenarbeit verhängt worden wäre, für die Klägerin um 40 %, für Schunk und Hoffmann um 30 % und für SGL, die als letzte die Zusammenarbeit aufgenommen hatte, um 20 % herab (Randnrn. 322 bis 338 der Entscheidung).

20      In der Entscheidung wies die Kommission unter „Zahlungsfähigkeit und andere Faktoren“ das Vorbringen der SGL und der Klägerin zurück, mit dem diese den Beweis dafür zu erbringen versuchten, dass sie nicht in der Lage seien, die Geldbuße zu zahlen, erinnerte aber daran, dass sie gegen SGL vor kurzer Zeit bereits zwei beachtliche Geldbußen wegen Teilnahme an anderen Kartellaktivitäten festgesetzt habe.

21      So seien gegen SGL mit den Entscheidungen 2002/271/EG vom 18. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.490 – Graphitelektroden) (ABl. 2002, L 100, S. 1, im Folgenden: Sache Graphitelektroden) und 2006/460/EG vom 17. Dezember 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.667 – Spezialgraphit) (ABl. 2006, L 180, S. 20, im Folgenden: Sache Spezialgraphit) eine Geldbuße von 80,2 Mio. Euro für ihre Beteiligung am Graphitelektrodenkartell und zwei Geldbußen von insgesamt 27,75 Mio. Euro für ihre Beteiligung am Kartell betreffend isostatischen Graphit und am Kartell betreffend stranggepressten Graphit festgesetzt worden (Randnr. 358 der Entscheidung).

22      Berücksichtige man die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der SGL und die vor kurzer Zeit gegen sie verhängten Sanktionen sowie die Tatsache, dass die ihr vorgeworfenen verschiedenen Kartellaktivitäten gleichzeitig stattgefunden hätten, sei es unter diesen besonderen Umständen nicht erforderlich, gegen sie den vollen Betrag der Geldbuße zu verhängen, um eine abschreckende Wirkung sicherzustellen; daher sei die Geldbuße um 33 % vermindert und auf 23,64 Mio. Euro festgesetzt worden (Randnr. 360 der Entscheidung).

23      Ausgehend davon, dass sich die Lage der Klägerin von der der SGL stark unterscheide, gewährte die Kommission der Klägerin nach „anderen Faktoren“ keine Herabsetzung der Geldbuße (Randnrn. 361 und 362 der Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

24      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

25      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter als Präsident der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

26      Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. Februar 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

27      Nachdem die Klägerin die genaue Bedeutung verschiedener Argumente dargelegt hatte, hat die Kommission in dieser Sitzung ihren Gegenantrag auf Erhöhung der Geldbuße zurückgezogen, was zu Protokoll genommen worden ist.

28      Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung das Schreiben vom 30. Oktober 2001 vorgelegt, das Morgan ihr im Zuge des Antrags, zu Gunsten von Morgan die Mitteilung über Zusammenarbeit anzuwenden, zugesandt hatte. Dieses Schreiben, das zu den Verwaltungsakten der Kommission gehörte, ist der Klägerin mitgeteilt worden, die eine am 26. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangene Stellungnahme eingereicht hat. Die mündliche Verhandlung ist am 1. April 2008 geschlossen worden, was den Parteien mit Schreiben der Kanzlei des Gerichts vom selben Tage mitgeteilt worden ist.

29      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;

–        hilfsweise, die festgesetzte Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

31      Die von der Klägerin eingereichte Klage hat zweierlei zum Gegenstand, einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung und einen hilfsweise gestellten Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße; die verschiedenen Rügen jedoch, die die Klägerin in ihren Schriftsätzen geltend gemacht hat, sind dieser Unterscheidung nicht gefolgt.

32      Auf die Aufforderung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, sich zur genauen Tragweite ihres Vorbringens zu äußern, hat die Klägerin erklärt, die Ausführungen zur passiven Rolle, die sie bei der Verwirklichung der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Kohlenstoff- und Graphitblöcke eingenommen habe, beträfen nur die Geltendmachung der entsprechenden mildernden Umstände und somit die Herabsetzung der Geldbuße. Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass sie nicht bestreite, an den Sitzungen des Technischen Ausschusses, in denen es um die mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte gegangen sei, teilgenommen zu haben und somit an der Zuwiderhandlung in diesem Bereich beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht hat diese Erklärungen zu Protokoll genommen.

33      An dieser Stelle ist festzustellen, dass die Klägerin vom Gericht zwar ausdrücklich die Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt begehrt, soweit diese sie betrifft, sämtliche von ihr erhobenen Rügen sich aber nur gegen den Teil der Entscheidung richten, der sich auf die Geldbußen und insbesondere auf Art. 2 der Entscheidung bezieht, mit dem die Kommission die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf 43 050 000 Euro festsetzte. Da keine Rügen erhoben worden sind, um den Antrag auf Nichtigerklärung der gesamten Entscheidung zu begründen, ist dieser Antrag zurückzuweisen, und es ist nur die Begründetheit des Antrags der Klägerin auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße zu prüfen.

 Zum Rechtsfehler, den die Kommission dadurch begangen haben soll, dass sie die relevanten Produktmärkte oder zumindest die relevanten Produktkategorien nicht abgegrenzt hat

34      Die Klägerin macht geltend, die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte oder zumindest der relevanten Produktkategorien sei vorliegend unerlässlich gewesen, um die Zuwiderhandlung und ihre Wirkungen zwecks Festsetzung der Geldbuße genau einzustufen. Dadurch, dass es an einer verlässlichen Bestimmung der relevanten Produktmärkte gefehlt habe, habe die Kommission zudem „unlogischerweise“ Verwaltungsverfahren eingeleitet und eine offensichtlich überhöhte Geldbuße festgesetzt.

 Zur Qualifizierung der Zuwiderhandlung

35      Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei nach der Rechtsprechung verpflichtet gewesen, die relevanten Produktmärkte oder zumindest die relevanten Produktkategorien zu analysieren, und bezieht sich insoweit auf das Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission (T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 206).

36      In diesem Urteil wies das Gericht darauf hin, dass im Rahmen der Anwendung von Art. 81 EG gegebenenfalls der relevante Markt festzulegen ist, um zu bestimmen, ob eine Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts bezweckt oder bewirkt (Urteile des Gerichts vom 21. Februar 1995, SPO u. a./Kommission, T‑29/92, Slg. 1995, II‑289, Randnr. 74, und vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 1093). Folglich ist die Kommission nur dann verpflichtet, in einer Entscheidung aufgrund von Art. 81 EG eine Abgrenzung des relevanten Markts vorzunehmen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts bezweckt oder bewirkt (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 230; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, Slg. 1998, II‑3141, Randnrn. 93 bis 95 und 103).

37      Die Klägerin behauptet vorliegend jedoch, die Bestimmung der relevanten Produktmärkte oder zumindest der relevanten Produktkategorien sei nicht erforderlich gewesen, um die nach Art. 81 EG beanstandeten Vorgehensweisen einzustufen, sondern um die Zuwiderhandlung und ihre konkreten Auswirkungen im Hinblick auf die Festsetzung der Geldbuße einzustufen, was eine andere Frage ist als der Vorwurf als solcher.

38      Die Bezugnahme auf das Urteil CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, ist somit unerheblich, da zum einen die Kommission den Sektor der elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte ausführlich definierte, indem sie die verschiedenen Arten betroffener Produkte (Randnrn. 4 bis 13 der Entscheidung) und den räumlich relevanten Markt für die genannten Produkte (Randnrn. 48 bis 50 der Entscheidung) klar unterschied, und zum anderen horizontale Preisabsprachen, die sich über das Gesamtgebiet des EWR erstrecken – wie die, auf die sich die Entscheidung bezieht –, als Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft schlechthin anzusehen sind.

39      In Wirklichkeit bezieht sich das Vorbringen der Klägerin auf die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission und die entsprechende Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße.

40      Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, die Schwere der Zuwiderhandlung hätte von der Kommission speziell für jede vom Kartell betroffene Produktkategorie geprüft werden müssen. In diesem Prüfungsrahmen seien die Auswirkungen des Kartells für die elektrotechnischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte im Ganzen äußerst beschränkt, und es gebe keine oder nur geringe Auswirkungen auf dem europäischen Markt für Kohlenstoff- und Graphitblöcke sowie auf dem Sektor der mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte, was die Kommission hätte veranlassen müssen, unterschiedliche Grundbeträge festzusetzen.

41      An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin dieselben Argumente im Rahmen der Rügen vorbringt, mit denen sie die Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags der Geldbuße und eine fehlerhafte Beurteilung der mildernden Umstände durch die Kommission geltend macht. Diese Rügen werden später ebenfalls geprüft.

42      Für sich allein betrachtet kann die Rüge, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, weil sie die relevanten Produktmärkte oder zumindest die relevanten Produktkategorien nicht abgegrenzt habe, nicht durchgreifen.

43      Zunächst ist festzustellen, dass nach Auffassung der Kommission die Adressaten der Entscheidung an einer „einzigen komplexen [und fortgesetzten] Zuwiderhandlung“ gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen teilgenommen hatten, die sich über das Gesamtgebiet des EWR erstreckt hatte, und dass die Klägerin in ihrer Erwiderung ausdrücklich ausgeführt hat, dass sie das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall nicht bestreite.

44      Aus der Entscheidung ergibt sich sodann, dass die Geldbußen nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzt wurden und dass die Kommission – auch wenn die Entscheidung sich nicht ausdrücklich auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), bezieht – die Höhe der Geldbußen unter Anwendung der in den Leitlinien beschriebenen Methode errechnete.

45      Nach dieser Methode wählt die Kommission als Ausgangspunkt bei der Berechnung der gegen die betroffenen Unternehmen zu verhängenden Geldbußen einen anhand der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrag. Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Teil A Abs. 1 der Leitlinien). Dabei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt: „minder schwere Verstöße“, bei denen Geldbußen zwischen 1 000 und 1 Mio. Euro in Betracht kommen, „schwere Verstöße“, bei denen die Geldbußen zwischen 1 Mio. und 20 Mio. Euro liegen können, und „besonders schwere Verstöße“, für die Geldbußen oberhalb von 20 Mio. Euro vorgesehen sind (Nr. 1 Teil A Abs. 2, erster bis dritter Gedankenstrich). Innerhalb dieser einzelnen Kategorien ermöglicht die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine differenzierte Behandlung der Unternehmen gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Teil A Abs. 3). Ferner ist die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu berücksichtigen, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und die Geldbuße ist auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Teil A Abs. 4).

46      Damit wird sichtbar, dass die konkreten Auswirkungen des „Verstoßes“ auf den Markt zu berücksichtigen sind, sofern diese messbar sind, und dass entgegen den Ausführungen der Klägerin die Kommission nach den Leitlinien nicht verpflichtet ist, die Auswirkungen eines Kartells speziell für jede relevante Produktkategorie zu prüfen.

47      Gegen die Auffassung der Klägerin spricht auch das von beiden Parteien herangezogene Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, Slg. 1994, II‑755), mit dem die Klage eines Unternehmens abgewiesen wurde, gegen das die Kommission eine einheitliche Geldbuße für mehrere Verstöße gegen Art. 82 EG verhängt hatte. In Randnr. 236 des Urteils stellte das Gericht fest:

„D]ie Kommission [ist] entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet …, den Betrag der Geldbuße nach den verschiedenen Teilen des Missbrauchs aufzuschlüsseln … Eine solche Aufschlüsselung ist insbesondere dann unmöglich, wenn wie im vorliegenden Fall sämtliche festgestellten Zuwiderhandlungen Teil einer zusammenhängenden Gesamtstrategie sind und aus diesem Grund sowohl im Hinblick auf die Anwendung des Artikels [82 EG] als auch hinsichtlich der Festsetzung der Geldbuße in umfassender Weise beurteilt werden müssen. Es reicht aus, wenn die Kommission in der Entscheidung ihre Kriterien für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbuße angibt. Sie ist nicht verpflichtet, im einzelnen darzulegen, wie sie jeden der Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die unter diesen Kriterien aufgeführt und bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbuße herangezogen worden sind.“

48      Überdies entschied das Gericht im Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt (Randnr. 4761), dass die Kommission in Anwendung von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 gegen ein Unternehmen, das mehrere Zuwiderhandlungen begangen hat, eine einzige Geldbuße festsetzen kann, ohne den Betrag der Geldbuße nach den einzelnen Zuwiderhandlungen aufschlüsseln zu müssen. Dies gilt erst recht, wenn die verschiedenen Zuwiderhandlungen, um die es geht, Teil einer einheitlichen Gesamtstrategie sind.

49      Angesichts dieser Urteile kann die Klägerin nicht geltend machen, die Kommission sei im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen, jeden Teil der von ihr zugrunde gelegten einheitlichen Zuwiderhandlung getrennt zu untersuchen, vor allem weil es eine von allen Mitgliedern des Kartells befolgte Gesamtstrategie gibt, wo doch die Kommission nicht verpflichtet ist, die Schwere jeder Zuwiderhandlung zu prüfen, wenn sie einem Unternehmen, das mehrere Zuwiderhandlungen begangen hat, eine einzige Geldbuße auferlegt.

50      Entgegen den Darlegungen der Klägerin lässt diese Schlussfolgerung keine „willkürliche Kollektivbestrafung“ der an einem Kartell beteiligten Unternehmen zu.

51      So nahm die Kommission in der Entscheidung (Randnrn. 289 bis 298) bei der Berechnung des Ausgangsbetrags eine „differenzierte Behandlung“ vor, indem sie gemäß Nr. 1 Teil A Abs. 6 der Leitlinien entsprechend der Größe der Marktanteile mehrere Unternehmenskategorien bildete. Im Rahmen dieser Differenzierung kann eine eingeschränkte Marktpräsenz unter Umständen zu einem geringeren Ausgangsbetrag führen, selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, die Klägerin angesichts ihres Umsatzes auf dem betroffenen Produktmarkt zur ersten Kategorie gehört.

52      Zudem hatte die Kommission das relative Gewicht der Beteiligung jedes einzelnen Unternehmens, das die Klägerin im Rahmen ihrer Ausführungen zur fehlenden oder nur geringen Verwicklung in die rechtswidrigen Verhaltensweisen bezüglich bestimmter Produkte angeführt hat, bei der Beurteilung der mildernden Umstände zu prüfen, was auch geschah.

53      Die Stichhaltigkeit der Beurteilungen, die die Kommission insoweit vornahm, wird daher später zusammen mit den Rügen der Klägerin geprüft werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Fragen stehen.

 Zum von der Kommission durchgeführten Verfahren

54      Die Klägerin ist der Auffassung, es sei offensichtlich unlogisch und widerspreche einer ordnungsgemäßen Verwaltung, dass die Kommission nur ein Verfahren für Verhaltensweisen einleite, die mehrere Kategorien völlig unterschiedlicher Produkte beträfen. Die Kommission hätte

–        entweder nur eine Entscheidung erlassen dürfen, die alle Kartelle im Sektor der Kohlenstoff- und Graphitprodukte betroffen hätte, wie es die amerikanischen Wettbewerbsbehörden getan hätten, wodurch die Kommission veranlasst gewesen wäre, der Klägerin eine Geldbuße von höchstens 61,37 Mio. Euro aufzuerlegen,

–        oder gemäß ihrer in den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit zum Ausdruck kommenden Entscheidungspraxis mehrere Entscheidungen erlassen müssen, die jede einzelne relevante Produktkategorie betroffen hätten, wodurch die Kommission veranlasst gewesen wäre, den Ausgangsbetrag weit unterhalb von 35 Mio. Euro festzusetzen.

55      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht behauptet, dass die Kartelle, auf die sich die Entscheidungen der Kommission bezüglich der Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit beziehen, sowie das Kartell, das die vorliegende Entscheidung nach sich zog, in Wirklichkeit nur eine Zuwiderhandlung darstellten. Sie macht lediglich geltend, dass die amerikanischen Wettbewerbsbehörden im Sektor der Kohlenstoff- und Graphitprodukte einem globalen Ansatz gefolgt seien, der zum Erlass einer einzigen Entscheidung geführt habe.

56      Die Klägerin hat daher nicht behauptet und erst recht nicht bewiesen, dass die Kommission für die Märkte für Graphitelektroden, Spezialgraphit sowie elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff‑ und Graphitprodukte regelwidrig drei verschiedene Verfahren eingeleitet, vier Verstöße festgestellt und ihr vier verschiedene Geldbußen auferlegt habe. Es ist hervorzuheben, dass es der Kommission freistand, gegen die Klägerin vier gesonderte Geldbußen jeweils nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festzusetzen, sofern die Klägerin vier verschiedene Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 1 EG begangen hat, wobei daran zu erinnern ist, dass die Kommission in der Sache Spezialgraphit nur ein Verfahren eingeleitet hat, das zum Erlass einer einheitlichen Entscheidung führte, mit der zwei verschiedene Zuwiderhandlungen, eine auf dem Markt für isostatischen Graphit und eine auf dem Markt für stranggepressten Graphit, festgestellt und gegen die Klägerin zwei verschiedene Geldbußen verhängt wurden.

57      Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass die Praxis der amerikanischen Wettbewerbsbehörden nicht die Kommission binden kann, die für die Durchführung und Ausrichtung der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft verantwortlich ist.

58      Hierzu ist festzustellen, dass die Ausübung der Befugnisse durch die mit dem Schutz des freien Wettbewerbs betrauten Behörden von Drittstaaten im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit den in diesen Staaten bestehenden Anforderungen genügen muss. Die den Rechtsordnungen anderer Staaten im Bereich des Wettbewerbs zugrunde liegenden Elemente enthalten nämlich nicht nur spezielle Zwecke und Zielsetzungen, sondern führen auch zum Erlass besonderer materieller Vorschriften sowie zu ganz unterschiedlichen Rechtsfolgen im Bereich des Verwaltungs-, Straf- oder Zivilrechts, wenn die Behörden der genannten Staaten das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die anwendbaren Wettbewerbsregeln festgestellt haben (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, Slg. 2006, I‑5977, Randnr. 29).

59      Ganz anders ist die Rechtslage dagegen, wenn auf ein Unternehmen im Bereich des Wettbewerbs ausschließlich das Gemeinschaftsrecht und das Recht eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, d. h., wenn sich ein Kartell, wie hier, ausschließlich auf den örtlichen Anwendungsbereich der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnr. 30).

60      Daraus folgt, dass die Kommission, wenn sie das rechtswidrige Verhalten eines Unternehmens ahndet, auch dann, wenn dieses Verhalten seinen Ursprung in einem Kartell mit internationalem Charakter hat, zum Schutz des freien Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts tätig wird, der nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG ein grundlegendes Ziel der Gemeinschaft darstellt. Aufgrund des speziellen Charakters des auf Gemeinschaftsebene geschützten Rechtsguts können die Beurteilungen, die die Kommission aufgrund ihrer einschlägigen Befugnisse vornimmt, erheblich von den Beurteilungen durch die Behörden von Drittstaaten abweichen (Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnr. 31).

