Language of document : ECLI:EU:C:2023:727

BESCHLUSS DES VIZEPRÄSIDENTEN DES GERICHTSHOFS

28. September 2023(*)

„Rechtsmittel – Vorläufiger Rechtsschutz – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen – Belassung des Namens einer natürlichen Person auf der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die Gegenstand dieser Maßnahmen sind – Aussetzung des Verfahrens zur erneuten Aufnahme dieser Person in die Liste – Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union – Verpflichtung, Maßnahmen in Bezug auf von den Mitgliedstaaten erteilte Visa zu ergreifen – Maßnahmen, die der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter treffen kann“

In der Rechtssache C‑564/23 P(R)

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 13. September 2023,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch P. Mahnič, R. Meyer und J. Rurarz als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführer,

andere Parteien des Verfahrens:

Nikita Dmitrievich Mazepin, wohnhaft in Moskau (Russland), vertreten durch A. Bass, T. Marembert, D. Rovetta, Avocats, sowie M. Campa, M. Moretto und V. Villante, Avvocati,

Kläger im ersten Rechtszug,

Republik Lettland,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS

nach Anhörung des Generalanwalts M. Szpunar

folgenden

Beschluss

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rat der Europäischen Union die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 7. September 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RIII, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem dieser dem Antrag von Herrn Nikita Dmitrievich Mazepin auf vorläufigen Rechtsschutz stattgegeben hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Beschluss 2014/145/GASP

2        Art. 1 Abs. 1, 6 und 7 des Beschlusses 2014/145/GASP des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16), in der durch den Beschluss (GASP) 2023/1218 des Rates vom 23. Juni 2023 (ABl. 2023, L 159I, S. 526) geänderten Fassung bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um folgenden Personen die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet zu verweigern:

e)      in Russland tätigen führenden Geschäftsleuten und ihren unmittelbaren Familienangehörigen oder anderen natürlichen Personen, die von ihnen profitieren, oder Geschäftsleuten, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wesentliche Einnahmequelle dienen; …

und den mit ihnen verbundenen natürlichen Personen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen …, die im Anhang aufgeführt sind.

(6)      Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von den Maßnahmen nach Absatz 1 in den Fällen zulassen, in denen die Reise aufgrund einer humanitären Notlage oder aufgrund der Teilnahme an Tagungen auf zwischenstaatlicher Ebene sowie an Tagungen, die von der [Europäischen] Union unterstützt oder ausgerichtet werden oder aber von einem Mitgliedstaat, der zu dem Zeitpunkt den … Vorsitz [der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa] innehat, ausgerichtet werden, gerechtfertigt ist, wenn dort ein politischer Dialog geführt wird, der die Politikziele der restriktiven Maßnahmen, einschließlich der Unterstützung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine unmittelbar fördert.

(7)      Ein Mitgliedstaat, der Ausnahmen nach Absatz 6 zulassen möchte, unterrichtet den Rat schriftlich hiervon. Die Ausnahme gilt als gewährt, wenn nicht von einem oder mehreren Mitgliedern des Rates innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Mitteilung über die vorgeschlagene Ausnahme schriftlich Einwand erhoben wird. Sollte von einem oder mehreren Mitgliedern des Rates Einwand erhoben werden, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die vorgeschlagene Ausnahme zu gewähren.“

 Verordnung (EU) Nr. 269/2014

3        Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 476/2014 des Rates vom 12. Mai 2014 (ABl. 2014, L 137, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 269/2014) sieht vor:

„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz von in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.“

4        Art. 14 Abs. 4 der Verordnung bestimmt:

„Die Liste in Anhang I wird regelmäßig, mindestens jedoch alle 12 Monate, überprüft.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Am 9. März 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/397 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 80, S. 31), mit dem der Name von Herrn Mazepin in die im Anhang des Beschlusses 2014/145 enthaltene Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen wurde.

6        Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) 2022/396 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 80, S. 1), mit der der Name von Herrn Mazepin in die Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 aufgenommen wurde.

7        Am 14. September 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/1530 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 239, S. 149), mit dem er beschloss, den Namen von Herrn Mazepin unter Änderung der Gründe für seine Aufnahme in diese Liste auf der im Anhang des Beschlusses 2014/145 enthaltenen Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, zu belassen.

8        Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 239, S. 1), mit der der Name von Herrn Mazepin mit derselben Änderung der Gründe wie der in der vorstehenden Randnummer genannten auf der Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 belassen wurde.

