Language of document : ECLI:EU:T:2021:768

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

10. November 2021 (*)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke HALLOWIENER – Keine ernsthafte Benutzung – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑500/20,

Selmikeit & Giczella GmbH mit Sitz in Osterode (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Keute,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB – Patentanwälte Rechtsanwälte mit Sitz in Bremen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin U. Ulrich,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 27. Mai 2020 (Sache R 1893/2019‑1) zu einem Verfallsverfahren zwischen der Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB – Patentanwälte Rechtsanwälte und Selmikeit & Giczella,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann sowie der Richter U. Öberg und R. Mastroianni (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 10. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 17. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 7. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 10. Februar 2011 wurde zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin Selmikeit & Giczella GmbH nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) unter der Nr. 9 369 489 die Unionswortmarke HALLOWIENER eingetragen.

2        Die Unionswortmarke HALLOWIENER wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 29 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 29: „Wurstwaren, Fleisch“;

–        Klasse 43: „Catering, Verpflegung von Gästen in Snackbars und Restaurants“.

3        Am 24. November 2017 stellte die Streithelferin, die Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB – Patentanwälte Rechtsanwälte, einen Antrag gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 auf Erklärung des Verfalls der Unionswortmarke HALLOWIENER für alle oben in Rn. 2 angeführten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender ernsthafter Benutzung dieser Marke.

4        Am 5. Februar 2018 legte die Klägerin vier Nachweise vor, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen. Diese bestanden aus einem Werbeprospekt des deutschen Supermarkts A vom 14. Oktober 2013, in dem ein Produkt der angegriffenen Marke abgebildet war, einem Auszug der Website dieser Marke vom 3. Februar 2018, einer Rechnung vom 4. Oktober 2012, die den Verkauf eines Produkts der angegriffenen Marke an den deutschen Supermarkt B betrifft, und einer Rechnung vom 20. Januar 2014 über vom deutschen Supermarkt C im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2013 gekaufte Waren der Klägerin.

5        Am 29. Mai 2018 nahm die Streithelferin zu diesen Beweisstücken Stellung. Die Klägerin antwortete auf diese Stellungnahme am 28. August 2018.

6        Am 8. Februar 2019 legte die Klägerin zwei neue Nachweise für die ernsthafte Benutzung ihrer Marke vor. Es handelte sich dabei zum einen um einen Lizenzvertrag, der dem deutschen Supermarkt D im Hinblick auf eine Marktanalyse für den Zeitraum vom 31. Oktober 2017 bis 30. November 2018 die kostenlose Nutzung der angegriffenen Marke erlaubte, und zum anderen um vier undatierte Bilder im Zusammenhang mit die angegriffene Marke betreffenden Verkaufsaktivitäten.

7        Am 21. Juni 2019 gab die Löschungsabteilung dem Verfallsantrag der Streithelferin mit der Begründung statt, dass die angegriffene Marke im maßgeblichen Zeitraum nicht ernsthaft benutzt worden sei.

8        Am 21. August 2019 legte die Klägerin beim EUIPO gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Löschungsabteilung ein, soweit mit dieser der Verfall der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 29 erklärt worden war.

9        Mit Entscheidung vom 27. Mai 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Zunächst erklärte die Beschwerdekammer, nachdem sie festgestellt hatte, dass die Klägerin den Verfall ihrer Rechte an der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen der Klasse 43 nicht bestritten habe, für den Nachweis der ernsthaften Benutzung dieser Marke sei der Zeitraum vom 24. November 2012 bis 23. November 2017 (im Folgenden: maßgeblicher Zeitraum) zu berücksichtigen. Insoweit führte sie aus, dass ein großer Teil der von der Klägerin vorgelegten Nachweise für die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nicht dem maßgeblichen Zeitraum zugeordnet werden könne. In Bezug auf die diesen Zeitraum betreffenden Dokumente wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass sie relativ geringe Verkaufszahlen der Klägerin belegten und dass diese nicht durch den Nachweis einer intensiven Benutzung der angegriffenen Marke ausgeglichen würden. Schließlich stellte die Beschwerdekammer fest, dass die bloße Existenz eines Domainnamens und eines Facebook-Kontos kein Nachweis für die Benutzung der Marke sei, und kam zu dem Schluss, dass die vorgelegten Dokumente nicht genügten und deren Gesamtbetrachtung es nicht erlaube, die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke im maßgeblichen Zeitraum für die in Rede stehenden Waren nachzuweisen.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        den Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

11      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit des Verweises auf die Schriftsätze im Verfahren vor der Beschwerdekammer

12      Das EUIPO macht geltend, dass die wiederholten Pauschalverweise der Klägerin in ihrer Klageschrift auf ihre im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor dem Amt vorgebrachten Ausführungen unzulässig seien.

