Language of document : ECLI:EU:T:2022:81

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

23. Februar 2022(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Einstellung – Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 – Entscheidung, mit der eine Verschiebung der Testtermine eines Auswahlverfahrens abgelehnt wird – Für das Absolvieren einer Auswahlprüfung in einem Testzentrum vorgesehene Fristen – Recht auf ein faires Verfahren – Fürsorgepflicht – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑709/20,

OJ, vertreten durch Rechtsanwalt H.‑E. von Harpe,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Hohenecker und I. Melo Sampaio als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 270 AEUV, die im Wesentlichen auf die Aufhebung der Entscheidung des Europäischen Amts für Personalauswahl (EPSO) vom 30. Januar 2020 gerichtet ist, mit der EPSO eine Verschiebung der Auswahlprüfung im Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 abgelehnt hat,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters M. Jaeger (Berichterstatter) und der Richterin O. Porchia,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Kläger OJ ist Vertragsbediensteter der Europäischen Kommission und versieht seinen Dienst in der Delegation der Europäischen Union in Pakistan.

2        Am 14. Januar 2020 meldete sich der Kläger für das Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 – Beamte (M/W) der Funktionsgruppe „Administration“ (Besoldungsgruppen AD 7/AD 9) – Internationale Zusammenarbeit und Verwaltung der Hilfe für Nicht-EU-Länder (ABl. 2019, C 409 A, S. 1) des Europäischen Amts für Personalauswahl (EPSO) an.

3        Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 wurde der Kläger von EPSO aufgefordert, im Zeitraum zwischen dem 28. Januar und dem 3. Februar 2020 für den computergestützten Multiple-Choice-Auswahltest in einem der vorgeschlagenen Testzentren einen Termin in der Zeitspanne zwischen dem 4. und dem 14. Februar 2020 zu buchen, wobei das nächstgelegene Testzentrum sich in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) befand. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass für Bewerber, die dieser Terminbuchungsformalität zur Absolvierung der Auswahlprüfung nicht nachkämen, davon ausgegangen werde, dass sie ihre Bewerbung zurückgezogen hätten.

4        Am 30. Januar 2020 beantragte der Kläger bei EPSO eine Verschiebung des Prüfungstermins. Er machte insoweit im Wesentlichen geltend, dass die ausgesprochen kurze Frist für das Ablegen dieser Prüfung, nämlich zwischen dem 4. und dem 14. Februar 2020, diejenigen Bediensteten benachteilige, die in den Delegationen der Union arbeiteten. Zudem könne er in diesem Zeitraum, in dem er seine Kinder allein betreuen müsse, nicht verreisen.

5        Dieser Antrag wurde von EPSO mit Entscheidung vom selben Tag (im Folgenden: Entscheidung vom 30. Januar 2020) abgelehnt, da zum einen die für das Ablegen der Prüfung vorgesehene Frist dem für Auswahlverfahren geltenden Standard entspreche und zum anderen der Grundsatz der Gleichbehandlung insofern eingehalten werde, als diese Frist für alle Bewerber gelte.

6        Mit Schreiben vom 31. Januar 2020 bat der Kläger erneut um einen Prüfungstermin nach dem 15. Februar 2020 und führte zur Begründung aus, dass es ihm unmöglich sei, seinen Dienstort zu verlassen, um sich rechtzeitig in einem der vorgeschlagenen Testzentren einzufinden und so an der von EPSO durchgeführten Auswahlprüfung teilzunehmen.

7        Am 7. Februar 2020 bestätigte EPSO seine Entscheidung vom 30. Januar 2020, die Anberaumung eines Termins zum Absolvieren der Auswahlprüfung außerhalb des ursprünglich angegebenen Zeitraums nicht zuzulassen (im Folgenden: Entscheidung vom 7. Februar 2020).

8        Am 20. April 2020 legte der Kläger gegen die Entscheidungen vom 30. Januar und vom 7. Februar 2020 gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Union Beschwerde in deutscher Sprache ein. Er machte im Wesentlichen geltend, dass die für das Absolvieren der Auswahlprüfung vorgegebene Frist von 15 bis 25 Tagen zu knapp bemessen gewesen sei, um es ihm zu ermöglichen, Vorkehrungen insbesondere für die Betreuung seiner Kinder in einem geografischen Gebiet zu treffen, in dem die persönliche Sicherheit nicht gewährleistet sei.