9        Am 13. März 2023 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2023/572 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2023, L 75 I, S. 134), mit dem er beschloss, den Namen von Herrn Mazepin auf der im Anhang des Beschlusses 2014/145 enthaltenen Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, zu belassen, wobei die Gründe für seine Aufnahme in die Liste und die Angaben zu seiner Identität geändert wurden.

10      Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) 2023/571 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2023, L 75 I, S. 1), mit der der Name von Herrn Mazepin mit denselben Änderungen der Gründe und der Angaben zur Identität wie den in der vorstehenden Randnummer genannten auf der Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 belassen wurde.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

11      Mit Klageschrift, die am 25. November 2022 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Mazepin Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2022/1530 und der Durchführungsverordnung 2022/1529, soweit diese Rechtsakte ihn betreffen (im Folgenden zusammen: erste streitige Rechtsakte).

12      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 9. Dezember 2022 bei der Kanzlei des Gerichts einging, hat Herr Mazepin einen ersten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der im Wesentlichen auf Aussetzung der Vollziehung der ersten streitigen Rechtsakte gerichtet war. Mit Beschluss vom 1. März 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 R, EU:T:2023:102), hat der Präsident des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und die teilweise Aussetzung des Vollzugs dieser Rechtsakte angeordnet, soweit sie Herrn Mazepin betreffen.

13      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 4. April 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Herr Mazepin gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts die in Rn. 11 des vorliegenden Beschlusses genannte Klageschrift so angepasst, dass diese auch auf die Nichtigerklärung des Beschlusses 2023/572 und der Durchführungsverordnung 2023/571 (im Folgenden zusammen: zweite streitige Rechtsakte) gerichtet ist.

14      Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts einging, hat Herr Mazepin einen ersten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der im Wesentlichen auf Aussetzung der Vollziehung der zweiten streitigen Rechtsakte gerichtet war. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RII, EU:T:2023:406), hat der Präsident des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und die teilweise Aussetzung der Vollziehung dieser Rechtsakte angeordnet, soweit sie Herrn Mazepin betreffen.

15      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 7. September 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Herr Mazepin einen dritten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

16      Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Präsident des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und im Wesentlichen

–        in Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses die Aussetzung der Vollziehung der angekündigten erneuten Aufnahme in die Liste zu denselben Bedingungen, wie sie in den Nrn. 1 und 2 des Tenors des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RII, EU:T:2023:406), vorgesehen sind, angeordnet,

–        in Nr. 2 des Tenors die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union angeordnet, aus der klar hervorgeht, dass die Vollziehung der erneuten Aufnahme in die Liste ausgesetzt wird,

–        in Nr. 3 des Tenors dem Rat aufgegeben, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten dem Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RII, EU:T:2023:406), wirksam und vollständig nachkommen, und insbesondere sicherzustellen, dass das Herrn Mazepin am 7. August 2023 erteilte Visum oder ein anderes möglicherweise erforderliches Visum zumindest das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten des Schengen-Raums abdeckt und während des Zeitraums gültig bleibt, der erforderlich ist, damit Herr Mazepin die durch diesen Beschluss verliehenen Rechte wirksam ausüben kann, und

–        in Nr. 4 des Tenors dem Rat aufgegeben, den Präsidenten des Gerichts von den erlassenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen.

17      Am 14. September 2023 hat Herr Mazepin gemäß Art. 164 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Berichtigung des angefochtenen Beschlusses gestellt.

18      Mit Beschluss vom 19. September 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RIII), hat der Präsident des Gerichts einstweilige Anordnungen getroffen, die im Wesentlichen mit den in Rn. 16 des vorliegenden Beschlusses dargelegten vergleichbar sind, und den angefochtenen Beschluss aufgehoben.

 Anträge der Parteien

19      Der Rat beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

–        den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen;

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.

20      Herr Mazepin beantragt,

–        das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für erledigt zu erklären oder

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und in jedem Fall

–        dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Zur Erledigung

 Vorbringen

21      Herr Mazepin trägt vor, dass das vorliegende Rechtsmittel, da der Präsident des Gerichts den angefochtenen Beschluss mit Beschluss vom 19. September 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RIII), aufgehoben habe, gegenstandslos geworden und daher in der Hauptsache erledigt sei.

 Würdigung

22      Aus dem Wortlaut des Tenors des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RIII), geht hervor, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben wird.

23      Insoweit bestimmt Art. 159 der Verfahrensordnung des Gerichts, dass ein Beschluss, mit dem über einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden wird, auf Antrag einer Partei jederzeit infolge einer Änderung der Umstände abgeändert oder wieder aufgehoben werden kann.