13      Gemäß der Rechtsprechung ist eine Klageschrift unzulässig, soweit sie auf die beim EUIPO eingereichten Schriftsätze verweist, da sich diese allgemeine Verweisung nicht den in der Klageschrift selbst vorgebrachten Gründen und Argumenten zuordnen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 14 und 15, sowie vom 25. November 2015, Masafi/HABM – Hd1 [JUICE masafi], T‑248/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:880, Rn. 14).

14      Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass die Klägerin in den Rn. 3 bis 8, 12, 13, 26 und 29 der Klageschrift vollumfänglich auf ihre vor der Löschungsabteilung und der Beschwerdekammer vorgetragenen Ausführungen sowie die dort vorgelegten Dokumente verweist.

15      Weiter ist festzustellen, dass die Klägerin nicht die Abschnitte ihrer bei der Löschungsabteilung und der Beschwerdekammer eingereichten Schriftsätze angegeben hat, die zur Untermauerung ihrer Ausführungen vor dem Gericht geeignet wären. Es ist aber nicht Sache des Gerichts, in den im Verwaltungsverfahren vor dem EUIPO eingereichten Schriftsätzen nach den Argumenten zu suchen, auf die die Klägerin möglicherweise Bezug nimmt. Daher ist der pauschale Verweis auf die beim EUIPO eingereichten Schriftstücke in der Klageschrift unzulässig.

 Zur Begründetheit

16      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund und macht im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 geltend, da die Beschwerdekammer unzutreffend davon ausgegangen sei, dass die dem EUIPO im Verwaltungsverfahren vorgelegten Beweisstücke nicht geeignet seien, die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für die einschlägigen Waren nachzuweisen.

17      Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird eine Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

18      Nach Art. 10 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 der Kommission vom 18. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 207/2009 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission (jetzt Art. 10 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung [EU] 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung 2017/1430 [ABl. 2018, L 104, S. 1]), der nach Art. 19 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2017/1430 (jetzt Art. 19 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2018/625) auf Verfallsverfahren anwendbar ist, muss sich der Nachweis der Benutzung einer Marke auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Marke beziehen und beschränkt sich grundsätzlich auf die Vorlage von Dokumenten und Beweisstücken wie Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Katalogen, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen und auf die in Art. 97 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 genannten schriftlichen Erklärungen.

19      Bei der Auslegung des Begriffs der ernsthaften Benutzung ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass die angegriffene Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf abzielt, den Markenschutz nur umfangreichen geschäftlichen Verwertungen von Marken vorzubehalten (vgl. Urteil vom 11. April 2019, Fomanu/EUIPO – Fujifilm Imaging Germany [Darstellung eines Schmetterlings], T‑323/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:243, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2019, Pandalis/EUIPO, C‑194/17 P, EU:C:2019:80, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke verlangt, dass die Marke, so wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 40; vgl. auch entsprechen Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43).

22      Gemäß der Rechtsprechung lässt sich die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht mit Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen. Daher ist eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren des Einzelfalls vorzunehmen, die eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den berücksichtigten Faktoren impliziert (Urteil vom 8. Juli 2020, Euroapotheca/EUIPO – General Nutrition Investment [GNC LIVE WELL], T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 35).

23      Im Übrigen verlangt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 keine kontinuierliche, ununterbrochene Benutzung der streitigen Marke im maßgeblichen Zeitraum, sondern nur eine ernsthafte Benutzung im Laufe dieses Zeitraums (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2019, 6Minutes Media/EUIPO – ad pepper media International [ADPepper], T‑668/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:719, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im Licht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen ist, dass die angegriffene Marke im maßgeblichen Zeitraum nicht ernsthaft benutzt wurde.

25      Vorab weist das Gericht darauf hin, dass sich der maßgebliche Zeitraum, für den die Klägerin die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachweisen musste – wie von der Beschwerdekammer zutreffend festgestellt – vom 24. November 2012 bis 23. November 2017 erstreckt.

