Language of document : ECLI:EU:C:2015:424

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 25. Juni 2015(1)

Rechtssache C‑32/14

ERSTE Bank Hungary Zrt.

gegen

Attila Sugár

(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Törvényszék [Ungarn])

„Verbraucherschutz – Missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern – Richtlinie 93/13/EWG – Art. 6 und 7 – Prüfung der missbräuchlichen Vertragsklauseln – Angemessene und wirksame Mittel, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen – Zwangsvollstreckung notariell beurkundeter Verträge – Erteilung der Vollstreckungsklausel durch einen Notar – Verpflichtungen des Notars – Prüfung der missbräuchlichen Klauseln von Amts wegen – Gerichtliche Kontrolle – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität“





1.        Erlegt die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(2) den Notaren, wenn Letztere eine zentrale Rolle bei der Zwangsvollstreckung von Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern spielen, besondere Verpflichtungen hinsichtlich der Kontrolle von missbräuchlichen Vertragsklauseln auf, die denen entsprechen, die nach einer mittlerweile umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs den nationalen Gerichten obliegen?

2.        Das ist im Wesentlichen das zentrale und neue Problem, das die beiden dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Fragen aufwerfen. Diese Rechtssache unterscheidet sich darin von zahlreichen anderen, die ihm in den letzten Jahren u. a. von ungarischen(3) und spanischen(4) Gerichten vorgelegt wurden, in denen die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften insbesondere mit den sich aus den Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 ergebenden Erfordernissen beurteilt werden sollte.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

3.        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

4.        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

B –    Nationales Recht

5.        Die verschiedenen im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits relevanten Bestimmungen des nationalen Rechts finden sich im Gesetz Nr. IV von 1959 über das Bürgerliche Gesetzbuch(5), im Gesetz Nr. LIII von 1952 über die ungarische Zivilprozessordnung(6), im Gesetz Nr. III von 1994 über die Zwangsvollstreckung(7) und schließlich im Gesetz Nr. XLI von 1991 über die Notare(8).

1.      Bürgerliches Gesetzbuch

6.        § 209 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Allgemeine Vertragsbedingungen und nicht im Einzelnen ausgehandelte Klauseln eines Verbrauchervertrags sind missbräuchlich, wenn sie unter Verletzung des Gebots von Treu und Glauben die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien einseitig und unbegründet zum Nachteil der Vertragspartei festlegen, die die Vertragsbedingungen nicht aufgestellt hat.

(2)      Bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ist jeder zum Abschluss des Vertrags führende Umstand, die Art der ausbedungenen Dienstleistung und die Verbindung dieser Klausel mit anderen Vertragsklauseln oder mit anderen Verträgen zu prüfen.

(3)      Eine gesonderte Rechtsnorm kann die Bedingungen festlegen, die im Verbrauchervertrag als missbräuchlich angesehen werden oder die bis zum Nachweis des Gegenteils als missbräuchlich zu betrachten sind.“

7.        § 209/A des Bürgerlichen Gesetzbuchs lautet:

„(1)      Missbräuchliche Klauseln, die als allgemeine Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil sind, können von der geschädigten Partei angefochten werden.

(2)       Missbräuchliche Klauseln des Verbrauchervertrags, die als allgemeine Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil werden oder von der Partei, die mit dem Verbraucher einen Vertrag abgeschlossen hat, einseitig und ohne Aushandlung im Einzelnen im Voraus festgelegt werden, sind nichtig. Die Nichtigkeit kann nur im Interesse des Verbrauchers geltend gemacht werden.“

2.      Zivilprozessordnung

8.        § 366 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Besteht laut § 41 oder § 56 des Gesetzes … über die Zwangsvollstreckung … im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens keine Möglichkeit zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung, kann der Schuldner, der die Vollstreckung für rechtswidrig hält, gegen den Vollstreckungsgläubiger ein Verfahren zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung anstrengen.“

9.        In § 369 der Zivilprozessordnung heißt es:

„Ein Verfahren zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung, die auf dem Wege einer mit einer Vollstreckungsklausel versehenen öffentlichen Urkunde oder einer dieser gleichgestellten vollstreckbaren Urkunde angeordnet wurde, kann angestrengt werden, wenn

a)      die zur Vollstreckung bestimmte Forderung nicht wirksam entstanden ist,

b)      die Forderung ganz bzw. zum Teil erloschen ist,

c)      der Vollstreckungsgläubiger einen Aufschub zur Erfüllung erteilt hat und dieser Zeitraum noch nicht abgelaufen ist,

d)      der Schuldner eine Gegenforderung geltend machen möchte, mit der aufgerechnet werden kann.“

10.      § 370 der Zivilprozessordnung lautet:

„Das im Prozess zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung angerufene Gericht kann in der Sache die Vollstreckung aussetzen“.

3.      Gesetz über die Zwangsvollstreckung

11.      Das Gesetz über die Zwangsvollstreckung sieht vor, dass die Zwangsvollstreckung einer Forderung von einem Gericht oder einem Notar angeordnet werden kann. Sein § 224/A bestimmt:

„Fällt die Anordnung der Zwangsvollstreckung in die Zuständigkeit des Notars, sind die Bestimmungen dieses Teils mit den folgenden Abweichungen anzuwenden:

a)       Unter ‚die Vollstreckung anordnendes Gericht‘ ist der Notar zu verstehen; unter ‚von dem die Vollstreckung anordnenden Gericht getroffene Entscheidung‘ ist die von dem Notar getroffene Entscheidung zu verstehen …“.

12.      § 13 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Der Vollstreckungstitel kann ausgestellt werden, wenn die zu vollstreckende Entscheidung

a)      eine Forderung (einen Geldbetrag) beinhaltet,

b)      rechtskräftig ist oder vorläufig vollstreckt werden kann und

c)      die Erfüllungsfrist abgelaufen ist. …“

13.      In § 23/C des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung heißt es:

„(1)      Der die Urkunde aufsetzende Notar versieht die notarielle Urkunde mit einer Vollstreckungsklausel, wenn diese Folgendes enthält:

a)      eine Verpflichtung zu einer Leistung und einer Gegenleistung oder eine einseitige Verpflichtung,

b)      den Namen des Gläubigers und den des Schuldners,

c)      den Gegenstand, die Menge (den Betrag) und den Rechtstitel der Verpflichtung sowie

d)      die Art der Erfüllung und die Frist hierfür.