24      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass eine Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters, mit der ein Beschluss über die Gewährung einer einstweiligen Anordnung aufgehoben wird, nicht zur rückwirkenden Aufhebung dieses Beschlusses, sondern nur zu seiner Änderung oder Aufhebung führt, wobei der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter einen solchen Beschluss ausschließlich für die Zukunft überdenken kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Februar 2002, Kommission/Artegodan, C‑440/01 P(R), EU:C:2002:95, Rn. 65, und Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 19. Mai 2022, Tschechische Republik/Republik Polen [Bergwerk Turów], C‑121/21 R, EU:C:2022:408, Rn. 22).

25      Diese Entscheidung kann daher nicht bewirken, dass die vergangenen Wirkungen eines Beschlusses, mit dem eine einstweilige Anordnung erlassen wurde, in Frage gestellt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 19. Mai 2022, Tschechische Republik/Republik Polen [Bergwerk Turów], C‑121/21 R, EU:C:2022:408, Rn. 23).

26      Folglich kann der Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RIII), ab dem Zeitpunkt seiner Zustellung an die Parteien dem angefochtenen Beschluss allenfalls jede Wirkung nehmen, beseitigt ihn aber nicht aus der Unionsrechtsordnung, soweit er die Wirkungen, die dieser Beschluss zwischen dem Zeitpunkt seiner Zustellung und dem Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses, durch den er aufgehoben wurde, hervorgerufen hat, bestehen lässt.

27      Daher ist davon auszugehen, dass das vorliegende Rechtsmittel weiterhin einen Gegenstand hat, so dass darüber zu entscheiden ist.

 Zum Rechtsmittel

28      Der Rat stützt sein Rechtsmittel auf fünf Rechtsmittelgründe, mit denen er erstens eine Verletzung der Begründungspflicht, zweitens und viertens offensichtliche Rechtsfehler in Bezug auf den Umfang der Zuständigkeit des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters, drittens offensichtliche Fehler bei der Anwendung der Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen und fünftens offensichtliche Rechtsfehler in Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses rügt.

 Zum fünften Rechtsmittelgrund

 Vorbringen

29      Mit seinem fünften Rechtsmittelgrund, der als Erstes zu prüfen ist, macht der Rat geltend, Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses sei mit mehreren offensichtlichen Rechtsfehlern behaftet.

30      Zunächst verstoße die dem Rat in Nr. 3 auferlegte Maßnahme gegen die Zuständigkeitsverteilung, die in Art. 266 AEUV zum Ausdruck komme. Es sei nämlich nicht Sache der Unionsgerichte, sondern des Rates, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Beschluss durchzuführen.

31      Sodann sei die genannte Nr. 3 rechtsfehlerhaft, soweit dem Rat darin aufgegeben werde, eine Maßnahme zu erlassen, die nicht in seine Zuständigkeit falle. So verfüge der Rat nicht über die Befugnis, die Anwendung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Insbesondere könne er weder nach dem Primärrecht der Union noch nach der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) (ABl. 2009, L 243, S. 1) in die Visumerteilung durch die Mitgliedstaaten eingreifen. Nach Art. 13 Abs. 2 EUV dürfe der Rat jedoch nur nach Maßgabe seiner Befugnisse handeln.

32      Schließlich habe der Präsident des Gerichts in der genannten Nr. 3 praktisch den Mitgliedstaaten gegenüber eine Anordnung getroffen und damit die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten.

33      Herr Mazepin trägt vor, der Rat sei verpflichtet, die im Tenor des angefochtenen Beschlusses genannten Maßnahmen durchzuführen, um Art. 13 Abs. 2 EUV und Art. 266 AEUV nachzukommen.

34      Außerdem verfüge er über eine in Art. 16 Abs. 1 und Art. 32 EUV festgelegte Zuständigkeit zur Koordinierung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. So könne der Rat, was die Anwendung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RII, EU:T:2023:406), durch die Mitgliedstaaten betrifft, diese beispielsweise dazu anhalten, einen gemeinsamen Ansatz zu verfolgen, der darin bestehe, Herrn Mazepin ein einheitliches Visum zu erteilen, und es dabei dem betreffenden Mitgliedstaat überlassen, zu beurteilen, ob die von Herrn Mazepin geltend gemachten Gründe für die Einreise in sein Hoheitsgebiet die in diesem Beschluss vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten.

 Würdigung

35      Nach Art. 13 Abs. 2 EUV dürfen die Unionsorgane nur nach Maßgabe der ihnen in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse handeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2007, Parlament/Kommission, C‑403/05, EU:C:2007:624, Rn. 49).

36      Diese Bestimmung, die für alle Unionsorgane gilt, verbietet es, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter dem Rat aufgibt, eine oder mehrere Maßnahmen zu erlassen, die nicht in die Zuständigkeit dieses Organs fallen.