26      Im Übrigen bestreitet die Klägerin hinsichtlich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen nicht, dass der Verfall ihrer Rechte an der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen der Klasse 43 endgültig geworden ist.

27      Was den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 29 während des maßgeblichen Zeitraums angeht, stellt das Gericht fest, dass die Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor dem EUIPO folgende Beweise vorgelegt hat:

–        einen Werbeprospekt des deutschen Supermarkts A vom 14. Oktober 2013, in dem ein Produkt der angegriffenen Marke abgebildet war;

–        einen Auszug der Website www.hallowiener.de der angegriffenen Marke vom 3. Februar 2018 (im Folgenden: Internetauszug);

–        eine Rechnung vom 4. Oktober 2012, die den Verkauf von Waren der angegriffenen Marke an den deutschen Supermarkt B mit dem Lieferdatum 25. September 2012 betrifft;

–        eine Rechnung vom 20. Januar 2014 über vom deutschen Supermarkt C im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2013 gekaufte Waren der angegriffenen Marke;

–        ein Dokument vom 6. September 2017 betreffend die kostenlose Nutzung der angegriffenen Marke durch den deutschen Supermarkt D für den Zeitraum vom 31. Oktober 2017 bis 30. November 2018 im Hinblick auf eine Marktanalyse (im Folgenden: Lizenzvertrag);

–        vier undatierte Bilder zur Veranschaulichung der Verkaufsaktivitäten der Klägerin, nämlich ein Foto eines Werbeplakats in einem Lebensmittelgeschäft, auf dem der Schriftzug „HALLOWIENER“ in Großbuchstaben zu sehen ist, zwei Fotos einer Wursttheke, in deren Auslage zahlreiche Würstchenpackungen mit dem Etikett der angegriffenen Marke präsentiert werden, und ein Bild einer Werbeanzeige für Waren der angegriffenen Marke, die einen Hinweis auf den deutschen Supermarkt D und dessen Website enthält (im Folgenden: die vier Bilder).

28      Die Klägerin trägt vor, dass die Beschwerdekammer keine Gesamtwürdigung der die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke betreffenden Beweisstücke vorgenommen habe. Sie macht insoweit erstens geltend, dass zumindest in den Jahren 2012 und 2013 eine erhebliche Nutzung der Marke erfolgt sei. Zweitens räumt die Klägerin ein, dass die angegriffene Marke in den Jahren 2014 bis 2016 weniger benutzt worden sei. Gleichwohl seien während dieses Zeitraums ihre Website und ihr Facebook-Auftritt aufrechterhalten worden, um die Verkaufsaktivitäten und die Nutzung der angegriffenen Marke in den Folgejahren wieder forcieren zu können. Drittens macht sie unter Hinweis auf den Lizenzvertrag und die vier Bilder geltend, dass strategische Planungen erfolgt sowie entsprechende Gespräche mit potenziellen Vertriebspartnern geführt worden seien.

29      Weiter ist nach Auffassung der Klägerin zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke saisonabhängig sei. Die Herstellung und der Verbrauch der Waren der Klasse 29 erfolge jedes Jahr gezielt in den Monaten September und Oktober anlässlich von Halloween. Folglich müssen die Saisonabhängigkeit berücksichtigt und geringere Anforderungen für den Nachweis der ernsthaften Benutzung festgelegt werden.

30      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

31      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den Rn. 35 bis 43 der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass die Beschwerdekammer eine Gesamtwürdigung der vorgelegten Nachweise vorgenommen und diese in der Gesamtschau für nicht ausreichend erachtet hat, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke während des maßgeblichen Zeitraums nachzuweisen. Das auf die fehlende Gesamtwürdigung gestützte Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

32      Das einzige für das Jahr 2012 vorgelegte Beweisstück ist eine Rechnung vom 4. Oktober 2012 über mehr als 63 000 Euro für eine Lieferung der von der angegriffenen Marke erfassten Waren vom 25. September 2012. Dieses Beweisstück betrifft die Zeit vor dem maßgeblichen Zeitraum, der erst im November 2012 begann.

