Language of document : ECLI:EU:T:2023:105

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

8. März 2023(*)

„EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Von Bulgarien getätigte Ausgaben – Absatzförderungsmaßnahmen – Untersuchungsbericht des OLAF – Konformitätsabschluss – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑235/21,

Republik Bulgarien, vertreten durch T. Mitova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Koleva, J. Aquilina und A. Sauka als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen N. Półtorak (Berichterstatterin) und M. Stancu,

Kanzler: G. Mitrev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Republik Bulgarien die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2021/261 der Kommission vom 17. Februar 2021 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2021, L 59, S. 10, im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit er bestimmte von ihr getätigte Ausgaben betrifft.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Verwaltungsverfahren

2        Mit dem Schreiben Ares(2016) 6881454 vom 4. Januar 2017 forderte die Generaldirektion (GD) Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission die Republik Bulgarien auf, ihr ihre Anmerkungen zu Informationen zu übermitteln, die das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Rahmen der Untersuchung INT/2016/101/BG mitgeteilt hatte (im Folgenden: Mitteilung der Feststellungen). Aus der Untersuchung ergab sich im Wesentlichen, dass betrügerische Aktivitäten zu unangemessenen Zahlungen aus Fonds der Europäischen Union geführt hatten. So teilte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien mit, dass die Förderfähigkeit sämtlicher Ausgaben im Zusammenhang mit den von [vertraulich](1) durchgeführten Programmen für eine Finanzierung durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) in Frage gestellt werde. Folglich wies die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung darauf hin, dass sie gemäß Art. 52 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549) die Möglichkeit prüfe, diese Ausgaben von der Finanzierung durch die Union auszuschließen. Sie empfahl den bulgarischen Behörden ferner, Zahlungen im Rahmen von Programmen und Transaktionen, an denen [vertraulich] beteiligt sei, auszusetzen, wenn sie hinreichende Gründe dafür hätten.

3        Mit dem Schreiben Ares(2017) 4323588 vom 2. Mai 2017 forderte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung die bulgarischen Behörden auf, gemäß Art. 34 Abs. 2 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 908/2014 der Kommission vom 6. August 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Zahlstellen und anderen Einrichtungen, der Mittelverwaltung, des Rechnungsabschlusses und der Bestimmungen für Kontrollen, Sicherheiten und Transparenz (ABl. 2014, L 255, S. 59) an einer bilateralen Besprechung teilzunehmen, und teilte der Republik Bulgarien mit, dass sie an ihrem Standpunkt festhalte, wonach die Feststellungen des OLAF darauf hindeuteten, dass es in Bezug auf die oben in Rn. 2 genannten Ausgaben schwerwiegende Unregelmäßigkeiten gebe. Sie wies darauf hin, dass sie ebenfalls in einem Schreiben nach Versand des Abschlussberichts des OLAF zusätzliche Angaben über die verschiedenen Stufen, die im Rahmen des eingeleiteten Abschlussverfahrens durchgeführt würden, zur Verfügung stellen werde. Abschließend führte sie aus, dass sie bis zum Vorliegen des Berichts an ihrem Standpunkt festhalte, dass sämtliche Ausgaben im Zusammenhang mit den von [vertraulich] durchgeführten Programmen risikobehaftet seien. Diese erste bilaterale Besprechung fand am 12. Juli 2017 statt.

4        Mit dem Schreiben Ares(2017) 4417644 vom 11. September 2017 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien das Protokoll der bilateralen Besprechung vom 12. Juli 2017 und stellte ihr zusätzliche Fragen. Sie wies sie auch darauf hin, dass der Abschlussbericht des OLAF abzuwarten sei, um die folgenden Stufen des Abschlussverfahrens einzuleiten, insbesondere was die quantitative Bewertung des mit den festgestellten Mängeln verbundenen Risikos für den in Rede stehenden Fonds betreffe. In Anwendung von Art. 34 Abs. 9 der Verordnung Nr. 908/2014 beschloss die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, die in Art. 34 Abs. 3 der Verordnung vorgesehene Frist von sechs Monaten für die Mitteilung ihrer Schlussfolgerungen an die Republik Bulgarien um drei Monate zu verlängern.

5        Mit dem Schreiben Ares(2018) 329836 vom 19. Januar 2018 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien den Abschlussbericht des OLAF mit dem Aktenzeichen OF/2012/0565/B (im Folgenden: erster Bericht des OLAF). Sie teilte den bulgarischen Behörden mit, dass sie eine zweite bilaterale Besprechung mit ihnen organisieren werde, um den Bericht zu besprechen.

6        Mit dem Schreiben Ares(2018) 2319201 vom 7. Mai 2018 forderte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung die Republik Bulgarien zu einer zweiten bilateralen Besprechung auf, um den ersten Bericht des OLAF zu besprechen (im Folgenden: zweite Aufforderung zu einer bilateralen Besprechung). Sie wies ferner darauf hin, dass sie nach der Prüfung des Berichts an ihrem Standpunkt festhalte, dass sämtliche Ausgaben im Zusammenhang mit den Absatzförderungsprogrammen, an denen [vertraulich] beteiligt sei, einem Risiko ausgesetzt seien. Daher empfahl sie den bulgarischen Behörden, die Zahlungen für sämtliche Programme, an denen [vertraulich] beteiligt sei, nicht zu verlängern und die unrechtmäßigen Zahlungen gemäß Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 bei den Begünstigten wieder einzuziehen. Diese zweite bilaterale Besprechung fand am 23. Mai 2018 statt.

7        Mit dem Schreiben Ares(2018) 3168772 vom 29. Juni 2018 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien das Protokoll der zweiten bilateralen Besprechung. Sie wies auch darauf hin, dass bei der Besprechung zusätzliche Angaben angefordert worden seien.

8        Mit dem Schreiben Ares(2018) 451290 vom 3. September 2018 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung den bulgarischen Behörden den Bericht des OLAF mit dem Aktenzeichen OF/2016/0390/B5 (im Folgenden: zweiter Bericht des OLAF). Der Bericht betraf Unregelmäßigkeiten seitens [vertraulich] im Rahmen von aus dem EGFL finanzierten Absatzförderungsprogrammen.

9        Mit dem Schreiben Ares(2019) 1300497 vom 1. März 2019 ersuchte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung die bulgarischen Behörden gemäß Art. 34 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 908/2014 um zusätzliche Angaben zur Wiedereinziehung der Beträge im Zusammenhang mit Ausgaben des EGFL im Rahmen der neun Absatzförderungsprogramme, die als Risiken für den in Rede stehenden Fonds ermittelt wurden, sowie um die Verzeichnung der betreffenden Beträge im Debitorenbuch gemäß Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013. Sie wies auch darauf hin, dass der Bescheid über die Wiedereinziehung der Beträge im Zusammenhang mit den von [vertraulich] durchgeführten Programmen nach Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 spätestens 18 Monate nach dem 19. Januar 2018 auszustellen sei, während der Bescheid über die Wiedereinziehung der Beträge im Zusammenhang mit dem von [vertraulich] durchgeführten Programm spätestens 18 Monate nach dem 3. September 2018 auszustellen sei, also den Übermittlungszeitpunkten des ersten und des zweiten Berichts des OLAF (im Folgenden zusammen: Abschlussberichte des OLAF) an die bulgarische Zahlstelle.

