Language of document : ECLI:EU:T:2012:333

Rechtssache T‑370/09

GDF Suez SA

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Deutscher und französischer Erdgasmarkt – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Aufteilung des Marktes – Dauer der Zuwiderhandlung – Geldbußen“

Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 29. Juni 2012….?II ‑ 0000

Leitsätze des Urteils

1.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Hinreichende Feststellung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

2.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Absicht der Beteiligten an einer Vereinbarung, den Wettbewerb zu beschränken – Kein notwendiges Element – Berücksichtigung einer solchen Absicht durch die Kommission oder den Unionsrichter – Zulässigkeit

(Art. 81 Abs. 1 EG)

3.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vereinbarung mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung – Gleichzeitige Verfolgung zulässiger Zwecke – Keine Auswirkung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

4.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vereinbarung mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung – Abschluss im wirtschaftlichen Interesse der Unternehmen oder nicht – Keine Auswirkung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

5.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts – Durch ein gesetzliches oder faktisches Monopol gekennzeichneter Markt – Aussicht auf Liberalisierung – Beurteilung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

6.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Qualifikation eines Unternehmens als potenziellen Wettbewerber – Kriterien – Wesentlicher Gesichtspunkt – Fähigkeit des Unternehmens, in den relevanten Markt einzutreten – Durch ein gesetzliches oder faktisches Monopol gekennzeichneter Markt – Auswirkung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

7.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Verpflichtung, alle von den Beteiligten aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu prüfen – Fehlen

(Art. 81 EG, 82 EG und 235 EG)

8.      Kartelle – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Beurteilungskriterien – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die sich auf einen durch das Fehlen jeden potenziellen Wettbewerbs gekennzeichneten Markt beziehen

(Art. 81 Abs. 1 EG)

9.      Kartelle – Komplexe Zuwiderhandlung, die Merkmale einer Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise aufweist – Einheitliche Qualifikation als „Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweise“ – Zulässigkeit – Beweisrechtliche Folgen

(Art. 81 Abs. 1 EG)

10.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Durch eine Reihe von Indizien und Koinzidenzen erbrachter Beweis für das Vorliegen und die Dauer einer fortgesetzten wettbewerbswidrigen Verhaltensweise – Fehlen eines Beweises für bestimmte Zeitabschnitte des untersuchten Gesamtzeitraums – Keine Auswirkung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

11.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Nachweis durch Urkunden – Beurteilung des Beweiswerts eines Schriftstücks – Kriterien – Interne Unterlagen eines Unternehmens

(Art. 81 Abs. 1 EG)

12.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Auf schriftliche Beweismittel gestützte Entscheidung – Beweispflichten der Unternehmen, die das Vorliegen der Zuwiderhandlung bestreiten

(Art. 81 EG und 82 EG)

13.    Unionsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit

14.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Wettbewerbswidriger Zweck oder wettbewerbswidrige Wirkung – Beurteilungskriterien – Austausch von Informationen auf einem hoch konzentrierten oligopolistischen Markt – Unzulässigkeit

(Art. 81 Abs. 1 EG)

15.    Kartelle – Teilnahme an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der es erlaubt, auf die Beteiligung am nachfolgenden Kartell zu schließen – Beweispflichten des Unternehmens, das seine wettbewerbswidrige Einstellung bestreitet

(Art. 81 Abs. 1 EG)

16.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verjährung bei Geldbußen – Begriff „Sanktionen“ im Sinne der Verordnung Nr. 1/2003 – Finanzielle Sanktionen – Einbeziehung – Entscheidung über die Feststellung einer Zuwiderhandlung – Ausschluss

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 7 und 25)

17.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verjährung bei Geldbußen – Beginn – Einzige fortgesetzte Zuwiderhandlung – Keine Manifestation der Zuwiderhandlung während bestimmter Zeitabschnitte des untersuchten Gesamtzeitraums – Keine Auswirkung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

18.    Wettbewerb – Unionsvorschriften – Sachlicher Anwendungsbereich – Durch staatliche Maßnahmen aufgezwungenes Verhalten – Ausschluss – Durch ein gegen Unionsrecht verstoßendes gesetzliches Monopol gekennzeichneter nationaler Markt – Fehlen eines rechtlichen Rahmens, der jede Möglichkeit eines Wettbewerbsverhaltens ausschließt – Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln, die von einer durch den Staat kontrollierten Gesellschaft begangen wurde – Zulässigkeit

(Art. 81 EG und 82 EG)

19.    Kartelle – Verbot – Kartelle, deren Wirkungen über ihr formales Außerkrafttreten hinaus fortbestehen – Anwendung von Art. 81 EG

(Art. 81 Abs. 1 EG)