37      Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Präsident des Gerichts in Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses dem Rat aufgegeben hat, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten dem Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2023, Mazepin/Rat (T‑743/22 RII, EU:T:2023:406), wirksam und vollständig nachkommen, und insbesondere sicherzustellen, dass das Herrn Mazepin am 7. August 2023 erteilte Visum oder ein anderes möglicherweise erforderliches Visum zumindest das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten des Schengen-Raums abdeckt und während des Zeitraums gültig bleibt, der erforderlich ist, um Herrn Mazepin die wirksame Ausübung der durch diesen Beschluss verliehenen Rechte zu ermöglichen.

38      Erstens ist jedoch festzustellen, dass das Primärrecht der Union dem Rat keine allgemeine Zuständigkeit für den Erlass von Maßnahmen verleiht, die die Anwendung von Rechtsakten wie den ersten oder zweiten streitigen Rechtsakten durch die Mitgliedstaaten regeln. Insbesondere kann die den Mitgliedstaaten durch Art. 32 EUV auferlegte Verpflichtung, sich im Europäischen Rat und im Rat zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung abzustimmen, nicht dahin verstanden werden, dass sie den Rat ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, unter den im angefochtenen Beschluss vorgesehenen Bedingungen ein Visum zu erteilen.

39      Außerdem verleiht diese Rechtsvorschrift dem Rat auch nicht die Befugnis, individuelle Maßnahmen zu erlassen, um die Erteilung eines Visums durch einen Mitgliedstaat sicherzustellen oder zu gewährleisten, dass ein solches Visum einen bestimmten geografischen und zeitlichen Geltungsbereich hätte.

40      Zweitens wird dem Rat eine solche Befugnis auch nicht durch Rechtsakte der Union verliehen, mit denen die von den Mitgliedstaaten verfolgte Visumpolitik harmonisiert wird. Insbesondere ist eine solche Befugnis in der Verordnung Nr. 810/2009 in keiner Weise vorgesehen.

41      Drittens sieht Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2023/1218 geänderten Fassung zwar vor, dass der Rat in bestimmten Fällen darüber entscheidet, ob ein Mitgliedstaat, abweichend von den restriktiven Maßnahmen, die sich aus Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses ergeben, ein Visum ausstellen kann.

42      Art. 1 Abs. 7 erlaubt dem Rat jedoch nicht, von Amts wegen bei einem Mitgliedstaat tätig zu werden oder einem Mitgliedstaat Anweisungen zur Erteilung oder zum Geltungsbereich eines Visums zu erteilen, sondern räumt diesem Organ lediglich die Befugnis ein, zu entscheiden, ob ein Mitgliedstaat, der ein Visum erteilen möchte, von diesen restriktiven Maßnahmen abweichen kann, wenn ein oder mehrere Mitglieder des Rates der Erteilung dieses Visums widersprochen haben.

43      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Rat für den Erlass der in Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses genannten Maßnahmen nicht zuständig ist und dass der Präsident des Gerichts dem Rat daher nicht aufgeben konnte, solche Maßnahmen zu erlassen, ohne gegen Art. 13 Abs. 2 EUV zu verstoßen.

44      Folglich greift der fünfte Rechtsmittelgrund durch.

45      Da sich dieser Rechtsmittelgrund nur auf Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses bezieht, ist auch der zweite Rechtsmittelgrund zu prüfen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen

46      Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund, der an zweiter Stelle zu prüfen ist, macht der Rat geltend, der Präsident des Gerichts habe mit der Anordnung der in den Nrn. 1 bis 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses genannten Maßnahmen einen offensichtlichen Rechtsfehler hinsichtlich des Umfangs seiner Zuständigkeit als für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter begangen.

47      Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter des Gerichts sei nach Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts befugt, einstweilige Anordnungen zu treffen, um die Wirksamkeit der Entscheidung über einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu schützen, der darauf abzielt, die Wirksamkeit der Entscheidung über eine Klage zu wahren, zu der dieser Antrag akzessorisch ist.

48      Im vorliegenden Fall betreffe die von Herrn Mazepin erhobene Klage vier Unionsrechtsakte. Folglich könne der Präsident des Gerichts im vorliegenden Verfahren einstweilige Anordnungen nur treffen, um die Wirksamkeit einer etwaigen Entscheidung über die Nichtigerklärung dieser Rechtsakte zu wahren. Daher dürften die nach Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erlassenen Maßnahmen nur darauf abzielen, die Wirksamkeit solcher einstweiligen Anordnungen zu wahren.

