Language of document : ECLI:EU:T:2015:257

Rechtssache T‑131/12

Spa Monopole, compagnie fermière de Spa SA/NV

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke SPARITUAL – Ältere Benelux-Wort- und Bildmarken SPA und LES THERMES DE SPA – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 5. Mai 2015

1.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Bekanntheit der Marke in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft – Begriff – Beurteilungskriterien

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 2 und 5)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Bekanntheit der Marke in dem betreffenden Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft – Benutzung einer Marke als Teil einer anderen eingetragenen und bekannten Marke

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Wortmarke SPARITUAL und Wortmarken und Bildmarke SPA und LES THERMES DE SPA

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5)

5.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Zusammenhang zwischen den Marken

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5)

6.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke – Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 5)

7.      Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Beschwerde gegen die Entscheidung einer erstinstanzlich befassten Stelle des Amtes, die der Beschwerdekammer vorgelegt wird – Funktionale Kontinuität zwischen diesen beiden Dienststellen – Prüfung der Beschwerde durch die Beschwerdekammer – Umfang

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 76)

1.      Gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke im Sinne des Abs. 2 von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Rahmen einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Hinsichtlich der beim Benelux-Markenamt eingetragenen Marken ist das Benelux-Gebiet dem Gebiet eines Mitgliedstaats gleichzustellen. Aus den gleichen Gründen wie sie für die Voraussetzung der Bekanntheit in einem Mitgliedstaat gelten kann also von einer Benelux-Marke nicht verlangt werden, dass sich ihre Bekanntheit auf das gesamte Benelux-Gebiet erstreckt. Es genügt, dass diese Bekanntheit in einem wesentlichen Teil davon vorliegt, der gegebenenfalls einem Teil eines der Beneluxländer entsprechen kann.

(vgl. Rn. 19-21)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 22-24)

3.      Der Erwerb von Unterscheidungskraft einer Marke kann sich u. a. aus ihrer Benutzung als Teil einer anderen eingetragenen Marke ergeben. In solchen Fällen ist Voraussetzung für die Übertragung der Unterscheidungskraft von einer eingetragenen Marke auf eine andere eingetragene Marke, die ein Teil von dieser ist, dass die betroffenen Verkehrskreise die betreffenden Produkte weiterhin als von einem bestimmten Unternehmen stammend wahrnehmen. Daher kann der Inhaber einer eingetragenen Marke zum Nachweis der besonderen Unterscheidungskraft und der Wertschätzung dieser Marke sich auf Beweise für ihre Benutzung in anderer Form, als Teil einer anderen eingetragenen und bekannten Marke berufen, wenn die betroffenen Verkehrskreise die betreffenden Produkte weiterhin als von demselben Unternehmen stammend wahrnehmen.

(vgl. Rn. 32, 33)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 35, 42-44, 58-62)

5.      Ein Auftreten der in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke genannten Beeinträchtigungen ist die Folge einer gewissen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, aufgrund deren die betroffenen Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Zeichen sehen, d. h. die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln. Das Vorliegen einer solchen gedanklichen Verknüpfung ist umfassend zu beurteilen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles, wie insbesondere dem Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, der Art der Waren und Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen sind, einschließlich des Grades der Nähe oder der Unähnlichkeit dieser Waren und Dienstleistungen sowie der betroffenen Verkehrskreise, des Ausmaßes der Bekanntheit der älteren Marke und des Bestehens einer Verwechslungsgefahr für das Publikum.

(vgl. Rn. 48)

6.      Der Begriff der unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke wird auch als „parasitäre Ausbeutung“ bezeichnet. Er ist nicht mit der Beeinträchtigung der älteren Marke verknüpft, sondern mit dem Vorteil, den der Dritte aus der Benutzung des ähnlichen oder identischen Zeichens ohne rechtfertigenden Grund zieht. Er umfasst insbesondere die Fälle, in denen aufgrund der Übertragung des Images der Marke oder der durch sie vermittelten Merkmale auf die mit dem identischen oder ähnlichen Zeichen gekennzeichneten Waren eine eindeutige Ausnutzung der Sogwirkung der bekannten Marke gegeben ist.

Je unmittelbarer und stärker die ältere Marke von der jüngeren Marke in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Außerdem wird, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind, desto eher insoweit eine Beeinträchtigung vorliegen. Insbesondere dann, wenn der Widerspruch auf eine Marke mit außergewöhnlich hoher Wertschätzung gestützt ist, kann die Wahrscheinlichkeit einer nicht nur hypothetischen Gefahr der künftigen Beeinträchtigung oder unlauteren Ausnutzung durch die angemeldete Marke so offensichtlich sein, dass der Widersprechende insoweit keinen weiteren tatsächlichen Umstand geltend machen und beweisen muss. Außerdem ist der Inhaber der älteren Marke nicht verpflichtet, das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke nachzuweisen. Er muss lediglich Gesichtspunkte anführen, aus denen dem ersten Anschein nach auf die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung geschlossen werden kann.

(vgl. Rn. 51, 52)

7.      Aus der funktionalen Kontinuität zwischen den verschiedenen Instanzen des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) ergibt sich, dass die Beschwerdekammer im Anwendungsbereich von Art. 76 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke ihre Entscheidung auf sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu stützen hat, die in der bei ihr angefochtenen Entscheidung enthalten sind oder die von Verfahrensbeteiligten entweder im Verfahren vor der Stelle, die in erster Instanz entschieden hat, oder – wobei sich eine Einschränkung nur aus Art. 76 Abs. 2 dieser Verordnung ergibt – im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden sind. Insbesondere wird der Umfang der von der Beschwerdekammer vorzunehmenden Prüfung der bei ihr angefochtenen Entscheidung grundsätzlich nicht allein durch die Beschwerdegründe bestimmt, die der Beteiligte oder die Beteiligten am Verfahren vor der Beschwerdekammer geltend machen.

(vgl. Rn. 56)