(2)      Wenn die Verpflichtung vom Eintritt einer Bedingung oder eines Zeitpunkts abhängt, ist es zur Vollstreckbarkeit auch erforderlich, dass der Eintritt der Bedingung oder des Zeitpunkts durch eine öffentliche Urkunde bestätigt wird. …

(5)      Die Vollstreckung kann vorgenommen werden, wenn die notariell beurkundete Forderung der Zwangsvollstreckung unterliegt und die Frist für die Erfüllung der Forderung abgelaufen ist. …“

14.      § 31/E Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung lautet:

„(2)      Das notarielle Verfahren hat – als ziviles nichtstreitiges Verfahren – entsprechende Wirkungen wie das gerichtliche Verfahren. Die vom Notar getroffene Entscheidung hat entsprechende Wirkungen wie die Entscheidung eines örtlichen Gerichts. …“

15.      § 211 Abs. 2 und § 212 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung sehen Folgendes vor:

„§ 211

(2)      Hat das Gericht einen Titel entgegen den gesetzlichen Vorschriften mit einer Vollstreckungsklausel versehen, ist die Vollstreckungsklausel zu löschen. …“

„§ 212

(1)      Das die Vollstreckung anordnende Gericht kann die Löschung der Vollstreckungsklausel auf Antrag einer Partei, aufgrund des Berichts des Gerichtsvollziehers oder aus eigener Initiative jederzeit per Beschluss anordnen. …“

II – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

16.      Am 18. Dezember 2007 schlossen die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Erste Bank Hungary Zrt.(9), und der Beklagte des Ausgangsverfahrens, Herr Attila Sugár(10), einen notariell beurkundeten Hypothekendarlehensvertrag, auf dessen Grundlage Erstere Letzterem ein Darlehen über einen Betrag in Höhe von 30 687 CHF für den Kauf einer Wohnung gewährte.

17.      Am 19. Dezember 2007 gab der Schuldner auf der Grundlage dieses Vertrags ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis ab, mit dem Erste Bank zum einen das Recht gewährt wurde, den Darlehensvertrag im Fall der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen des Schuldners zu kündigen, und zum anderen die sich aus dem Vertrag ergebende Forderung auf der Grundlage einer von ihr aufgestellten Abrechnung beizutreiben, indem sie beim Notar die Anbringung der Vollstreckungsklausel auf den verschiedenen Urkunden erwirkt.

18.      Als der Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht nachkam, kündigte Erste Bank zum einen den Vertrag und beantragte zum anderen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen den Schuldner. Da die hierzu erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen, gab der Notar diesem Antrag am 13. Dezember 2011 statt.

19.      Am 5. Juni 2013 beantragte der Schuldner beim Notar die Löschung der Vollstreckungsklausel auf dem notariell beurkundeten Darlehensvertrag und machte geltend, dieser Vertrag enthalte missbräuchliche Klauseln und berücksichtige nicht die gesetzlichen Bestimmungen über Verbraucherkredite.

20.      Der Notar wies diesen Antrag am 13. Juni 2013 zurück. Er führte aus, dass die Ausgangsurkunde eine einseitige Verpflichtungsübernahme enthalte und den Namen des Gläubigers und des Schuldners, den geschuldeten Betrag und den Rechtstitel sowie die Art der Erfüllung und die hierfür eingeräumte Frist nenne, dass darin die Bedingung sowie ihr mit der Urkunde nachgewiesener Eintritt samt dessen Zeitpunkt angeführt seien und dass darin vermerkt sei, dass diese Urkunde am 13. Dezember 2011 mit einer Vollstreckungsklausel versehen worden sei. Das notarielle Verfahren sei ferner ein nichtstreitiges Verfahren, und er sei nicht befugt, über Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Vertragsklauseln oder die Rechtmäßigkeit der Vertragskündigung zu befinden, da dies in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte falle. Außerdem dürfe er nur die Tatsache beglaubigen, dass der Darlehensgeber den Vertrag gekündigt habe; die Parteien könnten im Übrigen die Vertragsklauseln vor Gericht anfechten und hätten zusätzlich die Möglichkeit, ein Verfahren zur Beschränkung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung einzuleiten.

21.      Der Schuldner erhob darauf Klage beim vorlegenden Gericht und beantragte, die notarielle Entscheidung aufzuheben und die Vollstreckungsklausel zu löschen. Er rügt, dass er als Schuldner eingestuft werde, und macht geltend, dass der Notar in das notariell beurkundete Schuldanerkenntnis missbräuchliche Vertragsklauseln sowie unrichtige Daten aufgenommen habe. Seines Erachtens hätte bei der Beurkundung des Schuldanerkenntnisses aufgeworfen werden müssen, dass der Vertrag unwirksame Klauseln enthalte. Er bestreitet auch, dass die Beurkundung die Erteilung der Vollstreckungsklausel erlauben könne, da diese auf Antrag der Gläubigerin und nur aufgrund der von ihr übermittelten Buchführungsdaten erfolge. Das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel sei somit rechtsmissbräuchlich, da ein Umstand, der nur in einem streitigen Verfahren geprüft werden könne, von einer einseitigen Erklärung der Vollstreckungsgläubigerin abhängig gemacht werde.

III – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Unter diesen Umständen hat der Fővárosi Törvényszék (Berufungsgericht Budapest) dem Gerichtshof folgende zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist ein Verfahren eines Mitgliedstaats, bei dem im Fall eines Verstoßes eines Verbrauchers gegen eine vertragliche Verpflichtung, die er in einer von einem Notar unter Wahrung der Formerfordernisse aufgesetzten Urkunde eingegangen ist, der Vertragspartner des Verbrauchers einen von ihm selbst bezifferten Betrag aufgrund der Erteilung einer sogenannten Vollstreckungsklausel geltend machen kann, ohne ein streitiges Verfahren bei einem Gericht anhängig machen zu müssen und ohne dass die Missbräuchlichkeit des Vertrags, auf dessen Grundlage die Klausel erteilt wird, geprüft wird, mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar?

2.      Kann der Verbraucher in einem solchen Verfahren die Löschung der bereits erteilten Vollstreckungsklausel verlangen, indem er geltend macht, dass die Missbräuchlichkeit des Vertrags, auf dessen Grundlage sie erteilt wurde, nicht geprüft worden sei, wohingegen nach dem Urteil in der Rechtssache C‑472/11 (Banif Plus Bank, EU:C:2013:88) in einem gerichtlichen Verfahren ein Gericht, das die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln festgestellt hat, verpflichtet ist, den Verbraucher darüber zu informieren?