49      Der Präsident des Gerichts habe mit dem angefochtenen Beschluss jedoch Maßnahmen erlassen, die sich auf Rechtsakte bezögen, die nicht Gegenstand der von Herrn Mazepin erhobenen Klage gewesen und noch nicht einmal erlassen worden seien. Damit habe es die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten.

50      Dies werde durch den Wortlaut von Art. 278 AEUV und Art. 156 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts gestützt, wonach der Präsident des Gerichts nur die Vollziehung einer Handlung aussetzen könne, die durch Klage vor dem Gericht angefochten werde.

51      Zwar erlaubten es Art. 279 AEUV und Art. 156 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts diesem, andere Arten einstweiliger Anordnungen zu treffen, doch verlangten diese Bestimmungen, dass diese Maßnahmen mit einer Klage zusammenhingen, die der betreffende Antragsteller vor demselben Gericht erhoben habe, was hier nicht der Fall sei.

52      Herr Mazepin macht in erster Linie geltend, der Präsident des Gerichts habe mit dem angefochtenen Beschluss die Aussetzung der Vollziehung nicht eines künftigen Rechtsakts, sondern eines Verwaltungsverfahrens angeordnet, das zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Beschlusses noch anhängig gewesen sei. Eine solche Maßnahme könne nach Art. 279 AEUV erlassen werden, um sicherzustellen, dass der Rat den vom Präsidenten des Gerichts in der vorliegenden Rechtssache bereits erlassenen einstweiligen Anordnungen nachkomme, wenn der Rat offensichtlich gegen die Verpflichtungen aus diesen Beschlüssen verstoße.

53      Herr Mazepin macht hilfsweise geltend, dass die vom Präsidenten des Gerichts erlassenen Maßnahmen unerlässlich seien, um ihm einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten.

54      Weiter hilfsweise macht er geltend, dass jeder Mangel, der auf der Vorgreiflichkeit des angefochtenen Beschlusses beruhe, nunmehr beseitigt sei, da er die Anträge seiner Nichtigkeitsklage nach der Zustellung des Beschlusses angepasst habe.

 Würdigung

55      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich der zweite Rechtsmittelgrund zwar auf die Nrn. 1 bis 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses bezieht, sich die Rechtswidrigkeit von Nr. 3 des Tenors jedoch bereits aus Rn. 43 des vorliegenden Beschlusses ergibt. Daher ist dieser Klagegrund nur insoweit zu prüfen, als er sich auf die Nrn. 1 und 2 des Tenors bezieht.

56      Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 39 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, der Präsident zur Prüfung eines Antrags auf Erlass der in den Art. 278 und 279 AEUV vorgesehenen Maßnahmen „in einem abgekürzten Verfahren, das erforderlichenfalls von einzelnen Bestimmungen dieser Satzung abweichen kann und in der Verfahrensordnung geregelt ist“, entscheiden kann.

57      In diesem Rahmen ermächtigt Art. 157 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts den Präsidenten des Gerichts, der Gegenpartei eine kurze Frist zur schriftlichen oder mündlichen Stellungnahme zu setzen. Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung bestimmt jedoch, dass der Präsident des Gerichts einem Antrag einer Partei auf einstweilige Anordnungen stattgeben kann, noch bevor die Stellungnahme der Gegenpartei eingeht.

58      Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Präsident des Gerichts als für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter befugt ist, ohne vorherige Anhörung der Stellungnahmen der Parteien zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2020, Price/Rat, C‑298/20 P(R), EU:C:2020:1006, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 160 Abs. 7 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts entspricht, kann der Richter, der mit einem Antrag auf einstweilige Anordnungen befasst ist, solche Anordnungen auch vor Eingang der Stellungnahme der Gegenpartei entweder bis zum Erlass des Beschlusses, der das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beendet, oder bis zum Abschluss des Verfahrens zur Hauptsache, falls dieses früher stattfindet, erlassen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen im Interesse einer geordneten Rechtspflege liegt, insbesondere um die Wirksamkeit des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 27. Juli 2023, VC/EU-OSHA, C‑456/23 P(R)-R, EU:C:2023:612, Rn. 4 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Das in Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehene Verfahren stellt somit ein Ausnahmeverfahren dar, das es ermöglichen soll, so schnell wie möglich einstweilige Anordnungen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Ablauf der Zeit, die erforderlich ist, um nach einem kontradiktorischen Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden, nicht dazu führt, dass der Partei, die diesen Antrag gestellt hat, ein ausreichender gerichtlicher Rechtsschutz entzogen wird.