20.    Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Unternehmen, das sich an einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung beteiligt hat – Von den kartellinternen Vereinbarungen abweichendes Verhalten – Beschwerden über den vom Unternehmen gelieferten Wettbewerb – Umstände, nach denen die Beteiligung des Unternehmens an der Vereinbarung nicht zwingend auszuschließen ist

(Art. 81 Abs. 1 EG)

21.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Informationsaustausch im Rahmen eines Kartells – Wirtschaftsteilnehmer, der den Beschwerden eines anderen Wirtschaftsteilnehmers über den von ihm selbst gelieferten Wettbewerb Rechnung trägt – Einbeziehung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

22.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Informationsaustausch im Rahmen oder zur Vorbereitung eines Kartells – Berücksichtigung der ausgetauschten Informationen – Vermutung

(Art. 81 Abs. 1 EG)

23.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und deren Dauer – Einzige fortgesetzte Zuwiderhandlung auf zwei nationalen Märkten – Unterschiedliche Dauer der Zuwiderhandlung auf den einzelnen Märkten – Umfang der Beweislast

(Art. 81 EG und 82 EG)

24.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Grundsatz der Gleichbehandlung – Entscheidungspraxis der Kommission – Hinweischarakter

(Art. 81 Abs. 1 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3)

25.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Ermessensspielraum der Kommission – Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen – Zulässigkeit – Verletzung des Verbots der Rückwirkung von Strafen – Fehlen

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

26.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Nichtverhängung einer Sanktion gegen einen Wirtschaftsteilnehmer – Umstand, der allein die Verhängung einer Geldbuße gegen den Urheber einer Zuwiderhandlung derselben Art nicht ausschließen kann

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

27.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilungskriterien – Besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen – Aufteilung des Marktes

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 19, 21 und 23)

28.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – In den Leitlinien der Kommission festgelegte Berechnungsmethode – Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße – Bestimmung des Prozentsatzes des Umsatzes des Unternehmens – Kriterien

(Art. 81, Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 22 und 25)

29.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Von den kartellinternen Vereinbarungen abweichendes Verhalten – Verminderte Beteiligung – Voraussetzungen – Umfang der Beweislast

(Art. 81, Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29 Abs. 3)

30.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – wettbewerbswidriges Verhalten, das von den Behörden genehmigt oder gefördert wird – Durch ein gesetzliches Monopol gekennzeichneter nationaler Markt mit Aussicht auf Liberalisierung – Beurteilungskriterien

(Art. 81, Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29 Abs. 5)

31.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Wirkung

(Art. 229 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 62-63)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 64)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 65, 74)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 70)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 77-80)

6.      Art. 81 Abs. 1 EG gilt wegen der in ihm genannten Voraussetzungen der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und der Auswirkungen auf den Wettbewerb nur für die dem Wettbewerb geöffneten Wirtschaftszweige. Die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen stützt sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die auf dem betreffenden Markt bereits tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb. Zwar ist die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung, jedoch besteht der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markteintrittsfähigkeit des Unternehmens.

Bei einem nationalen Markt, der durch das Bestehen faktischer Gebietsmonopole gekennzeichnet ist, ist der Umstand, dass auf diesem Markt kein gesetzliches Monopol besteht, unerheblich. Um nämlich feststellen zu können, ob auf einem Markt ein potenzieller Wettbewerb besteht, hat die Kommission die tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten zu prüfen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander in Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber in den relevanten Markt eintreten und den etablierten Unternehmen Konkurrenz machen kann. Sie hat bei dieser Prüfung die Grundlage für diese Möglichkeiten objektiv zu untersuchen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Möglichkeiten wegen eines Monopols ausgeschlossen sind, das unmittelbar durch die nationale Regelung begründet wird, oder wegen eines Monopols, das mittelbar auf die sich aus der Durchführung dieser Regelung ergebende tatsächliche Lage zurückgeht.

Die rein theoretische Möglichkeit des Eintritts eines Unternehmens in einen solchen Markt genügt nicht, um das Bestehen eines solchen Wettbewerbs darzutun.

(vgl. Randnrn. 81-82, 84, 95, 98-99)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 117, 195)

8.      Art. 81 Abs. 1 EG ist nur auf solche Vereinbarungen anwendbar, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Eine Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel ergibt sich im Allgemeinen daraus, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, die für sich allein genommen nicht unbedingt entscheidend sind. Bei der Prüfung, ob ein Kartell den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt, ist dieses in seinem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang zu untersuchen. Dabei ist es von geringer Bedeutung, ob der Einfluss eines Kartells auf den Handel ungünstig, neutral oder günstig ist. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist nämlich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sie die Handelsströme von der Richtung ablenken kann, die sie andernfalls genommen hätten.