9        Mit Entscheidung vom 1. September 2020 bzw. – für die deutsche Fassung – vom 21. September 2020 wies EPSO die Beschwerde des Klägers ab (im Folgenden: Entscheidung vom 1. September 2020), da er keinen Termin zum Absolvieren der Auswahlprüfung gebucht habe, was einer Zurückziehung der Bewerbung gleichkomme. EPSO wies darauf hin, dass ihm insofern kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorgeworfen werden könne, als alle Bewerber gleichbehandelt worden seien.

 Verfahren und Anträge der Parteien

10      Mit Klageschrift, die am 30. November 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

11      Am selben Tag hat er beantragt, ihm Anonymität zu gewähren. Diesem Antrag hat das Gericht stattgegeben.

12      Die Klagebeantwortung ist am 17. Februar 2021 eingereicht worden, die Erwiderung am 11. Mai 2021 und die Gegenerwiderung am 23. Juni 2021.

13      Das schriftliche Verfahren ist am 24. Juni 2021 geschlossen worden.

14      Da die Parteien nicht gemäß Art. 106 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben, hat das Gericht (Erste Kammer), da es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung beschlossen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

15      Darüber hinaus hat der Kläger am 4. Oktober 2021 beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes das Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 1. Dezember 2021 zurückgewiesen.

16      Der Kläger beantragt,

–        die Entscheidung vom 1. September 2020 sowie alle damit zusammenhängenden Akte aufzuheben;

–        EPSO aufzugeben, das Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 ordnungsgemäß und insbesondere unter Einhaltung einer angemessenen Anmeldefrist für den Kläger zu wiederholen;

–        hilfsweise, EPSO aufzugeben, das Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 ordnungsgemäß und insbesondere unter Einhaltung einer angemessenen Anmeldefrist insgesamt zu wiederholen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Klage gegen die Entscheidung vom 1. September 2020

18      Zunächst beantragt die Kommission, die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie die Entscheidung vom 1. September 2020 zum Gegenstand hat, da mit dieser Entscheidung lediglich die Entscheidung vom 30. Januar 2020 bestätigt werde. Somit werde die Aufhebung der mit der Entscheidung vom 1. September 2020 zusammenhängenden Entscheidung vom 30. Januar begehrt.

19      Der Kläger hat zu dieser Einrede der Unzulässigkeit nicht Stellung genommen.

20      Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt die Erhebung einer Klage, selbst wenn sie formal gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist, dass das Gericht mit der beschwerenden Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet war, es sei denn, die Zurückweisung der Beschwerde hat eine andere Tragweite als die mit der Beschwerde angegriffene Maßnahme (vgl. Urteil vom 23. September 2020, ZL/EUIPO, T‑596/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:442, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Zudem stellt im Hinblick auf den evolutiven Charakter des vorprozessualen Verfahrens eine ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde, die nur zusätzliche Präzisierungen enthält und sich daher darauf beschränkt, die Gründe für die Bestätigung der früheren Entscheidung im Einzelnen offenzulegen, keine beschwerende Maßnahme dar (vgl. Urteil vom 23. September 2020, ZL/EUIPO, T‑596/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:442, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall wird durch die Entscheidung vom 1. September 2020 lediglich die Entscheidung vom 30. Januar 2020 bestätigt, die wiederum bereits durch die Entscheidung vom 7. Februar 2020 bestätigt wurde, mit der EPSO den Antrag des Klägers abgelehnt hat, am computergestützten Multiple-Choice-Auswahltest außerhalb des im Rahmen des Auswahlverfahrens EPSO/AD/380/19 vorgesehenen Zeitraums teilnehmen zu dürfen.

23      Demzufolge handelt es sich bei der den Kläger beschwerenden Maßnahme um die Entscheidung vom 30. Januar 2020.

24      Da die Klage die Aufhebung der Entscheidung vom 1. September 2020 sowie „aller damit zusammenhängender Akte“ zum Gegenstand hat und die Kommission den Zusammenhang dieser Entscheidung mit jener vom 30. Januar 2020 selbst einräumt, ist in Anwendung der oben in Rn. 20 angeführten Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Kläger die Aufhebung der Entscheidung vom 30. Januar 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) begehrt und seine Aufhebungsanträge zulässig sind.