61      Die Schlüsse auf eine gegen die Klägerin festsetzbare Geldbuße von höchstens 61,37 Mio. Euro und auf einen angeblichen Verstoß der Kommission gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, die die Klägerin aus der hypothetischen Situation herleitet, dass einer Entscheidung der Kommission eine Gesamtbeurteilung der Kohlenstoff- und Graphitprodukte zugrunde liegt, sind somit ohne Belang.

62      Zweitens ergibt sich entgegen den Ausführungen der Klägerin aus den Sachen Graphitelektroden und Spezialgraphit nicht, dass jeder einzelne Markt für Kohlenstoff- und Graphitprodukte Gegenstand eines von den Wettbewerbsbehörden der Gemeinschaft durchgeführten gesonderten Verwaltungsverfahrens war.

63      In der Sache Spezialgraphit leitete die Kommission nur ein Verfahren ein, das zum Erlass einer einheitlichen Entscheidung führte, mit der zwei verschiedene Zuwiderhandlungen, eine auf dem Markt für isostatischen Graphit und eine auf dem Markt für stranggepressten Graphit, festgestellt und gegen die Klägerin zwei verschiedene Geldbußen verhängt wurden.

64      Jedenfalls ist die Kommission im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass die Adressaten der Entscheidung eine einheitliche Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG begangen hätten. Sie begründete ihre Auffassung in Randnr. 230 der Entscheidung wie folgt:

„Trotz des Arguments von [LCL], Kohlenstoff- und Graphitblöcke seien nicht mit fertigen Kohlenstoff- und Graphitprodukten austauschbar, steht die Kommission auf dem Standpunkt, dass die gesamte von diesem Verfahren betroffene Produktgruppe Gegenstand einer einzigen komplexen Zuwiderhandlung war. Die Substituierbarkeit ist nach Auffassung der Kommission nur ein Element, das sie zu berücksichtigen hat. Andere Faktoren können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehört insbesondere die Funktionsweise des Kartells. In diesem Verfahren koordinierten dieselben Kartellmitglieder in denselben Zusammenkünften ihr Geschäftsverhalten bezüglich einer ganzen Gruppe verbundener (wenngleich nicht substituierbarer) Produkte, die von allen oder den meisten von ihnen hergestellt und verkauft wurden. Der Hauptzweck der Kartellvereinbarung, Blöcke an Dritte gar nicht oder nur zu sehr hohen Preisen zu verkaufen, bestand darin, die aus diesen Blöcken hergestellten Produkte – d. h. den Gegenstand der Kartellhauptvereinbarung – gegen möglichen Wettbewerb zu verteidigen. Die Vereinbarung über Blöcke war daher der Hauptvereinbarung über Endprodukte untergeordnet. In Anbetracht dieser Umstände hat die Kommission beschlossen, die Tätigkeiten des Kartells als einzige komplexe Zuwiderhandlung zu betrachten. Keiner der Adressaten dieser Entscheidung hat die Auffassung vertreten, es lägen mehrere Zuwiderhandlungen vor.“

65      Die Kommission hat im vorliegenden Fall aus objektiven Gründen ein Verfahren eingeleitet, das Vorliegen nur einer Zuwiderhandlung festgestellt und in der Entscheidung gegen die Klägerin eine Geldbuße festgesetzt. Überdies ist daran zu erinnern, dass die Klägerin das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung nicht bestreitet.

66      Demnach kann der Beschluss der Kommission, eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung geahndet wird, nicht als „unlogisch“ und oder als im Widerspruch zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung stehend angesehen werden.

67      Nach alledem ist die Rüge, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie die relevanten Produktmärkte oder zumindest die relevanten Produktkategorien nicht abgegrenzt habe, zurückzuweisen.

 Zur behaupteten fehlerhaften Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und zur behaupteten Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags der Geldbuße

68      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere einer Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren zu bestimmen, hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 43; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 240 bis 242).

69      Wie oben ausgeführt, errechnete die Kommission im vorliegenden Fall die Höhe der Geldbußen unter Anwendung der in den Leitlinien festgelegten Methode.

70      Nach ständiger Rechtsprechung können die Leitlinien zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, sie stellen jedoch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 209 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Die Kommission hat dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie sie von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 211 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Ferner ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Leitlinien eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens enthalten, das sich die Kommission zur Festsetzung der nach Art. 15 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen auferlegt hat. Die Leitlinien, für deren Formulierung sich die Kommission vor allem der vom Gerichtshof entwickelten Kriterien bediente, schafften folglich Rechtssicherheit für die Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 213).

73      Es ist festzustellen, dass die Leitlinien erstens die Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solche regeln, auf deren Grundlage ein „allgemeiner Ausgangsbetrag“ errechnet werden kann. Zweitens wird die Schwere des Verstoßes im Hinblick auf die Merkmale des betroffenen Unternehmens untersucht, insbesondere im Hinblick auf seine Größe und seine Stellung auf dem relevanten Markt, was Anlass für die Gewichtung des Ausgangsbetrags, die Unterteilung der Unternehmen in Kategorien und die Festsetzung eines „spezifischen Ausgangsbetrags“ sein kann.

 Zum behaupteten überhöhten Ausgangsbetrag der Geldbuße im Hinblick auf die begrenzten Auswirkungen der beanstandeten Verhaltensweisen

74      Für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solche bestimmen die Leitlinien in Nr. 1 Teil A Abs. 1 und 2 Folgendes:

„Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen.

Die Verstöße werden in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“.

75      In der Entscheidung hat die Kommission folgende drei Merkmale hervorgehoben:

–        Die vorliegende Zuwiderhandlung bestehe im Wesentlichen aus der unmittelbaren und mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber, und solche Verhaltensweisen stellten ihrem Wesen nach die schwerwiegendsten Verstöße gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen dar (Randnr. 278 der Entscheidung);

–        die Kartellvereinbarungen seien umgesetzt worden und hätten sich auf den betreffenden EWR-Produktmarkt ausgewirkt, auch wenn sich diese Auswirkungen nicht konkret beziffern ließen (Randnr. 286 der Entscheidung);

–        das Kartell habe sich über den gesamten Gemeinsamen Markt und nach seiner Gründung auch auf den gesamten EWR erstreckt (Randnr. 287 der Entscheidung).

76      Die Kommission hat ihr Ergebnis in Randnr. 288 der Entscheidung wie folgt formuliert:

„Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass die Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet ist, eine besonders schwere Zuwiderhandlung begangen haben. Nach Auffassung der Kommission ist die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art und ihrer geografischen Reichweite als besonders schwerwiegend einzustufen, unabhängig davon, ob die Auswirkungen auf den Markt messbar sind oder nicht. In jedem Fall steht fest, dass die wettbewerbswidrigen Kartellvereinbarungen durchgeführt worden sind und sich auf den Markt ausgewirkt haben, auch wenn diese Auswirkungen nicht genau messbar sind.”

77      Die Klägerin wirft der Kommission vor, unter Verstoß gegen die Leitlinien und ihre frühere Entscheidungspraxis die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die betroffenen Märkte nicht geprüft und sich damit begnügt zu haben, auf der Grundlage der bloßen Behauptung der Umsetzung des Kartells festzustellen, dass dieses Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, ohne deren Bedeutung zu prüfen. Sie fügt hinzu, die Kommission habe angesichts der objektiv beschränkten Auswirkungen der beanstandeten Verhaltensweisen auf die betroffenen Märkte die Verhaltensweisen allenfalls als „schwere“ Verstöße einstufen und den Ausgangsbetrag auf weniger als 20 Mio. Euro festsetzen können.

78      Es ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass die Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ allein aufgrund der Art der Zuwiderhandlung und ihrer geografischen Reichweite erfolgt sei und dass zwar in der Entscheidung konkrete Auswirkungen des Kartells auf den Markt festgestellt worden seien, dieses Merkmal jedoch für die Einstufung der Zuwiderhandlung und somit bei der Berechnung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nicht berücksichtigt worden sei.

79      Gegen diesen Standpunkt spricht jedoch schon der Wortlaut der Randnrn. 278 bis 288 der Entscheidung. In Randnr. 281 der Entscheidung stellt die Kommission fest, der Wettbewerb sei konkret beeinträchtigt worden, was sich vorliegend aus der Umsetzung der Kartellvereinbarungen ergebe, auch wenn diese Wirkung nicht konkret quantifizierbar sei. Diese Feststellung folgt auf die Beschreibung der Art der Zuwiderhandlung und steht vor der Bestimmung ihrer geografischen Reichweite. Aus dem Inhalt von Randnr. 288 der Entscheidung, insbesondere der Verwendung der Formulierung „[u]nter Berücksichtigung aller Umstände“, lässt sich schließen, dass die Kommission die konkrete Auswirkung des Kartells auf den Markt bei der Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwerwiegend“ sehr wohl berücksichtigt hat, auch wenn sie hinzugefügt hat, diese Einstufung sei unabhängig davon gerechtfertigt, ob die Auswirkungen messbar seien oder nicht.

80      Zweitens ist festzustellen, dass die Kommission entgegen den Ausführungen der Klägerin nicht verpflichtet war, die rechtswidrigen Verhaltensweisen auf jedem der betroffenen Märkte konkret zu prüfen, wobei daran zu erinnern ist, dass die Kommission der Auffassung war, dass die in der Entscheidung genannten Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Ganzen eine komplexe und einheitliche Zuwiderhandlung darstellten, was die Klägerin nicht bestreitet, und dass nur die Auswirkungen der Zuwiderhandlung im Ganzen zu berücksichtigen seien (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 152, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 342).

81      Aus den Randnrn. 244 bis 248 und 280 bis 286 der Entscheidung geht drittens hervor, dass die Kommission aus der Umsetzung des Kartells konkret gefolgert hat, dass dieses sich auf den fraglichen Sektor konkret auswirke.

82      Die Kommission führt insoweit Folgendes aus: „Die vereinbarten allgemeinen prozentualen Preiserhöhungen wurden von jedem Kartellmitglied bei der Herausgabe einer neuen Preisliste umgesetzt … Erzielt wurde [die] Wirkung [der konkreten Wettbewerbsbeeinträchtigung] … durch Submissionsabsprachen dergestalt, dass bei Aufträgen öffentlicher Verkehrsunternehmen Unternehmen den Zuschlag erhielten, deren Angebote von vornherein so gestaltet waren, dass sie knapp unter dem Angebot anderer Kartellmitglieder lagen; durch die Zuweisung eines Hauptlieferanten für jeden Großabnehmer, so dass dieser seine Waren nur von dem ihm zugeteilten Lieferanten zu einem vorab bestimmten Preis beziehen konnte, ohne dass echter Wettbewerb stattfinden konnte; durch die Vereinbarung, Zuschneidebetriebe nicht oder nur zu künstlich überhöhten Preisen zu beliefern, so dass von den Zuschneidern auf dem Markt für Endprodukte kein wirksamer Wettbewerb ausgehen konnte.“ Nach Ansicht der Kommission konnte es angesichts des langen Zuwiderhandlungszeitraums und des Umstands, dass die beteiligten Unternehmen mehr als 90 % des EWR-Marktes kontrollierten, keinen Zweifel daran geben, dass der Wettbewerb auf diesem Markt konkret beeinträchtigt worden war (Randnrn. 245 und 281 der Entscheidung).

83      Es ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission bei der Beurteilung der konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt auf den Wettbewerb beziehen muss, der normalerweise ohne eine Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/7373, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 619 und 620, Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr‑Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 235, vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 645, und vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, im Folgenden: Urteil ADM I, Randnr. 150).

84      Im Fall einer Preisabsprache darf die Kommission annehmen, dass die Zuwiderhandlung Auswirkungen hatte, wenn die Kartellmitglieder Maßnahmen zur Anwendung der vereinbarten Preise trafen, indem sie diese z. B. den Kunden ankündigten, ihre Mitarbeiter anwiesen, sie als Verhandlungsgrundlage zu benutzen, und die Anwendung durch ihre Konkurrenten sowie ihren eigenen Vertrieb überwachten. Um auf eine Auswirkung auf den Markt schließen zu können, genügt es nämlich, dass die vereinbarten Preise als Grundlage für die Festlegung individueller Transaktionspreise dienten und damit den Verhandlungsspielraum der Kunden einschränkten (Urteile des Gerichts Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnrn. 340 und 341, vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 743 bis 745, und vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 285).

85      Dagegen kann, wenn die Umsetzung eines Kartells erwiesen ist, von der Kommission nicht verlangt werden, systematisch darzulegen, dass die Vereinbarungen es den betroffenen Unternehmen tatsächlich ermöglichten, ein höheres Niveau der Transaktionspreise als ohne Kartell zu erzielen. Insoweit kann der These, bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung könne nur berücksichtigt werden, dass ohne Absprache ein anderes Niveau der Transaktionspreise bestanden hätte, nicht gefolgt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnrn. 53 und 62). Im Übrigen wäre es unverhältnismäßig, eine solche Darlegung zu verlangen, die beträchtliche Ressourcen in Anspruch nehmen würde, weil sie den Rückgriff auf hypothetische Berechnungen anhand wirtschaftlicher Modelle erfordern würde, deren Genauigkeit nur schwer gerichtlich nachprüfbar und deren Unfehlbarkeit keineswegs erwiesen ist (Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Slg. 2000, I‑9855, I‑9858, Nr. 109).

86      Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist nämlich entscheidend, ob die Kartellmitglieder alles in ihrer Macht Stehende taten, damit ihre Pläne konkrete Auswirkungen hatten. Was dann auf der Ebene der tatsächlich erzielten Marktpreise geschah, konnte durch andere, von den Kartellmitgliedern nicht kontrollierbare Faktoren beeinflusst werden. Die Kartellmitglieder können externe Faktoren, die ihre Bemühungen durchkreuzten, nicht zu ihren Gunsten anführen und zu Umständen umdeuten, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen (Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Nrn. 102 bis 107).

87      Die Kommission war somit berechtigt, aus der Umsetzung des Kartells auf das Vorliegen einer Auswirkung auf den Markt zu schließen, nachdem sie in schlüssiger Weise darauf hingewiesen hatte, dass das Kartell über einen Zeitraum von mehr als elf Jahren bestand und seine Mitglieder über 90 % des EWR-Marktes kontrollierten. Eine genaue Bezifferung des Umfangs dieser Auswirkung war nicht erforderlich.

88      Zur Stichhaltigkeit der Feststellungen, aus denen die Kommission dieses Ergebnis ableitete, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht beweist und nicht einmal behauptet, dass das Kartell nicht umgesetzt worden sei.

89      Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, dass sie bei der Umsetzung der rechtswidrigen Verhaltensweisen im Bereich der mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte eine „untergeordnete“ Rolle gespielt habe und dass ein Verkauf von Kohlenstoff- und Graphitblöcken an Dritte nicht stattgefunden habe. Sie hat sich auch bei der Rüge, dass die Kommission die mildernden Umstände falsch beurteilt habe, darauf berufen, dass sie bestimmte Kartellvereinbarungen tatsächlich nicht angewandt habe. Dem Vorbringen, das sich auf das eigene Verhalten der Klägerin bezieht, kann jedoch nicht gefolgt werden. Das von einem Unternehmen behauptete tatsächliche Verhalten ist nämlich für die Bewertung der Auswirkungen eines Kartells auf den Markt ohne Bedeutung; zu berücksichtigen sind allein die Auswirkungen der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 152, und Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 342).

90      Aus den Schriftsätzen der Klägerin geht hervor, dass sie sich im Wesentlichen darauf beschränkt geltend zu machen, dass das Kartell eine begrenzte Auswirkung für bestimmte relevante Produkte gehabt habe und nur teilweise umgesetzt worden sei, eine Behauptung, die, ihre Richtigkeit unterstellt, nicht zum Nachweis geeignet ist, dass die Kommission bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung einen Fehler begangen hat, indem sie den Umstand berücksichtigte, dass die in Rede stehenden rechtswidrigen Verhaltensweisen tatsächliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte hatten (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 148).

91      Schließlich ist festzustellen, dass die Einstufung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ auch dann noch angemessen wäre, wenn die Kommission eine konkrete Auswirkung des Kartells nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hätte. Die drei Aspekte der Bewertung der Schwere des Verstoßes haben nämlich im Rahmen der Gesamtprüfung nicht das gleiche Gewicht. Die Art der Zuwiderhandlung spielt insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ eine vorrangige Rolle. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schweren Verstöße in den Leitlinien, dass Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die insbesondere wie hier auf die Festsetzung der Preise abzielen, allein schon aufgrund ihres Wesens als „besonders schwer“ eingestuft werden können, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere Auswirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet zu sein brauchen. Dies wird dadurch bestätigt, dass in der Beschreibung der schweren Verstöße ausdrücklich erwähnt wird, dass sie Auswirkungen auf den Markt haben und in einem größeren Teil des Gemeinsamen Markts zum Tragen kommen, während die Beschreibung der besonders schweren Verstöße kein Erfordernis konkreter Auswirkungen auf den Markt oder von Auswirkungen in einem besonderen räumlichen Bereich enthält (Urteile des Gerichts vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 178, und vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 150).

92      Was die Behauptung angeht, es gebe eine frühere Praxis der Kommission, die dem in der Entscheidung gefolgten Ansatz widerspreche, so ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile de Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnrn. 201 und 205, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 60) eine Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann und Entscheidungen in anderen Fällen nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind. Festzustellen ist, dass im vorliegenden Fall der Beweis für eine solche Diskriminierung von der Klägerin nicht erbracht worden ist.

93      Schließlich macht die Klägerin geltend, die Kommission hätte, wenn die beanstandeten Verhaltensweisen – was tatsächlich nicht der Fall sei – als „besonders schwer“ eingestuft werden könnten, den Ausgangsbetrag der Geldbuße auf der untersten Stufe der für „besonders schwere“ Verstöße vorgesehenen Beträge festsetzen müssen, eben um den begrenzten Auswirkungen dieser Verhaltensweisen auf den relevanten Märkten Rechnung zu tragen.

94      Mit diesem Vorbringen scheint die Klägerin die Auffassung zu vertreten, dass, selbst wenn man davon ausginge, dass der Verstoß zu Recht als „besonders schwer“ eingestuft worden sei, die Kommission dadurch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen hätte, dass sie den Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro festgesetzt habe, der 20 Mio. Euro nicht hätte überschreiten dürfen in Anbetracht der begrenzten Auswirkung des Verstoßes, die sich daraus ergebe, dass die Klägerin an der auf dem Markt für Kohlenstoff- und Graphitblöcke bzw. ‑platten begangenen Zuwiderhandlung nicht beteiligt gewesen sei, dass sie an den bei mechanischen Produkten begangenen Zuwiderhandlungen nur am Rande beteiligt gewesen sei und dass die Auswirkungen der beanstandeten Verhaltensweisen auf den Märkten für elektrotechnische Produkte äußerst beschränkt gewesen seien.