23.      Die ungarische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen vorgelegt. Erste Bank, die ungarische und die deutsche Regierung sowie die Kommission haben in der öffentlichen Sitzung am 5. Februar 2015 auch mündliche Ausführungen gemacht. Die deutsche Regierung hat ausgeführt, dass sie an der Sitzung habe teilnehmen wollen, da es im deutschen Recht ein ähnliches Verfahren wie das nach ungarischem Recht gebe.

IV – Zu den Vorlagefragen

A –    Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

24.      Die ungarische und die deutsche Regierung vertreten übereinstimmend die Auffassung, die Richtlinie 93/13 stehe einem Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Merkmalen nicht entgegen. Die Kommission ist indessen gegenteiliger Meinung.

25.      Die ungarische Regierung weist auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs hin, stellt die wesentlichen Merkmale des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vereinfachten Verfahrens der notariellen Zwangsvollstreckung dar und macht im Wesentlichen geltend, dass dieses nicht jede Kontrolle missbräuchlicher Klauseln, sei es durch die Notare selbst oder die nationalen Gerichte, ausschließe.

26.      Zunächst verpflichte das Gesetz über die Notare Letztere, bei der Abfassung der notariellen Urkunde die Rechtmäßigkeit und die Missbräuchlichkeit der verschiedenen Klauseln des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts zu prüfen.

27.      Außerdem schließe zwar das Verfahren zur Löschung der Vollstreckungsklausel, dessen Zweck nur sei, die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Erteilung der Vollstreckungsklausel zu erlauben, jede Kontrolle der Gültigkeit der Vertragsklauseln aus, jedoch stehe es dem Verbraucher frei, zum einen ein Gerichtsverfahren zur Feststellung der Ungültigkeit des Vertrags unabhängig davon einzuleiten, ob die Zwangsvollstreckung beantragt worden sei oder nicht, und zum anderen im Rahmen eines Verfahrens auf Beschränkung oder Einstellung einer Zwangsvollstreckung (§ 369 der Zivilprozessordnung) die Ungültigkeit des Vertrags geltend zu machen.

28.      Im Rahmen dieser Verfahren könnten und müssten die nationalen Gerichte eine Kontrolle in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln oder Allgemeinen Vertragsbedingungen vornehmen und unter Beachtung von § 163 der Zivilprozessordnung und nach der Rechtsprechung der Kúria (Oberster Gerichtshof)(11) von Amts wegen die Fälle offensichtlicher Nichtigkeit aufgreifen, die auf der Grundlage der verfügbaren Beweise festgestellt werden könnten.

29.      Die ungarische Regelung wahre daher ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Gewährleistung einer wirksamen Verfolgung der Ziele der Richtlinie 93/13 zum einen und der Erhaltung der Ziele und der Besonderheiten des notariellen Verfahrens zum anderen, ohne die Ausübung der Rechte der Einzelnen unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren.

30.      Die deutsche Regierung hat darauf hingewiesen, dass es im deutschen Recht den notariellen Vollstreckungstitel gebe, und in der Sitzung geltend gemacht, Art. 7 der Richtlinie 93/13 schreibe vor, dass wirksame Mittel vorhanden sein müssten, um missbräuchliche Klauseln in Verträgen zu neutralisieren, was nicht zwangsläufig eine Prüfung von Amts wegen bedeute. Da die nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren in die nationale Verfahrensautonomie fielen, sei es, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet würden, Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften in ihrem Kontext und unter Berücksichtigung sämtlicher bestehender Rechtsbehelfe die Ausübung der Rechte, die die Richtlinie 93/13 den Verbrauchern gewähre, unmöglich mache oder übermäßig erschwere.

31.      In diesem Rahmen seien die allgemeine Aufgabe des Notars, wie sie durch die nationalen Rechtsvorschriften sowie die dem Notar obliegenden Kontrollpflichten bestimmt werde, die konkreten Modalitäten, unter denen die notarielle Urkunde mit der Vollstreckungsklausel versehen werde, und die Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle der Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen.

32.      Die deutsche Regierung weist insoweit darauf hin, dass der Gerichtshof entschieden habe, dass, auch wenn die Richtlinie 93/13 in Rechtsstreitigkeiten, an denen ein Gewerbetreibender und ein Verbraucher beteiligt seien, ein positives, von den Vertragsparteien unabhängiges Eingreifen durch das mit solchen Rechtsstreitigkeiten befasste nationale Gericht vorschreibe, die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes aber nicht so weit gehe, eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers auszugleichen(12).

33.      Dagegen ist die Kommission, die auf beide Fragen eine Antwort vorschlägt, der Ansicht, dass die Richtlinie 93/13 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof den ungarischen Rechtsvorschriften entgegenstehe.

34.      Zur Beantwortung der ersten Frage bezieht sie sich hauptsächlich auf das Urteil Banco Español de Crédito(13) und trägt vor, die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 seien dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstünden, die vorsähen, dass der Notar einen Vollstreckungstitel auf der Grundlage eines notariell beurkundeten Darlehensvertrags ausstellen könne, ohne die Missbräuchlichkeit der einzelnen Vertragsklauseln geprüft zu haben.

35.      Der Notar müsse zunächst im Stadium der Anbringung der Vollstreckungsklausel auf dem notariell beurkundeten Vertrag, nötigenfalls von Amts wegen, die Missbräuchlichkeit der Klauseln des Vertrags prüfen können, wenn er über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfüge, was normalerweise der Fall sei, und die Parteien darüber informieren.

36.      Obwohl eine mit einer Vollstreckungsklausel versehene notarielle Urkunde nach § 31/E Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung die gleiche Wirkung wie der Beschluss eines örtlichen Gerichts habe, könne der Notar im Vollstreckungsverfahren nur die Einhaltung der in § 23/C Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung genannten Voraussetzungen prüfen. Der Verbraucher könne daher den Schutz der Rechtsvorschriften über Vertragsklauseln nur geltend machen, wenn er ein Verfahren zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung nach § 369 der Zivilprozessordnung einleite, wobei das angerufene Gericht sodann die Zwangsvollstreckung aussetzen könne.