10      Mit dem Schreiben Ares(2019) 7043430 vom 19. November 2019 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien eine Mitteilung nach Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 908/2014 (im Folgenden: förmliche Mitteilung), in der u. a. die von den bulgarischen Behörden mit den Schreiben Nr. 99-129 vom 20. Juli 2018, Nr. 99-162 vom 21. September 2018 und Nr. 53-1-116 vom 24. April 2019 vorgelegten Informationen analysiert wurden. Daraus ging im Wesentlichen hervor, dass sie infolge der bilateralen Besprechung vom 29. Mai 2018 und auf der Grundlage der ihr anschließend von der Republik Bulgarien übermittelten zusätzlichen Angaben sowie der Abschlussberichte des OLAF der Auffassung war, dass die Finanzierung von neun von [vertraulich] und [vertraulich] durchgeführten Absatzförderungsprogrammen nicht den geltenden Vorschriften entspreche. Da außerdem von der Republik Bulgarien kein Verfahren zur Wiedereinziehung und zur Erfassung im Debitorenbuch der Zahlstelle eingeleitet worden sei, entspreche das Verwaltungs- und Kontrollsystem der Republik Bulgarien nicht den Anforderungen des Unionsrechts, so dass ein Risiko für den in Rede stehenden Fonds bestehe. Die Kommission schlug daher vor, einen Betrag in Höhe von 7 656 848,97 Euro von der Finanzierung durch den EGFL auszuschließen.

11      Mit dem Schreiben Nr. 99-170 vom 18. Dezember 2019 rief die Republik Bulgarien gemäß Art. 40 Abs. 1 der Verordnung Nr. 908/2014 die Schlichtungsstelle an. Die Schlichtungsstelle gab am 25. Februar 2020 eine Stellungnahme ab.

12      Mit dem Schreiben Ares(2020) 4231484 vom 12. August 2020 übermittelte die GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Republik Bulgarien ihre endgültige Stellungnahme (im Folgenden: endgültige Stellungnahme), in der sie diese darüber informierte, dass sie an ihrem im Schreiben Ares(2019) 7043430 vom 19. November 2019 dargelegten Standpunkt festhalte, und schlug daher vor, einen Betrag in Höhe von 7 656 848,97 Euro von der Finanzierung durch den EGFL auszuschließen.

 Angefochtener Beschluss

13      Am 17. Februar 2021 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, mit dem sie auf der Grundlage von Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 eine punktuelle Berichtigung vornahm, indem sie bestimmte von der Republik Bulgarien zulasten der vom EGFL und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) kofinanzierten operationellen Programme getätigte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausschloss. Daraus ergab sich im Wesentlichen, dass ein Teil der von der Republik Bulgarien gemeldeten Ausgaben angesichts der vorgenommenen Überprüfungen, der bilateralen Gespräche und des Schlichtungsverfahrens wegen fehlender Wiedereinziehungen nicht die Voraussetzungen erfüllte, um aus dem EGFL finanziert zu werden.

14      Folglich wurde mit dem angefochtenen Beschluss ein Betrag in Höhe von 7 656 848,97 Euro von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen.

 Anträge der Parteien

15      Die Republik Bulgarien beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ihr gegenüber hinsichtlich der Untersuchung INT/2016/101/BG eine finanzielle Berichtigung in Höhe von insgesamt 7 656 848,97 Euro vorgenommen wurde;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Republik Bulgarien die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit des am 26. September 2022 vorgelegten Beweises

17      Am 26. September 2022, einen Tag vor der mündlichen Verhandlung, hat die Republik Bulgarien einen neuen Beweis eingereicht, nämlich ein Schreiben der Kommission, mit dem diese ihr einen Bericht des OLAF übermittelt hatte, der nach Ansicht der Republik Bulgarien einen ähnlichen Inhalt wie die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Abschlussberichte des OLAF hat.

18      In der mündlichen Verhandlung hat die Republik Bulgarien geltend gemacht, dass sie diesen Beweis nicht im Rahmen des schriftlichen Verfahrens habe vorlegen können, da sie ihn nach dem Abschluss dieses Verfahrens, nämlich am 12. Mai 2022 erhalten habe, was die Kommission nicht bestreitet.

19      Nach Auffassung der Kommission ist der Beweis als unzulässig anzusehen, da er verspätet eingereicht worden sei.

20      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts die Hauptparteien ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor einer Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, Beweise oder Beweisangebote vorlegen können, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

21      Im vorliegenden Fall besteht der am 26. September 2022 vorgelegte Beweis in einem Schreiben der Kommission, das die Republik Bulgarien am 12. Mai 2022 erhalten hat. Die Erwiderung ist aber am 6. Oktober 2021 eingereicht und das schriftliche Verfahren am 30. November 2021 abgeschlossen worden.

22      Somit konnte die Republik Bulgarien diesen Beweis nicht vor Abschluss des schriftlichen Verfahrens einreichen. Folglich ist er als zulässig anzusehen.

 Zur Begründetheit

23      Die Republik Bulgarien stützt ihre Klage auf fünf Gründe, und zwar im Wesentlichen erstens auf eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte bei der Durchführung des Verwaltungsverfahrens, an dessen Ende der angefochtene Beschluss erlassen worden sei, zweitens auf eine unzureichende Begründung, drittens auf eine fehlerhafte Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 hinsichtlich der Festlegung des Beginns der Frist von 18 Monaten, ab der der betreffende Mitgliedstaat von dem Begünstigten zu Unrecht gezahlte Beträge zurückfordern müsse, viertens auf einen Beurteilungsfehler der Kommission, soweit sie davon ausgegangen sei, dass die Zahlstelle nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe, um die streitigen Beträge wiedereinzuziehen, und ihr ein Versäumnis anzulasten sei, indem sie innerhalb der in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Fristen kein Verwaltungsverfahren für die Wiedereinziehung eingeleitet habe, und fünftens darauf, dass der Betrag der durch den angefochtenen Beschluss von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossenen Ausgaben weder mit Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehe.

24      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Landwirtschaftsfonds der Union nur die nach den Unionsvorschriften vorgenommenen Interventionen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte finanzieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, Niederlande/Kommission, C‑610/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2349, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Außerdem ist die Verwaltung der Finanzierung der Fonds der Union in erster Linie Sache der nationalen Behörden, die für die strikte Einhaltung der Unionsvorschriften zu sorgen haben, und beruht auf dem Vertrauen zwischen den nationalen und den Unionsbehörden. Nur der Mitgliedstaat kann die für die Aufstellung der Fonds-Rechnungen nötigen Angaben kennen und genau bestimmen, da die Kommission nicht über die erforderliche Nähe zu den Wirtschaftsteilnehmern verfügt, um von ihnen die benötigten Auskünfte zu erlangen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Oktober 2004, Spanien/Kommission, C‑153/01, EU:C:2004:589, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. September 2009, Österreich/Kommission, T‑368/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:305, Rn. 182 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Die von der Republik Bulgarien geltend gemachten Klagegründe sind im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verfahrensrechte der Republik Bulgarien bei der Durchführung des Verwaltungsverfahrens, an dessen Ende der angefochtene Beschluss erlassen wurde

27      Die Republik Bulgarien macht geltend, die Kommission habe das streitige Abschlussverfahren in der Mitteilung der Feststellungen auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 eingeleitet, was später während des darauf folgenden vielfältigen Austauschs bestätigt worden sei. Nach Art. 34 Abs. 2 der Verordnung Nr. 908/2014 teile die Kommission, wenn sie aufgrund von Nachforschungen zu dem Schluss komme, dass bestimmte Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Unionsvorschriften getätigt worden seien, dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Feststellungen mit und nenne die Abhilfemaßnahmen, die künftig die Beachtung dieser Vorschriften sicherstellen sollten. Die Vorbehalte der Kommission hätten somit völlig klar dargelegt werden müssen. Die Kommission habe jedoch einen möglichen Verstoß gegen Art. 54 Abs. 5 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 1306/2013 erstmals ab der zweiten Aufforderung zu einer bilateralen Besprechung erwähnt und gleichzeitig weiterhin auf Art. 52 der Verordnung Bezug genommen. Am Ende des Verwaltungsverfahrens sei die streitige finanzielle Berichtigung letztlich auf ein Versäumnis der Zahlstelle im Zusammenhang mit der fehlenden Wiedereinziehung der betreffenden Ausgaben bei den Begünstigten gemäß Art. 54 Abs. 5 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 1306/2013 und der fehlenden Verzeichnung der Ausgaben im Debitorenbuch innerhalb der in Art. 54 Abs. 1 dieser Verordnung festgelegten Frist gestützt worden.