 Zu den Anträgen auf Verurteilung von EPSO durch das Gericht zur Wiederholung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/380/19

25      Mit seinem zweiten und seinem dritten Antrag begehrt der Kläger im Wesentlichen eine Entscheidung des Gerichts, EPSO die Wiederholung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/380/19 aufzugeben.

26      Diese Anträge sind darauf gerichtet, dass das Gericht EPSO eine Weisung erteilt.

27      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Union jedoch nicht befugt, der Verwaltung Weisungen zu erteilen (vgl. Beschluss vom 25. März 2020, Lucaccioni/Kommission, T‑507/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:118, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Folglich sind der zweite und der dritte Antrag des Klägers unzuständigkeitshalber zurückzuweisen.

 Zu den Anträgen auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

29      Der Kläger stützt seinen Aufhebungsantrag im Wesentlichen darauf, dass die angefochtene Entscheidung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung, der die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten umfasse, rechtswidrig sei.

30      Zur Fürsorgepflicht macht der Kläger geltend, die Frist für die Teilnahme an einer Prüfung eines Auswahlverfahrens müsse so bemessen sein, dass für alle Bewerber dieselbe Chance zur Teilnahme an dieser Prüfung bestehe. Dies sei hier indessen nicht der Fall gewesen, da Bewerber mit dienstlicher Verwendung in entlegenen Delegationen bei einer für die Auswahlprüfung vorgesehenen Frist von 15 bis 25 Tagen ab Aufforderung zur Anmeldung kurzfristig keine Vorkehrungen, und zwar in seinem Fall etwa für die Vorbereitung seiner Reise, seiner Unterkunft und für die sichere Unterbringung der Kinder, hätten treffen können. Zudem habe EPSO mit der derart kurzfristigen Terminierung der Prüfung willkürlich gehandelt, nur um die Zahl der Bewerber im Auswahlverfahren künstlich gering zu halten.

31      Außerdem habe die Verwaltung dadurch gegen ihre Fürsorgepflicht verstoßen, dass sie sich geweigert habe, der besonderen Situation des Klägers Rechnung zu tragen, nämlich der Ausübung seiner Tätigkeit in einem Drittland mit hohen Sicherheitsrisiken, die der Kommission im Übrigen dazu Anlass gegeben hätten, ihren Bediensteten Dienstreisen innerhalb Pakistans zu untersagen. Insoweit macht der Kläger geltend, beim Erlassen der angefochtenen Entscheidung hätte die Verwaltung nicht nur das dienstliche Interesse berücksichtigen müssen, sondern auch das seinige, damit er nicht gegenüber anderen Bewerbern benachteiligt werde.

32      Die vom Kläger für die unterbliebene Buchung eines Auswahlprüfungstermins angeführten Gründe seien ferner, anders als von der Kommission dargestellt, nicht auf seine persönliche Situation oder „praktische Schwierigkeiten“ zurückzuführen, sondern auf „seine gesamten Lebensumstände“, die mit seinem Dienstort verbundene objektive Kriterien seien.

33      Weiter führt der Kläger aus, es sei ihm unmöglich gewesen, seine Kinder betreuen zu lassen, da es ausweislich eines von der Schule der Kinder herausgegebenen und als Anlage 6 vorgelegten Dokuments wegen der hohen Sicherheitsrisiken für die Kinder verboten gewesen sei, dass diese von Dritten zur Schule gefahren oder Dritten anvertraut würden. Außerdem hält der Kläger das von der Kommission für ihre Bediensteten in Islamabad (Pakistan) beim Schutz ihrer Privatwohnungen gewährleistete Sicherheitsniveau für nicht ausreichend. So habe die Kommission entgegen den geltenden Vorschriften für die Privatwohnung des Klägers keine Alarmanlage installiert. Verschärft worden sei die unsichere Lage durch die Unzuverlässigkeit des zum Schutz seiner Wohnung von der Kommission beauftragten Sicherheitsunternehmens.