95      Es ist jedoch daran zu erinnern, dass, wie oben in Randnr. 89 ausgeführt, das von einem Unternehmen behauptete tatsächliche Verhalten für die Bewertung der Auswirkungen eines Kartells auf den Markt ohne Bedeutung ist.

96      Aus den Randnrn. 120 und 124 der Entscheidung geht ferner hervor, dass die Kommission nicht zum Ergebnis gelangte, dass das Kartell eine bedeutende Auswirkung auf alle betroffenen Produkte und Kunden gehabt habe, sondern dass sie selbst einräumte, dass, wie von der Klägerin vorgetragen, die ihre Darlegungen auf die Feststellungen der Kommission stützt, diese Auswirkungen bei einzelnen Produkten möglicherweise begrenzter gewesen seien. Die Klägerin hat im Übrigen nicht behauptet und erst recht nicht bewiesen, dass die Kommission die Wirkungen des Kartells aufgrund von Übertreibungen falsch dargestellt habe.

97      Zudem ist festzustellen, dass die Klägerin an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen für elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte sowie für Kohlestoff- und Graphitblöcke, aus denen die genannten Produkte hergestellt werden, beteiligt war und dass diese Gruppe mit einander verbundener Erzeugnisse insgesamt Gegenstand einer komplexen und einheitlichen Zuwiderhandlung war. Für die Beurteilung der Auswirkungen auf den Markt dürfen indessen nur die Wirkungen der gesamten Zuwiderhandlung berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 152, und Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 342), und die Klägerin macht nicht geltend, dass die Auswirkungen des Kartells für Halbfertigerzeugnisse, mechanische Produkte oder auch für elektrotechnische Produkte für „Kleinkunden“ begrenzt gewesen seien.

98      Unter diesen Umständen ist die Rüge, mit der die Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags der Geldbuße in Anbetracht der angeblich begrenzten Auswirkungen der beanstandeten rechtswidrigen Verhaltensweisen geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

 Zum behaupteten überhöhten Ausgangsbetrag der Geldbuße angesichts der geringen Beteiligung der Klägerin am Kartell

99      Die Klägerin führt aus, die Kommission habe bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung und damit bei der Bemessung des Ausgangsbetrags der Geldbuße die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen der beschuldigten Unternehmen zu berücksichtigen. Sie verweist auf das Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Ventouris/Kommission (T‑59/99, Slg. 2003, II‑5257, Randnrn. 200 und 219) und beantragt, unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie an den Verhaltensweisen auf dem Markt für Kohlenstoff- und Graphitblöcke nicht beteiligt gewesen sei und bei den Verhaltensweisen im Bereich der mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte eine untergeordnete Rolle gespielt habe, die Geldbuße erheblich herabzusetzen. Indem die Kommission gegen die Klägerin einen gleich hohen Ausgangsbetrag von 35 Mio. Euro wie gegen Morgan festgesetzt und Schunk und SGL einen Ausgangsbetrag von nur 21 Mio. Euro auferlegt habe, obwohl diese letztgenannten drei Unternehmen an allen in der Entscheidung angeführten Verhaltensweisen beteiligt gewesen seien, habe sie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

100    Wie die Kommission zu Recht ausführt, verwechselt die Argumentation der Klägerin die Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung, die das Ausgangsniveau der Geldbuße bestimmen soll, mit der Bewertung der relativen Schwere des Tatbeitrags jedes betroffenen Unternehmens. Die letztgenannte Frage ist im Rahmen der eventuellen Berücksichtigung erschwerender oder mildernder Umstände zu prüfen.

101    Wie bereits dargelegt, berücksichtigte die Kommission im Rahmen der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung nach Maßgabe der Leitlinien die Art der Zuwiderhandlung, deren tatsächliche Auswirkungen auf den relevanten Markt und den räumlichen Umfang dieses Marktes.

102    Wenn sich die Kommission auf die Auswirkungen der Zuwiderhandlung stützt, um deren Schwere gemäß Nr. 1 Teil A Abs. 1 und 2 der Leitlinien zu bewerten, so hat sie hierfür die Auswirkungen der gesamten Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, an der alle Unternehmen beteiligt waren (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 152), so dass eine Berücksichtigung des individuellen Verhaltens oder der spezifischen Daten des einzelnen Unternehmens insoweit ohne Bedeutung ist.

103    Die Bezugnahme auf das Urteil Ventouris/Kommission, oben in Randnr. 99 angeführt (Randnrn. 200 und 219), ist ebenfalls ohne Bedeutung, da es nicht, wie im vorliegenden Fall, eine einheitliche Zuwiderhandlung betrifft, sondern die Ahndung von zwei verschiedenen Zuwiderhandlungen durch die Kommission. In diesem Urteil stellte das Gericht fest, dass die Kommission die Unternehmen, die an zwei Zuwiderhandlungen beteiligt waren, genauso bestraft hatte wie die Unternehmen, die nur an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, und so gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hatte. Die Geldbuße der klagenden Partei, die an einer der beiden Zuwiderhandlungen nicht beteiligt war, aber bestraft worden war, als wäre sie an beiden Zuwiderhandlungen beteiligt gewesen, wurde durch das Gericht ermäßigt.

104    Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung und ihre Beteiligung an dieser. Sie macht nur geltend, dass das relative Gewicht ihrer Beteiligung geringer sei als das anderer beteiligter Unternehmen wie Morgan, Schunk und SGL. Die Ausführungen der Klägerin zur Begründung dieser Behauptung werden daher im Rahmen der Rügen geprüft werden, mit denen eine fehlerhafte Beurteilung der mildernden Umstände durch die Kommission geltend gemacht wird.

 Zum behaupteten überhöhten Ausgangsbetrag der Geldbuße im Hinblick auf die Umsätze der Klägerin

105    Angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen und zu dem Zweck, das Gewicht jedes einzelnen Unternehmens und damit die tatsächliche Auswirkung der individuellen Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, differenzierte die Kommission zwischen den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen entsprechend Nr. 1 Teil A Abs. 4 und 6 der Leitlinien. Sie teilte die Unternehmen hierzu in drei Kategorien ein, wobei sie den Umsatz heranzog, den jedes Unternehmen mit den in Rede stehenden Produkten im EWR einschließlich des Werts des Eigenverbrauchs erzielt hatte. Hieraus ergibt sich ein Marktanteil, der die Bedeutung der Beteiligung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung erkennen lässt und Aufschluss über ihre tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit gibt, den Wettbewerb erheblich zu schädigen (Randnrn. 289 bis 291 der Entscheidung).

106    Dem Vergleich wurden die Umsatzdaten (ausgedrückt in Mio. Euro) von 1998, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, für die in Rede stehenden Produkte zugrunde gelegt, wie sie aus der in Randnr. 37 der Entscheidung enthaltenen Tabelle 1 „Geschätzte Umsätze (einschließlich des Eigenverbrauchs) und Marktanteile im EWR für die vom Verfahren betroffene Produktgruppe im Jahr 1998“ hervorgehen:

Anbieter

Umsatz (einschließlich Eigenverbrauch)

Marktanteil im EWR

(in %)

Conradty

9

3

Hoffmann

17

6

[LCL]

84

29

Morgan

68

23

Schunk

52

18

SGL

41

14

Andere

20

7

Insgesamt

291

100


107    Infolgedessen wurden die Klägerin und Morgan als die zwei größten Marktteilnehmer mit Marktanteilen von mehr als 20 % der ersten Kategorie zugeordnet. Schunk und SGL wurden als mittelgroße Marktteilnehmer mit Marktanteilen zwischen 10 % und 20 % der zweiten Kategorie zugeordnet. Hoffmann und Conradty wurden als kleine Marktteilnehmer mit Marktanteilen von weniger als 10 % der dritten Kategorie zugeordnet (Randnrn. 37 und 297 der Entscheidung).

108    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen setzte die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro für die Klägerin und Morgan, 21 Mio. Euro für Schunk und SGL sowie 6 Mio. Euro für Hoffmann und Conradty fest (Randnr. 298 der Entscheidung).

109    Im Rahmen ihrer Rüge macht die Klägerin geltend, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, den Umsatz aus dem Verkauf der relevanten Produkte im EWR zu berücksichtigen, und dass der von der Kommission festgesetzte Ausgangsbetrag von 35 Mio. Euro im Vergleich zu dem auf den einzelnen relevanten Märkten erzielten Umsatz unverhältnismäßig sei (der genannte Betrag entspreche 41,7 % des in der Entscheidung genannten Umsatzes von 84 Mio. Euro, 46,3 % des Umsatzes für die elektrotechnischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte und 421 % des Umsatzes für die mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte); diese Schlussfolgerung dränge sich angesichts der früheren Entscheidungspraxis der Kommission und der Rechtsprechung auf. Die Rechtsprechung verlange, dass die Höhe der Geldbuße im „vernünftigen Verhältnis“ zu dem auf dem relevanten Markt erzielten Umsatz stehe.

110    Erstens ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung (Urteile JCB Service/Kommission, oben in Randnr. 92 angeführt, Randnrn. 201 und 205, und Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 92 angeführt, Randnr. 60) eine Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann und Entscheidungen in anderen Fällen nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind.

111    Die Klägerin legt für eine solche Diskriminierung keinen Beweis vor. Sie macht allgemein geltend, eine Untersuchung der Entscheidungspraxis der Kommission in jüngster Zeit zeige, dass der höchste Ausgangsbetrag, der allgemein in Sachen festgesetzt werde, die „besonders schwere“ und weltweit oder im gesamten EWR-Gebiet begangene Verstöße beträfen, im Allgemeinen zwischen 10 und 20 % des von dem betreffenden Unternehmen auf den relevanten Märkten erzielten Umsatzes liege. Die Klägerin betont, dass die Kommission in der Sache Spezialgraphit einen Ausgangsbetrag von 7,5 Mio. Euro gegen sie festgesetzt habe, der ungefähr 14,5 % des weltweit durch den Verkauf der relevanten Produkte erzielten Umsatzes entspreche.

112    Dieser Behauptung wird von der Kommission widersprochen, die als Beispiel Entscheidungen anführt, in denen sie Ausgangsbeträge festgesetzt habe, die 20 % des von den betreffenden Unternehmen auf dem relevanten Markt erzielten Umsatzes überstiegen. Die Kommission nennt den Fall der Asea Brown Boveri Ltd, gegen die im Rahmen der Entscheidung 1999/60/EG vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel [81 EG] (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung berichtigt worden sei, ein Ausgangsbetrag von 50 Mio. Euro festgesetzt worden sei, der 23 % des mit den relevanten Produkten erzielten Umsatzes entsprochen habe. Die Kommission nennt gleichfalls die Entscheidung 2003/437/EG vom 11. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.027 – Zinkphosphat) (ABl. 2003, L 153, S. 1), in der der Ausgangsbetrag von 3 Mio. Euro fast 100 % des Umsatzes eines jeden der vier Hauptbeteiligten des Kartells auf dem relevanten Markt entsprochen habe.

113    Zudem verfügt die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 127). Die Kommission ist somit dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau jederzeit anzuheben, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 109) und die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu verstärken (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 179).

114    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet ist, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen, insbesondere auf dem mit den relevanten Produkten erzielten Umsatz, beruhen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 255).

115    Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 241 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Sofern die Obergrenze eingehalten wird, die Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorsieht und die sich auf den Gesamtumsatz bezieht (vgl. Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 119), kann die Kommission den Umsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen, um bei der Bemessung der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung zu beurteilen, doch darf diesem Umsatz nicht eine im Verhältnis zu anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung beigemessen werden (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 257 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Im vorliegenden Fall hat die Kommission die in den Leitlinien festgelegte Berechnungsmethode angewandt, die für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Rahmen der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Berücksichtigung zahlreicher Kriterien vorsieht, darunter insbesondere die Art der Zuwiderhandlung, ihre konkreten Auswirkungen, den räumlichen Umfang des betroffenen Marktes und die erforderliche Abschreckungskraft der Geldbuße. Auch wenn die Leitlinien nicht vorsehen, dass die Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des relevanten Umsatzes berechnet werden, schließen sie nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnrn. 258 und 260).

118    Wenn somit auch, wie die Klägerin hervorhebt, der Umsatz mit dem in Frage stehenden Produkt eine geeignete Grundlage darstellen kann, um, wie die Kommission es in der Entscheidung getan hat, die Schädigung des Wettbewerbs auf dem betroffenen Produktmarkt im EWR und die relative Bedeutung der Kartellteilnehmer im Hinblick auf die betroffenen Produkte zu ermitteln, ist doch dieser Gesichtspunkt bei weitem nicht das einzige Kriterium, nach dem die Kommission die Schwere der Zuwiderhandlung zu beurteilen hat.

119    Diesem Gesichtspunkt würde deshalb im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin eine übermäßige Bedeutung zuerkannt, wenn die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des von der Kommission festgelegten Ausgangsbetrags der Geldbuße darauf beschränkt bliebe, nur das Verhältnis dieses Betrags zu dem Umsatz mit den in Frage stehenden Produkten zu würdigen. Die Art der Zuwiderhandlung, ihre konkreten Auswirkungen, der räumliche Umfang des betroffenen Marktes und die erforderliche Abschreckungskraft der Geldbuße sind weitere Kriterien, die den genannten Betrag rechtfertigen können und die vorliegend auch von der Kommission berücksichtigt wurden. Insoweit ist die Kommission zu Recht von einem „besonders schweren“ Verstoß ausgegangen, da die Klägerin an einer horizontalen Absprache beteiligt war, deren Zweck im Wesentlichen in der unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, in der Aufteilung von Märkten insbesondere durch die Zuteilung von Kunden und in abgestimmten Maßnahmen gegen nicht dem Kartell angehörende Wettbewerber bestand und die sich konkret auf den EWR-Markt für die betroffenen Produkte auswirkte.

120    Was drittens die Behauptung angeht, der Ausgangsbetrag stehe außer Verhältnis zu dem auf „den einzelnen relevanten Märkten“ erzielten Umsatz, so lässt die Klägerin hierbei die Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung außer Acht, die sie in ihren Schriftsätzen selbst eingeräumt hat. Die Beziehung, die die Klägerin zwischen dem Ausgangsbetrag und den Umsätzen herstellt, die einerseits mit den elektrotechnischen und andererseits mit den mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukten erzielt wurden, ist somit ohne Bedeutung. Berücksichtigt werden kann nur das Verhältnis zwischen dem genannten Betrag und dem auf dem relevanten Markt erzielten Umsatz, der in der Entscheidung auf 84 Mio. Euro geschätzt wird.

121    Dem Umstand, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße fast der Hälfte des genannten Umsatzes entspricht, kommt allein keine Aussagekraft zu. Dieser Betrag von 35 Mio. Euro stellt nämlich nur einen Zwischenbetrag dar, der später bei Anwendung der in den Leitlinien festgelegten Methode nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung und der festgestellten erschwerenden oder mildernden Umstände angepasst wird (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 95).

122    Bei den als „besonders schwer“ einzustufenden Verstößen beschränken sich die Leitlinien speziell auf die Angabe, dass die voraussichtlichen Beträge der Geldbußen „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ liegen. Die einzigen in den Leitlinien erwähnten Obergrenzen, die für solche Verstöße zur Anwendung kommen können, sind die allgemeine Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 (vgl. die Präambel und Nr. 5 Buchstabe a der Leitlinien) – deren Verletzung im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wird – und die Obergrenzen für den Aufschlag, der aufgrund der Dauer des Verstoßes vorgenommen werden kann (vgl. Nr. 1 Teil B Abs. 1 zweiter und dritter Gedankenstrich der Leitlinien). Die Leitlinien enthalten nichts, was bei einem „besonders schweren“ Verstoß einer Erhöhung um einen absoluten Betrag, wie ihn die Kommission vorliegend anwandte, entgegenstünde.

123    Nach der Rechtsprechung verbietet Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der die allgemeine Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes übersteigt. Ebenso wenig untersagt er, Zwischenberechnungen, mit denen Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung getragen wird, an einem über der Obergrenze liegenden Betrag vorzunehmen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 278).

124    Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf das Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, und das Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994, Parker Pen/Kommission (T‑77/92, Slg. 1994, II‑549), berufen, da diese Entscheidungen die Festsetzung des Endbetrags der Geldbuße und nicht die ihres Ausgangsbetrags im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung betreffen und die Kommission im vorliegenden Fall die Berechnung des genannten Betrags nicht auf den Gesamtumsatz der Klägerin stützte (vgl. in diesem Sinne Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 121 angeführt, Randnrn. 98 und 99, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, T‑31/99, Slg. 2002, II‑1881, Randnr. 156).

125    Nach alledem ist die Rüge eines im Hinblick auf die Umsätze der Klägerin überhöhten Ausgangsbetrags der Geldbuße zurückzuweisen.

 Zur Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung der Geldbuße

126    In erster Linie wirft die Klägerin der Kommission – erstmals in der Erwiderung – vor, sie habe hinsichtlich der Berücksichtigung der erforderlichen Abschreckungskraft der Geldbuße gegen Art. 253 EG verstoßen.

127    Nach der Rechtsprechung stellt ein Klagegrund, mit dem eine unzulängliche Begründung gerügt wird, einen Gesichtspunkt dar, den der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen prüfen muss (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 67), und der daher von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1997, Kommission/Daffix, C‑166/95 P, Slg. 1997, I‑983, Randnr. 25, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 125).

128    Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob sie den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des betreffenden Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts, in dem er erlassen wurde (vgl. Urteil Kommission/Sytraval und Brink’s France, oben in Randnr. 127 angeführt, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts genügt die Kommission ihrer Begründungspflicht, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen; sie ist nicht verpflichtet, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Cascades/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnrn. 38 bis 47; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 1532). Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen sind, so nützlich sie auch sein mögen, für die Beachtung der Begründungspflicht nicht unabdingbar (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C‑182/99 P, Slg. 2003, I‑10761, Randnr. 75).

130    Was die Begründung für die Ausgangsbeträge in absoluten Zahlen angeht, so ist daran zu erinnern, dass die Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei ihrer Festsetzung eines Ermessens bedarf, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T‑150/89, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59). Außerdem muss verhindert werden, dass die Geldbußen für die Wirtschaftsteilnehmer leicht vorhersehbar sind. Daher kann nicht verlangt werden, dass die Kommission insoweit andere als die die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Begründungsfaktoren liefert.

131    Was im vorliegenden Fall die Behauptung angeht, dass die Entscheidung keine Begründung hinsichtlich der Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung bei der Bemessung des Ausgangsbetrags enthalte und dass dieses Kriterium nicht individualisiert worden sei, so ist erstens darauf hinzuweisen, dass, da die Abschreckung einen Zweck der Geldbuße darstellt, das Erfordernis ihrer Gewährleistung ein allgemeines Erfordernis ist, von dem sich die Kommission bei der gesamten Bußgeldberechnung leiten lassen muss, so dass diese Berechnung nicht zwingend einen speziellen Abschnitt umfassen muss, der zur Gesamtbeurteilung aller für die Verwirklichung dieses Zweckes relevanten Umstände dient (Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 226).