28      In Anbetracht dessen macht die Republik Bulgarien geltend, die Entwicklung des Standpunkts der Kommission hinsichtlich der Rechtsgrundlage, auf die sich die streitige finanzielle Berichtigung stütze, habe die Zahlstelle in die Irre geführt, da diese ursprünglich davon ausgegangen sei, dass das Abschlussverfahren nach Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 wegen Mängeln in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen bezüglich der ordnungsgemäßen Durchführung der durch den EGFL finanzierten Maßnahmen eingeleitet worden sei. In den frühen Phasen des Verfahrens seien solche Mängel nicht festgestellt worden, und zu diesem Zeitpunkt seien keine Probleme in Bezug auf das System der Wiedereinziehung von Forderungen angesprochen worden. Folglich seien die Klarstellungen, die die Kommission in der Phase vorgenommen habe, in der die Zahlstelle die in Art. 34 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 908/2014 vorgesehene Anforderung zusätzlicher Angaben erhalten habe, zu spät erfolgt. Die Kommission habe darin erstmals ihre Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 dargelegt, wonach die Frist von 18 Monaten für die Wiedereinziehung der streitigen Forderungen im vorliegenden Fall zu laufen begonnen habe, als die Zahlstelle die Abschlussberichte des OLAF erhalten habe, d. h. am 19. Januar 2018 für den ersten Bericht und am 3. September 2018 für den zweiten Bericht. Außerdem hätten die von der Kommission mit der Mitteilung der Feststellungen übermittelten Daten in einer früheren Phase übermittelt werden können. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Republik Bulgarien der Ansicht ist, sie sei nicht in den Genuss der in Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1306/2013 und in Art. 34 Abs. 2 der Verordnung Nr. 908/2014 vorgesehenen Verfahrensgarantien gekommen.

29      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

30      Vorab ist festzustellen, dass die Republik Bulgarien mit dem vorliegenden Klagegrund im Wesentlichen geltend macht, das im vorliegenden Fall durchgeführte Konformitätsabschlussverfahren weise Mängel auf, aufgrund derer es ihr nicht möglich gewesen sei, in den Genuss der Verfahrensgarantien nach Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 34 Abs. 2 der Verordnung Nr. 908/2014 zu kommen. Diese Nichteinhaltung der Verfahrensgarantien stelle eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung dar und müsse folglich zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen. Der vorliegende Klagegrund besteht insoweit aus zwei gesonderten Teilen, mit denen erstens geltend gemacht wird, dass die Kommission nicht befugt gewesen sei, die Rechtsgrundlage, auf die der angefochtene Beschluss letztlich gestützt worden sei, im Lauf des Verwaltungsverfahrens zu ändern,  und zweitens, dass die Kommission die Republik Bulgarien auf diese Weise in die Irre geführt habe, indem sie den Eindruck erweckt habe, dass die festgestellten Mängel ihr Verwaltungs- und Kontrollsystem beträfen, was die einzigen in Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 genannten Fälle sind, und nicht die Wiedereinziehung der in Rede stehenden Beträge, die ihrerseits Art. 54 dieser Verordnung untersteht.

31      Zu der geltend gemachten Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Beachtung der Verteidigungsrechte ein fundamentaler Grundsatz des Unionsrechts ist, dessen Beachtung auch dann sichergestellt werden muss, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die deren Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. Urteil vom 19. Januar 2006, Comunità montana della Valnerina/Kommission, C‑240/03 P, EU:C:2006:44, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Zusammenhang mit EGFL-Verfahren ist entschieden worden, dass dieser Grundsatz verlangt, dass die abschließende, endgültige Entscheidung über den Rechnungsabschluss nach einem besonderen kontradiktorischen Verfahren ergeht, das den betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer sachdienlichen Äußerung gewährleisten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2012, Italien/Kommission, T‑426/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:526, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gebietet es insbesondere, dass die Kommission alle Angaben berücksichtigt, die der Mitgliedstaat während des kontradiktorischen Verfahrens erteilt hat, das der endgültigen Entscheidung über den auszuschließenden Betrag vorausgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. September 2003, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑346/00, EU:C:2003:474, Rn. 70, und vom 26. November 2008, Griechenland/Kommission, T‑263/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:529, Rn. 136).

33      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission auf der Grundlage von Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Beträge erlässt, die von der Unionsfinanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, dass Ausgaben nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, d. h. Ausgaben des EGFL, nicht in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht getätigt worden sind. Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 sieht somit das Verfahren vor, das bei der Anwendung von Berichtigungen im Rahmen des Konformitätsabschlusses einzuhalten ist. Dieses Verfahren wird außerdem durch Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014 präzisiert.

34      Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 soll dem allgemeinen Ziel der Wahrung der finanziellen Interessen der Union gerecht werden, indem er den Mitgliedstaaten die spezifische Verpflichtung auferlegt, zügig ein Verfahren zur Wiedereinziehung von Forderungen einzuleiten, wenn Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse die zulasten des betreffenden Fonds getätigten Ausgaben betreffen. Insoweit ist in Art. 54 Abs. 5 dieser Verordnung insbesondere vorgesehen, dass die Kommission unter der Voraussetzung, dass das Verfahren gemäß Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 angewendet wurde, einige dieser Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausschließen kann.

35      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Klagegrund zu prüfen.

36      Nach Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014 muss das Konformitätsabschlussverfahren im Wesentlichen sechs Stufen umfassen. Erstens teilt die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Feststellungen mit und nennt die Abhilfemaßnahmen, die sie für erforderlich hält, sowie die vorläufige Höhe der finanziellen Berichtigung, die sie als angemessen erachtet. Der Mitgliedstaat ist verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt dieser Mitteilung zu antworten. Zweitens organisiert die Kommission eine bilaterale Besprechung, um zu versuchen, Einvernehmen über die angesichts der Feststellungen in der Mitteilung der Feststellungen zu ergreifenden Maßnahmen zu erzielen sowie um die Schwere des Verstoßes und des der Union entstandenen finanziellen Schadens zu bewerten. Sie hat das Protokoll dieser Besprechung dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb von 30 Arbeitstagen mitzuteilen, der seinerseits seine Bemerkungen dazu übermitteln kann. Drittens teilt die Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Versendung des Protokolls ihre Schlussfolgerungen mit. Viertens kann der betreffende Mitgliedstaat die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verlangen, dessen Modalitäten in Art. 40 der Verordnung Nr. 908/2014 geregelt sind. Fünftens übermittelt die Kommission, wenn das Schlichtungsverfahren zu keinem Ergebnis führt, dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Schlussfolgerungen. Schließlich kann die Kommission sechstens einen oder mehrere Beschlüsse gemäß Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 erlassen, um Ausgaben, die nicht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften getätigt wurden, von der Unionsfinanzierung auszuschließen.