34      Der Kläger schließt daraus, dass die Verwaltung dadurch ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei, dass sie die Besonderheit seiner Stelle nicht berücksichtigt, keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet und – anders als in anderen Regionen der Welt – nicht genügend Testzentren für die Region Asien vorgesehen habe.

35      Zum Grundsatz der Gleichbehandlung trägt der Kläger vor, die Verwaltung habe seiner besonderen Situation nicht Rechnung getragen und unterschiedliche Situationen gleichbehandelt. Denn die Situation eines in Brüssel (Belgien) wohnhaften Bewerbers sei nicht die gleiche wie die eines Bewerbers mit dienstlicher Verwendung im Ausland, dem es praktisch unmöglich sei, an einem Auswahlverfahren teilzunehmen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die zum Absolvieren des Auswahltests gesetzte Frist zu knapp bemessen sei.

36      Im Übrigen habe einer seiner Kollegen, der wie er dienstlich in Pakistan verwendet werde und an dem fraglichen Auswahlverfahren teilgenommen habe, nach einer allgemeinen Panne bei der Auswahlprüfung im Testzentrum von Kuwait letztlich diese Prüfung zu einem späteren Termin als den ursprünglich vorgesehenen in Islamabad abgelegt. Dies beweise, dass die Verwaltung durchaus in einem gewissen Maße flexibel sein könne.

37      Der Kläger macht überdies geltend, dass in einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs aus dem Jahr 2020 in Bezug auf Auswahlverfahren, die wie das vorliegende der Einstellung von Spezialisten dienten, Schwachpunkte festgestellt worden seien, insbesondere was die lange Dauer und die Schwerfälligkeit der Verfahren und schließlich deren Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit angehe.

38      Zudem habe die Verwaltung, die sowohl ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei als auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, mithin auch ihre Pflicht, dem Recht auf ein faires Verfahren Rechnung zu tragen, verletzt.

39      In seiner Erwiderung macht der Kläger geltend, dass die Kommission mit bloßen Formalismen argumentiere, soweit es darum gehe, dass die Nichtanmeldung zur streitigen Auswahlprüfung zu einem bestimmten Termin als Verzicht auf die weitere Teilnahme am Auswahlverfahren zu werten sei. Insoweit führt der Kläger aus, dass die Kommission, wenn er „rechtzeitig“ einen Termin im Testzentrum gebucht, aber am gebuchten Termin tatsächlich nicht an der Auswahlprüfung teilgenommen hätte, seine Bewerbung mit der Begründung hätte ablehnen können, dass er durch seine Buchung die Folgen eines Nichterscheinens zur Auswahlprüfung akzeptiert habe.

40      Insoweit macht der Kläger geltend, die Liste der für das Absolvieren der Auswahlprüfung zur Verfügung stehenden Testzentren zeige, dass es in Lateinamerika (mit elf Zentren) im Vergleich zu Südasien ein Überangebot an Testzentren gebe. Die Testzentren seien also ungleich und ungerecht verteilt.

41      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

42      Vorab ist festzustellen, dass am Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 unstreitig nicht nur Bedienstete der Kommission, sondern auch Unionsbürgerinnen und ‑bürger teilnehmen konnten, die nicht für die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union arbeiten. Zudem galt die für das Ablegen der Auswahprüfung festgesetzte Frist für alle Bewerber, unabhängig ihrer privaten, beruflichen oder geografischen Umstände.

43      Was erstens die vom Kläger gerügte Verletzung der Fürsorgepflicht angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung diese Pflicht in Verbindung mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung insbesondere gebietet, dass die Verwaltung, bei der ein Bediensteter dienstlich Verwendung findet, wenn sie über dessen Angelegenheiten entscheidet, sämtliche Umstände berücksichtigen muss, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dass sie dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Bediensteten Rechnung trägt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, Kommission/De Esteban Alonso, C‑591/19 P, EU:C:2021:468, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im Rahmen der Durchführung eines Auswahlverfahrens gebietet es der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung u. a., dass die Verwaltung angemessene Fristen vorsieht, so dass nicht nur ihrem eigenen Interesse an einem zügigen Ablauf des Auswahlverfahrens Rechnung getragen wird, sondern auch dem Interesse der Bewerber, Vorkehrungen für ihre Prüfungsteilnahme unter sachlich guten Voraussetzungen treffen zu können.