33      Gemäß der Rechtsprechung dürfen undatierte oder die Zeit vor dem maßgeblichen Zeitraum betreffende Beweisstücke nur berücksichtigt werden, um die anderen in den Akten enthaltenen Nachweise zu stützen (Beschluss vom 14. Januar 2015, Recaro Holding/HABM, C‑57/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:17, Rn. 26, und Urteil vom 30. November 2016, K&K Group/EUIPO – Pret A Manger [Europe] [Pret A Diner], T‑2/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:690, Rn. 35). Folglich ist zu prüfen, ob die ernsthafte Benutzung der angefochtenen Marke im maßgeblichen Zeitraum nachgewiesen wurde, um zu bestimmen, ob dieses Beweisstück geeignet ist, eine solche Benutzung zu stützen.

34      Die für das Jahr 2013 vorgelegten Beweisstücke, ein Werbeprospekt von Oktober 2013, in dem vom deutschen Supermarkt A der Verkauf von Wiener Würstchen der angegriffenen Marke beworben wird, und eine Rechnung vom 20. Januar 2014 in Höhe von 39 615,65 Euro betreffend verschiedene Geschäfte zwischen der Klägerin und dem deutschen Supermarkt D im Jahr 2013, sind – wie von der Beschwerdekammer festgestellt – als Nachweis für eine Benutzung der angegriffenen Marke im Jahr 2013 geeignet.

35      Insoweit ist festzustellen, dass zwar die Benutzung der Marke nicht immer umfangreich zu sein braucht, um als ernsthaft eingestuft zu werden, da eine solche Einstufung von den Merkmalen der betreffenden Ware oder Dienstleistung auf dem entsprechenden Markt abhängt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2004, VITAFRUIT, T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 42; vgl. auch entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 39). Je begrenzter jedoch das Handelsvolumen der Markenverwertung ist, desto mehr besteht die Notwendigkeit, dass der Markeninhaber ergänzende Angaben liefert, die etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der betreffenden Marke ausräumen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2011, Advance Magazine Publishers/HABM – Capela & Irmãos [VOGUE], T‑382/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:9, Rn. 31).

36      So kann ein geringes Volumen von unter der angegriffenen Marke vertriebenen Waren oder Dienstleistungen durch eine große Häufigkeit oder gewisse zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. Urteil vom 15. September 2011, centrotherm Clean Solutions/HABM – Centrotherm Systemtechnik [CENTROTHERM], T‑427/09, EU:T:2011:480, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Wie aber die Beschwerdekammer ausgeführt hat, kann allein anhand der – relativ geringen – Verkaufszahlen der Klägerin im Jahr 2013 in Verbindung mit dem oben in Rn. 32 beschriebenen Werbeprospekt keine hohe Intensität der Benutzung der angegriffenen Marke im Jahr 2013 nachgewiesen werden.

38      Das Vorbringen der Klägerin, dass die angegriffene Marke im Jahr 2013 in erheblichem Umfang wirtschaftlich genutzt und verwertet worden sei, wird also durch keine anderen relevanten wirtschaftlichen Faktoren wie den Umfang der Geschäftstätigkeit, die Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder den Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie die charakteristischen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt belegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2004, VITAFRUIT, T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 42).

39      Für die Jahre 2014 bis 2016 räumt die Klägerin ein, die angegriffene Marke weniger benutzt zu haben, und erklärt, dass die mit der Marke erzielten Einnahmen nicht gesondert erfasst worden seien. Sie weist jedoch auf den Auszug aus ihrer Homepage und ihrem Facebook-Auftritt hin, die aufrechterhalten worden seien, um die Verkaufsaktivitäten und die Nutzung der angegriffenen Marke in den Folgejahren wieder forcieren zu können.

40      Gleichwohl ist zum einen festzustellen, dass der Internetauszug, wie in Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, von der Klägerin am 3. Februar 2018, also nach dem maßgeblichen Zeitraum, ausgedruckt wurde.

41      Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass zur Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke im maßgeblichen Zeitraum gegebenenfalls Umstände berücksichtigt werden, die zwar nach diesem Zeitraum liegen, es aber ermöglichen, das Ausmaß der Benutzung dieser Marke im maßgeblichen Zeitraum zu bestätigen oder besser zu beurteilen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2019, Lotte/EUIPO – Générale Biscuit-Glico France [PEPERO original], T‑459/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:119, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, vgl. auch entsprechend Beschlüsse vom 27. Januar 2004, La Mer Technology, C‑259/02, EU:C:2004:50, Rn. 31, und vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 41).