132    Die Kommission hat für die Berücksichtigung des Abschreckungszwecks in den Leitlinien keine individualisierten Methoden oder Kriterien festgelegt, deren Einzeldarstellung verbindlich sein könnte. Nr. 1 Teil A Abs. 4 der Leitlinien erwähnt im Zusammenhang mit den Hinweisen zur Bewertung der Schwere eines Verstoßes nur, dass es nötig sein wird, die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.

133    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen den Ausführungen der Klägerin bei der Darstellung der allgemeinen Vorgehensweise bei der Festsetzung der Geldbußen ausdrücklich hervorgehoben hat, dass es geboten sei, die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine abschreckende Wirkung entfalte, dass sie die Kartellteilnehmer anhand ihrer Marktanteile differenziert behandelt habe und dass sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße von LCL auf 35 Mio. Euro festgesetzt habe (Randnrn. 271 und 289 der Entscheidung).

134    Aus der Entscheidung geht deutlich hervor, dass die Kommission, um den Ausgangsbetrag der Geldbuße nach der Schwere der Zuwiderhandlung festzusetzen, zum einen die Zuwiderhandlung als solche anhand objektiver Gesichtspunkte wie die Art der Zuwiderhandlung selbst, ihre Auswirkungen auf den Markt und den räumlichen Marktumfang bewertete und zum anderen sich auf subjektive Gesichtspunkte stützte, nämlich das jeweilige Gewicht der einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen und damit die tatsächliche Auswirkung ihres rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb. Im Rahmen dieses zweiten Teils ihrer Beurteilung verfolgte sie insbesondere das Ziel, im Hinblick auf den verhältnismäßigen Anteil der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung und auf deren tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt erheblich zu schädigen, eine abschreckende Höhe der Geldbuße zu gewährleisten. Als Ergebnis ihrer Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung setzte die Kommission unmittelbar einen Ausgangsbetrag fest, der alle vorstehenden Gesichtspunkte berücksichtigte.

135    Die Kommission führte somit in ihrer Entscheidung nach Maßgabe der oben in Randnr. 129 genannten Rechtsprechung die Beurteilungskriterien auf, anhand deren sie die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung bewerten konnte. Folglich kann ihr ein Verstoß gegen Art. 253 EG nicht vorgeworfen werden.

136    Die Klägerin macht zum anderen geltend, die Kommission habe durch die Erhöhung des Ausgangsbetrags aus Gründen der abschreckenden Wirkung den Grundsatz ne bis in idem verletzt. Die Kommission stütze in der Entscheidung und der Klagebeantwortung zu Unrecht zwei aufeinander folgende Erhöhungen der Geldbuße auf denselben Grund, nämlich die Kenntnis und das Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Verhaltensweisen. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sie dadurch mit derselben Begründung zweimal bestraft und damit den oben genannten Grundsatz verletzt.

137    Aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt sich, dass die Klageschrift u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und im übrigen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines bereits vorher – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären (Urteile des Gerichts vom 20. September 1990, Hanning/Parlament, T‑37/89, Slg. 1990, II‑463, Randnr. 38, und vom 17. Juli 1998, Thai Bicycle/Rat, T‑118/96, Slg. 1998, II‑2991, Randnr. 142).

138    Die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem ist von der Klägerin unstreitig erstmals in der Erwiderung auf das angeblich neue Verteidigungsvorbringen der Kommission erhoben worden, dass sie die Höhe der Geldbuße unter Berücksichtigung ihrer abschreckenden Wirkung festsetzen könne, vor allem wenn es sich um einen typischen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht handele.

139    Diese einfache Erklärung der Kommission in der Klagebeantwortung kann nicht als ein rechtlicher oder tatsächlicher Grund angesehen werden, der erst während des Verfahrens zutage getreten ist, zumal die Kommission in der Entscheidung deutlich auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, darüber zu wachen, dass die Geldbuße auf einen Betrag festgesetzt wird, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet. Außerdem stellt das spezifische Vorbringen einer Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem in Bezug auf die Durchsetzung der abschreckenden Wirkung keine Erweiterung eines bereits vorher – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels dar.

140    Unter diesen Umständen ist die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem als unzulässig zurückzuweisen.

141    Die Klägerin macht schließlich geltend, die Berufung auf die abschreckende Wirkung sei ohnehin nicht erforderlich und damit unbegründet gewesen. Sie habe schon seit der Einleitung des Verfahrens in den Vereinigten Staaten im April 1999 und vor jedem Einschreiten der Kommission ihre Geschäftspolitik radikal und real geändert, was beweise, dass sie bereits davon abgehalten worden sei, einen erneuten Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften zu begehen. Folglich sei die aufgrund der abschreckenden Wirkung verhängte Erhöhung der Geldbuße aufzuheben und der Ausgangsbetrag der Geldbuße erheblich herabzusetzen.

142    Die vorstehend genannte Rüge ist aufgrund des Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen, und zwar aus den gleichen Gründen, wie sie oben in Randnr. 139 angeführt sind.

143    Jedenfalls ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass zwar wichtig ist, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergreift, um künftige erneute Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, dass dies jedoch nichts an der Tatsache der festgestellten Zuwiderhandlung ändert. Die Kommission ist somit nicht verpflichtet, diesen Gesichtspunkt als mildernden Umstand heranzuziehen, vor allem nicht, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Zuwiderhandlung einen offensichtlichen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellt (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 373). Auch wenn die Klägerin diesen Umstand im Rahmen der Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung der Geldbuße und nicht förmlich als mildernden Umstand geltend macht, gelten diese Erwägungen auch für den vorliegenden Fall.

144    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nicht festgestellt werden kann, wie wirksam interne Maßnahmen eines Unternehmens sind, die weitere Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht verhindern sollen. Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, veranlasste die radikale und reale Änderung der Geschäftspolitik der Klägerin, die angeblich seit der Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung in den Vereinigten Staaten im April 1999 erfolgte und in einem strengen Programm zur Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften zum Ausdruck kam, die Klägerin nicht, das von der Entscheidung erfasste Kartell aufzukündigen. Die Klägerin war erst zu einer Zusammenarbeit bereit, als sie von der Untersuchung der Kommission in Kenntnis gesetzt wurde.

145    Folglich kann der Rüge einer fehlerhaften Beurteilung der abschreckenden Wirkung und dem entsprechenden Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße nicht stattgegeben werden.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

146    Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder berufen, bei dem die Gemeinschaftsverwaltung begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile des Gerichtshofs vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products/Kommission, 265/85, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44, und vom 26. Juni 1990, Sofrimport/Kommission, C‑152/88, Slg. 1990, I‑2477, Randnr. 26), wobei eine Verletzung dieses Grundsatzes nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die Verwaltung präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben hat (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, im Folgenden: Urteil Tokai I, Randnr. 152 und die dort angeführte Rechtsprechung).

147    Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin lediglich, die zuständigen Dienststellen der Kommission hätten ihr „Hinweise“ gegeben, aufgrund deren sie zu Recht habe „hoffen“ dürfen, dass angesichts ihres Beitrags zur Feststellung der Zuwiderhandlung die Geldbuße 20 Mio. Euro nicht übersteigen würde. Es genügt die Feststellung, dass ihre Beziehung zur Verwaltung, wie sie die Klägerin selbst darstellt, nicht die Voraussetzungen einer präzisen Zusicherung der Dienststellen der Kommission erfüllt. Die Bezugnahme auf ein Telefongespräch, in dem ein Vertreter der Kommission der Klägerin erklärt habe, dass die Geldbuße notwendigerweise höher als 15 Mio. Euro sein würde, „wenn die Kommission einen Ausgangsbetrag von 20 Mio. Euro festsetzen würde“, ist insoweit für den Nachweis präziser Zusicherungen ohne Bedeutung, da die Kommission lediglich eine Hypothese zum Ausdruck brachte.

148    Die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist daher zurückzuweisen.

149    Nach alledem sind die Rüge der fehlerhaften Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und die Rüge der Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags der Geldbuße zurückzuweisen.

 Zur Dauer der Zuwiderhandlung

150    Die Dauer der Zuwiderhandlung ist nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 einer der Gesichtspunkte, die bei der Bemessung der Geldbuße für Unternehmen, die gegen die Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.

151    Beim Kriterium der Dauer der Zuwiderhandlung unterscheiden die Leitlinien zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Ausgangsbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich).

152    In Randnr. 300 der Entscheidung stellte die Kommission fest, dass alle Unternehmen eine Zuwiderhandlung von langer Dauer begangen hätten und der Ausgangsbetrag der Geldbuße daher für jedes volle Jahr der Zuwiderhandlung um 10 % und für den verbleibenden Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr um 5 % erhöht werden sollte, was angesichts ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung während eines Zeitraums von zehn Jahren und acht Monaten für die Klägerin zu einer Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße um 105 % führe.

153    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von der Kommission berücksichtigte Dauer des Zuwiderhandlungszeitraums nicht ausdrücklich bestreitet. Sie führt jedoch in Randnr. 140 der Klageschrift aus, die Kommission habe den Ausgangsbetrag der Geldbuße um 105 % für eine Zuwiderhandlung von zehn Jahren und acht Monaten erhöht, „trotz der Tatsache, [dass sie] die Zuwiderhandlung mindestens sechs Monate vor den übrigen Beteiligten beendete“. Dieses letztgenannte Vorbringen wird übernommen bei der Erörterung der mildernden Umstände und der Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin die Zuwiderhandlung noch vor dem Eingreifen der Kommission und „spätestens im Juni 1999“ beendet habe (Randnr. 165 der Klageschrift). Zwischen der Klägerin und der Kommission besteht somit keine Meinungsverschiedenheit über die Länge des Zuwiderhandlungszeitraums, der nach Randnr. 299 der Entscheidung im Oktober 1988 begann und im Juni 1999 endete.

154    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin behauptet, die Kommission habe durch die Erhöhung des Ausgangsbetrags um 105 % die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit verletzt. Sie beruft sich zur Begründung dieser Behauptung nur auf die entsprechende Entscheidungspraxis der Kommission, die zeige, dass die Erhöhung selbst für Zuwiderhandlungen mit einer Dauer von mehr als 20 Jahren höchstens 100 % betrage.

155    Es genügt die Feststellung, dass die Klägerin das Beispiel einer Entscheidung der Kommission, in der für eine Zuwiderhandlung mit einer Dauer von 12 Jahren und 10 Monaten eine Erhöhung um 125 % ausgesprochen wurde, selbst vorgetragen hat, nämlich die Entscheidung 2003/673/EG der Kommission vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.519 – Methionin) (ABl. 2003, L 255, S. 1). Gegen diese Entscheidung wurde vor dem Gericht Klage erhoben (Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897), das die von der Kommission zugrunde gelegte Dauer der Zuwiderhandlung für gültig erklärte, jedoch über den Betrag der Erhöhung, die aufgrund dieser Dauer Anwendung fand, nicht zu entscheiden hatte.

156    Zudem hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung weitere Beispiele für Entscheidungen vorgelegt, in denen sie Erhöhungen um mehr als 100 % vorgenommen hatte, die von der Klägerin in der Erwiderung nicht bestritten worden sind.

157    Im Übrigen dürfen nach ständiger Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, C‑350/88, Slg. 1990, I‑395, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung) die Marktbürger nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können.

158    Im Bereich der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft verlangt deren wirksame Anwendung nach der Rechtsprechung (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 109, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 237) eindeutig, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen der Wettbewerbspolitik anpassen kann. Die Kommission ist somit dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau in den von der Verordnung Nr. 17 aufgezeigten Grenzen anzuheben.

159    Schließlich ist hervorzuheben, dass die Erhöhung des Ausgangsbetrags um 105 % angesichts der von der Klägerin anerkannten langen Dauer der Zuwiderhandlung nicht als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden kann.

160    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit wegen der Erhöhung des Ausgangsbetrags um 105 % aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung geltend gemacht wird, zurückzuweisen ist.

 Zu den mildernden Umständen

161    Nach der Rechtsprechung ist bei Begehung einer Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 150), um zu beurteilen, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

162    Nr. 3 der Leitlinien sieht eine Abänderung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe bestimmter mildernder Umstände vor.

 Zur fehlenden Berücksichtigung der behaupteten passiven Rolle der Klägerin

163    Die „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“ eines Unternehmens bei der Zuwiderhandlung stellen, wenn erwiesen, nach Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand dar, wobei diese passive Rolle impliziert, dass sich das betroffene Unternehmen nicht hervorgetan hat, d. h. nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Absprache(n) teilgenommen hat (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 121 angeführt, Randnr. 167).

164    Nach der Rechtsprechung kann es ein Anhaltspunkt für die passive Rolle eines Unternehmens innerhalb eines Kartells sein, dass es deutlich seltener als dessen übrige Mitglieder an den Besprechungen teilgenommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 343), dass es spät in den Markt, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, eingetreten ist, unabhängig davon, wie lange es an der Zuwiderhandlung mitgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1985, Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Slg. 1985, 3831, Randnr. 100), oder dass es entsprechende ausdrückliche Aussagen von Vertretern dritter an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Weig/Kommission, T‑317/94, Slg. 1998, II‑1235, Randnr. 264).

165    Die Klägerin behauptet erstens, sie sei auf dem Markt für Kohlenstoff- und Graphitblöcke niemals tätig gewesen und habe daher auf diesem Markt keine Zuwiderhandlung begehen können. In jedem Fall könnte, selbst wenn sie an der auf dem Markt für Halbfertigerzeugnisse begangenen Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre, ihre Mitwirkung bei der Durchführung dieser Zuwiderhandlung nur als passiv angesehen werden, wie dies von der Kommission in Randnr. 232 der Entscheidung anerkannt werde.

166    Vom Gericht in der mündlichen Verhandlung zur genauen Bedeutung dieser Ausführungen befragt, die im Rahmen einer auf die Berücksichtigung mildernder Umstände gestützten Rüge gemacht worden sind und deren einzige Schlussfolgerung ein Antrag auf erhebliche Herabsetzung der Geldbuße ist, hat die Klägerin klargestellt, dass ihr Vortrag nicht die von der Kommission zugrunde gelegte Zuwiderhandlung in Frage stellen solle, sondern nur darauf gerichtet sei, eine passive Rolle für sich in Anspruch zu nehmen.

167    Zu dem wettbewerbswidrigen Verhalten im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Zuschneider erläutert die Kommission in Randnr. 154 der Entscheidung, dass Kartellmitglieder abgesehen von Fertigerzeugnissen aus Kohlenstoff wie Kohlebürsten auch Kohlenstoffblöcke verkauft hätten, die zwar schon ausgepresst, aber noch nicht zerschnitten und in Bürsten oder andere Produkte umgeformt gewesen seien. Eine Reihe nicht am Kartell beteiligter Zuschneider kaufe diese Blöcke, zerschneide sie, verarbeite sie zu Fertigprodukten und verkaufe sie an die Abnehmer. Diese Zuschneider seien zwar Kunden der Kartellmitglieder, aber auch ihre Konkurrenten auf den Märkten für Fertigerzeugnisse.

168    Aus den Randnrn. 154 bis 166 der Entscheidung geht hervor, dass das Kartell bestrebt war, bei aus diesen Blöcken hergestellten Fertigerzeugnissen den Wettbewerb der Zuschneider dadurch zu begrenzen, dass ihnen die Belieferung verweigert werden sollte oder, wenn sie beliefert wurden, überhöhte Preise für die Kohlenstoffblöcke festgesetzt werden sollten.

169    In den Randnrn. 159 und 232 der Entscheidung wirft die Kommission der Klägerin eindeutig vor, sich an dieser Kartellpolitik beteiligt zu haben. Randnr. 232 der Entscheidung lautet wie folgt:

„Die Kommission akzeptiert jedenfalls nicht den Einwand von [LCL], [sie] habe sich an den Machenschaften des Kartells zur Verdrängung der Zuschneider vom Markt nicht beteiligt, weil [sie] alle hergestellten Blöcke selbst verarbeitet habe. Wie in Abschnitt 7.8 beschrieben, hat sich [LCL] an der Kartellstrategie beteiligt, Zuschneider entweder überhaupt nicht mit Blöcken zu beliefern oder nur zu sehr hohen Preisen. So soll [LCL] auf dem Kartelltreffen vom 14. Oktober 1993 in der Diskussion über die Frage ‚Sollen wir Blöcke verkaufen und unsere Spanne aufgeben oder nicht?‘ erklärt haben, ‚[sie] versuche, so wenig Blöcke wie möglich zu verkaufen und halte es für besser, lediglich an die eigenen Unternehmen zu verkaufen‘. Auch wenn [LCL] am tatsächlichen Boykott der Zuschneider selbst nicht beteiligt gewesen wäre, so hatte [sie] sich doch eindeutig die allgemeine Politik des Kartells, Zuschneider nicht oder nur zu sehr hohen Preisen zu beliefern, zu eigen gemacht und wie die anderen Kartellmitglieder von dem geringeren Wettbewerb vonseiten der Zuschneider profitiert. Dies reicht aus, um die Verantwortlichkeit von [LCL] zu bestätigen“.

170    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird in Randnr. 232 der Entscheidung nicht anerkannt, dass die Klägerin eine passive Rolle innehatte, d. h. dass sie nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Absprache über den Ausschluss der Zuschneider teilnahm, sondern im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass sich die Klägerin ausdrücklich dafür aussprach, die Belieferung der Zuschneider mit Blöcken einzustellen, und diese Lösung den Kartellmitgliedern sogar empfahl.

171    Die Klägerin führt zweitens aus, die Kommission erkenne an, dass sie bei den Verhaltensweisen im Bereich der mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Nach den eigenen Feststellungen der Kommission habe die Klägerin außerdem im April 1999 aufgehört, an den Sitzungen des Technischen Ausschusses teilzunehmen, also acht Monate vor der Auflösung des Kartells, was zumindest von Schunk als ernsthaftes Problem angesehen worden sei.

172    Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe an zahlreichen Sitzungen, die Morgan, Schunk und SGL am Rande der Sitzungen des Technischen Ausschusses organisiert hätten und in denen die meisten wichtigen Beschlüsse (insbesondere über die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Kunden) getroffen worden seien, nicht teilgenommen. Sie beruft sich auf die Zeugenaussage eines ihrer Angestellten, des internationalen Produktmanagers für mechanische Produkte, der in seiner Erklärung hervorgehoben habe, dass „außerhalb von drei Sitzungen, die im Rahmen der European Carbon and Graphite Association (ECGA, Europäischer Kohlenstoff- und Graphitverband) [am 2. April 1998 in Bandol (Frankreich), 12. Oktober 1998 in Berlin (Deutschland) und 8. April 1999 in Stratford upon Avon (Vereinigtes Königreich)] stattfanden, [LCL] an keiner weiteren bilateralen oder multilateralen Sitzung für mechanische Produkte teilgenommen [hat]“.