45      Im vorliegenden Fall wurde die elftägige Frist – der Zeitraum vom 4. bis 14. Februar 2020, in dessen Verlauf die Bewerber an der Auswahlprüfung teilnehmen konnten – diesen am 20. Januar 2020 mitgeteilt, also fast vier Wochen vor Fristablauf. Der Kläger verfügte somit entgegen seinem Vorbringen über eine Frist von mehreren Wochen, um „sorgfältige (Sicherheits-)Vorkehrungen zu treffen, die Reise zu buchen und für die verantwortungsvolle Unterbringung [seiner] Familie, insbesondere der Kinder, zu sorgen“.

46      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht bestreitet, dass einer seiner Kollegen (ebenfalls in Pakistan tätig und Bewerber im Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19) sich binnen der von EPSO vorgegebenen Frist für das Testzentrum in Kuwait eingeschrieben hatte und dort auch erschienen ist, was bestätigt, dass es möglich war, die Vorkehrungen für die Teilnahme an der Auswahlprüfung innerhalb der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannten Frist zu treffen. Dies veranschaulicht auch, dass das von der Kommission für Beschäftigte der Union in Pakistan ausgesprochene Dienstreiseverbot, das der Kläger anspricht, nur Reisen innerhalb dieses Landes, nicht aber Auslandsreisen betraf.

47      Selbst wenn man zudem annähme, dass das Vorbringen des Klägers, eine hinreichend sichere Betreuung seiner Kinder sei unmöglich gewesen, nicht sein Privatleben, sondern die Lebensumstände in einem Land beträfe, in dem er von der Kommission dienstlich verwendet werde und in dem die Sicherheitslage besonders angespannt sei, und dass ein solches Argument im Rahmen seiner Rüge eines fehlerhaften Verständnisses des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Fürsorgepflicht vorgebracht werden könnte, hat der Kläger keinen Beweis dafür erbracht, dass es ihm objektiv unmöglich war, seine Kinder durch Dritte betreuen zu lassen, um an der fraglichen Auswahlprüfung teilzunehmen.

48      Das vom Kläger zur Untermauerung dieses Vorbringens vorgelegte Rundschreiben der Internationalen Schule von Islamabad beweist lediglich, dass die Schulleitung die Eltern aufgefordert hat, ihr im Falle von längeren Auslandsaufenthalten eine entsprechende Mitteilung zu machen und eine(n) „zusätzliche(n) Verantwortliche(n)“ zu benennen (Parents out of the country for extended periods of time need to have an additional guardian appointed). Dieses Schreiben enthält keinen Nachweis für ein Verbot, die Beförderung der Kinder zur Schule einem Dritten zu übertragen, oder gar dafür, dass die Betreuung seiner Kinder Dritten nicht anvertraut werden könnte.

49      Da außerdem bei der Beurteilung der Fürsorgepflicht sowohl die Verpflichtungen der Verwaltung als auch die des betroffenen Bediensteten zu berücksichtigen sind, ist festzustellen, dass vom Kläger keine Nachweise für die Anstrengungen – insbesondere die vergeblichen – vorgelegt wurden, die er im Hinblick auf eine Betreuung seiner Kinder durch Dritte unternommen hätte, um an der Auswahlprüfung teilnehmen zu können.

50      Somit nennt der Kläger keine objektiven Anhaltspunkte, die belegen könnten, dass er durch die Bedingungen, unter denen er seinen Dienst im Ausland verrichtet, daran gehindert war, an der Auswahlprüfung teilzunehmen, oder dass die von der Verwaltung vorgegebene Frist objektiv zu kurz war, um ihm Vorkehrungen für eine Teilnahme an der genannten Prüfung unter sachlich guten Voraussetzungen zu ermöglichen, weshalb seine Rüge, dass die Fürsorgepflicht und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt seien, zurückzuweisen ist.