37      Hinsichtlich der oben in Rn. 36 beschriebenen ersten Stufe geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Mitteilung der Kommission über ihre Feststellungen im Sinne von Art. 34 Abs. 2 der Verordnung Nr. 908/2014 zunächst sämtliche dem betroffenen Mitgliedstaat zur Last gelegten Unregelmäßigkeiten, die die finanzielle Berichtigung letztlich begründet haben, hinreichend genau angeben muss. Nur eine solche Mitteilung kann eine umfassende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission garantieren (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Mai 2012, Spanien/Kommission, C‑24/11 P, EU:C:2012:266, Rn. 31). Außerdem muss sie den Gegenstand und das Ergebnis der von der Kommission durchgeführten Nachforschungen bezeichnen und angeben, welche Abhilfemaßnahmen künftig ergriffen werden sollten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. September 2018, Portugal/Kommission, T‑463/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:606, Rn. 68).

38      Im vorliegenden Fall leitete die Kommission das Abschlussverfahren ein, indem sie am 4. Januar 2017 der Republik Bulgarien die Mitteilung der Feststellungen übermittelte. In diesem Dokument hieß es, wie oben in Rn. 2 zusammengefasst, dass die Kommission gemäß Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 und infolge der vom OLAF mitgeteilten Informationen die Möglichkeit prüfe, einen Teil der Ausgaben im Zusammenhang mit den Programmen und Transaktionen, an denen [vertraulich] beteiligt sei, von der Finanzierung durch die Union auszuschließen. Sodann fand vor, während und nach der ersten bilateralen Besprechung ein Austausch über die von der Kommission ermittelten Probleme statt.

39      Nachdem die Kommission den ersten Bericht des OLAF erhalten hatte, der im Rahmen der Untersuchung OF/2016/0390/B5 erstellt worden war und den sie der Republik Bulgarien am 19. Januar 2018 übermittelt hatte, beschloss sie, diese mit Schreiben vom 7. Mai 2018 zu einer zweiten bilateralen Besprechung einzuladen. In dieser Einladung wurde nunmehr auf Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 Bezug genommen und gemäß dieser Vorschrift empfohlen, die Beträge zurückzufordern, die dem ersten Bericht des OLAF zufolge zu Unrecht gezahlt worden seien. Die Republik Bulgarien übermittelte ihre Bemerkungen zu dieser Einladung mit Schreiben vom 22. Mai 2018. Sie teilte der Kommission ausdrücklich mit, dass sie nicht beabsichtige, die streitigen Ausgaben sofort wieder einzuziehen, und machte hierzu geltend, dass ihre eigenen zuständigen Untersuchungseinrichtungen in dem diesbezüglich eingeleiteten Vorverfahren keine Entscheidung getroffen hätten. Sie behielt ihren Standpunkt während des weiteren Verlaufs des Abschlussverfahrens und bis zu dessen Ende bei. Mit Schreiben vom 3. September 2018 übermittelte die Kommission der Klägerin den zweiten Bericht des OLAF über die Unregelmäßigkeiten seitens [vertraulich].

40      In der endgültigen Stellungnahme vom 12. August 2020 teilte die Kommission der Republik Bulgarien mit, dass sie an ihrem bereits in der förmlichen Mitteilung vertretenen Standpunkt festhalte, gegen sie eine finanzielle Berichtigung gemäß Art. 54 Abs. 5 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 1306/2013 zu verhängen, weil die Zahlstelle es versäumt habe, die Wiedereinziehung der streitigen Forderungen von den Begünstigten zu verlangen und die in Rede stehenden Beträge innerhalb der Frist des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung im Debitorenbuch zu verzeichnen. Im angefochtenen Beschluss wurde zunächst allgemein darauf hingewiesen, dass dieser u. a. im Hinblick auf Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 erlassen worden sei. Was konkret die gegen die Republik Bulgarien verhängte finanzielle Berichtigung betrifft, wurde sodann darauf hingewiesen, dass diese sich aus der fehlenden Wiedereinziehung von Absatzförderungsmaßnahmen zwischen 2010 und 2017 ergebe.

41      Nach alledem ist festzustellen, dass, wie oben aus den Rn. 38 bis 40 hervorgeht, die Gründe für die streitige finanzielle Berichtigung, wie sie im zusammenfassenden Bericht und im angefochtenen Beschluss dargelegt wurden, nur teilweise denen entsprechen, die die Einleitung des streitigen Abschlussverfahrens gerechtfertigt hatten, wie sie von der Kommission in der Mitteilung der Feststellungen erläutert worden waren.

42      Jedoch forderte die Kommission die Republik Bulgarien, wie oben in Rn. 39 dargelegt, zu einer zweiten bilateralen Besprechung auf. In dieser zweiten Aufforderung wurde u. a. darauf hingewiesen, dass bestimmte Zahlungen als nicht förderfähig für die Finanzierung durch die Union angesehen werden könnten, und es wurde empfohlen, die als Risiken für den in Rede stehenden Fonds erachteten Zahlungen nicht zu verlängern und die unrechtmäßigen Zahlungen gemäß Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 bei den jeweiligen Begünstigten wieder einzuziehen. Außerdem enthielt die zweite Aufforderung zu einer bilateralen Besprechung erstens einen Verweis auf Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014, zweitens eine genaue Bestimmung der Unregelmäßigkeiten, die in dieser Phase eine finanzielle Berichtigung rechtfertigen könnten, und drittens einen Hinweis auf die beabsichtigten Abhilfemaßnahmen. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass diese Aufforderung die Mitteilung der Feststellungen, die der Republik Bulgarien am 4. Januar 2017 übermittelt wurde, im Wesentlichen angepasst hat.

43      Die Kommission konnte sich ferner erst in dieser Phase verbindlich zur Notwendigkeit der Einleitung eines Wiedereinziehungsverfahrens gemäß Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 äußern, weil sie vom ersten Bericht des OLAF, der ihr gerade übermittelt worden war, Kenntnis erlangt hatte.

44      Im Übrigen geht aus den Akten hervor, dass sich die Republik Bulgarien zu sämtlichen von der Kommission in der zweiten Aufforderung zu einer bilateralen Besprechung angesprochenen Problematiken äußern konnte, insbesondere zu der Frage der Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben und der Anwendung von Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013. So konnte die Republik Bulgarien ihre diesbezüglichen Bemerkungen zunächst mit Schreiben vom 22. Mai 2018, also wie in Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014 vorgesehen vor der Organisation der zweiten bilateralen Besprechung, und dann während der zweiten bilateralen Besprechung sowie den folgenden Stufen des Abschlussverfahrens vorbringen.

45      Darüber hinaus teilte die Republik Bulgarien der Kommission erst in der Phase des oben in Rn. 44 beschriebenen Austauschs ausdrücklich mit, dass sie nicht beabsichtige, besondere Schritte zu unternehmen, um in dieser Phase eine solche Wiedereinziehung vorzunehmen, und machte geltend, dass ihre eigenen zuständigen Untersuchungseinrichtungen in dem hierzu eingeleiteten Vorverfahren keine Entscheidung getroffen hätten. Da die Kommission mit dieser Weigerung konfrontiert war, teilte sie somit der Republik Bulgarien bereits in der zweiten bilateralen Besprechung mit, dass sie von ihr die Einleitung von Wiedereinziehungsverfahren erwarte, und forderte sie auf, sie über die Durchführung dieser Abhilfemaßnahme auf dem Laufenden zu halten. Die Republik Bulgarien teilte der Kommission im Übrigen mit, dass sie die in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehene Verzeichnung der in Rede stehenden Beträge im Debitorenbuch in den nächsten Wochen abschließen werde.