173    Vom Gericht in der mündlichen Verhandlung zur genauen Bedeutung dieser Ausführungen befragt, hat die Klägerin klargestellt, dass sich die Zeugenaussage ihres Angestellten nur auf seine Beteiligung bezogen habe und dass sie ihre Teilnahme an den Sitzungen des Technischen Ausschusses bezüglich der mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte nicht bestreite.

174    Aus der Entscheidung ergibt sich, dass die Arbeit des Kartells im Wesentlichen auf drei Arten von Treffen basierte, nämlich den Gipfeltreffen, den Sitzungen des Technischen Ausschusses und den regionalen Zusammenkünften, wobei die beiden ersten zweimal im Jahr stattfanden. Die Kartelltreffen auf europäischer Ebene fanden oft am Rande von Treffen des europäischen Branchenverbands statt, nämlich zunächst der Association of European Graphite Electrode Producers (AEGEP, Verband der europäischen Graphitelektrodenhersteller) und später der ECGA.

175    Die Beschlüsse über die Preishöhen und Preiserhöhungen wurden in der Regel jährlich auf dem Herbsttreffen des Technischen Ausschusses gefasst. Nach einer Diskussion einigte sich der Ausschuss in der Regel über die Preiserhöhungen für das nächste Jahr. Wenn sich die Kartellmitglieder nicht auf eine Preiserhöhung für ein bestimmtes Land einigen konnten, wurde die Entscheidung in der Regel an die betreffende Landeszusammenkunft des Kartells verwiesen. Die vom Technischen Ausschuss oder bei den regionalen Zusammenkünften vereinbarten Preiserhöhungen wurden zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Gipfeltreffen genehmigt (Randnrn. 98 und 99 der Entscheidung).

176    Die Kommission führt aus, dass sowohl die Gipfeltreffen als auch die Sitzungen des Technischen Ausschusses die elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte betroffen hätten, eine Bezeichnung, unter der in der Entscheidung (Randnr. 4) die End- und Halbfertigerzeugnisse zusammengefasst seien, wobei mit zunehmender Zahl von Produkten und zunehmender Komplexität der Absprachen die Sitzungen des Technischen Ausschusses oft in zwei verschiedene Sitzungen aufgespaltet worden seien, in eine, die den elektrotechnischen Produkten, und in eine andere, die den mechanischen Produkten gewidmet gewesen sei (Randnrn. 75 und 76 der Entscheidung).

177    Die Klägerin stellt nicht die Feststellungen der Kommission zu der Funktionsweise des Kartells in Frage. Angesichts der beschriebenen Funktionsweise des Kartells, der nicht bestrittenen Beteiligung der Klägerin an den Gipfeltreffen und den Sitzungen des Technischen Ausschusses, die bereits in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt wurde, und des Umstands, dass ein Vertreter der Klägerin der offizielle Referent für die Gipfeltreffen bezüglich der mechanischen Produkte war, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den mildernden Umstand der ausschließlich passiven Mitwirkung des Unternehmens berufen.

178    Die Klägerin will ferner die Anerkennung des vorstehend genannten mildernden Umstands erreichen, indem sie auf ihr Verhalten gegenüber bestimmten Kartellvereinbarungen und rechtswidrigen Verhaltensweisen hinweist, die unter die Zuwiderhandlung fallen, die von der Kommission zu Recht als komplex und einheitlich bezeichnet wird.

179    Schon der Wortlaut der Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien, die sich mit dem in Rede stehenden mildernden Umstand befasst, steht dem Verlangen der Klägerin entgegen. Der bloße Wortlaut der Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien mit dem Adverb „ausschließlich“ und dem Ausdruck „reines Mitläufertum“ lässt darauf schließen, dass es nicht genügt, dass sich das betreffende Unternehmen während bestimmter Zeiträume des Kartells oder hinsichtlich bestimmter Absprachen des Kartells „nicht hervorgetan“ hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnr. 254).

180    Eine Betrachtungsweise, die darin besteht, das Verhalten eines Unternehmens je nach Gegenstand der betreffenden Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen getrennt voneinander zu beurteilen, erscheint im Übrigen zumindest dann theoretisch, wenn diese zu einer allgemeinen, die Vorgehensweisen der Kartellmitglieder auf dem Markt festlegenden und ihre kommerzielle Handlungsfreiheit beschränkenden Strategie gehören, die einen gleichen wettbewerbswidrigen Zweck und ein einheitliches wirtschaftliches Ziel verfolgt, nämlich die Verfälschung der normalen Preisentwicklung und die Beschränkung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt.

181    In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Feststellung des Vorliegens dieses von den betreffenden Unternehmen gemeinsam verfolgten einheitlichen und gleichen wettbewerbswidrigen Zwecks die von der Kommission in der Entscheidung zugrunde gelegte Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung begründete. Die Kommission berücksichtigte auch ein konkretes Merkmal, nämlich die Funktionsweise des Kartells. In Randnr. 230 der Entscheidung stellte sie somit Folgendes fest: „In diesem Verfahren koordinierten dieselben Kartellmitglieder in denselben Zusammenkünften ihr Geschäftsverhalten bezüglich einer ganzen Gruppe verbundener (wenngleich nicht substituierbarer) Produkte, die von allen oder den meisten von ihnen hergestellt und verkauft wurden.“

182    Aus dem Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 121 angeführt, auf das sich die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens beruft, ergibt sich, dass sich die Funktionsweise des Lysinkartells von derjenigen des Kartells unterscheidet, das zum Erlass der Entscheidung führte. Die Begründung des genannten Urteils bringt deutlich zum Ausdruck, dass spezifische Kartellbesprechungen über Verkaufsmengen stattfanden, die sich von den Besprechungen unterschieden, die sich mit der Preisfestsetzung befassten. Darüber hinaus berücksichtigte das Gericht bei seiner Prüfung, die dazu führte, dass dem Unternehmen Cheil Jedang eine passive Mitwirkung bei der Absprache über die Verkaufsmengen zuerkannt wurde, ausdrücklich die geringe Größe des Unternehmens. Die Bezugnahme auf das genannte Urteil ist daher für die Umstände des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich.

183    Die Kommission räumt zwar ein, dass die Klägerin aufgrund ihres eher geringen Umsatzes bei mechanischen Produkten in dieser Sparte eine geringere Bedeutung im Kartell hatte als Morgan, Schunk und SGL (Randnr. 192 der Entscheidung), doch kann unter diesen Umständen einem Unternehmen, das, wie die Klägerin, nicht bestreitet, an einer länger als zehn Jahre dauernden einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt gewesen zu sein, das über den bedeutendsten Marktanteil verfügte und das seine Berufung auf einen mildernden Umstand mit der Berücksichtigung relativ nebensächlicher Einzelheiten der genannten Zuwiderhandlung begründet, keine „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“ zugestanden werden. Die Kommission hat daher zu Recht betont, dass

–        der Wert des Marktes für die mechanischen Produkte (nach Angaben der Klägerin lediglich 70 Mio. Euro im Jahr 1998) im Vergleich zum Gesamtwert des relevanten Marktes (der sich im selben Jahr auf 291 Mio. Euro belief) gering sei und deutlich niedriger als der Wert der elektrotechnischen Produkte;

–        der Zweck der Kartellvereinbarung, Blöcke an Dritte gar nicht oder nur zu sehr hohen Preisen zu verkaufen, darin bestanden habe, die aus diesen Blöcken hergestellten Produkte – d. h. den Gegenstand der Kartellhauptvereinbarung – gegen möglichen Wettbewerb zu verteidigen; die Vereinbarung über Blöcke sei daher der Hauptvereinbarung über Endprodukte untergeordnet gewesen (Randnr. 230 der Entscheidung).

184    Zwar rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin ihre Beteiligung am Kartell nur einige Monate vor den anderen Kartellmitgliedern beendete, keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund des mildernden Umstandes „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“, doch berücksichtigte ihn die Kommission dadurch, dass sie für die Dauer einen um 5 % niedrigeren Aufschlag als für die anderen betroffenen Kartellmitglieder berechnete.

185    Nach alledem ist die Rüge, dass die Kommission die angeblich passive Rolle der Klägerin nicht berücksichtigt habe, unbegründet und somit zurückzuweisen.

 Zur fehlenden Berücksichtigung der tatsächlichen Nichtanwendung bestimmter rechtswidriger Vereinbarungen und/oder Verhaltensweisen

186    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Umstand hervorhebt, dass die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als mildernden Umstand dargelegt habe, dass sie die in Rede stehenden Absprachen nicht angewandt habe. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Nichtberücksichtigung eines mildernden Umstands, den die Klägerin niemals geltend gemacht habe, auf keinen Fall ein Grund für die Nichtigerklärung einer Entscheidung sein könne.

187    Dieser Auffassung der Kommission kann nicht gefolgt werden.

188    Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18), die zum Zeitpunkt der fraglichen Vorgänge galt, sieht nur vor, dass die Beteiligten, die zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung nehmen wollen, sich schriftlich äußern und in ihrer schriftlichen Äußerung alles zu ihrer Verteidigung Zweckdienliche vortragen können. Sie können zum Nachweis vorgetragener Tatsachen zweckdienliche Unterlagen beifügen und außerdem vorschlagen, dass die Kommission Personen hört, die die vorgetragenen Tatsachen bestätigen können. Es wird daher von den Unternehmen, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet ist, nicht verlangt, Anträge auf Anerkennung mildernder Umstände in einer speziellen Form zu stellen.

189    Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ferner ein vorbereitender Akt im Verhältnis zur Entscheidung, die den Abschluss des Verfahrens bildet und in der die Kommission sich zur Verantwortung der Unternehmen und gegebenenfalls zu den ihnen aufzuerlegenden Sanktionen äußert.

190    Bei der Festsetzung der Geldbußen hat die Kommission alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung, die als Kriterien in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ausdrücklich genannten werden. Wie dargelegt, hat die Kommission bei Begehung einer Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 150), um zu ermitteln, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

191    Die Nrn. 2 und 3 der Leitlinien sehen eine Abstufung des Grundbetrags der Geldbuße nach bestimmten erschwerenden und mildernden Umständen vor, die dem jeweils betroffenen Unternehmen zuzuordnen sind. Nr. 3 enthält insbesondere unter dem Titel „Mildernde Umstände“ eine nicht abschließende Liste von Umständen, die zu einer Verringerung des Grundbundbetrags der Geldbuße führen können. Genannt werden dort die passive Mitwirkung eines Unternehmens, die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen, die Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission, der Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens, fahrlässige Verstöße und die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit.

192    Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission von Regeln, die sie sich selbst gegeben hat, nicht abweichen (vgl. Urteil Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere kommt es, wenn die Kommission Leitlinien erlässt, die unter Beachtung des Vertrags die Kriterien präzisieren sollen, die sie bei der Ausübung ihres Ermessens heranzuziehen beabsichtigt, zu einer Selbstbeschränkung dieses Ermessens, da sie sich an die Leitlinien, die sie für sich selbst festgelegt hat, halten muss (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Slg. 1996, II‑2169, Randnr. 57, vom 9. Juli 2003, Vlaams Gewest/Kommission, T‑214/95, Slg. 2003, II‑717, Randnr. 89, und Urteil ADM I, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 267).

193    Für die Bemessung der Geldbußen wandte die Kommission in der Entscheidung die in den Leitlinien festgelegte Methode an und prüfte die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen der betroffenen Unternehmen. Randnr. 272 der Entscheidung ist insoweit völlig klar gefasst, denn dort wird festgestellt, dass „[die Kommission] für jedes Unternehmen entscheiden [wird], ob erschwerende oder mildernde Umstände in Frage kommen“, und dass „[d]er Geldbußengrundbetrag … danach für jedes Unternehmen entsprechend erhöht oder ermäßigt [wird]“. In Randnr. 316 der Entscheidung führt die Kommission aus, dass „im vorliegenden Fall weder erschwerende noch mildernde Umstände [vorliegen]“, was bedeutet, dass die Kommission aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchung und der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Meinung ist, dass der Klägerin mildernde Umstände, wie vor allem die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße, die in Nr. 3 zweiter Gedankenstrich der Leitlinien genannt wird, auf deren Grundlage die Kommission die Geldbuße errechnete, nicht zugute gehalten werden können.

194    Die Klägerin ist daher berechtigt, vor dem Gericht die in Randnr. 316 der Entscheidung getroffene Feststellung der Kommission in Frage zu stellen und die Zubilligung eines mildernden Umstands und die entsprechende Herabsetzung der Geldbuße zu verlangen, da das Gericht nach Art. 17 der Verordnung Nr. 17 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne des Art. 229 EG über Klagen gegen die Entscheidungen befindet, mit denen die Kommission eine Geldbuße festsetzt, und damit die festgesetzte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen kann.

195    Es ist noch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte deutlich zur Sprache brachte, dass sie keine Graphitblöcke und -platten an Dritte verkauft habe und dass sie in dem Kartell betreffend die mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukte eine untergeordnete Rolle gespielt habe. In Randnr. 78 dieser Antwort erläutert sie sogar, dass sie die Erklärung eines ihrer Geschäftsführer vorgelegt habe (auf die sie sich erneut in der Erwiderung beruft), aus der sich ergebe, dass sie die jährlich vom Technischen Ausschuss für die mechanischen Produkte aufgestellten Preislisten nicht angewandt habe und dass ihr die anderen Teilnehmer regelmäßig die Nichtbefolgung der Absprachen vorgeworfen hätten. Zwar machte die Klägerin in Randnr. 78 ihrer Antwort nicht ausdrücklich einen mildernden Umstand geltend, doch ist festzustellen, dass sie die Frage der tatsächlichen Nichtanwendung der betreffenden Absprachen im Sinne der Nr. 3 zweiter Gedankenstrich eindeutig aufwarf.

196    Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission zu Recht davon ausgehen durfte, dass der Klägerin aufgrund einer tatsächlichen Nichtanwendung der Absprachen ein mildernder Umstand gemäß Nr. 3 zweiter Gedankenstrich der Leitlinien nicht zugute kommt. Zu diesem Zweck ist zu prüfen, ob die von der Klägerin vorgebrachten Umstände belegen können, dass sie sich im Zeitraum ihrer Teilnahme an den rechtswidrigen Vereinbarungen tatsächlich deren Durchführung entzog, indem sie sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielt, oder dass sie sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde (Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg. 2006, II‑713, Randnr. 113).

197    Die Klägerin stützt ihr Begehren auf vier genau beschriebene Umstände, die erkennen lassen, dass die Betroffene nicht geltend macht, sich jeder tatsächlichen Anwendung der rechtswidrigen Absprachen entzogen zu haben, sondern dass sie sich auf eine nur teilweise Anwendung dieser Absprachen beruft.

198    Die Klägerin beruft sich erstens darauf, dass sie die für die mechanischen Produkte vereinbarten Preise nicht beachtet habe, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Beschwerden ihrer Konkurrenten. Sie bezieht sich auf einen Vermerk, den Schunk am 18. September 1989 an sie gerichtet habe, und auf eine Erklärung eines ihrer Angestellten, G., vom 18. September 2002.

199    In der Entscheidung (Randnrn. 307 und 308) führt die Kommission aus, dass gegen die Klägerin bis zum ersten Halbjahr 1999, dem Jahr, als die Klägerin ihr Ausscheiden aus dem Kartell vorbereitet habe, keine ernsten Beschwerden anderer Kartellmitglieder wegen Preisunterbietung aktenkundig gewesen seien. Die gelegentliche Nichtbefolgung der Kartellabsprachen in einem Kartell sei durchaus nicht ungewöhnlich, wenn Unternehmen meinten, dass sie damit ungeschoren davonkämen. Solche Regelverstöße seien kein Beweis dafür, dass die Kartellvereinbarungen nicht umgesetzt worden seien.

200    Randnr. 106 der Entscheidung bezieht sich auf den oben genannten Vermerk, in dem Schunk sich beschwerte, dass die Klägerin Kohle-Dichtringe an einen Kunden in Frankreich zu Preisen verkauft habe, die zwischen 15 % bis 20 % unterhalb der normalen Preishöhe in Frankreich gelegen hätten. Schunk bat die Klägerin, auf einer Zusammenkunft diese Frage zu erörtern und zu erläutern, nach welchem Schema sie diese Preise errechnet habe.

201    Dieser Vermerk enthält indessen die einzige Beschwerde eines einzigen Kartellmitglieds lediglich bezüglich des Verkaufs mechanischer Produkte, genauer gesagt eines bestimmten Produkts an „einen Kunden in Frankreich“, obwohl es eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte gibt (Randnr. 9 der Entscheidung).

202    In seiner Erklärung vom 18. September 2002 teilte G. mit, dass er an drei Treffen teilgenommen habe, am 2. April 1998 in Bandol, am 12. Oktober 1998 in Berlin und am 8. April 1999 in Stratford upon Avon. Er erklärt Folgendes:

„Bei den drei Treffen [an denen] ich teilgenommen habe, wurde [LCL] von den anderen Mitbewerbern vorgeworfen, die Absprachen nicht einzuhalten. Wir erwiderten, dass wir ein Wirtschaftsteilnehmer von geringer Bedeutung auf dem europäischen Markt seien.“

203    Die Klägerin behauptet, in der Erklärung habe G. auch ein Beispiel für eine Beschwerde der M. T. (Morganite Industries Inc., eine amerikanische Tochtergesellschaft von Morgan) angeführt, die „[LCL] vorgeworfen hat, zu niedrige Preise (in Abweichung von den Preislisten) angewandt zu haben“. Diese Aussage ist in der Erklärung von G., die die Klägerin als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gegeben hat, nicht enthalten.

204    Es zeigt sich, dass die in Rede stehende Zeugenaussage nur drei Kartellbesprechungen betrifft, die in der Zeit vom 2. April 1998 bis 8. April 1999 stattfanden, also während eines Zeitraums von einem Jahr, während die Gesamtdauer der Zuwiderhandlung zehn Jahre und acht Monate betrug und die Gipfeltreffen und die Sitzungen des Technischen Ausschusses, abgesehen von den regionalen Zusammenkünften, jeweils zweimal im Jahr stattfanden.

205    Angesichts des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Verfasser der betreffenden Erklärung, die nach Absenden des Auskunftsverlangens nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 durch die Kommission abgegeben wurde, und der Klägerin, die die Zeugenaussage als Anlage zur Klageschrift überreicht hat, könnte die Zeugenaussage ferner nur durchgreifen, wenn sie durch objektive Beweisunterlagen aus der Akte bestätigt würde.