37.      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auch ausgeführt, diese Pflicht des Verbrauchers, zur Anfechtung einer missbräuchlichen Klausel ein Gericht anzurufen, sei nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar. Außerdem müsse der Notar, wenn er von einem nationalen Gericht über die Erhebung einer Klage eines Verbrauchers unterrichtet werde, das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel aussetzen können.

38.      Der Notar müsse auch im Stadium der Beurkundung des Vertrags im Hinblick auf die ihm nach dem Gesetz über die Notare obliegenden Beratungspflichten die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln von Amts wegen prüfen und daher zur Verwirklichung des Ziels von Art. 7 der Richtlinie 93/13 beitragen können.

39.      Zur Beantwortung der zweiten Frage verweist die Kommission auf das Urteil Banif Plus Bank(14) und macht geltend, dass, wenn der Notar im Stadium der Zwangsvollstreckung die Missbräuchlichkeit der Klauseln des notariell beurkundeten Vertrags von Amts zu prüfen habe, der Verbraucher erst recht die Initiative zur Anfechtung des notariellen Vollstreckungstitels ergreifen und die Löschung der Vollstreckungsklausel mit der Begründung beantragen können müsse, dass der Notar die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln nicht geprüft habe.

B –    Würdigung

40.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die einem Notar, der unter Wahrung der Formerfordernisse eine einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffende Urkunde errichtet hat, erlauben, diese Urkunde mit der Vollstreckungsklausel zu versehen und so, außerhalb eines streitigen Verfahrens bei einem Gericht und ohne vorherige Kontrolle der Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln, die Zwangsvollstreckung des Vertrags gegen den Verbraucher, der seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat, einzuleiten.

41.      Mit seiner zweiten Frage möchte es ferner wissen, ob die Richtlinie 93/13 im Hinblick auf das Urteil Banif Plus Bank(15) dahin auszulegen ist, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die einem Verbraucher gegebenenfalls nicht erlauben, die Löschung der Vollstreckungsklausel, mit der eine einen Vertrag mit einem Gewerbetreibenden betreffende notarielle Urkunde versehen ist, unter Berufung darauf zu beantragen, dass die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln nicht vorher geprüft worden sei.

42.      Um den Sinn der beiden Fragen besser einzuordnen, ist zunächst insbesondere das zweifache Tätigwerden des Notars im Rahmen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verfahrens zur Erteilung der Vollstreckungsklausel, einmal im Stadium der Erteilung einer Vollstreckungsklausel im eigentlichen Sinne auf Antrag des Gläubigers und einmal im Stadium ihrer etwaigen Löschung auf Antrag des Schuldners, in beiden Fällen mit einer strikt formalen Kontrolle, zu beschreiben.

1.      Das zweifache Tätigwerden des Notars im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der Vollstreckungsklausel

43.      Das ungarische Recht schafft konkret einen vereinfachten oder erleichterten Mechanismus der Zwangsvollstreckung vertraglicher Verpflichtungen, der auf einem zweifachen Tätigwerden der Notare beruht, wobei die Vertragsparteien zuvor ihre jeweiligen Rechte ausüben müssen. Es gestattet daher einer Bank, die wie im Ausgangsverfahren einen Hypothekendarlehensvertrag mit einer Privatperson geschlossen hat und sich an einen Notar wendet, damit dieser ein Schuldanerkenntnis des Schuldners beurkundet, bei diesem Notar(16) im Fall der Nichterfüllung des Vertrags durch den Schuldner die Anbringung der Vollstreckungsklausel auf der notariellen Urkunde zu beantragen. Mit anderen Worten gestattet es der Bank, beim Notar, auf der Grundlage von Unterlagen, die sie ihm liefert, unter Beachtung einer Reihe von Formerfordernissen die Einleitung der Zwangsvollstreckung des Vertrags zu beantragen, ohne dass dazu ein Gericht angerufen werden müsste. Erst in einem zweiten Schritt kann der Schuldner sich an den Notar wenden, um die Löschung der erteilten Vollstreckungsklausel zu erwirken.

44.      Die Verpflichtungen des Notars im Stadium der Anbringung der Vollstreckungsklausel auf der von ihm errichteten notariellen Urkunde sind in § 23/C des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung, der den Inhalt von § 112 des Gesetzes über die Notare übernimmt, aufgeführt. Nach diesen Bestimmungen kann ein Notar diese Vollstreckungsklausel erteilen, wenn die vier von ihnen aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind: In dieser Urkunde müssen die Übernahme der Verpflichtung zu einer Leistung und einer Gegenleistung, der Name des Gläubigers und der des Schuldners, der Gegenstand der Verpflichtung sowie ihr Betrag und ihr Rechtstitel und schließlich die Modalitäten ihrer Erfüllung und die Frist hierfür enthalten sein.

45.      Wie die ungarische Regierung bestätigt hat, ist diese vom Notar auf der alleinigen Grundlage der Dokumente, die von der die Erteilung der Vollstreckungsklausel beantragenden Partei vorgelegt werden, vorgenommene Kontrolle rein formal. Es obliegt ihm insbesondere nicht, die Missbräuchlichkeit der Klauseln des nach der notariellen Urkunde zu vollstreckenden Vertrags von Amts wegen zu prüfen, selbst wenn er über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügte.

46.      Nach den ungarischen Rechtsvorschriften kann der Notar in der Folge die auf einer notariellen Urkunde angebrachte Vollstreckungsklausel auf Antrag des Schuldners löschen(17), wobei diese Löschung rechtmäßig ist, wenn die Erteilung entgegen den gesetzlichen Vorschriften erfolgt ist. Der die Vollstreckung anordnende Notar kann auch jederzeit die Rücknahme des Vollstreckungsblattes bzw. die Löschung der Vollstreckungsklausel auf Antrag einer Partei, aufgrund des Berichts des Gerichtsvollziehers oder aus eigener Initiative anordnen.

47.      Die ungarische Regierung hat insoweit darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren nur die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Erteilung der Vollstreckungsklausel, d. h. der Einhaltung der in Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Formerfordernisse ermöglichen solle. Daher sei es weder möglich, dass der Notar die einzelnen Vertragsklauseln zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckungsklausel prüfe, noch sei es ihm möglich, eine solche Kontrolle im Rahmen des Verfahrens zur Löschung dieser Vollstreckungsklausel auszuüben.