46      Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission die Republik Bulgarien in der am 1. März 2019 übermittelten Anforderung zusätzlicher Auskünfte an die Anforderungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 erinnerte, weil sie mit der Weigerung der Republik Bulgarien konfrontiert war, einem Teil der beabsichtigten Abhilfemaßnahmen nachzukommen, nämlich der schnellstmöglichen Wiedereinziehung der streitigen Zahlungen. Bei dieser Gelegenheit betonte die Kommission insbesondere, dass die Republik Bulgarien zu Unrecht gezahlte Beträge von den Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach Zustellung der Abschlussberichte des OLAF in den beiden von diesem durchgeführten Untersuchungen zurückfordern müsse. Darüber hinaus ließ der Verweis auf Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 keinen Raum für Zweifel an möglichen finanziellen Berichtigungen, falls die Frist nicht eingehalten würde.

47      Die Parteien bestreiten nicht, dass die Republik Bulgarien in die Lage versetzt wurde, sich zur Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 durch die Kommission zu äußern, insbesondere in Bezug auf den Beginn der Frist, die im vorliegenden Fall einzuhalten war, um die Schritte zur Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben bei den Begünstigten einzuleiten. In ihrem Schreiben vom 24. April 2019 brachte die Republik Bulgarien nämlich ausdrücklich zum Ausdruck, dass sie mit der Auslegung nicht einverstanden sei, ohne jedoch geltend zu machen, dass es unmöglich sei, ein Verfahren zur Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben einzuleiten. Im Übrigen waren alle diese Erörterungen der Schlichtungsstelle bekannt, wie aus der von ihr im Schlichtungsbericht erstellten Zusammenfassung des Sachverhalts hervorgeht.

48      In diesem Zusammenhang kann die Republik Bulgarien nicht geltend machen, sie sei nicht in die Lage versetzt worden, nachzuvollziehen, dass gegen sie eine finanzielle Berichtigung verhängt werden könnte, falls sie nicht gemäß Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 ein Verfahren zur Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben beim Begünstigten einleite.

49      Da ihr der Standpunkt der Kommission zur erforderlichen Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben vor der zweiten bilateralen Besprechung mitgeteilt worden war und sämtliche Fragen zur Anwendung von Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 im vorliegenden Fall während des gesamten weiteren Abschlussverfahrens, einschließlich vor der Schlichtungsstelle, erörtert wurden, kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfahrensrechte der Republik Bulgarien verletzt worden sind, ebenso wenig liegt eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte bzw. ein Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens oder den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung vor.

50      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Republik Bulgarien in Frage gestellt, wonach erstens die Kommission weder Unregelmäßigkeiten in dem von der Republik Bulgarien eingerichteten Verwaltungs- und Kontrollsystem noch Mängel bei den nachfolgenden Kontrollen der Zahlstelle erwähnt habe und zweitens die Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die die Kommission den angefochtenen Beschluss gestützt habe, zu spät erfolgt sei, um es der Republik Bulgarien zu ermöglichen, ihr Verhalten entsprechend anzupassen.

51      Das erste Argument ist nämlich unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, da dieser nicht auf behauptete Mängel des von der Republik Bulgarien eingerichteten Verwaltungs- und Kontrollsystems gestützt ist, sondern auf die fehlende Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben durch die Republik Bulgarien bei den Begünstigten innerhalb der in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Fristen.

52      Zum zweiten Argument ist festzustellen, dass die Behauptung, die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission hätte weniger spät erfolgen können, nicht belegt ist. Soweit die Republik Bulgarien geltend macht, das am 1. März 2019 übermittelte Schreiben sei zu spät gewesen, um es ihr zu ermöglichen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, da die für die Vornahme der Wiedereinziehung der Forderungen vorgesehene Frist von 18 Monaten in Bezug auf [vertraulich] bereits beinahe abgelaufen gewesen sei, während sie in Bezug auf [vertraulich] bereits seit über sechs Monaten abgelaufen gewesen sei,  überschneidet sich das Argument zudem mit dem Vorbringen, das im Rahmen des dritten Klagegrundes vorgetragen wird. Auf dieses Argument ist daher im Rahmen der Prüfung des dritten Klagegrundes einzugehen.

53      Soweit die Republik Bulgarien geltend macht, dass das Schreiben der Kommission, das sie am 12. Mai 2022 erhalten habe, geeignet sei, die von ihr im Rahmen der vorliegenden Rechtssache vertretenen Annahmen zu stützen, ist im Übrigen festzustellen, dass die Republik Bulgarien nicht erläutert, für welche Annahmen diese Schlussfolgerung insbesondere gelten solle, was sich auch nicht aus der Lektüre des Schreibens ergibt.

54      Daher ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

55      Die Republik Bulgarien macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet. Sie verweist insoweit auf einige der im Rahmen des ersten Klagegrundes dargelegten Erwägungen, die ihrer Ansicht nach auch für den Nachweis relevant sind, dass der angefochtene Beschluss unzureichend begründet sei. Außerdem habe die Kommission Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 erst in der Phase der Aufforderung zu einer zweiten bilateralen Besprechung erstmals erwähnt, und sie habe keine Bemerkungen zu dem Standpunkt abgegeben, den die Zahlstelle in ihrer Antwort auf die Aufforderung zum Ausdruck gebracht habe, wonach die finanziellen Folgen der Maßnahme von [vertraulich] im Hinblick auf den ersten Abschlussbericht des OLAF zwischen ihr und der Union aufzuteilen seien. Im Übrigen habe die Kommission, obwohl sie eingeräumt habe, dass der in den Abschlussberichten des OLAF beanstandete Sachverhalt nach dem bulgarischen Strafgesetzbuch strafbar sei, lediglich auf ihre Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und auf die Notwendigkeit verwiesen, das Verwaltungsverfahren zur Verzeichnung der Begünstigten in der Debitorenliste und zur Wiedereinziehung der unrechtmäßigen Ausgaben einzuleiten. In ihrer Erwiderung macht die Republik Bulgarien geltend, das Verfahren der Ausarbeitung des angefochtenen Beschlusses, wie im ersten Klagegrund beschrieben, habe es ihr nicht ermöglicht, die zugrunde liegenden Gründe nachzuvollziehen. Die Kommission hätte ein neues Abschlussverfahren einleiten müssen, das auf den einschlägigen Gründen beruhe, die sie im vorliegenden Fall erst im Lauf des streitigen Verfahrens geltend gemacht habe.

56      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

57      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Niederlande/Kommission, C‑159/01, EU:C:2004:246, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Insbesondere dient die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, die aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte folgt, dem Zweck, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Rumänien/Kommission, T‑145/15, EU:T:2017:86, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung den oben in den Rn. 39 und 40 genannten Erfordernissen genügt, ist nämlich nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Rumänien/Kommission, T‑145/15, EU:T:2017:86, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen der Kommission auf dem Gebiet des Rechnungsabschlusses des betreffenden Fonds auf der Grundlage eines zusammenfassenden Berichts und eines Schriftwechsels zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat erlassen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2002, Niederlande/Kommission, C‑132/99, EU:C:2002:168, Rn. 39). Unter diesen Umständen ist die Begründung einer Entscheidung, mit der es abgelehnt wird, einen Teil der gemeldeten Ausgaben zulasten des betreffenden Fonds zu übernehmen, als ausreichend anzusehen, wenn der Staat, der Adressat der Entscheidung ist, eng am Verfahren ihrer Ausarbeitung beteiligt war und die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zulasten des betreffenden Fonds übernehmen zu müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2001, Belgien/Kommission, C‑263/98, EU:C:2001:455, Rn. 98, und vom 17. Mai 2013, Griechenland/Kommission, T‑294/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:261, Rn. 94).