206    Die Klägerin meint, die Erklärung von G. werde durch den Vermerk bestätigt, den Schunk am 18. September 1989 an die Klägerin richtete. Wie aber die Kommission zu Recht geltend macht, kann diese Erklärung, die den Ablauf von Zusammenkünften betrifft, die zwischen dem 2. April 1998 und dem 8. April 1999 stattfanden, nicht durch eine Beschwerde bestätigt werden, die Begebenheiten betrifft, die 1989 stattfanden und sich also zehn Jahre vorher ereigneten.

207    Die Klägerin bezieht sich auch auf eine Erklärung der übrigen Kartellmitglieder, die in den Bericht über eine Zusammenkunft der ECGA vom 19. April 1996 aufgenommen wurde und wie folgt lautet:

„Deutsche Carbone [deutsche Tochtergesellschaft von LCL] hat ihre Tätigkeiten im Bereich der mechanischen Produkte ohne Bezugnahme auf die bestehenden Preise aufgenommen. P. [LCL] wird aufgefordert, ihre Tätigkeiten zu überwachen und sicherzustellen, dass die festgelegten Preise eingehalten werden.“

208    Dieses Dokument betrifft also die Tätigkeitsaufnahme einer Tochtergesellschaft der Klägerin und greift nicht dem tatsächlichen Verhalten vor, das die Klägerin nach dieser Zusammenkunft entwickeln konnte. Die Klägerin legt zudem kein Dokument vor, aus dem sich ergeben würde, dass sich ihre deutsche Tochtergesellschaft nach dem fraglichen Bericht wirklich unabhängig und wettbewerbskonform verhielt und die übrigen Kartellmitglieder insoweit ihr anhaltendes Missfallen zum Ausdruck brachten.

209    Schließlich wird die Erklärung von G. auch nicht durch die Erklärung eines anderen Angestellten der Klägerin, N., bestätigt. Dieser erklärt, er habe an den Sitzungen des Technischen Ausschusses bezüglich der elektrotechnischen und mechanischen Produkte teilgenommen, die im Rahmen der ECGA in der Zeit von 1997 bis April 1999 veranstaltet worden seien. N. bezieht sich jedoch auf keine Beschwerde eines Kartellmitglieds, die das Verhalten der Klägerin zum Gegenstand hätte, obwohl seine Erklärung ebenfalls den in der Erklärung von G. genannten Zeitraum vom 2. April 1998 bis 8. April 1999 betrifft.

210    Die Klägerin macht zweitens geltend, sie habe die allgemeine Kartellpolitik im französischen Hoheitsgebiet, das grundsätzlich ihrer Verantwortung unterlag, im Bereich der elektrotechnischen Produkte nicht vollständig umgesetzt. Die Klägerin stützt sich auf Randnr. 127 der Entscheidung, in der es heißt: „Wird der niederländische Richtpreis für Originalteilehersteller mit dem Indexwert 100 zugrunde gelegt, lag der Richtpreis in Frankreich, dem Land mit dem schlechtesten Preisniveau für das Kartell, bei 61 und die tatsächlichen Preise sogar bei 40.“

211    Diese Ausführungen der Klägerin beruhen jedoch auf einem unvollständigen und verkürzten Verständnis der Entscheidung.

212    Die Nachfrage nach elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukten teilt sich auf eine relativ kleine Gruppe von Großabnehmern und eine weitaus größere Gruppe kleinerer Abnehmer auf. Im Bereich der elektrotechnischen Produkte sind die größten Abnehmer die Kfz-Zulieferer und die Hersteller von Konsumgütern, die den sogenannten OEM-Sektor bilden. Diese Kunden, von denen es sehr wenige gibt und bei denen es sich vor allem um sehr große Unternehmen handelt, kaufen in sehr großen Mengen eine begrenzte Anzahl von Typen der Kohlenstoff- und Graphitprodukte und verfügen daher über eine starke Verhandlungsposition (Randnrn. 39, 40 und 124 der Entscheidung).

213    Das Kartell versuchte, der Gefahr, dass die genannten Großkunden den Preisunterschied zwischen den Ländern ausnutzen könnten, vorzubeugen. Zunächst bestand die Strategie in dem Versuch, die Preise europaweit zu harmonisieren; sie stützte sich auf einen Vorschlag der Klägerin mit dem Titel „Entwurf eines einheitlichen europäischen Preisschemas für den Verkauf von Bürsten an Hersteller elektrischer Industriemaschinen“. Es erwies sich jedoch, dass die Strategie der europaweiten Einheitspreise für Kunden des OEM-Sektors nur schwer zu verwirklichen war, wie aus einer Sondersitzung des Technischen Ausschusses zu den OEM-Preisen vom 22. Februar 1994 hervorgeht (Randnrn. 126 und 127 der Entscheidung).

214    Gerade dieser Sitzung lassen sich am Beispiel der Lage in Frankreich, die in Randnr. 127 der Entscheidung dargestellt wird, Anzeichen dafür entnehmen, dass die Richtpreise und erst recht die tatsächlichen Preise im OEM-Sektor von Land zu Land immer noch erheblich variierten. Es handelte sich somit um einen allgemein verbreiteten Unterschied, der in anderen Ländern als Frankreich bestand und der nicht die Folge eines Willensentschlusses der Klägerin war, sich der Durchführung der Kartellvereinbarungen tatsächlich zu entziehen. Die Klägerin war im Gegenteil Urheberin einer wettbewerbsfeindlichen Strategie der harmonisierten Preise auf europäischer Ebene für die Kunden des OEM-Sektors. Die Kommission weist noch darauf hin, dass sich die Kartellmitglieder nach der Sitzung vom 22. Februar 1994 darüber verständigt hätten, „die Abstände zu verkleinern“.

215    Die Klägerin bestreitet nicht die Feststellungen der Kommission in Randnr. 127 der Entscheidung, sondern unterbreitet dem Gericht nur eine ihr günstigere subjektive Auslegung.

216    Die Klägerin behauptet drittens, die Kommission habe in Randnr. 232 der Entscheidung eingeräumt, dass die Klägerin „am tatsächlichen Boykott der Zuschneider selbst nicht beteiligt gewesen wäre“.

217    Ein Blick auf die in Rede stehende Randnummer in ihrer Gesamtheit zeigt, dass die Behauptung der Klägerin erneut auf einer Entstellung des Wortlauts der Entscheidung beruht.

218    Randnr. 232 der Entscheidung lautet wie folgt:

„Die Kommission akzeptiert jedenfalls nicht den Einwand von [LCL], [sie] habe sich an den Machenschaften des Kartells zur Verdrängung der Zuschneider vom Markt nicht beteiligt, weil [sie] alle hergestellten Blöcke selbst verarbeitet habe. Wie in Abschnitt 7.8 beschrieben, hat sich [LCL] an der Kartellstrategie beteiligt, Zuschneider entweder überhaupt nicht mit Blöcken zu beliefern oder nur zu sehr hohen Preisen. So soll [LCL] auf dem Kartelltreffen vom 14. Oktober 1993 in der Diskussion über die Frage ‚Sollen wir Blöcke verkaufen und unsere Spanne aufgeben oder nicht?‘ erklärt haben, ‚[sie] versuche, so wenig Blöcke wie möglich zu verkaufen und halte es für besser, lediglich an die eigenen Unternehmen zu verkaufen‘. Auch wenn [LCL] am tatsächlichen Boykott der Zuschneider selbst nicht beteiligt gewesen wäre, so hatte [sie] sich doch eindeutig die allgemeine Politik des Kartells, Zuschneider nicht oder nur zu sehr hohen Preisen zu beliefern, zu eigen gemacht und wie die anderen Kartellmitglieder von dem geringeren Wettbewerb vonseiten der Zuschneider profitiert. Dies reicht aus, um die Verantwortlichkeit von [LCL] zu bestätigen.“

219    Die Klägerin hat somit die beiden ersten Worte des von ihr angeführten Satzes ausgelassen; diese zeigen, dass die nachfolgende Analyse der Kommission auf einer Hypothese beruht. Da das Vorbringen der Klägerin allein auf einem unzutreffenden Verständnis der Randnr. 232 der Entscheidung beruht, ist es zurückzuweisen.

220    Die Klägerin trägt viertens vor, die Aufzeichnungen, die Morgan zu einer Sitzung des Technischen Ausschusses vom 4. Oktober 1999 gefertigt habe, belegten, dass sie sich vollständig vom Kartell gelöst habe, zumindest im letzten Jahr des Kartells.

221    Der Inhalt dieser Aufzeichnungen wird in Randnr. 186 der Entscheidung wiedergegeben, wobei zu bemerken ist, dass die Klägerin diese unvollständig wiedergibt:

„G [Schunk] empfahl, P [die Klägerin] als Außenseiter zu betrachten, da mit ihm keine Kommunikation möglich sei. Ein kontrollierter Wettbewerb zwischen den 3 anderen Parteien ist aber immer noch möglich. G gab ferner an, dass P die Preise unterbot. S. [Morgan], B. [SGL] und H [Morgans Tochtergesellschaft] haben bisher noch kein Unterbieten der realen Preise seitens P festgestellt. G will angreifen, um ihnen ein deutliche Botschaft zu übermitteln.“

222    Dieses Dokument ist ohne jeden Beweiswert. Die Behauptung von Schunk, dass die Klägerin die Preisabsprachen nicht mehr beachtet habe, wird von den anderen Kartellmitgliedern, die an der Sitzung teilnahmen, nicht bestätigt. Zudem enthält das in Rede stehende Dokument keine Zeitangabe, abgesehen von dem Zeitpunkt der Sitzung, dem 4. Oktober 1999, der nach dem Zeitpunkt liegt, zu dem der von der Kommission bezüglich der Klägerin zugrunde gelegte Zeitraum der Zuwiderhandlung endete, also Juni 1999.

223    Die von der Klägerin im Rahmen der vorliegenden Rüge geltend gemachten Umstände lassen daher auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht den Schluss zu, dass sie sich im Zeitraum ihrer Teilnahme an den unzulässigen Vereinbarungen tatsächlich deren Durchführung entzog, indem sie sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielt, oder dass sie sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde.

224    Nach alledem ist die Rüge, dass die Kommission den mildernden Umstand, der in der tatsächlichen Nichtanwendung der rechtswidrigen Vereinbarungen liege, nicht berücksichtigt habe, unbegründet und daher zurückzuweisen.

 Zur fehlenden Berücksichtigung des Umstandes, dass die Zuwiderhandlung vor dem Beginn der Untersuchung beendet worden sei

225    Die Klägerin macht geltend, dass sie die beanstandeten Verhaltensweisen spätestens im Juni 1999 beendet habe, d. h. mehr als drei Jahre vor dem ersten Eingreifen der Kommission, und dass sie seither ein wettbewerbliches Wohlverhaltensprogramm eingerichtet habe, das seit mehr als vier Jahren innerhalb des Konzerns systematisch angewandt werde.

226    Es ist erstens daran zu erinnern, dass die Leitlinien in Nr. 3 eine Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie insbesondere der Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission vorsehen. Dieser mildernde Umstand muss nach Auffassung der Klägerin erst recht Anwendung finden, wenn die Beendigung der Zuwiderhandlung, wie im vorliegenden Fall, vor dem genannten Eingreifen erfolgt.

227    Diesen Ausführungen vermag das Gericht nicht zu folgen. Von einem mildernden Umstand im Sinn dieser Bestimmung kann nämlich logischerweise nur dann gesprochen werden, wenn die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden, so dass eine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war. Bei einer Herabsetzung unter solchen Umständen würde nämlich die Dauer der Zuwiderhandlungen bei der Bemessung der Geldbußen doppelt berücksichtigt (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Randnr. 291, vgl. auch in diesem Sinne Urteil Tokai I, oben in Randnr. 146 angeführt, Randnr. 341).

228    Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann zudem nicht automatisch eintreten, sondern hängt von einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ab. Insoweit erscheint die Anwendung dieser Bestimmung der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren‑Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 281, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Salzgitter Mannesmann/Kommission, C‑411/04 P, Slg. 2007, I‑959, und Tokai II, oben in Randnr. 227 angeführt, Randnrn. 292 und 294).

229    Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin einen berechtigten Zweifel an der Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens haben konnte, denn es handelte sich um die Beteiligung an einem horizontalen Preiskartell – also um einen offenkundigen Verstoß gegen Art. 81 EG –, um dessen Geheimhaltung seine Mitglieder mit Hilfe zahlreicher Vorkehrungen mehr als zehn Jahre lang bemüht waren.

230    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall ebenso wie in dem Fall, der zum Urteil Tokai I, oben in Randnr. 146 angeführt (Randnr. 341), führte, die Klägerin ihre wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen nach dem Eingreifen der amerikanischen Wettbewerbsbehörden und nicht nach dem der Kommission beendete, was die Kommission in Randnr. 311 der Entscheidung aufgrund der eigenen Erklärungen der Klägerin hervorhebt. Schon nach dem Wortlaut der Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinie kann somit der Anspruch der Klägerin zurückgewiesen werden.

231    Was zweitens die Einrichtung eines wettbewerblichen Wohlverhaltensprogramms angeht, so ist bereits dargelegt worden, dass zwar wichtig ist, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergreift, um künftige erneute Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, dass dies jedoch nichts an der Tatsache der festgestellten Zuwiderhandlung ändert. Die Kommission ist somit nicht verpflichtet, diesen Gesichtspunkt als mildernden Umstand heranzuziehen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 373), vor allem nicht, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Zuwiderhandlung einen offensichtlichen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellt. Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass dieses Programm vor dem Eingreifen der Kommission eingerichtet worden sei, ist unerheblich, wobei gleichwohl daran zu erinnern ist, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nach dem Eingreifen der amerikanischen Wettbewerbsbehörden getroffen wurden.

232    Nach alledem ist die Rüge, dass die Kommission den mildernden Umstand, der in der Beendigung der Zuwiderhandlung vor dem Beginn der Untersuchung und in der Einrichtung eines wettbewerblichen Wohlverhaltensprogramms liege, nicht berücksichtigt habe, unbegründet und somit zurückzuweisen.

 Zur fehlenden Berücksichtigung der aktiven Mitwirkung der Klägerin an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit

233    Zu den in Nr. 3 der Leitlinien angeführten mildernden Umständen gehört im sechsten Gedankenstrich die „aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“.

234    In der Entscheidung wird festgestellt, die Klägerin habe sich zur Begründung der Geltendmachung des betreffenden mildernden Umstands darauf berufen, dass sie der Kommission bestimmte Informationen über die Rolle von Gerken und die Tätigkeiten des Kartells in der Zeit vor Oktober 1988 zur Verfügung gestellt habe (Randnr. 314 der Entscheidung).

235    Die Kommission wies die Berufung der Klägerin auf den mildernden Umstand mit dem Hinweis zurück, dass sie gegen Gerken kein Verfahren eingeleitet habe, die Zeit vor Oktober 1988 vom vorliegenden Verfahren ausgenommen habe und die Informationen, die der Kommission „weder beim Nachweis einer Zuwiderhandlung noch bei der Festsetzung der den Unternehmen aufzuerlegenden Geldbußen von Nutzen sind, sofern Letzteres überhaupt als Mitwirkung angesehen werden kann, … nicht als konkrete Mitwirkung außerhalb des Anwendungsbereichs der [Mitteilung über Zusammenarbeit] in Betracht [kommen]“ (Randnr. 315 der Entscheidung).

236    In ihren Schriftsätzen trägt die Klägerin vor, die Informationen, die sie im Verwaltungsverfahren zur Verfügung gestellt habe, hätten nicht nur die Aufgabe der Kommission eindeutig erleichtert, sondern dieser auch die Möglichkeit gegeben, Morgan den Bußgelderlass nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu verweigern sowie die Beteiligung von Gerken an den Tätigkeiten des Kartells nachzuweisen, wobei es unerheblich sei, dass die Kommission diese Informationen nicht in dem genannten Sinne verwendet habe.

237    Obwohl die benutzte Formulierung zwei verschiedene Aussagen erkennen lässt, wird die Behauptung der Klägerin, dass sie im Verwaltungsverfahren Informationen zur Verfügung gestellt habe, die die Aufgabe der Kommission eindeutig erleichtert hätten, durch kein Beispiel untermauert, abgesehen von den Angaben zum Verhalten von Morgan und Gerken. Der Berufung auf den mildernden Umstand im Zusammenhang mit der aktiven Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit liegen somit nur die genannten Informationen zugrunde.

238    An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und sie gegebenenfalls zu beenden (Urteil vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 36, vgl. Urteil BPB de Eendracht/Kommission, oben in Randnr. 164 angeführt, Randnr. 325 und die dort angeführte Rechtsprechung).

239    Bei einem Verständnis der oben zitierten Rechtsprechung, das sich an deren Geist orientierte, vertrat das Gericht ferner die Auffassung, dass eine „aktive Mitwirkung … außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“ im Sinne von Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien vorliege, wenn Informationen zur Verfügung gestellt worden seien, die die Kommission in die Lage versetzt hätten, den Grad der Zusammenarbeit eines in ein Kartell verwickelten Unternehmens im Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Geldbuße dieses Unternehmens genauer zu beurteilen, und die somit die Aufgabe der Kommission bei ihrer Untersuchung erleichtert hätten (Urteil ADM I, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnrn. 305 und 306).

240    Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass, wie aus der Entscheidung (Randnrn. 265 bis 266 und 319 bis 321, Art. 1 der Entscheidung) eindeutig hervorgeht, die Kommission keine der von der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verhalten von Gerken und von Morgan zur Verfügung gestellten Informationen zur Feststellung oder Sanktionierung eines Verstoßes gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht oder zur genaueren Beurteilung des Grades der Zusammenarbeit des Unternehmens zum Zwecke der Festsetzung der Höhe der Geldbuße herangezogen hat. Die Kommission war somit nicht verpflichtet, die von der Klägerin in diesem Zusammenhang geltend gemachte Zusammenarbeit mit einer niedrigeren Festsetzung der Geldbuße zu belohnen, da die Klägerin die Aufgabe der Kommission, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen und diese abzustellen oder die Höhe der Geldbußen festzusetzen, nicht tatsächlich erleichtert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Tokai II, oben in Randnr. 227 angeführt, Randnr. 368, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 87).

241    Das Urteil ADM I, oben in Randnr. 83 angeführt, auf das sich die Klägerin zur Begründung ihres Vorbringens bezieht, bestätigt dagegen die sachliche Richtigkeit der Auffassung der Kommission.

242    So sprach das Gericht der klagenden Partei wegen aktiver Mitwirkung des Unternehmens am Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit eine zusätzliche Herabsetzung um 10 % zu, nachdem es festgestellt hatte, dass die klagende Partei die Kommission über die Vernichtung von Unterlagen durch ein anderes am Kartell beteiligtes Unternehmen tatsächlich unterrichtet hatte und dieser Umstand in einer der Randnummern der Entscheidung der Kommission festgehalten und von der Kommission verwendet worden war, um daraus zu schließen, dass die Zusammenarbeit des oben genannten Unternehmens nicht uneingeschränkt im Sinne von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit gewesen sei und damit keine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund rechtfertige (Urteil ADM I, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnrn. 304 bis 312).