42      Doch selbst wenn der Internetauszug im Rahmen der Beurteilung der ernsthaften Benutzung im maßgeblichen Zeitraum berücksichtigt werden könnte, geht aus ihm lediglich hervor, dass die Website im Jahr 2018 aufgerufen werden konnte. Dagegen können ihm weder weitere Informationen zu den betreffenden Waren noch insbesondere Angaben zu deren Preisen oder zur Möglichkeit einer Online-Bestellung entnommen werden. Folglich ist dieses Beweisstück nicht geeignet, die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke während des maßgeblichen Zeitraums zu belegen.

43      Zum anderen wird die Benutzung der angegriffenen Marke auf der Facebook-Seite der Klägerin nicht nachgewiesen, da dort die letzte Aktivität im Oktober 2013 verzeichnet wurde.

44      Schließlich führt die Klägerin den Lizenzvertrag sowie die vier Bilder als Nachweis für die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke ab dem Jahr 2017 an. Da der Lizenzvertrag den Zeitraum vom 31. Oktober 2017 bis 30. November 2018 betrifft, wurde er für eine im Wesentlichen nach dem maßgeblichen Zeitraum liegende Zeit abgeschlossen. Er deckt lediglich 24 Tage des maßgeblichen Zeitraums ab, nämlich die Zeit vom 31. Oktober bis 23. November 2017. Zudem handelt es sich um einen mit dem deutschen Supermarkt D abgeschlossenen Lizenzvertrag, der die kostenlose Nutzung der angegriffenen Marke im Hinblick auf eine Marktanalyse betrifft. Bei den vier Bildern handelt es sich um Fotos von Werbeplakaten sowie um Fotos, die in dem Lebensmittelgeschäft aufgenommen wurden, das Partei dieses Lizenzvertrags ist.

45      Zum einen sind aber solche Nachweise nur geeignet, die Benutzung der angegriffenen Marke für einen vom Lizenzvertrag umfassten Zeitraum von 24 Tagen im Jahr 2017 zu erbringen. Zum anderen war die Klägerin trotz des mit dem deutschen Supermarkt D abgeschlossenen Vertrags nicht in der Lage, konkrete und objektive Nachweise im Sinne der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung für die Benutzung der in Rede stehenden Marke zu erbringen, wie die Ergebnisse der fraglichen Marktanalyse oder Nachweise für eine ernsthafte Benutzung in Form von sich daraus ergebenden Verkäufen. Da dieser Lizenzvertrag im Wesentlichen eine nach dem maßgeblichen Zeitraum liegende Zeit betrifft, ermöglicht er es auch nicht, den Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke während dieses Zeitraums im Sinne der oben in Rn. 41 angeführten Rechtsprechung zu bestätigen oder zu beurteilen. Ebenso wenig sind die vier Bilder, selbst wenn mit ihnen, obwohl sie undatiert sind, die Benutzung der angegriffenen Marke im Oktober 2017 nachgewiesen werden könnte, als Nachweis für den Benutzungsumfang der angegriffenen Marke geeignet.

46      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Klägerin vorgelegten Beweisstücke in der Gesamtschau nicht ausreichen, um zu belegen, dass die angegriffene Marke während des maßgeblichen Zeitraums für die betroffenen Waren ernsthaft benutzt wurde. Unter diesen Umständen kann die oben in den Rn. 32 und 33 erwähnte Rechnung vom 4. Oktober 2012, die die Zeit vor dem maßgeblichen Zeitraum betrifft, nicht berücksichtigt werden.

47      Die vorstehenden Ausführungen werden nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass an den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke aufgrund der Saisonabhängigkeit ihrer Nutzung geringere Anforderungen zu stellen seien. Selbst wenn unterstellt würde, dass die saisonabhängige Benutzung der angegriffenen Marke sich auf die Benutzungsdauer und die Zielgerichtetheit der zu berücksichtigenden Zeiträume auswirkt, sind in Bezug auf den Benutzungsumfang keine geringeren Anforderungen festzulegen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber die relevanten Beweisstücke, anhand deren die ernsthafte Benutzung ihrer Marke zumindest in den Monaten September bis November jeden Jahres im maßgeblichen Zeitraum anlässlich von Halloween hätte nachgewiesen werden können, nicht vorgelegt.

48      Nach alledem ist der einzige von der Klägerin angeführte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

49      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Selmikeit & Giczella GmbH trägt die Kosten.

Spielmann

Öberg

Mastroianni

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. November 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Gervasoni


*      Verfahrenssprache: Deutsch.