61      Erstens genügt, soweit die Republik Bulgarien geltend macht, die Kommission habe Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 erst in der Phase der Aufforderung zu einer zweiten bilateralen Besprechung erwähnt,  die Feststellung, dass die Republik Bulgarien, wie oben in den Rn. 38 bis 40 ausgeführt, an der Ausarbeitung des angefochtenen Beschlusses beteiligt war und dass, wie aus der Prüfung des ersten Klagegrundes hervorgeht, die Frage der Wiedereinziehung der streitigen Forderungen im Zusammenhang mit Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 zwischen den Parteien vielfach erörtert wurde.

62      Folglich kann die Republik Bulgarien weder geltend machen, dass sie nicht über die Gründe informiert worden sei, aus denen die Kommission ihr die streitige finanzielle Berichtigung habe auferlegen wollen, noch, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, die Gründe des angefochtenen Beschlusses in diesem Punkt nachzuvollziehen.

63      Zweitens macht die Republik Bulgarien geltend, die Kommission sei nicht auf die in der Phase der Antwort auf die zweite Aufforderung zu einer bilateralen Besprechung mitgeteilte Bemerkung eingegangen, dass die Union die finanziellen Folgen der streitigen Unregelmäßigkeiten mit ihr habe teilen müssen.

64      Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission diese Bemerkung in der förmlichen Mitteilung, die sie ihr am 19. November 2019 gemäß Art. 34 Abs. 3 der Verordnung Nr. 908/2014 übermittelte, ausdrücklich beantwortet hat und dass dieses Argument daher sachlich unzutreffend ist.

65      Drittens macht die Republik Bulgarien geltend, die Kommission habe nicht die spezifischen Vorschriften des Unionsrechts genannt, gegen die [vertraulich] und [vertraulich] verstoßen hätten und auf die sie sich hätte stützen können, um die Wiedereinziehung der streitigen Forderungen zu verlangen.

66      Aus alledem ergibt sich jedoch, dass die Schlussfolgerungen der Kommission in den verschiedenen Phasen des Abschlussverfahrens insbesondere auf Zwischenuntersuchungsberichte und die Abschlussberichte des OLAF gestützt waren. Diese enthielten detaillierte Analysen der vom OLAF festgestellten Unregelmäßigkeiten. Aus dem Protokoll der zweiten bilateralen Besprechung geht hervor, dass die Republik Bulgarien im Wesentlichen anerkannte, dass die vom OLAF vorgelegten Beweise sehr schwerwiegend seien und belegten, dass die in den neun betroffenen Absatzförderungsprogrammen getätigten Ausgaben ein Risiko für den in Rede stehenden Fonds darstellten. Daraus folgt, dass die Republik Bulgarien nicht geltend machen kann, sie habe nicht gewusst, dass die Ausgaben wieder eingezogen werden müssten, da sie nicht mit den u. a. in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen spezifischen Vorschriften der Union übereinstimmten.

67      Viertens genügt es, soweit die Republik Bulgarien auf die im ersten Klagegrund enthaltenen Teile ihrer Schriftsätze verweist, da diese ihrer Ansicht nach ebenfalls für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 296 AEUV relevant sind, festzustellen, dass sie nichts vorbringt, das erklären könnte, warum davon auszugehen sein sollte, dass dies der Fall ist.

68      Im Übrigen ergibt sich aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen sowie aus den von der Republik Bulgarien vorgebrachten Klagegründen und Argumenten, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses es ihr ermöglichte, die Gründe für die streitige finanzielle Berichtigung zu entnehmen, und dass sie es auch dem Gericht ermöglicht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen.

69      Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Auslegung von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013

70      Die Republik Bulgarien trägt vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehene Frist von 18 Monaten, innerhalb derer die Zahlstelle zu Unrecht gezahlte Beträge von den Begünstigten zurückfordert, mit dem Zugang der Abschlussberichte des OLAF bei dem betreffenden Mitgliedstaat zu laufen beginne. Wenn ein Verfahren nach Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 eingeleitet werde, erfordere dieses Verfahren nämlich, dass dann ein Beschluss über die Ablehnung der Finanzierung unter Einhaltung der verschiedenen in Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014 vorgesehenen Stufen erlassen werde. Als das OLAF seine Abschlussberichte übermittelt habe, habe die Kommission jedoch ihre endgültige Schlussfolgerung gemäß Art. 34 Abs. 4 dieser Verordnung noch nicht mitgeteilt. Im Übrigen entsprächen im vorliegenden Fall die in den Abschlussberichten des OLAF angegebenen Beträge nicht den durch den angefochtenen Beschluss von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossenen Beträgen.

71      Die Republik Bulgarien leitet aus dem Vorstehenden ab, dass die verschiedenen während des Verwaltungsverfahrens ausgetauschten Dokumente nur als vorbereitende Dokumente für den angefochtenen Beschluss angesehen werden könnten und nicht als Kontrollbericht oder ähnliches Dokument im Sinne von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 gelten könnten. Folglich sei dieser Artikel dahin auszulegen, dass im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses als der Zeitpunkt des Zugangs eines solchen Kontrollberichts oder ähnlichen Dokuments anzusehen sei. Außerdem stellt sie unter Berufung auf die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des OLAF und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1) klar, dass die Übermittlung der Abschlussberichte und Empfehlungen des OLAF an die nationalen Behörden hinsichtlich der von diesen zu ergreifenden Folgemaßnahmen nicht mit Verpflichtungen verbunden sei. Folglich könnten die Berichte nicht automatisch zur Einleitung eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens oder zum Erlass von Rechtsakten der Union wie dem angefochtenen Beschluss führen. Schließlich sei die von der Kommission vorgenommene Auslegung nicht anhand von Leitlinien oder einschlägigen Rechtsvorschriften mitgeteilt worden.

72      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

73      Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten fordern Beträge, die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen zu Unrecht gezahlt wurden, von dem Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach dem Zeitpunkt zurück, zu dem ein Kontrollbericht oder ähnliches Dokument, in dem festgestellt wird, dass eine Unregelmäßigkeit stattgefunden hat, gebilligt wurde und gegebenenfalls der Zahlstelle oder der für die Wiedereinziehung zuständigen Stelle zugegangen ist.“

74      Die Republik Bulgarien trägt vor, im vorliegenden Fall könne nur die Zustellung des angefochtenen Beschlusses als Zeitpunkt des Zugangs eines Kontrollberichts oder ähnlichen Dokuments angesehen werden, da die Art. 52 und 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 zusammen auszulegen seien.

75      Erstens endet jedoch gemäß Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 in Verbindung mit Art. 34 der Verordnung Nr. 908/2014 das Abschlussverfahren mit dem Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission zur Festlegung, welche Beträge von der Unionsfinanzierung auszuschließen sind.

76      Hätte der Gesetzgeber aber beabsichtigt, den Beginn der Frist von 18 Monaten, die vorgesehen ist, damit die Mitgliedstaaten zu Unrecht gezahlte Beträge von den Begünstigten zurückfordern können, auf den Zeitpunkt des förmlichen Abschlusses des in Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Abschlussverfahrens festzulegen, hätte er ausdrücklich auf die oben in Rn. 74 erwähnten Durchführungsrechtsakte Bezug genommen. Außerdem hätte er nicht auf einen Kontrollbericht oder ein ähnliches Dokument verwiesen, da die Verwendung dieser beiden Begriffe darauf hindeutet, dass es sich um Dokumente unterschiedlicher Art handeln kann, während nur Beschlüsse das Konformitätsabschlussverfahren abschließen können.