48.      Im Licht der vorstehenden Darstellung ist klar, dass die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts ein und dasselbe Problem aufwerfen, das im Wesentlichen die Zuweisung von Befugnissen an den Notar zur Erklärung der Vollstreckbarkeit einer vertraglichen Verpflichtung, im vorliegenden Fall einer Hypothekenschuld, betrifft, und sie daher gemeinsam zu prüfen sind.

49.      Um eine zweckdienliche Antwort auf diese beiden Fragen geben zu können, ist zunächst über das ausdrücklich vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage angeführte Urteil Banif Plus Bank(18) hinaus auf die wesentlichen Punkte der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 93/13 sowie insbesondere zu ihrem Art. 6 Abs. 1 und ihrem Art. 7 Abs. 1 hinzuweisen.

2.      Die Bestimmung der wesentlichen Erfordernisse nach der Richtlinie 93/13 durch den Gerichtshof

50.      Nach Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) stellt die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher, und dieses Gebot gilt für die Umsetzung der Richtlinie 93/13(19). Der Gerichtshof hat auch bereits festgestellt, dass das nationale Gericht bei der Anwendung des Unionsrechts die Erfordernisse eines effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Unionsrecht verliehenen Rechte einhalten muss, der durch Art. 47 der Charta garantiert wird(20), wobei dieser Schutz sowohl für die Bestimmung der Gerichte gelten muss, die für die Entscheidung über Klagen, die sich auf das Unionsrecht stützen, zuständig sind, als auch für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten(21).

51.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs geht das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem davon aus, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können(22).

52.      Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht daher vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind.

53.      Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass diese Bestimmung zwingend ist und darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen(23).

54.      Er hat daraus insbesondere mehrfach geschlossen, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen und damit der Unausgewogenheit zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt(24), da die nicht zu unterschätzende Gefahr besteht, dass der Verbraucher die Missbräuchlichkeit der ihm entgegengehaltenen Klausel vor allem aus Unkenntnis nicht geltend macht(25).

55.      Der Gerichtshof hat insbesondere entschieden, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, von Amts wegen Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen, um festzustellen, ob eine Klausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, und, wenn ja, von Amts wegen zu beurteilen, ob eine solche Klausel möglicherweise missbräuchlich ist(26). Er hat ferner ausgeführt, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel feststellt, außerdem zum einen – ohne einen entsprechenden Antrag des Verbrauchers abwarten zu müssen –, sofern es den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens beachtet, alle Konsequenzen ziehen muss, die sich nach nationalem Recht aus dieser Feststellung ergeben(27), um sicher sein zu können, dass diese Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist, und zum anderen – grundsätzlich anhand objektiver Kriterien – prüfen muss, ob der betreffende Vertrag ohne diese Klausel bestehen kann(28).

56.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in der vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage ausdrücklich angeführten Rechtssache Banif Plus Bank(29) insbesondere gefragt wurde, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie es verbieten oder aber erlauben, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen festgestellt hat, den Parteien mitteilt, dass es das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes festgestellt habe, und sie auffordert, sich hierzu zu äußern.

57.      Der Gerichtshof hat im fraglichen Fall entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen festgestellt hat, um die Konsequenzen aus dieser Feststellung ziehen zu können, nicht abwarten muss, dass der über seine Rechte informierte Verbraucher erklärt, dass er die Nichtigerklärung der genannten Klausel beantragt. Er hat jedoch hinzugefügt, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens im Allgemeinen das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen festgestellt hat, verpflichtet, die Parteien darüber zu informieren und ihnen Gelegenheit zu geben, dies in der von den nationalen Verfahrensvorschriften dafür vorgesehenen Form kontradiktorisch zu erörtern(30).

58.      Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens keine Einwendungen in Bezug auf die Missbräuchlichkeit einer dem vollstreckbaren Titel zugrunde liegenden Vertragsklausel zulässt, dem für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel zuständigen Gericht des Erkenntnisverfahrens aber auch nicht erlaubt, vorläufige Maßnahmen – wie insbesondere die Aussetzung des genannten Vollstreckungsverfahrens – zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit seiner Endentscheidung zu gewährleisten(31).

59.      Diese Richtlinie steht auch einer nationalen Regelung entgegen, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, vorläufige Maßnahmen, insbesondere zur Aussetzung der Vollstreckung, zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist, zu gewährleisten(32).

60.      Außerdem ist es nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs mangels einer unionsrechtlichen Harmonisierung der nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, entsprechende Regeln festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(33). Nationale Vollstreckungsverfahren unterliegen danach den Anforderungen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben, so dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen muss(34).

61.      Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, diese Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist(35), wobei jedoch die spezifischen Merkmale der nach nationalem Recht zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geführten gerichtlichen Verfahren kein Faktor sind, der den Rechtsschutz, der den Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zu gewähren ist, beeinträchtigen könnte(36).

62.      Im Licht dieser Grundsätze wird das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel in dem Regelungskontext, in den es sich einfügt, zu prüfen sein.

3.      Antworten auf die Vorlagefragen

63.      Nach dieser Darstellung des rechtlichen Rahmens der vorliegenden Rechtssache besteht das Kernproblem der beiden Fragen des vorlegenden Gerichts darin, dass nach den ungarischen Rechtsvorschriften die Vollstreckbarerklärung einer in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltenen Verpflichtung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Hypothekenschuld bei einem Notar beantragt werden kann, ohne dass vorab, unabhängig von Rechtsbehelfen, mit denen darüber hinaus der Vertrag oder seine Zwangsvollstreckung angefochten werden können, von Amts wegen und unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens geprüft worden wäre, ob Vertragsklauseln möglicherweise missbräuchlich sind. Die gleiche Regelung gilt für einen möglichen darauf folgenden Antrag auf Löschung der Vollstreckungsklausel.

64.      Das Hauptargument sowohl des Schuldners als auch der Kommission ist, dass diese Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung eines Vertrags einzuleiten, gegen die oben angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 93/13, wie das Urteil Banif Plus Bank(37), verstoßen kann. Da nämlich, wie geltend gemacht wurde, die Anbringung der Vollstreckungsklausel auf einem notariell beurkundeten Vertrag durch einen Notar entsprechende Wirkungen wie eine Gerichtsentscheidung habe, folge daraus zwangsläufig, dass diese Rechtsprechung vollständig auf das Tätigwerden des Notars anzuwenden sei. Der Notar sei daher insbesondere verpflichtet, von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln zu prüfen und die Parteien aufzufordern, dies kontradiktorisch zu erörtern.