61      Es bleibt jedoch dabei, dass dieses Ausnahmeverfahren eine besondere Modalität der Durchführung der Art. 278 und 279 AEUV sowie von Art. 39 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union darstellt. Daher ist festzustellen, dass, wie der Rat geltend macht, dieses Verfahren es dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter nicht erlaubt, Maßnahmen zu ergreifen, zu deren Erlass er nach den Art. 278 und 279 AEUV nicht befugt wäre.

62      Da der angefochtene Beschluss nicht angibt, ob die in den Nrn. 1 und 2 seines Tenors angeordneten Maßnahmen auf Art. 278 AEUV oder auf Art. 279 AEUV gestützt sind, ist zu prüfen, ob sich diese Maßnahmen aus der Zuständigkeit ergeben, die dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter durch den einen oder den anderen dieser Artikel übertragen worden ist.

63      Was erstens Art. 278 AEUV betrifft, bestimmt dieser, dass Klagen beim Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung haben, der Gerichtshof jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen kann.

64      Dieser Artikel wird in Art. 156 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts durchgeführt, wonach Anträge auf Aussetzung der Vollziehung von Handlungen eines Organs im Sinne von Art. 278 AEUV nur zulässig sind, wenn der Antragsteller die betreffende Handlung durch Klage beim Gericht angefochten hat.

65      Im vorliegenden Fall war das Gericht zu dem Zeitpunkt, zu dem der angefochtene Beschluss unterzeichnet wurde, im Rahmen der von Herrn Mazepin vor diesem Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage mit Anträgen in Bezug auf die Beschlüsse 2022/1530 und 2023/572 sowie die Durchführungsverordnungen 2022/1529 und 2023/571 (im Folgenden zusammen: streitige Rechtsakte) befasst.

66      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Nrn. 1 und 2 des Tenors dieses Beschlusses nicht formell die Aussetzung der Vollziehung der von Herrn Mazepin vor dem Gericht angefochtenen Rechtsakte verkünden.

67      Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Wesentlichen die Aussetzung bestimmter Wirkungen dieser Rechtsakte anordnen.

68      Die erneute Aufnahme in die Liste, deren Aussetzung in Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses angeordnet wird, zielt nämlich darauf ab, den Beschluss 2014/145 durch dessen Verlängerung und die Verordnung Nr. 269/2014 durch die Umsetzung der in ihrem Art. 14 Abs. 4 festgelegten Verpflichtung, die Liste in Anhang I dieser Verordnung in regelmäßigen Abständen zu überarbeiten, zu ändern.

69      Da die streitigen Rechtsakte auch lediglich den Beschluss 2014/145 und die Verordnung Nr. 269/2014 ändern, ohne den Rat jedoch zu verpflichten, in Zukunft ein neues Verfahren zur Wiederaufnahme auf die Liste einzuleiten, kann das in Nr. 1 genannte Verfahren nicht als Wirkung oder Durchführungsmaßnahme dieser Rechtsakte verstanden werden.

70      In Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Beschlusses wird die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union angeordnet, die in den Rechtsakten weder vorgesehen noch verboten ist.

71      Daraus folgt, dass die Nrn. 1 und 2 des Tenors nicht wirksam auf Art. 278 AEUV gestützt werden konnten.

72      Was zweitens Art. 279 AEUV betrifft, so bestimmt dieser, dass der Gerichtshof in den bei ihm anhängigen Rechtssachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen kann.

73      Dieser Artikel räumt dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung über die zu erlassenden Maßnahmen ein, die insbesondere in geeigneten Anordnungen und akzessorischen Maßnahmen bestehen können, die die Wirksamkeit der von ihm erlassenen einstweiligen Anordnungen gewährleisten sollen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. April 2008, Kommission/Malta, C‑76/08 R, EU:C:2008:252, Rn. 19, sowie Beschluss vom 20. November 2017, Kommission/Republik Polen, C‑441/17 R, EU:C:2017:877, Rn. 96, 97 und 99).

74      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass solche einstweiligen Anordnungen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand der Klage stehen müssen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 19. Oktober 1976, Société pour l’Exportation des Sucres/Kommission, 88/76 R, EU:C:1976:140, Rn. 5, und vom 16. Dezember 1980, Metallurgica Rumi/Kommission, 258/80 R, EU:C:1980:296, Rn. 21), ein Erfordernis, das im Wesentlichen in Art. 156 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts genannt ist, wonach Anträge auf einstweilige Anordnungen im Sinne von Art. 279 AEUV nur zulässig sind, wenn sie von einer Hauptpartei eines beim Gericht anhängigen Rechtsstreits gestellt werden und sich auf diesen beziehen.