243    Dagegen stellte das Gericht fest, dass die von der klagenden Partei in jener Rechtssache zur Verfügung gestellten Informationen zur angeblich bereits in den 70er und 80er Jahren bestehenden Zusammenarbeit der Lysinhersteller es der Kommission nicht ermöglicht hatten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen, „da“ die Entscheidung der Kommission das Kartell nur insoweit betraf, als es im Juli 1990 von den genannten Herstellern errichtet worden war (Urteil ADM I, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 301).

244    Nebenbei ist festzustellen, dass die Informationen der Klägerin ohnehin unerheblich sind.

245    Bezüglich der Situation von Gerken behauptet die Klägerin, sie habe Informationen zur Verfügung gestellt, die es der Kommission ermöglicht hätten, die Beteiligung dieses Unternehmens an dem fraglichen Kartell zu beweisen.

246    In der Entscheidung nahm die Kommission zu den Einwänden Stellung, die Hoffmann und die Klägerin erhoben hatten, weil an Gerken keine Mitteilung der Beschwerdepunkte gesandt worden war. Randnr. 266 der Entscheidung lautet wie folgt:

„Nach Auffassung der Kommission spielte Gerken in dem Zeitraum, für den Hoffmann verantwortlich gemacht wird, eine deutlich andere Rolle als Hoffmann. Soweit der Kommission bekannt ist, hat Gerken zu keiner Zeit an einem Kartelltreffen auf europäischer Ebene teilgenommen, weder an einem Gipfeltreffen noch an einer Sitzung des Technischen Ausschusses. Gerken kann daher nicht als ein Mitglied des Kartells wie Hoffmann angesehen werden. Gerken mag wie einige andere relativ kleine Unternehmen an einem oder mehreren lokalen Zusammenkünften, die vom Kartell organisiert worden sind, teilgenommen haben. Die Beweise der Kommission für eine solche Teilnahme sind jedoch recht spärlich und deuten allenfalls auf eine sporadische Teilnahme hin im Gegensatz zu den umfassenden Beweisen, die der Kommission über die kontinuierliche Beteiligung Hoffmanns im fraglichen Zeitraum vorliegen. Auch ist zu bedenken, dass Gerken als Zuschneidebetrieb auf eine regelmäßige Belieferung mit Blöcken zu vernünftigen Preisen angewiesen war. Der einzige Zeitraum, in dem Gerken anscheinend geneigt war, dem Kartell hinsichtlich der Kundenpreise zu folgen, ist genau der Zeitraum nach der Übernahme des Spezialgraphit-Geschäfts seines US-amerikanischen Blöckelieferanten durch SGL. Wenige Jahre später scheint Gerken jedoch wieder als einer der wenigen verbleibenden Wettbewerber des Kartells im EWR Fuß gefasst zu haben. Aus Morgans Aufzeichnungen von einer Sitzung des Technischen Ausschusses vom 11. Dezember 1997 geht hervor, dass Gerken alle großen Endabnehmer in den Niederlanden und Belgien besuchte und um 20 % bis 25 % niedrigere Preise bot: ‚Der allgemeine Eindruck ist, dass G [Gerken] jetzt eine noch größere Gefahr ist als vor 2 Jahren. Absolut keine Kontrolle‘.“

247    Im Rahmen der der Kommission zur Verfügung gestellten Informationen, die den Nachweis für die Beteiligung von Gerken am Kartell erbringen sollen, legt die Klägerin nur die Erklärung eines ihrer Angestellten vom 18. Februar 2003 vor, die sich auf Erörterungen zwischen der Klägerin und Gerken bezüglich des Zeitraums von 1997 bis 1999 über die jeweiligen Preise bei Ausschreibungen u. a. von Bürsten für Rückstrom, die im Schienenverkehr genutzt werden, sowie von Bürsten für Elektromotoren, die in den städtischen Verkehrsnetzen genutzt werden, bezieht. Diese Erklärung wird ergänzt durch zusammenfassende Tabellen der Klägerin über Ausschreibungen von öffentlichen Verkehrsunternehmen in Frankreich mit Angabe insbesondere der den beschuldigten Unternehmen erteilten Aufträge oder des von den einzelnen Mitbewerbern je Warentyp erzielten Umsatzes.

248    Diese Erklärung, ergänzt durch Tabellen mit teilweise unerheblichen Angaben, war allein nicht geeignet, es der Kommission zu ermöglichen, auf Seiten von Gerken das Vorliegen einer Zuwiderhandlung im Sinne einer Beteiligung an dem in Rede stehenden Kartell festzustellen. Die Informationen der Klägerin können allenfalls Indizien für eine Beteiligung von Gerken an Teilen der Zuwiderhandlung darstellen, die ausschließlich Frankreich und einige spezifische Produkte betreffen, wobei zu bemerken ist, dass Gerken im Laufe desselben Jahres 1997 ein aggressives Geschäftsverhalten in den Niederlanden und in Belgien an den Tag legte (Randnr. 266 der Entscheidung). Sie belegen nicht, dass Gerken an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war, die sich auf den EWR und auf eine breite Palette von elektrotechnischen und mechanischen Kohlenstoff- und Graphitprodukten sowie auf die Kohlenstoff- und Graphitblöcke bezog, aus denen die genannten Produkte hergestellt werden, und die in der Entscheidung beschrieben wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T‑28/99, Slg. 2002, II‑1845, Randnrn. 40 bis 52).

249    Die Ausführungen der Klägerin in den Schriftsätzen des vorliegenden Verfahrens über die angebliche Beteiligung von Gerken an regionalen Zusammenkünften des Kartells und über den angeblichen Widerspruch in der Entscheidungspraxis der Kommission im Hinblick auf die Behandlung, die ihr in der Entscheidung im Vergleich zu Gerken widerfahren sei, sind bei der Beurteilung der Relevanz der Informationen, die der Kommission zur Verfügung gestellt wurden und die die Beteiligung von Gerken am Kartell beweisen sollen, unerheblich.

250    In Bezug auf Morgan behauptet die Klägerin, die drei Informationen, die sie während des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt habe, belegten, dass Morgan insofern keine der in Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Voraussetzungen für den Erlass einer Geldbuße erfüllt habe, als Morgan der Kommission nicht alle sachdienlichen Informationen über ihre Verwicklung in die rechtswidrigen Verhaltensweisen übermittelt und sogar irreführende Angaben über den Zeitpunkt geliefert habe, zu dem sie ihre Beteiligung an den genannten Verhaltensweisen beendet habe.

251    Die Klägerin bezieht sich erstens darauf, dass sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Randnr. 145) die Kommission darauf hingewiesen habe, dass sie sich im März 2003 mit der Kartellabteilung des Justizministeriums der USA in Verbindung gesetzt habe, um dieser die Handlungen einer Tochtergesellschaft von Morgan zur Kenntnis zu bringen, die sie im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln für offensichtlich rechtswidrig gehalten habe.

252    Sie beruft sich zweitens darauf, dass sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Randnr. 137) die Kommission darauf hingewiesen habe, dass Morgan es unterlassen habe, die Kommission davon zu informieren, dass bereits im April 1999 auf dem Wege über ihre amerikanische Tochtergesellschaft Morganite Industries in den Vereinigten Staaten ein Verfahren wegen rechtswidriger Preisabsprachen für Graphitprodukte gegen sie eingeleitet worden sei.

253    Bezüglich dieser ersten beiden Informationen geht aus der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass sie das Kartell, das Gegenstand der Entscheidung war, überhaupt nicht betreffen, da sie sich zum einen auf Südkorea und zum anderen auf den amerikanischen Markt beziehen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin beschränken sich die Pflichten des Unternehmens, das einen Erlass beantragt, logischerweise auf Informationen über die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die Gegenstand der Untersuchung sind. Das Kartell, das Gegenstand der Untersuchung der Kommission und der Entscheidung war, betrifft indessen weder Südkorea noch die Vereinigten Staaten, sondern den europäischen Raum und den EWR.

254    Die Klägerin macht drittens geltend, sie habe an die Kommission eine Kopie der Anklageschriften der Grand Jury der Vereinigten Staaten vom 24. September 2003 gegen vier ehemalige Führungskräfte von Morgan wegen Zeugenbeeinflussung und Vernichtung oder Beseitigung von Unterlagen in der Zeit von April 1999 bis August 2001 übersandt. Aus diesen Anklageschriften ergebe sich, dass Morgan in dem betreffenden Zeitraum zahlreiche Dokumente über Preisabsprachen habe vernichten lassen oder diese den amerikanischen und gemeinschaftlichen Wettbewerbsbehörden verheimlicht habe, und zwar vor allem, um die Anwendung dieser Absprachen bis August 2001 fortsetzen zu können, obwohl Morgan erklärt habe, jede Beteiligung an rechtswidrigen Verhaltensweisen im Dezember 1999 beendet zu haben.

255    Die Klägerin stützt ihre Behauptungen insbesondere auf folgende Ausführungen:

„In der Zeit von April 1999 bis Juni 1999 besuchte die von CC‑2 eingerichtete Arbeitsgruppe Morgans Einrichtungen in Europa und nahm alle in Morgans Akten befindlichen Dokumente und Register, die Beweise für die Preisabsprache enthielten, an sich und beseitigte oder vernichtete sie … Die Mitglieder der Arbeitsgruppe, zu denen CC‑3 gehörte, händigten die zusammengetragenen Dokumente, die sich auf die Preisabsprache bezogen, an CC‑4 aus, damit CC‑4 die Dokumente vor den amerikanischen und europäischen Behörden verbergen kann, aber auch damit die Dokumente an einem geheimen Ort gelagert werden können, um Morgan die weitere Anwendung der Preisabsprache zu ermöglichen … Im August 2001 vernichteten die Angestellten auf Anweisung von CC‑1 Dokumente, die von der Untersuchung der Grand Jury betroffen waren.“

256    Was diese dritte Information angeht, so führte die Kommission in der Entscheidung (Randnr. 67) aus, dass das amerikanische Justizministerium am 4. November 2002 bekannt gegeben habe, dass die Tochtergesellschaft von Morgan in den Vereinigten Staaten damit einverstanden sei, sich in den Anklagepunkten der Beteiligung an einem internationalen Kartell zur Festsetzung der Preise für verschiedene Arten von in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern verkauften elektrotechnischen Kohlenstoffprodukten für schuldig zu erklären, und dass die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich, Morgan, damit einverstanden sei, sich in den Anklagepunkten der versuchten Behinderung der Untersuchung für schuldig zu erklären. Die Entscheidung bezieht sich ausdrücklich auf die Anklageschriften der Grand Jury der Vereinigten Staaten vom 24. September 2003 gegen vier ehemalige Führungskräfte von Morgan wegen Zeugenbeeinflussung und Vernichtung oder Beseitigung von Unterlagen in der Zeit von April 1999 bis August 2001.

257    Unstreitig erhielt die Kommission ferner von Morgan ein Schreiben vom 30. Oktober 2001, das die bereits für ihren Kronzeugenantrag vom 18. September 2001 vorgelegten Informationen ergänzte und in dem deutlich festgestellt wird, dass „[e]s … offensichtlich [ist], dass einige Angestellte einschlägige Unterlagen an sich genommen und/oder vernichtet haben“.

258    Die Kommission war somit bereits 2001 durch Morgan selbst darüber informiert, dass mit dem angezeigten Kartell zusammenhängende Unterlagen durch Morgans eigene Mitarbeiter beseitigt und vernichtet worden waren. Die Übermittlung der Anklageschriften durch die Klägerin im September 2003 bestätigte nur das tatsächliche Vorliegen bereits bekannter Handlungen und Morgans Bestreben, anfänglich ihre Verantwortlichkeit zu verschleiern, und verdeutlichte zugleich den konkreten Ausdruck dieses Bestrebens.

259    Somit ist der Umstand, dass Morgan im Schreiben vom 30. Oktober 2001 ebenfalls erklärte, dass sie der Kommission alle weiteren erhaltenen Informationen mitteilen werde, und dass Morgan fast zwei Jahre später nach Übermittlung einer das fragliche Kartell betreffenden Akte von nicht weniger als 4789 Seiten an die Kommission die Anklageschriften vom 24. September 2003 nicht übersandte, unerheblich.

260    Die Klägerin legt den Inhalt der betreffenden Unterlagen weit aus. Sie meint, aus den genannten Unterlagen ergebe sich, dass Morgan sich sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa an den rechtswidrigen Verhaltensweisen zumindest bis August 2001 und nicht nur, wie der Kommission gegenüber erklärt worden sei, bis Dezember 1999 weiter beteiligt habe, was erklären würde, weshalb Morgan diese Unterlagen nicht übersandt habe.

261    Der oben in Randnr. 255 wiedergegebene Wortlaut bezieht sich auf die Beseitigung beweiskräftiger Unterlagen, „um Morgan die weitere Anwendung der Preisabsprache zu ermöglichen“. Selbst wenn die genannte Absprache nicht nur auf den amerikanischen Markt abzielt, sondern auch den europäischen Raum betrifft, ergibt sich weder aus dem genannten Wortlaut, der nur ein angestrebtes Ziel benennt, noch aus den Anklageschriften allgemein, dass die Absprache von Morgan und anderen Beteiligten auf dem europäischen Markt nach Dezember 1999, dem in der Entscheidung zugrunde gelegten Endzeitpunkt der rechtswidrigen Verhaltensweisen, bis August 2001 tatsächlich weiterhin angewandt wurde. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass die anderen Kartellmitglieder ihre Beteiligung spätestens im Dezember 1999 beendet haben, ist schwer vorstellbar, dass ein Kartell über Dezember 1999 hinaus hätte bestehen können.

262    Dass die Kommission letztlich der Meinung war, dass Morgan die Geldbuße zu erlassen sei, weil sie u. a. entscheidende Beweismittel vorgelegt habe, ihre Beteiligung am Kartell spätestens zu dem Zeitpunkt eingestellt habe, zu dem sie das Kartell angezeigt habe, alle sachdienlichen Informationen sowie alle „in dem Zeitpunkt, in dem sie ihren Antrag einreichte“, verfügbaren Unterlagen und Beweismittel über das Kartell bereitgestellt habe und während der gesamten Dauer der Untersuchung zu einer ununterbrochenen und uneingeschränkten Zusammenarbeit bereit gewesen sei, unterliegt einer Beurteilung, die das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu kontrollieren hat.

263    Demnach ist die Rüge, dass die Kommission den mildernden Umstand, der in der aktiven Mitwirkung der Klägerin am Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit liege, nicht berücksichtigt habe, unbegründet und daher zurückzuweisen.

264    Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission bei der Beurteilung der mildernden Umstände einen Fehler begangen hat. Der Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Geldbuße aufgrund dieser mildernden Umstände ist somit zurückzuweisen.

 Zur Zusammenarbeit der Klägerin während des Verwaltungsverfahrens

 Zur Geltendmachung der höchstmöglichen Herabsetzung um 50 %

265    In ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können (Abschnitt A Nr. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

266    Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht Folgendes vor:

„1.       Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle [in den Abschnitten B und C genannten] Voraussetzungen erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.

2.       Dies gilt insbesondere, wenn

–        ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–        ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

267    Im vorliegenden Fall wurde die Geldbuße der Klägerin gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit um 40 % niedriger festgesetzt.

268    Zur Begründung ihrer Beurteilung führt die Kommission in Randnr. 324 der Entscheidung Folgendes aus:

„[LCL] beantragte die Anwendung der Kronzeugenregelung kurz nach Erhalt des Auskunftsverlangens im Sinne von Artikel 11 [der Verordnung Nr. 17]. [Ihre] Mitarbeit ging weit über das Auskunftsverlangen im Sinne von Artikel 11 hinaus. [LCL] legte spontan eine beträchtliche Anzahl zeitgenössischer Unterlagen vor einschließlich mehrerer Aufzeichnungen von Kartelltreffen, die in dem Auskunftsverlangen im Sinne von Artikel 11 nicht erwähnt waren. [LCL] legte überdies mehrere unterschriebene Erklärungen von jetzigen und ehemaligen Führungskräften des Unternehmens über deren Beteiligung an den Kartellaktivitäten vor. [Sie] lieferte eine hilfreiche, detaillierte Beschreibung des Produktmarktes sowie der Kartellaktivitäten in Bezug auf jeden Abnehmertyp. Wegen des Umfangs und der Qualität der bereits von Morgan vorgelegten Beweismittel waren die freiwillig von [LCL] beigebrachten Beweise – wie die der übrigen Unternehmen, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragt haben – für die Kommission nur von begrenztem Wert. Gleichwohl hat das von [LCL] freiwillig vorgelegte Beweismaterial nach Auffassung der Kommission insgesamt zur Feststellung der Zuwiderhandlung beigetragen.“

269    Außerdem wies die Kommission darauf hin, dass die Klägerin ihr nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitgeteilt habe, dass sie den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stütze, nicht bestreite (Randnr. 325 der Entscheidung).

270    Zudem ist unbestritten, dass die Klägerin bei Erlass der Entscheidung die in Abschnitt D Nr. 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Voraussetzungen erfüllte, wobei sich die gewährten Abschläge auf 30 % bzw. 10 % beliefen, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausgeführt hat. Der Rechtsstreit betrifft den Umfang des gewährten Abschlags, der nach Auffassung der Klägerin insgesamt 50 % hätte erreichen müssen, also den möglichen Maximalabschlag.

271    Der Kommission steht hinsichtlich der Methode für die Berechnung von Geldbußen ein weites Ermessen zu; sie kann insoweit eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, zu denen auch die Kooperationsbeiträge der betroffenen Unternehmen während der von den Dienststellen der Kommission durchgeführten Untersuchungen gehören. In diesem Rahmen muss die Kommission komplexe Tatsachenwürdigungen, wie die Würdigung der jeweiligen Kooperationsbeiträge dieser Unternehmen, vornehmen (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 81).

272    Die Kommission verfügt insoweit bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, über ein weites Ermessen (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 88).

273    Die Ausführungen der Klägerin, die den maximalen Abschlag von 50 % automatisch aus der Feststellung ableiten, dass die in Abschnitt D Abs. 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, verneinen letztlich dieses Ermessen der Kommission, das seinen Ausdruck insbesondere in der für den Umfang des Abschlags angesetzten Spanne von 10 % bis 50 % findet.

274    Wie sich aus Randnr. 324 der Entscheidung ergibt, stützte sich die Kommission, um die Höhe des gewährten Abschlags zu beurteilen, darauf, dass zum einen die von der Klägerin beigebrachten Beweise gegenüber den Beweisen, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden und von Morgan vorgelegt worden waren, nur von begrenztem Wert waren und dass zum anderen die Zusammenarbeit der Klägerin nach Erhalt des Auskunftsverlangens im Sinne von Art. 11 der Verordnung Nr. 17 begann.