51      Zweitens ist in Bezug auf die vom Kläger gerügte Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darauf hinzuweisen, dass nach diesem Grundsatz vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 25. März 2021, Alvarez y Bejarano u. a./Kommission, C‑517/19 P und C‑518/19 P, EU:C:2021:240, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Diese Rüge ist aus den oben in den Rn. 45 bis 50 genannten Gründen zurückzuweisen, da die von EPSO festgelegten Fristen ausreichten, um allen Bewerbern und auch dem Kläger eine Teilnahme an der Auswahlprüfung zu ermöglichen. Das Vorbringen des Klägers, die Verwaltung habe seine besondere Lage nicht berücksichtigt, kann also nicht durchgreifen, da nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung die schriftlichen Prüfungen eines Auswahlverfahrens, wie in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehen, für alle Bewerber unter den gleichen Bedingungen stattfinden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 1976, Prais/Rat, 130/75, EU:C:1976:142, Rn. 12/19).

53      Auch die vom Kläger vorgebrachte Rüge einer geografisch unausgewogenen Verteilung der Testzentren vermag nicht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu berühren.

54      Denn der Anlage B.2 zur Klagebeantwortung, die der Kläger zutreffend als eine Auflistung der den Bewerbern für die Teilnahme an der Auswahlprüfung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/380/19 vorgeschlagenen Testzentren ausgelegt hat, ist klar zu entnehmen, dass diese sich für die Region Asien in Kuwait, im Libanon, in Vietnam, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Hongkong, in der Türkei, in Indien, auf den Philippinen, in Russland, in Singapur und in Israel befanden. Derartig viele Testzentren und die Vielfalt ihrer geografischen Lage boten einem Bewerber aus Südasien genügend Möglichkeiten, sich in einem Zentrum in angemessener Entfernung zu seinem Wohnort anzumelden. Folglich ist die Rüge einer Ungleichbehandlung gegenüber den außerhalb des asiatischen Kontinents aufhältigen Bewerbern zurückzuweisen.

55      Überdies ist zum Vorbringen des Klägers, wonach einer seiner Kollegen die Auswahlprüfung außerhalb der von EPSO festgesetzten Fristen und in Islamabad habe ablegen dürfen, darauf hinzuweisen, dass dieser Bewerber im Gegensatz zum Kläger ordnungsgemäß einen Termin für die Prüfung bei EPSO gebucht hatte, zu diesem Termin sodann im Testzentrum in Kuwait erschienen war und es dann dort zu einer technischen Panne kam, die er nicht verursacht hatte und für die somit die Organisatoren des Auswahlverfahrens verantwortlich waren. Daher unterscheidet sich die Situation des Klägers objektiv von der seines Kollegen, so dass hier keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vorliegt.

56      Demnach geht aus den vorstehend genannten Gründen der auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützte Klägervortrag ins Leere.

57      Drittens wird das Vorbringen des Klägers, wonach EPSO willkürlich gehandelt habe, nur um die Zahl der Bewerber im Auswahlverfahren künstlich gering zu halten, von ihm durch kein Beweismittel untermauert und ist daher als bloße Behauptung zurückzuweisen.

58      Viertens ist in Bezug auf die gerügte Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren festzustellen, dass der Kläger insoweit keine spezifischen Argumente vorgebracht hat, als diese Rüge unterschiedslos mit derjenigen der Verletzung der Fürsorgepflicht und derjenigen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung behandelt wurde. Jedenfalls ist dieses Argument aus denselben Gründen zurückzuweisen, auf denen auch die Zurückweisung der beiden anderen Rügen beruht.

59      Schließlich ist fünftens darauf hinzuweisen, dass die Argumentation des Klägers mitnichten auf die dem Bericht des Rechnungshofs entnommenen Analysebestandteile gestützt werden kann, da der Kläger die Zügigkeit beanstandet, mit der EPSO im Auswahlverfahren EPSO/AD/380/19 die Auswahlprüfung durchgeführt hat, während in besagtem Bericht gerade die Langsamkeit des Auswahlprozesses bei an Spezialisten gerichtete Auswahlverfahren kritisiert wird.

60      Folglich ist der auf die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichtete Antrag des Klägers zurückzuweisen, und daher ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

62      Da der Kläger im vorliegenden Fall unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      OJ trägt die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Kanninen

Jaeger

Porchia

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Februar 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.