Außerdem reicht die Eignung eines Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, d. h. seine potenzielle Wirkung, aus, damit es in den Anwendungsbereich von Art. 81 EG fällt, und es bedarf keines Nachweises einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Handelsverkehrs. Die potenzielle Auswirkung des Kartells auf den zwischenstaatlichen Handel muss allerdings spürbar sein, d. h., sie darf nicht nur geringfügig sein.

Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat aber schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, wodurch es die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindert.

Bei nationalen Märkten, die durch ein gesetzliches oder faktisches Monopol gekennzeichnet sind, kann die Kommission, wenn sie nicht dargetan hat, dass auf solchen Märkten ein potenzieller Wettbewerb besteht, nicht davon ausgehen, dass die sich auf diese Märkte beziehenden Vereinbarungen und Praktiken geeignet seien, sich spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auszuwirken.

(vgl. Randnrn. 122-126)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 133-135)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 136-138, 141, 151, 155-156, 220-221, 223, 228)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 161, 172, 224-226)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 178, 264)

13.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 202-203)

14.    Eine abgestimmte Verhaltensweise erfasst eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzungen für eine abgestimmte Verhaltensweise sind, sind im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben will.

Zwar nimmt dieses Selbständigkeitspostulat den Unternehmen nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die geeignet ist, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Verhalten ins Bild zu setzen, das man selbst auf dem betreffenden Markt an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht, wenn diese Kontakte bezwecken oder bewirken, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen.

Der Austausch von Marktinformationen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt ist geeignet, den Unternehmen Aufschluss über die Marktpositionen und die Strategien ihrer Wettbewerber zu geben und damit den noch bestehenden Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Informationsaustausch muss nicht notwendig detaillierte Informationen betreffen. Im Kontext eines oligopolistischen Marktes ist ein Austausch von Informationen selbst allgemeiner Natur, die sich insbesondere auf die Geschäftsstrategie eines Unternehmens beziehen, zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs geeignet. Außerdem bleibt die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten eines an dieser beteiligten Unternehmens auch dann gültig, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht, sofern das Unternehmen auf dem jeweiligen Markt tätig bleibt.

Daher kommt es in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die betroffenen Unternehmen keine Informationen zu Kosten, Preisen, Gewinnspannen, verkauften Mengen oder Kunden ausgetauscht hätten, nicht an, da es im Kontext eines hochgradig konzentrierten oligopolistischen Marktes genügt, dass ein Informationsaustausch stattgefunden hat.

(vgl. Randnrn. 211-213, 247, 249)

15.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 215)

16.    In einem Wettbewerbsverfahren stellt die Feststellung eines Verstoßes keine Sanktion im Sinne des Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 dar und unterliegt somit nicht der dort vorgesehenen Verjährung. Kapitel VI der Verordnung Nr. 1/2003 über Sanktionen bezieht sich nämlich nur auf Geldbußen und Zwangsgelder, und keine Bestimmung dieser Verordnung lässt die Annahme zu, dass die in ihrem Art. 7 genannten Entscheidungen der Kommission, mit denen diese eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG oder 82 EG feststellt, zu den in diesem Kapitel angeführten Sanktionen gehören. Daher kann die Verjährung der Befugnis, Geldbußen und Zwangsgelder aufzuerlegen, nicht die Verjährung der stillschweigenden Befugnis zur Feststellung eines Verstoßes zur Folge haben.

(vgl. Randnr. 272)

17.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 275)

18.    Die Art. 81 EG und 82 EG gelten nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die die Unternehmen von sich aus an den Tag legen. Wird den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bilden diese einen rechtlichen Rahmen, der jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten der Unternehmen ausschließt, so sind die Art. 81 EG und 82 EG nicht anwendbar. In einem solchen Fall hat die Wettbewerbsbeschränkung nicht, wie diese Vorschriften voraussetzen, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache. Dagegen sind die Art. 81 EG und 82 EG anwendbar, wenn sich herausstellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann.

So kann die Kommission bei einem nationalen Markt, der durch das Bestehen eines gesetzlichen Monopols gekennzeichnet ist, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG feststellen, wenn der betreffende Mitgliedstaat eine Richtlinie, die die Schaffung eines wettbewerbsorientierten Marktes bezweckt, nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist umsetzt und wenn in der Praxis nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die nationale Regelung, auch wenn sie formal noch in Kraft ist, das fragliche wettbewerbswidrige Verhalten vorgeschrieben oder einen rechtlichen Rahmen geschaffen hat, der selbst jede Möglichkeit eines wettbewerbsorientierten Verhaltens für die betroffenen Unternehmen ausschließt.