275    Die Klägerin stellt die Relevanz des ersten von der Kommission verwendeten Untersuchungskriteriums in Frage.

276    Nach der Rechtsprechung beruht indessen die Herabsetzung von Geldbußen im Fall der Kooperation von Unternehmen, die an Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft beteiligt waren, auf der Erwägung, dass eine solche Kooperation der Kommission ihre Aufgabe erleichtert, eine Zuwiderhandlung festzustellen und ihr gegebenenfalls ein Ende zu setzen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 399, Urteile des Gerichts BPB de Eendracht/Kommission, oben in Randnr. 164 angeführt, Randnr. 325, vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 363, und Mayr-Melnhof/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 330).

277    Im Hinblick auf die Ratio des Abschlags kann die Kommission nicht die Nützlichkeit der vorgelegten Information unberücksichtigt lassen, die sich zwangsläufig nach dem Beweismaterial richtet, das sich bereits in ihrem Besitz befindet.

278    Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei nicht berechtigt, die Nützlichkeit ihres Beitrags im Verhältnis zu dem von Morgan zu relativieren, da die jeweilige Nützlichkeit der von diesen beiden Unternehmen vorgelegten Informationen bereits darin zum Ausdruck komme, dass für beide Unternehmen jeweils eine andere Abschlagskategorie gewählt worden sei.

279    Der Umstand, dass nach Auffassung der Kommission wegen der besonderen Güte der festgestellten Zusammenarbeit gemäß Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit gegen Morgan keine Geldbuße zu erlassen war, verbietet es der Kommission indessen nicht, sodann nach Abschnitt D der genannten Mitteilung die Zusammenarbeit der Klägerin und somit die Nützlichkeit der gelieferten Informationen im Hinblick auf das Beweismaterial zu beurteilen, das bereits von einem anderen Unternehmen, nämlich von Morgan, vorgelegt worden war. Wie die Kommission zu Recht betont, kann die Kommission, auch wenn der wesentliche Unterschied, der den Abschnitten B, C und D der Mitteilung über Zusammenarbeit zugrunde liegt, in der Nützlichkeit der beigebrachten Information besteht, das Nützlichkeitskriterium verwenden, um über die Höhe des Abschlags für jede in den genannten Abschnitten vorgesehene Kategorie der Geldbußenherabsetzung zu entscheiden.

280    Die Klägerin stellt zwar die Relevanz des ersten von der Kommission verwendeten Untersuchungskriteriums in Frage, sie beanstandet jedoch weder die Schlussfolgerungen der Kommission bezüglich der Qualität der Zusammenarbeit von Morgan, die eine das Kartell betreffende Akte mit 4789 Seiten vorlegte, noch die entsprechende Folgerung, dass das Beweismaterial, das sie selbst vorgelegt hat, dem gegenüber von begrenztem Wert war. Die Klägerin erklärt ausdrücklich, dass sie nicht bestreite, dass die Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit im Verfahren geringer gewesen sei als die von Morgan.

281    Was das zweite Kriterium angeht, das die Kommission berücksichtigte, um die Höhe des der Klägerin gewährten Abschlags auf 40 % festzusetzen, so trägt die Klägerin vor, dass die Kommission zu Unrecht die Freiwilligkeit ihrer Zusammenarbeit in Frage stelle und dass sie schon vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der einzigen in Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Voraussetzung, kooperiert habe.

282    Die Kommission hat, wie sich im Übrigen aus der Entscheidung, insbesondere aus deren Randnr. 324 ergibt, ausgeführt, dass sie die Freiwilligkeit der Zusammenarbeit der Klägerin als solche nicht bestreite. Sie könne jedoch bei der Gesamtbeurteilung der genannten Zusammenarbeit berücksichtigen, dass diese nach einem Auskunftsverlangen begonnen habe. Entscheidender Grund für die Ablehnung des Maximalabschlags von 50 % sei indessen die begrenzte Nützlichkeit der von der Klägerin beigebrachten Information.

283    Wie bereits dargelegt, verfügt die Kommission bei der Beurteilung der Qualität und der Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens über einen weiten Wertungsspielraum (Urteil vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 88), und sie kann im Rahmen einer Gesamtwürdigung den Umstand berücksichtigen, dass dieses Unternehmen erst nach Erhalt eines Auskunftsverlangens Unterlagen zur Verfügung stellte (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 158 angeführt, Randnr. 365, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 408), wobei sie diesen Umstand jedoch nicht als ausschlaggebend dafür ansehen darf, die Kooperation eines Unternehmens gemäß Abschnitt D Nr. 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit geringer zu bewerten (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 146 angeführt, Randnr. 410).

284    Die Klägerin behauptet, die Kommission habe jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Klägerin bei der Versendung des Schreibens vom 16. August 2002, mit dem sie die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragt habe, Kenntnis von dem Auskunftsverlangen gehabt habe. Einige Stunden vor dem Eingang des Auskunftsverlangens am 16. August 2002 habe sie einen Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit eingereicht, von dem sie eine Abschrift als Anlage der Klageschrift beigefügt habe.

285    In diesem Dokument, das tatsächlich vom 16. August 2002 datiert und ein Telefax ist, auf dem weder eine Sendebestätigung noch ein Sendedatum angebracht ist, heißt es, dass „[LCL] die Anwendung der Mitteilung [über Zusammenarbeit] in der Sache bezüglich der Elektromotorbürsten [beantragt], und zwar im Rahmen des von der Kommission gegen das Unternehmen eingeleiteten Verfahrens“; dies bestätigt die Richtigkeit der in der Entscheidung angeführten Chronologie.

286    Auf die Stellungnahme der Kommission, wonach die Wendung „im Rahmen des … eingeleiteten Verfahrens“ den Erhalt des Auskunftsverlangens und dessen Kenntnisnahme durch die Klägerin bestätige, führt die Letztere in ihrer Erwiderung aus, diese Worte bezögen sich auf das Verfahren, das im Bereich des isostatischen Graphits eingeleitet worden sei.

287    Wenn diese Ausführungen zuträfen, wäre, wie die Kommission betont, davon auszugehen, dass das Schreiben vom 16. August 2002, in dem die Klägerin eine Zusammenarbeit anbot, in keinem Bezug zum vorliegenden Fall stand und folglich vom Gericht außer Betracht zu lassen wäre. Die Klägerin bliebe somit den Beweis schuldig, dass sie vor dem Eingang des Auskunftsverlangens zusammenarbeitete.

288    In dem Schreiben vom 16. August 2002 wird zudem ausdrücklich die Sache bezüglich der „Elektromotorbürsten“ erwähnt, die zu den elektrotechnischen Kohlenstoff- und Graphitprodukten gehören, die ihrerseits Gegenstand des in der Entscheidung genannten Kartells waren.

289    Jedenfalls ist festzustellen, dass die Klägerin erst ab dem 22. August 2002, dem Zeitpunkt, zu dem sie die ersten mit dem Kartell zusammenhängenden Unterlagen an die Kommission übersandte, und damit erst nach dem behaupteten Eingang des Auskunftsverlangens der Kommission im Sinne des Art. 11 der Verordnung Nr. 17 tatsächlich mit der Zusammenarbeit begonnen hat.

290    Was schließlich den Verweis auf die frühere Entscheidungspraxis der Kommission angeht, die den von der Klägerin geltend gemachten Maximalabschlag von 50 % rechtfertige, so ist bereits oben in Randnr. 110 ausgeführt worden, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann und Entscheidungen in anderen Fällen nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind. Festzustellen ist, dass die Klägerin den Beweis für eine solche Diskriminierung nicht erbracht hat. Ferner kann allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 458 und die dort angeführte Rechtsprechung).

291    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission die Zusammenarbeit der Klägerin offensichtlich fehlerhaft beurteilte, indem sie ihr gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit einen Abschlag von 40 % gewährte.

 Zu den behaupteten Verstößen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

292    Was die angeblichen Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung anbelangt, so darf die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung bei ihrer Beurteilung der Zusammenarbeit der betroffenen Unternehmen diesen Grundsatz nicht außer Acht lassen; er ist verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern dies nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Tokai I, oben in Randnr. 146 angeführt, Randnr. 394 und die dort angeführte Rechtsprechung).

293    Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe Morgan gemäß Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung der Geldbuße um 100 % gewährt, obwohl Morgan der Kommission bestimmte sachdienliche Informationen über ihre Beteiligung an einer Preisabsprache für Graphitprodukte in den Vereinigten Staaten verheimlicht habe und der Kommission irreführende Angaben über die Beendigung ihrer Beteiligung an rechtswidrigen Tätigkeiten in den Vereinigten Staaten und in Europa geliefert habe.

294    Die Klägerin schließt hieraus, dass die Kommission, sofern sie nicht einen schweren Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung begehen wollte, den Antrag der Klägerin auf Anwendung der Kronzeugenregelung hätte neu bewerten müssen und ihr gemäß Abschnitt B die Geldbuße erlassen oder zumindest die höchstmögliche Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit einräumen müssen, da sie Morgan die höchstmögliche Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt B der genannten Mitteilung eingeräumt habe.

295    Soweit die Klägerin geltend macht, die Herabsetzung der Geldbuße von Morgan sei rechtswidrig, und sofern unterstellt wird, die Kommission hätte diesem Unternehmen aufgrund einer falschen Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ohne Rechtsgrund eine Herabsetzung gewährt, ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand darauf berufen kann, Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewendet worden (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14, Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 160, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 158, angeführt, Randnr. 367).

296    Sodann ist festzustellen, dass sich Morgan und die Klägerin nicht in einer vergleichbaren Lage befanden und dass dieser objektive Unterschied die unterschiedliche Behandlung, die ihnen die Kommission bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit zuteil werden ließ, erklärt und rechtfertigt.

297    Zu den Voraussetzungen für eine Nichtfestsetzung oder eine wesentlich niedrigere Festsetzung einer Geldbuße, wie sie in Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen sind, gehört der Umstand, dass das Unternehmen als erstes Angaben macht, die für den Beweis des Bestehens des Kartells von entscheidender Bedeutung sind. Die Klägerin trägt in der Erwiderung jedoch selbst vor, dass sie nicht bestreite, dass die Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit im Verfahren geringer als die von Morgan gewesen sei und dass es im Übrigen nicht anders sein könne, da die von Morgan zur Verfügung gestellten Informationen es der Kommission ermöglicht hätten, das Bestehen des Kartells nachzuweisen, so dass ihr Beitrag zwangsläufig nur imstande gewesen sei, zur Bestätigung des Vorliegens der Zuwiderhandlung beizutragen.

298    Die Behauptung einer Ungleichbehandlung im Vergleich zur Behandlung von Morgan und die entsprechende Berufung der Klägerin auf die Bestimmungen des Abschnitts B der Mitteilung über Zusammenarbeit oder auf die höchstmögliche Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der genannten Mitteilung sind daher zurückzuweisen.

299    Die Klägerin macht zweitens geltend, dass die Kommission der SGL trotz ihrer äußerst beschränkten und verspäteten Mitwirkung am Verfahren, die die Kommission in der Entscheidung selbst hervorgehoben habe, gleichwohl eine Herabsetzung der Geldbuße um 20 % aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit eingeräumt habe, während die Klägerin nur eine Herabsetzung um 40 % für eine vollständige und umfassende Zusammenarbeit erhalten habe.

300    Dieses Vorbringen lässt weder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung noch im Übrigen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erkennen, da die Zusammenarbeit der Klägerin, die objektiv umfangreicher als die von SGL war, von der Kommission tatsächlich und angemessen berücksichtigt wurde.

301    Die Herabsetzung, die aufgrund der vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte geleisteten Mitwirkung der Klägerin festgesetzt wurde, ist dreimal größer als die, die SGL eingeräumt wurde, da sie 30 % für die Klägerin und 10 % für SGL beträgt. Da die beiden Unternehmen den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt einräumten, ist ihnen dann folgerichtig allein hierfür eine jeweils gleich hohe Herabsetzung um 10 % zugutegekommen.

302    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht darlegt, weshalb die Kommission nicht berechtigt sein sollte, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu erläutern, wie sich die gewährten Herabsetzungen um 40 % und 20 % zahlenmäßig zusammensetzen. Dieser Vortrag der Kommission in ihren Schriftsätzen, der die Entscheidung ergänzt, kann nicht als ein nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung verbotenes neues Verteidigungsmittel gelten.

303    Die Klägerin führt ferner aus, dass die Kommission ihr, wenn sie nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wollte, eine Herabsetzung um erheblich mehr als 50 % ihrer Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit hätte einräumen müssen, denn sie habe SGL − die die Untersuchung der Kommission behindert habe – eine Herabsetzung um „55 %“ (20 % aufgrund der Zusammenarbeit und 33 % aufgrund anderer Faktoren) eingeräumt.

304    Wie die Klägerin selbst ausführt, wurde die Herabsetzung um 33 % aufgrund „anderer Faktoren“ eingeräumt, so dass hierauf nicht in schlüssiger Weise die angebliche Ungleichbehandlung bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit gestützt werden kann. Die Frage, ob die Kommission „andere Faktoren“ zu berücksichtigen hat, wird von der Klägerin im Übrigen in einer besonderen Rüge aufgeworfen, die im Folgenden geprüft wird.

305    Soweit die Klägerin geltend macht, die Herabsetzung der Geldbuße von SGL sei rechtswidrig, und sofern unterstellt wird, die Kommission hätte diesem Unternehmen aufgrund einer falschen Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ohne Rechtsgrund eine Herabsetzung gewährt, ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand darauf berufen kann, Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewendet worden.

306    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission sie bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ungleich und/oder unverhältnismäßig behandelte.

 Zur fehlenden Herabsetzung der Geldbuße aufgrund „anderer Faktoren“

307    In dem Teil der Entscheidung, der die Überschrift „Zahlungsfähigkeit und andere Faktoren“ trägt, wies die Kommission zunächst das Vorbringen von SGL und der Klägerin zurück, sie seien nicht in der Lage, in der vorliegenden Sache eine Geldbuße zu zahlen (Randnrn. 340 bis 357 der Entscheidung).

308    Sodann erinnerte die Kommission daran, dass sie gegen SGL vor kurzer Zeit bereits beachtliche Geldbußen wegen Teilnahme an anderen Kartellaktivitäten festgesetzt habe, nämlich eine Geldbuße von 80,2 Mio. Euro in der Sache Graphitelektroden und zwei Geldbußen über einen Betrag von insgesamt 27,75 Mio. Euro für ihre Beteiligung am Kartell betreffend isostatischen Graphit und am Kartell betreffend stranggepressten Graphit in der Sache Spezialgraphit (Randnr. 358 der Entscheidung). Berücksichtige man die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der SGL und die vor kurzer Zeit gegen sie verhängten Sanktionen sowie die Tatsache, dass die ihr vorgeworfenen verschiedenen Kartellaktivitäten gleichzeitig stattgefunden hätten, sei es unter diesen besonderen Umständen nicht erforderlich, gegen SGL den vollen Betrag der Geldbuße zu verhängen, um eine abschreckende Wirkung sicherzustellen; daher sei die Geldbuße um 33 % zu vermindern und auf 23,64 Mio. Euro festzusetzen (Randnr. 360 der Entscheidung).

309    Da sich jedoch nach Ansicht der Kommission die Situation der Klägerin stark von der Situation von SGL unterschied, gewährte die Kommission der Klägerin keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund „anderer Faktoren“. Die Kommission stellte insoweit fest, dass sich die bis dahin gegen SGL wegen zeitgleicher Kartellaktivitäten verhängten Geldbußen auf annähernd 10 % des 2002 von SGL erzielten Weltumsatzes beliefen, während es sich bei der Klägerin, gegen die eine Geldbuße von 6,97 Mio. Euro wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell für isostatischen Graphit festgesetzt worden sei, um 1 % gehandelt habe. Auf der Grundlage einer vergleichenden Prüfung der Finanzkennzahlen weist die Kommission ferner darauf hin, dass die Situation von SGL erheblich gravierender als die derzeitige Lage der Klägerin sei (Randnrn. 361 und 362 der Entscheidung).

310    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe.

311    Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung dieser Rüge beruht auf der Annahme, dass die Kommission angesichts der Rechtsprechung und nach dem Wortlaut der Entscheidung die Finanzlage von SGL weder allein noch zusammen mit anderen Faktoren berücksichtigen durfte. Da die Kommission nach Ansicht der Klägerin verpflichtet war, die Zahlungsfähigkeit von SGL bei der Festsetzung der Geldbuße außer Acht zu lassen, durfte demnach die Herabsetzung der Geldbuße nur auf die kurz zuvor gegen SGL verhängten Sanktionen gestützt werden.

312    Diese Überlegungen erlauben es der Klägerin, bei der vergleichenden Analyse der Behandlung von SGL die Frage der Finanzlage von SGL auszuklammern, um nur auf die Berücksichtigung von Geldbußenfestsetzungen abzustellen (nämlich die Geldbußen, die gegen sie in der Sache Spezialgraphit, in den Vereinigten Staaten und in der vorliegenden Entscheidung über insgesamt 50,02 Mio. Euro verhängt wurden) und eine entsprechende und verhältnismäßige Herabsetzung ihrer Geldbuße nach Maßgabe des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend zu machen.

313    Diese Argumentation beruht auf einer fehlerhaften Annahme und ist daher zurückzuweisen.

314    Die Kommission ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, die defizitäre finanzielle Lage eines betroffenen Unternehmens bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. Urteil Tokai I, oben in Randnr. 146 angeführt, Randnr. 370 und die dort angeführte Rechtsprechung), was nicht bedeutet, dass sie daran gehindert wäre, dies zu tun. In diese Richtung weisen auch die Randnrn. 349 und 356 der Entscheidung, die mit nahezu denselben Worten die oben angeführte Rechtsprechung wiedergeben.

315    Im vorliegenden Fall setzte die Kommission die gegen SGL verhängte Geldbuße herab, weil SGL sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand und kurz davor gegen SGL zwei Geldbußen wegen gleichzeitig begangener Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht festgesetzt worden waren.

316    Die Klägerin legt nicht eindeutig dar und weist jedenfalls auch nicht nach, dass sie sich – vor allem in finanzieller Hinsicht – in einer ähnlichen Lage wie SGL befand und ob der Vergleich mit SGL deren Lage im Rahmen des Verfahrens in der Sache Spezialgraphit oder im vorliegenden Verfahren betrifft.

317    Der objektive Unterschied zwischen der Lage von SGL und der der Klägerin erklärt und rechtfertigt daher die unterschiedliche Behandlung der Genannten; ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung oder gar der Verhältnismäßigkeit kann der Kommission im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden.

318    Nach alledem sind sämtliche Rügen der Klägerin zurückzuweisen. Die Klage ist somit abzuweisen.

 Kosten

319    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Le Carbone-Lorraine trägt die Kosten.

Vilaras

Prek

Ciucă

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Oktober 2008.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Vilaras


* Verfahrenssprache: Französisch.