65.      Diese Auslegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt jedoch einen entscheidenden Faktor außer Acht, nämlich dass Letztere speziell die Rolle des nationalen Gerichts, das seine Aufgaben auszuüben hat, und damit die Ausübung der Rechtsprechungstätigkeit im engen Sinn betrifft. Diese Rechtsprechung geht von der Prämisse aus, dass ein Gericht angerufen wird, das, bevor es eine vertragliche Verpflichtung für vollstreckbar erklärt, von Amts wegen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, prüfen kann, ob möglicherweise missbräuchliche Klauseln vorliegen, das die Parteien auffordern kann, dies kontradiktorisch zu erörtern, und das die gegebenenfalls gebotenen Konsequenzen ziehen kann, indem es die missbräuchlichen Klauseln für nichtig erklärt oder die Zwangsvollstreckung nach den „hierfür in [seinen] innerstaatlichen Rechtsvorschriften [festgelegten Bedingungen]“ untersagt(38).

66.      Übertragen nationale Rechtsvorschriften dem Notar die Befugnis, auf einem notariell beurkundeten Vertrag die Vollstreckungsklausel anzubringen, und sie anschließend bei Fälligkeit zu löschen, stößt unter diesen Umständen die Ausdehnung der Möglichkeit zur Ausübung von Befugnissen, die unmittelbar zur Rechtsprechungstätigkeit gehören, auf den Notar auf praktisch unüberwindliche Schwierigkeiten, die den Grundsatz des Rechtsprechungsmonopols betreffen.

67.      Die Richtlinie 93/13 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof kann nämlich nicht zur Folge haben, den Mitgliedstaaten eine solche Änderung des Amts des Notars vorzuschreiben, dass der Notar einen kontradiktorischen Zwischenstreit zwischen den Parteien eines Vertrags einzuleiten hätte, nach dessen Abschluss er über die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel und ihre mögliche Nichtigkeit entscheiden müsste.

68.      Unter diesem Blickwinkel können meines Erachtens – vorbehaltlich einer Reihe von Klarstellungen – die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts in der in den Nrn. 40 und 41 der vorliegenden Schlussanträge umformulierten Fassung nur verneint werden.

69.      Zunächst ist die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die einem Notar, wie es unbestreitbar sein Recht ist, die Erteilung der Vollstreckungsklausel auf einem notariell beurkundeten Vertrag erlauben, ohne dass eine vorherige Kontrolle der etwaigen Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln von Amts wegen erfolgte.

70.      Zwar erlaubt das im Ausgangsverfahren in Rede stehende vereinfachte Vollstreckungsverfahren, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, einem Gewerbetreibenden gegebenenfalls, von einem Notar zunächst eine Vollstreckbarerklärung einer vertraglichen Verpflichtung zu erlangen, ohne dass zwangsläufig vorab ein kontradiktorisches Gerichtsverfahren stattfindet. Der Verbraucher, der das verhindern möchte, muss also entweder eine Klage, mit der die Ungültigkeit des Vertrags geltend gemacht wird, oder eine Klage auf Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung nach § 369 der Zivilprozessordnung erheben.

71.      Jedoch erlaubt allein der Umstand, dass die nationalen Rechtsvorschriften keine Verpflichtung des Notars vorsehen, von Amts wegen im Stadium der Anbringung der Vollstreckungsklausel auf der einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffenden notariellen Urkunde die Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags zu prüfen und, stets unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, für sich genommen nicht den Schluss, dass das ungarische Recht nicht mit der Richtlinie 93/13 vereinbar ist, wenn diesem Verbraucher im Übrigen ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet wird.

72.      Zum einen stellt die Richtlinie 93/13 nämlich keine hinreichende Grundlage dar, um der grundsätzlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten entgegenzustehen, den Notaren die Befugnis zu übertragen, eine einen Vertrag betreffende notarielle Urkunde mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Es ist zum anderen nicht möglich, die von der Richtlinie 93/13 dem Richter übertragene Aufgabe in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auf den Notar auszuweiten.

73.      Außerdem beruht, wie ich bereits ausgeführt habe, die gesamte einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur besonderen Verantwortung der nationalen Gerichte bei der Umsetzung der Richtlinie 93/13 und insbesondere das Erfordernis, ihnen zu ermöglichen, von Amts wegen zu beurteilen, ob die Klauseln eines Vertrags missbräuchlich sind, auf der Annahme, dass diese Gerichte zuvor von einer der Parteien dieses Vertrags angerufen wurden.

74.      Wie nun die deutsche Regierung im Wesentlichen geltend macht, können weder die Richtlinie 93/13 noch die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zwingend eine rechtliche Verpflichtung der Notare vorsehen müssten, die nationalen Gerichte unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens bei der Kontrolle der Missbräuchlichkeit von Klauseln zu ersetzen, die in von diesen notariell beurkundeten Verträgen enthalten sind, oder – mehr noch ‐ ihr Zivilverfahrensrecht so zu ändern, dass die Notare über die Befugnis verfügen, die völlige Untätigkeit der Verbraucher auszugleichen, die von ihrem Klagerecht keinen Gebrauch gemacht haben.

75.      Als notwendige Folge aus den vorangegangenen Erwägungen ist sodann, was die zweite Frage angeht, die Richtlinie 93/13 in gleicher Weise dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einem Verbraucher gegebenenfalls nicht erlauben, die Löschung der Vollstreckungsklausel, mit der eine einen Vertrag mit einem Gewerbetreibenden betreffende notarielle Urkunde versehen ist, unter Berufung darauf zu beantragen, dass die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln nicht vorher geprüft worden sei.

76.      Es ist nämlich genauso schwierig, den Notar allein auf der Grundlage der Richtlinie 93/13 nach Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens im Stadium der Anbringung der Vollstreckungsklausel auf einer einen Vertrag betreffenden notariellen Urkunde zur Entscheidung zu verpflichten, ob missbräuchliche Klauseln verwendet wurden, wie ihn dazu im Rahmen eines Verfahrens zur Löschung dieser Vollstreckungsklausel zu verpflichten. Es genügt daher, insoweit auf die Erwägungen in den Nrn. 69 bis 74 der vorliegenden Schlussanträge zu verweisen.