77      Zweitens kann der Republik Bulgarien nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, dass die Abschlussberichte des OLAF nicht mit den in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 genannten Kontrollberichten oder ähnlichen Dokumenten gleichgesetzt werden könnten, weil sie keine endgültige Festlegung der von der Finanzierung durch die Union auszuschließenden Beträge ermöglichten.

78      Die Auslegung der Republik Bulgarien beruht nämlich auf einem falschen Verständnis der in Rede stehenden Bestimmung, aus der klar hervorgeht, dass Gegenstand eines Kontrollberichts oder ähnlichen Dokuments nicht die Festlegung des Betrags der von der Finanzierung durch die Union auszuschließenden Ausgaben, sondern der Hinweis auf das Vorliegen einer Unregelmäßigkeit ist.

79      Drittens vertritt die Republik Bulgarien unter Berufung auf die Verordnung Nr. 883/2013 die Auffassung, dass die Abschlussberichte des OLAF, da sie nicht automatisch zur Einleitung eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens auf nationaler Ebene führen könnten, auch nicht als Kontrollberichte oder ähnliche Dokumente im Sinne von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 angesehen werden könnten.

80      Im Rahmen eines Konformitätsabschlussverfahrens hängt die Bestimmung des Rechtsakts, der die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats begründet, zu Unrecht gezahlte Beträge von den Begünstigten zurückzufordern, jedoch nicht von der Auslegung der Verordnung Nr. 883/2013, sondern von der Auslegung der Verordnung Nr. 1306/2013 ab. Mit anderen Worten greift der Umstand, dass sich aus Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2013 und dem Beschluss vom 21. Juni 2017, Inox Mare/Kommission (T‑289/16, EU:T:2017:414), im Wesentlichen ergibt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über Folgemaßnahmen zu den Untersuchungen entscheiden, deren Abschluss durch die Übermittlung eines Abschlussberichts des OLAF gekennzeichnet ist, in keiner Weise der möglichen Einstufung eines solchen Abschlussberichts als Kontrollbericht oder ähnliches Dokument im Sinne von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vor.

81      Die Verpflichtung zur Wiedereinziehung der Forderungen, die von den im Abschlussbericht festgestellten Unregelmäßigkeiten betroffen sind, ergibt sich nämlich nicht aus der Verordnung Nr. 883/2013, sondern aus Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, wonach der betreffende Mitgliedstaat, sobald ihm eine solche Unregelmäßigkeit mitgeteilt wurde, über eine Frist von 18 Monaten verfügt, um die Wiedereinziehung beim Begünstigten zu verlangen.

82      Folglich ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Beurteilungsfehler der Kommission, soweit sie davon ausgegangen ist, dass die Zahlstelle nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt hat und ihr ein Versäumnis anzulasten ist

83      Die Republik Bulgarien macht geltend, das Unionsrecht unterscheide zwischen den Begriffen Unregelmäßigkeit und Betrug. Die Mitgliedstaaten könnten die anwendbaren Sanktionen insoweit frei wählen. Die Kommission habe keine Bewertung der Umstände des vorliegenden Falles in Bezug auf die Maßnahmen der Zahlstellen im Hinblick auf die bulgarischen Rechtsvorschriften vorgenommen, so dass das Vorliegen eines Versäumnisses vermutet worden sei. Insbesondere sei die Zahlstelle ihren Pflichten nachgekommen, indem sie die Entscheidungen ihrer eigenen nationalen Gerichte erster Instanz angefochten habe, mit denen die Entscheidungen über die Aussetzung der Zahlungen aufgehoben worden seien, und ihre Behörden hätten jedenfalls alle im Abschlussverfahren angeforderten Informationen erteilt.

84      Was insbesondere die Wiedereinziehung der Forderungen angehe, so könnten durch die Erhebung einer Zivilklage nicht nur die Beihilfeempfänger, sondern auch die in Anspruch genommenen natürlichen Personen für die Erstattung der Ausgaben haftbar gemacht werden, während die Zahlstelle im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens keine solche Möglichkeit habe. Indem der Staat im Strafprozess als Nebenkläger auftrete, sei er auch in der Lage, von den Beweisen Kenntnis zu nehmen, die während der Vorphase der Ermittlungen gesammelt würden. Außerdem sei entschieden worden, dass die Möglichkeit für den Staat, im Rahmen des Strafverfahrens eine Zivilklage zu erheben, einen eigenständigen Verfahrensweg zum Schutz der berechtigten Rechte und Interessen im Fall eines Verstoßes gegen das allgemeine Verbot, andere nicht zu schädigen, darstelle und nicht mit dem im besonderen Steuerverfahren vorgesehenen Verfahren konkurriere, da das eine das andere nicht ersetze.

85      Im Übrigen weist die Republik Bulgarien zum Erlass einer Verwaltungsmaßnahme darauf hin, dass die Anordnungen der Zahlstelle über Aussetzung der Zahlungen von den nationalen bulgarischen Verwaltungsgerichten aufgehoben worden seien. Die Zahlstelle habe das Verfahren zur Prüfung der Zahlungsaufforderungen trotz allem nicht wieder aufgenommen, was die Erhebung einer Klage durch einen der Begünstigten wegen Nichtdurchführung eines Urteils gerechtfertigt habe. Gegen den Präsidenten der Zahlstelle sei insoweit eine Geldbuße verhängt worden, und auch einer Klage auf Nichtigerklärung einer stillschweigenden Entscheidung der Zahlstelle, das Verfahren zur Prüfung ausgesetzter Zahlungsaufforderungen nicht wieder aufzunehmen, sei stattgegeben worden. Folglich wäre der Erlass eines Bescheids, mit dem eine staatliche Forderung festgestellt werde und der auf den in den Berichten des OLAF genannten Gründen für die Aussetzung der Zahlungen beruhe, in dieser Phase zum Scheitern verurteilt, um die Wiedereinziehung aller im Rahmen eines spezifischen Programms gezahlten Beträge zu erreichen. Im vorliegenden Fall seien die Angaben der Berichte des OLAF geprüft worden, und auf ihrer Grundlage seien Maßnahmen eingeleitet worden. Außerdem regelten die bulgarischen Verfahrensvorschriften eine Verpflichtung zur Aussetzung des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens in Fällen, in denen eine Straftat entdeckt werde, deren Feststellung den Ausgang des Verfahrens beeinflussen werde, und das OLAF habe bis heute keine den zuständigen Behörden zuzurechnenden Versäumnisse wegen Mängeln im eingerichteten Kontrollsystem gerügt.

86      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

87      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1306/2013 die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen erlassen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, insbesondere um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Außerdem sind sie verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um, wenn notwendig, entsprechende rechtliche Schritte zu einer solchen Wiedereinziehung einzuleiten (Urteil vom 30. Januar 2019, Belgien/Kommission, C‑587/17 P, EU:C:2019:75, Rn. 66).