75      In diesem Rahmen dürfen die nach Art. 279 AEUV erlassenen einstweiligen Anordnungen den Rahmen des Rechtsstreits, wie er durch die Klage bestimmt worden ist, nicht überschreiten, da einstweilige Anordnungen nur zum Gegenstand haben dürfen, die Interessen einer der Parteien des Verfahrens zu schützen, damit dem Endurteil nicht die praktische Wirksamkeit genommen und es dadurch sinnlos gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Mai 1991, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90 R, EU:C:1991:220, Rn. 24, sowie Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. April 2008, Kommission/Malta, C‑76/08 R, EU:C:2008:252, Rn. 15).

76      Da ein Nichtigkeitsurteil zur Folge hat, dass der für nichtig erklärte Rechtsakt rückwirkend aus der Unionsrechtsordnung entfernt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 60), kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter auf der Grundlage von Art. 279 AEUV u. a. anordnen, dass ein Unionsorgan keinen Rechtsakt erlässt, der eine Form der Durchführung des für nichtig erklärten Rechtsakts darstellt oder zur Folge hat, dass bestimmte Wirkungen dieses Rechtsakts endgültig werden.

77      Dagegen kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nicht, ohne den Rahmen eines Rechtsstreits über eine Nichtigkeitsklage zu überschreiten, einem Unionsorgan aufgeben, ein Verfahren auszusetzen, das nicht von dem angefochtenen Rechtsakt abhängt, um zu verhindern, dass der am Ende dieses Verfahrens erlassene Rechtsakt dieselbe Rechtswidrigkeit aufweist wie die mit der Klage gerügte.

78      Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass im Fall der Nichtigerklärung einer Verordnung, deren Wirkung auf einen genau festgelegten Zeitraum beschränkt ist, das erlassende Organ verpflichtet ist, in die neuen, nach dem Nichtigkeitsurteil zu erlassenden Verordnungen für spätere Zeiträume keine Bestimmung aufzunehmen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, EU:C:1988:199, Rn. 29).

79      Zum einen erfasst die absolute Verbindlichkeit eines Nichtigkeitsurteils eines Gemeinschaftsgerichts zwar sowohl den Tenor als auch die tragenden Gründe der Entscheidung, hat aber nicht die Nichtigkeit einer Handlung zur Folge, die zwar aus demselben Grund rechtswidrig sein soll, vor dem Gemeinschaftsrichter aber nicht angefochten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 54). Zum anderen ist es nicht Sache dieser Gerichte, im Rahmen eines Nichtigkeitsurteils die Maßnahmen anzugeben, die von dem betreffenden Organ zur Durchführung dieses Urteils zu ergreifen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, EU:C:1986:256, Rn. 23, sowie vom 25. Mai 1993, Foyer culturel du Sart-Tilman/Kommission, C‑199/91, EU:C:1993:205, Rn. 17).

80      Folglich kann ein Nichtigkeitsurteil nicht unmittelbar dazu führen, dass die Gültigkeit eines Rechtsakts, der nach dem für nichtig erklärten Rechtsakt erlassen wurde, in Frage gestellt wird, weil dieser spätere Rechtsakt mit derselben Rechtswidrigkeit behaftet ist wie der für nichtig erklärte Rechtsakt.

81      Unter diesen Umständen liefe ein Beschluss des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters, mit dem einem Unionsorgan aufgegeben würde, ein Verfahren auszusetzen, das zum Erlass eines solchen späteren Rechtsakts führen könnte, darauf hinaus, dem betreffenden Antragsteller nicht den im Primärrecht der Union vorgesehenen Schutz gegen die Wirkungen von Handlungen eines Organs, sondern einen präventiven Schutz ganz anderer Art zu garantieren.

82      Um einen solchen Schutz zu gewährleisten, wäre der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter somit zur Entscheidung über Fragen gezwungen, zu denen sich das betreffende Organ noch nicht äußern konnte, was zur Folge hätte, dass der Erörterung der sachlichen Probleme vorgegriffen würde und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinandergebracht würden (vgl. entsprechend Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 20), obwohl es nicht Sache dieses Gerichts ist, sich an die Stelle dieses Organs zu setzen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 1969, Deutschland/Kommission, 50/69 R, EU:C:1969:42, S. 451).