77.      Eine angemessene Antwort auf die Fragen des vorlegenden Gerichts, die diesem zweckdienlich ist und mit dem Geist der Richtlinie 93/13 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Einklang steht, kann sich jedoch nicht mit dieser Erklärung der grundsätzlichen Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften allein begnügen. Es ist vielmehr erforderlich, einige, großteils der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnommene, Vorbehalte zu formulieren. Es sind nämlich die Verpflichtungen sowohl der Notare als auch der nationalen Gerichte im Hinblick auf das von der Richtlinie 93/13 verfolgte spezifische Ziel des Verbraucherschutzes und im weiteren Sinne im Hinblick auf die Erfordernisse nach dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Art. 47 der Charta hervorzuheben und näher ausführen.

78.      Was die Notare betrifft, geht zunächst aus den Angaben des vorlegenden Gerichts und den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen und mündlichen Erklärungen hervor, dass das Gesetz über die Notare, das deren bedeutende Rolle bei der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und der Verringerung der Arbeitsbelastung der Gerichte verankert, deren Verpflichtungen ganz allgemein in seinem § 1 definiert. Insbesondere obliegt es ihnen, die Parteien im Rahmen der in ihre Zuständigkeit verwiesenen Verfahren zu beraten, um ihnen (unter Gewährleistung der Chancengleichheit) Beistand bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten zu leisten.

79.      § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Notare bestimmt außerdem, dass „der Notar verpflichtet ist, seine Mitwirkung zu verweigern, wenn sie mit seinen Verpflichtungen unvereinbar ist, insbesondere wenn seine Mitwirkung für die Zwecke eines Rechtsgeschäfts verlangt wird, das rechtswidrig ist oder das Recht umgeht oder dessen Ziel verboten oder missbräuchlich ist“. In § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Notare heißt es, dass „[w]enn der Notar im Lauf des Verfahrens einen Umstand feststellt, der Anlass zu Zweifeln gibt, ohne dass er seine Mitwirkung verweigern müsste, … er verpflichtet [ist], die Parteien auf diesen Umstand hinzuweisen und dies schriftlich zu vermerken. Wenn die Partei einen Einwand gegen diesen Umstand erhebt, verweigert der Notar seine Mitwirkung“.

80.      Im Stadium der Errichtung der einen Vertrag betreffenden notariellen Urkunden haben die Notare daher im Hinblick auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, nach dem diese angemessene und wirksame Mittel vorzusehen haben, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird, eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Information und Beratung des Verbrauchers.

81.      Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens hat der Notar nicht nur zum Zeitpunkt der Errichtung einer einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffenden notariellen Urkunde sorgfältig darauf zu achten, dem Verbraucher das etwaige Vorliegen von ihm festgestellter missbräuchlicher Vertragsklauseln mitzuteilen, sondern diesen auch über seine gesetzliche Befugnis zur Anbringung der Vollstreckungsklausel auf dieser notariellen Urkunde bei Fälligkeit und zur etwaigen Entscheidung über deren Löschung auf der alleinigen Grundlage einer formalen Kontrolle sowie über die Konsequenzen, die sich aus dieser Anbringung insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergeben, zu informieren.

82.      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus alledem, dass der Notar nach ungarischem Recht befugt ist, im Stadium der Errichtung einer einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffenden notariellen Urkunde eine Rolle bei der Vermeidung der Missbräuchlichkeit von Klauseln dieses Vertrags zu spielen, und dass er zumindest, insbesondere bei Zweifeln hinsichtlich der Missbräuchlichkeit einer Klausel, die Parteien, insbesondere den Verbraucher, darüber informieren kann, der daraufhin gegebenenfalls von seinem Klagerecht Gebrauch machen und das zuständige nationale Gericht anrufen kann.

83.      Die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über die Notare können daher grundsätzlich zur Einhaltung der von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 aufgestellten Anforderungen beitragen, wonach die Mitgliedstaaten angemessene und wirksame Mittel vorzusehen haben, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, die Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen und daraus gegebenenfalls die Konsequenzen zu ziehen.

84.      In Bezug auf die Gerichte ist sodann darauf hinzuweisen, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, den Verbrauchern einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, indem sie Letzteren ermöglichen, ein Rechtsmittel gegen den Vertrag selbst und/oder seine Zwangsvollstreckung einzulegen, für das keine die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13(39) gewährleisteten Rechte übermäßig erschwerenden oder praktisch unmöglich machenden Voraussetzungen, insbesondere Fristen, gelten und in dessen Rahmen das Gericht ‐ erforderlichenfalls von Amts wegen, wenn es über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügt ‐ die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln prüfen und unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens gemäß den hierfür nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Bedingungen entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Konsequenzen ziehen können muss.

85.      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts und der ungarischen Regierung, dass nach ungarischem Recht der Verbraucher zum einen eine Klage zur Anfechtung des Vertrags erheben und zum anderen ein Verfahren zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 369 der Zivilprozessordnung einleiten kann. Im Rahmen des letzteren Verfahrens kann der Verbraucher außerdem, wie die Kommission darlegt, die Aussetzung der Zwangsvollstreckung des Vertrags, die durch die Erteilung der Vollstreckungsklausel durch den Notar eingeleitet wurde, beantragen.

86.      Der Verbraucher könnte daher zunächst jederzeit, vor oder nach der Erteilung der Vollstreckungsklausel, bei den nationalen Gerichten eine Klage zur Anfechtung des Vertrags erheben, auf dessen Grundlage die mit der Vollstreckungsklausel versehene notarielle Urkunde errichtet wurde.

87.      Sodann könnte er, sobald die Vollstreckungsklausel erteilt wurde, unbeschadet der bereits angeführten Möglichkeit, ihre Löschung zu beantragen, ein Verfahren zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 369 der Zivilprozessordnung einleiten, in dessen Rahmen es ihm möglich wäre, die Ungültigkeit des Vertrags geltend zu machen und die Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach § 370 der Zivilprozessordnung zu beantragen.

88.      Im Rahmen dieser Verfahren ist die gesamte oben in den Nrn. 51 bis 62 der vorliegenden Schlussanträge angeführte einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs in vollem Umfang anzuwenden. Die Beachtung der sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Erfordernisse gilt ganz besonders im Rahmen eines Verfahrens wie dem in den §§ 369 und 370 der Zivilprozessordnung vorgesehenen, da die erste dieser Bestimmungen abschließend die Gründe aufzählt, aus denen die Einstellung oder Beschränkung der durch die Anbringung der Vollstreckungsklausel auf einer einen Vertrag betreffenden notariellen Urkunde durch einen Notar eingeleiteten Zwangsvollstreckung beantragt werden kann, zu denen die etwaige Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln nicht zählt.