Die nationalen Behörden haben mit dem Ablauf der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie, die die Schaffung eines wettbewerbsorientierten Marktes bezweckt, jede dieser Richtlinie entgegenstehende Bestimmung unangewendet zu lassen. Insbesondere können sie solche Bestimmungen nicht Wettbewerbern eines Unternehmens entgegenhalten, das in den nationalen Markt einzutreten wünscht. Der Vorrang des Unionsrechts verlangt nämlich, dass jede nationale Rechtsvorschrift, die einer Unionsvorschrift entgegensteht, unangewendet bleibt, unabhängig davon, ob sie älter oder jünger ist als diese. Zudem gehört eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

(vgl. Randnrn. 312-314, 317, 323)

19.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 326)

20.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 354-355)

21.    Auf dem Gebiet des Wettbewerbs gilt, dass, wenn sich ein Unternehmen Beschwerden zu eigen macht, die ihm von einem anderen Unternehmen darüber zugehen, dass es dieses durch den Absatz seiner Erzeugnisse einem Wettbewerb aussetzt, das Verhalten der Beteiligten eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise darstellt.

(vgl. Randnr. 357)

22.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 363)

23.    Wird in einer Entscheidung der Kommission, mit der eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängt wird, hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung zwischen einem nationalen Markt und einem benachbarten Markt unterschieden, muss die Kommission die notwendigen Beweise liefern, die rechtlich hinreichend das Vorliegen der Zuwiderhandlung auf diesen beiden Märkten während der beiden behaupteten Zeiträume dartun. Die Kommission trägt nämlich die Beweislast für das Vorliegen der Zuwiderhandlung und damit auch für deren Dauer.

Diese Erwägungen werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zuwiderhandlung einen einzigen fortgesetzten Verstoß darstellt. Dieser das Wesen der festgestellten Zuwiderhandlung betreffende Umstand lässt nämlich die Tatsache unberührt, dass die Kommission, da sie im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung bewusst eine für jeden der betroffenen Märkte unterschiedliche Dauer der Zuwiderhandlung angegeben hat, verpflichtet war, die jeweils von ihr zugrunde gelegte Dauer rechtlich hinreichend nachzuweisen.

(vgl. Randnrn. 374-375)

24.    Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 geregelt ist. So können in anderen Fällen ergangene Entscheidungen nur Hinweischarakter für das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind.

Wie jedes Organ bei allen seinen Tätigkeiten hat indessen die Kommission, wenn sie eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften gegen ein Unternehmen festsetzt, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, der es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichzubehandeln, sofern dies nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Gleichwohl können frühere Geldbußenentscheidungen der Kommission im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur relevant sein, wenn dargetan wird, dass die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Länder, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind wie im betreffenden Einzelfall.

(vgl. Randnrn. 385-387)

25.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 397)

26.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 398)

27.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 414-416, 420-421)

28.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 427-428, 430-431)

29.    Nach Ziff. 29 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 kann in einem wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren der Grundbetrag der Geldbuße etwa dann verringert werden, wenn eine Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften festgestellt worden ist oder wenn das betreffende Unternehmen Beweise dafür beigebracht hat, dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und es sich der Durchführung der Vereinbarungen, die die Zuwiderhandlung begründet haben, in dem Zeitraum, in dem es ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat.

Um den mildernden Umstand einer geringen Beteiligung an der fraglichen Zuwiderhandlung in Anspruch nehmen zu können, muss ein Unternehmen dartun, dass es sich im Zeitraum seiner Teilnahme an den die Zuwiderhandlung begründenden Vereinbarungen tatsächlich deren Durchführung entzog, indem es sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielt, oder dass es sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde. Es muss mit anderen Worten dartun, dass es die streitigen Vereinbarungen nicht anwandte und sich insoweit auf dem Markt in einer Weise verhielt, die geeignet war, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung zu durchkreuzen.

Ein Unternehmen, das trotz der Absprache mit seinen Konkurrenten eine mehr oder weniger unabhängige Marktpolitik verfolgt, versucht insoweit möglicherweise nur, das Kartell zu seinem Vorteil auszunutzen. Daher kann damit, dass ein Unternehmen die Beschränkung zu umgehen versucht habe, nicht ein Marktverhalten dargetan werden, das geeignet gewesen wäre, den wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Zuwiderhandlung entgegenzuwirken.

(vgl. Randnrn. 436, 439, 441)

30.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 447-451)

31.    Die dem Gericht nach Art. 229 EG durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt das Gericht, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus, die es nur zulässt, die Nichtigkeitsklage abzuweisen oder den angefochtenen Rechtsakt für nichtig zu erklären, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und insbesondere die festgesetzte Geldbuße abzuändern, wenn ihm die Frage nach deren Höhe zur Beurteilung vorgelegt worden ist.

Insoweit ist das Gericht, wenn es im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entscheidet, weder an die Berechnungen der Kommission noch an deren Leitlinien gebunden, sondern es hat seine eigene Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

(vgl. Randnrn. 461-462)