83      Außerdem ist die Tatsache, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, ohne den Rahmen eines Rechtsstreits über eine Nichtigkeitsklage zu überschreiten, einem Unionsorgan nicht aufgeben kann, ein Verfahren auszusetzen, das nicht von dem angefochtenen Rechtsakt abhängt, um zu verhindern, dass der am Ende dieses Verfahrens erlassene Rechtsakt dieselbe Rechtswidrigkeit aufweist wie die mit der Klage gerügte, entgegen dem Vorbringen von Herrn Mazepin, nicht geeignet, Herrn Mazepin den gerichtlichen Rechtsschutz zu nehmen, den ihm das Primärrecht der Union gewährt, soweit dieser Rechtsakt Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann und mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz verbunden ist, der gegebenenfalls gemäß Art. 156 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts auf den Erlass einstweiliger Anordnungen gerichtet sein kann.

84      Im vorliegenden Fall war das Gericht, wie sich aus Rn. 65 des vorliegenden Beschlusses ergibt, zu dem Zeitpunkt, zu dem der angefochtene Beschluss unterzeichnet wurde, im Rahmen der von Herrn Mazepin vor dem Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage mit Anträgen in Bezug auf die streitigen Rechtsakte befasst.

85      Zum einen ist jedoch aus den in den Rn. 68 und 69 des vorliegenden Beschlusses dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die Rechtsakte, die der Rat im Rahmen des im vorliegenden Fall in Rede stehenden Verfahrens zur erneuten Aufnahme in die Liste erlassen kann, auf einem Verfahren beruhen, das nicht von den streitigen Rechtsakten abhängt und insbesondere nicht deren Durchführung bezweckt.

86      Zum anderen sollen die Rechtsakte, die der Rat im Rahmen dieses Verfahrens erlassen kann, in Anbetracht der Praxis dieses Organs für einen Zeitraum gelten, der nach dem von den streitigen Rechtsakten geregelten Zeitraum liegt, so dass sie nicht geeignet sind, die Wirkungen dieser Rechtsakte endgültig zu machen.

87      Daraus folgt, dass die in Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses angeordnete Maßnahme in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gegenstand der von Herrn Mazepin beim Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage steht. Da es an einem solchen Zusammenhang fehlt, kann diese Maßnahme nicht als akzessorische Maßnahme angesehen werden, die die Wirksamkeit der einstweiligen Anordnungen gewährleisten soll, die der Präsident des Gerichts in seinen früheren, in den Rn. 12 und 14 des vorliegenden Beschlusses genannten Beschlüssen in der vorliegenden Rechtssache bereits erlassen hat, da der Präsident des Gerichts mit diesen Beschlüssen die Vollziehung der von dieser Nichtigkeitsklage erfassten Rechtsakte teilweise ausgesetzt hat. Daraus folgt, dass die in Nr. 1 des Tenors angeordnete Maßnahme nicht wirksam nach Art. 279 AEUV erlassen werden konnte.

88      Gleiches gilt für die in Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Beschlusses angeordnete Maßnahme, da sie sich darauf beschränkt, die Bekanntmachung der in Nr. 1 des Tenors dieses Beschlusses angeordneten Maßnahme sicherzustellen.

89      Der Umstand, dass Herr Mazepin nach der Unterzeichnung des angefochtenen Beschlusses beim Gericht einen Schriftsatz zur Anpassung der Anträge seiner Klageschrift eingereicht hat, hat jedenfalls keine Auswirkung auf die vorstehenden Erwägungen, da dieser Schriftsatz auf die Nichtigerklärung neuer Rechtsakte des Rates gerichtet ist, die von den im Tenor dieses Beschlusses genannten Maßnahmen nicht unmittelbar betroffen sind.

90      Daraus folgt, dass dem zweiten Rechtsmittelgrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben ist, ohne dass über den ersten, den dritten und den vierten Rechtsmittelgrund entschieden zu werden braucht, da Nr. 4 des Tenors des Beschlusses nicht von den Nrn. 1 bis 3 dieses Tenors abgetrennt werden kann.

 Zu dem beim Gericht gestellten Antrag auf einstweilige Anordnungen

91      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Diese Bestimmung gilt auch für Rechtsmittel, die gemäß Art. 57 Abs. 2 dieser Satzung eingelegt wurden (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien, C‑629/21 P(R), EU:C:2022:413, Rn. 172 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichts entschieden, bevor den anderen Verfahrensbeteiligten gemäß Art. 157 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

93      Unter diesen Umständen ist die Rechtssache nicht zur Entscheidung reif und daher an das Gericht zurückzuverweisen.

 Kosten

94      Da die Sache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Kostenentscheidung vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Vizepräsident des Gerichtshofs beschlossen:

1.      Der Beschluss des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 7. September 2023, Mazepin/Rat (T743/22 RIII), wird aufgehoben.

2.      Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.