89.      Nach alledem schlage ich somit dem Gerichtshof vor, auf die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden grundsätzlich nicht entgegenstehen, die einem Notar, der unter Wahrung der Formerfordernisse eine einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffende notarielle Urkunde errichtet hat, erlauben, die Zwangsvollstreckung des Vertrags gegen den Verbraucher, der seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat, einzuleiten, indem er entweder diese Urkunde mit der Vollstreckungsklausel versieht oder die Vornahme ihrer Löschung verweigert, ohne dass in dem einen oder anderen Stadium eine Kontrolle in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln erfolgt ist.

90.      Es obliegt jedoch dem Notar, zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine solche notarielle Urkunde errichtet, diesen Verbraucher über das etwaige Vorliegen von ihm festgestellter missbräuchlicher Vertragsklauseln sowie über die ihm vom Gesetz erteilte Befugnis, die Zwangsvollstreckung des Vertrags auf der alleinigen Grundlage einer formalen Kontrolle einzuleiten, und über die Konsequenzen, die sich daraus insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergeben, zu informieren.

91.      Hingegen steht diese Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die ein nationales Gericht daran hindern würden, unabhängig von der Art des Verfahrens, in dessen Rahmen es angerufen würde, von Amts wegen unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln zu prüfen, wenn es über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügt, und daraus die Konsequenzen zu ziehen.

V –    Ergebnis

92.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die beiden Vorlagefragen des Fővárosi Törvényszék wie folgt zu beantworten:

Die Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden grundsätzlich nicht entgegenstehen, die einem Notar, der unter Wahrung der Formerfordernisse eine einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betreffende notarielle Urkunde errichtet hat, erlauben, die Zwangsvollstreckung des Vertrags gegen den Verbraucher, der seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat, einzuleiten, indem er entweder diese Urkunde mit der Vollstreckungsklausel versieht oder die Vornahme ihrer Löschung verweigert, ohne dass in dem einen oder anderen Stadium eine Kontrolle in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln erfolgt wäre.

Es obliegt jedoch dem Notar, zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine solche notarielle Urkunde errichtet, diesen Verbraucher über das etwaige Vorliegen von ihm festgestellter missbräuchlicher Vertragsklauseln sowie über die ihm vom Gesetz erteilte Befugnis, die Zwangsvollstreckung des Vertrags auf der alleinigen Grundlage einer formalen Kontrolle einzuleiten, und über die Konsequenzen, die sich daraus insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergeben, zu informieren.

Hingegen steht diese Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die ein nationales Gericht daran hindern würden, unabhängig von der Art des Verfahrens, in dessen Rahmen es angerufen würde, von Amts wegen unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln zu prüfen, wenn es über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügt, und daraus die Konsequenzen zu ziehen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 95, S. 2.


3 – Vgl. u. a. Urteile Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350), VB Pénzügyi Lízing (C‑137/08, EU:C:2010:659), Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242), Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88), Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340), Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282) sowie Baczó und Vizsnyiczai (C‑567/13, EU:C:2015:88) und Beschluss Sebestyén (C‑342/13, EU:C:2014:1857).


4 – Vgl. u. a. Urteile Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346), Mostaza Claro (C‑168/05, EU:C:2006:675), Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615), Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349), Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164), Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279), Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099), Unicaja Banco und Caixabank (C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21) sowie Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759).


5 – Im Folgenden: Bürgerliches Gesetzbuch.


6 – Im Folgenden: Zivilprozessordnung.


7 – Im Folgenden: Gesetz über die Zwangsvollstreckung.


8 – Im Folgenden: Gesetz über die Notare.


9 – Im Folgenden: Erste Bank.


10 – Im Folgenden: Schuldner.


11 – Die ungarische Regierung bezieht sich insoweit auf die Gutachten Nr. 2/2010 vom 28. Juli 2010 und Nr. 2/2012 vom Dezember 2012.


12 – Urteil Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 56).


13 – C‑618/10, EU:C:2012:349.


14 –      C‑472/11, EU:C:2013:88.


15 –      C‑472/11, EU:C:2013:88.


16 – In der mündlichen Verhandlung wurde ausgeführt, dass das ungarische Recht erlaubt, dass zwei verschiedene Notare tätig werden, wenn die Umstände es erfordern, der erste zur Errichtung der notariellen Urkunde und der zweite zur Erteilung der Vollstreckungsklausel.


17 – §§ 211 und 224/A des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung.


18 – C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 17.


19 – Vgl. u. a. Urteile Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 52) sowie Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 47).


20 – Vgl. Urteile Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 29), Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 35) sowie Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 47).


21 – Vgl. Urteile Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 49) sowie Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 35).


22 – Vgl. u. a. Urteile Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 25), Mostaza Claro (C‑168/05, EU:C:2006:675, Rn. 25), Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 44), Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 32), Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 22) sowie Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 48).


23 – Vgl. u. a. Urteile Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 40) sowie Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 23).


24 – Vgl. u. a. Urteile Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 46), Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 34) und Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 24) sowie Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759, Rn. 41).


25 – Vgl. Urteil Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 26).


26 – Vgl. Urteil VB Pénzügyi Lízing (C‑137/08, EU:C:2010:659, Rn. 49 bis 56) zu einer Klausel über einen ausschließlichen Gerichtsstand in einem Vertrag, der Gegenstand des Rechtsstreits war; vgl. auch Urteile Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 44) sowie Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 24).


27 – Vgl. Urteil Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 17 bis 36).


28 – Vgl. Urteil Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 48).


29 – C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 17.


30 – Vgl. Rn. 17 bis 36.


31 – Vgl. Urteile Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 49 bis 64) und Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 36).


32 – Vgl. Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759, Rn. 60) und Urteil Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 28).


33 – Vgl. Urteile Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 50), Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 46), Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 37), Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31) und Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 50) sowie Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759, Rn. 45).


34 – Vgl. Urteile Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 51) sowie Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 24).


35 – Vgl. Urteile Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León (C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 34) sowie Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 52).


36 – Vgl. Urteile Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 55), Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 62) sowie Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 53).


37 – C‑472/11, EU:C:2013:88.


38 – Vgl. u. a. Urteile Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 58) sowie Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 25 und 27).


39 – Zur Frage der Ausschlussfristen vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache BBVA (C‑8/14, EU:C:2015:321).