88      Indem Art. 58 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 die Mitgliedstaaten zur Wahrung des Schutzes der finanziellen Interessen der Union sowie zur Wiedereinziehung der zu Unrecht gezahlten Beträge verpflichtet, ist er im Hinblick auf die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik Ausdruck der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach Art. 4 Abs. 3 EUV. Diese während des gesamten Verfahrens zur Wiedereinziehung dieser Beträge bestehende Verpflichtung bedeutet, dass die innerstaatlichen Behörden diese Wiedereinziehung rasch und zeitnah betreiben und auf die ihnen zur Verfügung stehenden Überprüfungs- und Eintreibungsmittel zurückgreifen müssen, um den Schutz dieser Interessen zu gewährleisten (Urteil vom 30. Januar 2019, Belgien/Kommission, C‑587/17 P, EU:C:2019:75, Rn. 67). Nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne besteht nämlich die Gefahr, dass die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge aufgrund bestimmter Umstände wie etwa der Einstellung der Tätigkeit oder des Verlusts von Buchführungsunterlagen schwierig oder unmöglich wird (Urteil vom 30. Januar 2020, Portugal/Kommission, T‑292/18, EU:T:2020:18, Rn. 65).

89      Allerdings besagen diese Bestimmungen nicht, welche spezifischen Maßnahmen zu diesem Zweck zu ergreifen sind, insbesondere, welche gerichtlichen Verfahren zur Wiedereinziehung dieser Beträge eingeleitet werden müssen (Urteil vom 30. Januar 2019, Belgien/Kommission, C‑587/17 P, EU:C:2019:75, Rn. 68).

90      Somit obliegt es den innerstaatlichen Behörden, vorbehaltlich der Einhaltung der Sorgfaltspflicht, die Rechtsbehelfe auszuwählen, die sie für die Wiedereinziehung der betreffenden Beträge unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls für am geeignetsten halten (Urteil vom 30. Januar 2019, Belgien/Kommission, C‑587/17 P, EU:C:2019:75, Rn. 70).

91      Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, ob die Zahlstelle der Republik Bulgarien gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen hat, indem sie nicht innerhalb der in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Fristen die erforderlichen verwaltungsrechtlichen Schritte zur Wiedereinziehung der Beträge, die nach Ansicht des OLAF im Rahmen von acht der in Rede stehenden Programme zu Unrecht gezahlt worden waren, unternommen hat. Zum anderen ist zu prüfen, ob seitens der Republik Bulgarien Versäumnisse im Sinne von Art. 54 Abs. 5 Buchst. c der Verordnung vorliegen, da sie der Kommission während des Abschlussverfahrens mitteilte, dass die Zahlstelle, solange die dort zu der Zeit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, auch keine entsprechenden Schritte in Bezug auf das betreffende neunte Programm ergreifen werde.

92      Wie u. a. aus der endgültigen Stellungnahme hervorgeht, wurde die beanstandete finanzielle Berichtigung der Republik Bulgarien mit der Begründung auferlegt, dass es bei der bulgarischen Zahlstelle zu Versäumnissen gekommen sei, indem sie die streitigen Ausgaben von den Begünstigten nicht innerhalb der in Art. 54 Abs. 5 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Fristen wieder eingezogen habe.

93      Die Republik Bulgarien macht jedoch im Wesentlichen geltend, dass die Zahlstelle die Fristen nicht habe einhalten können, da es um Betrugsfälle gegangen sei und daher Strafverfahren eingeleitet worden seien, die es ihr nicht erlaubt hätten, gleichzeitig ein Verfahren zur Wiedereinziehung der betreffenden Ausgaben einzuleiten. Daher müsse der Abschluss dieser Verfahren abgewartet werden, um die Wiedereinziehung vorzunehmen.

94      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung zum einen, dass es zwar Sache der Mitgliedstaaten der Union ist, die Mittel zu wählen, mit denen die Wirksamkeit der Kontrollen und die rasche Wiedereinziehung der zu Unrecht gezahlten Beihilfen gewährleistet werden können, dass aber die Einleitung eines Strafverfahrens nicht zwangsläufig bedeutet, dass die zuständigen Behörden im Übrigen von jeder Maßnahme absehen können, die, wenn nicht auf die Wiedereinziehung, zumindest auf die Sicherung einer sich aus der zu Unrecht erfolgten Zahlung zulasten des betreffenden Fonds ergebenden Forderung abzielt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2012, Griechenland/Kommission, T‑158/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:530, Rn. 83), und zum anderen im Wesentlichen, dass eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Maßnahmen zu erlassen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten und die zu Unrecht gezahlten Beträge wieder einzuziehen, von den Mitgliedstaaten nicht mit dem Hinweis auf die Dauer der vom betroffenen Wirtschaftsteilnehmer eingeleiteten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gerechtfertigt werden kann (Urteil vom 30. Januar 2020, Portugal/Kommission, T‑292/18, EU:T:2020:18 Rn. 66).

95      Wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, steht im vorliegenden Fall aber fest, dass die Republik Bulgarien zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses weder zivil- noch verwaltungsrechtliche Maßnahmen ergriffen hatte, um die Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben zu erreichen. So war das einzige damals eingeleitete Verfahren strafrechtlicher Natur und befand sich in der Vorphase der Ermittlungen, nicht in seiner gerichtlichen Phase. Im Übrigen zielten die Anordnungen der Zahlstelle, von denen die Republik Bulgarien geltend macht, sie seien von ihren eigenen nationalen Gerichten aufgehoben worden, darauf ab, die Zahlungen im Zusammenhang mit den Programmen, die von den in den Abschlussberichten des OLAF genannten Betrugsfällen betroffen waren, auszusetzen, und nicht darauf, bereits gezahlte Beträge wiedereinzuziehen.

96      Außerdem kann dem Vorbringen der Republik Bulgarien nicht gefolgt werden, dass die Zahlstelle angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass die von ihr ergriffenen Maßnahmen aufgehoben würden und sich daher als ineffizient und kostenaufwendig erwiesen, entschieden habe, in dieser Phase keine derartigen Schritte zu unternehmen.

97      Die Anordnungen der Zahlstelle, die von den nationalen bulgarischen Gerichten aufgehoben wurden, betrafen nämlich, wie oben in Rn. 95 festgestellt, die Aussetzung der Zahlungen für die Absatzförderungsprogramme, die in den Abschlussberichten des OLAF als risikobehaftet eingestuft worden waren, und nicht die Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben.

98      Insoweit geht aus den Akten hervor, dass nicht alle Anordnungen der Zahlstelle vor den nationalen Gerichten der Republik Bulgarien angefochten wurden. Folglich gibt es keinen Grund für die Annahme, dass im Fall des Erlasses von Maßnahmen zur Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben alle von ihnen Gegenstand einer Aufhebungsklage vor den nationalen Gerichten gewesen wären. Ebenso hypothetisch ist die Annahme, dass die Maßnahmen von den nationalen bulgarischen Gerichten hätten aufgehoben werden können.

99      In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Republik Bulgarien nach Art. 54 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013, wenn sie Verwaltungsmaßnahmen zur Wiedereinziehung der betreffenden Beträge erlassen hätte und die nationalen bulgarischen Gerichte parallel zu dem Ergebnis gekommen wären, dass keine Unregelmäßigkeit vorliegt, die insoweit von ihr getragene finanzielle Belastung dem in Rede stehenden Fonds als Ausgabe hätte melden können.

100    Drittens ist auch festzustellen, dass die Republik Bulgarien keine Angaben zu den Fristen gemacht hat, innerhalb deren die eingeleiteten Verfahren abgeschlossen werden könnten.

101    Nach alledem ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

102    Die Republik Bulgarien weist darauf hin, dass die Kommission bei der Kontrolle der verschiedenen Absatzförderungsprogramme, bei denen die streitigen Ausgaben letztlich als Risiko für den in Rede stehenden Fonds angesehen worden seien, keine Unregelmäßigkeiten entdeckt habe. Außerdem ergebe sich aus Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013, dass die finanzielle Belastung, die sich aus der fehlenden Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge ergebe, gleichmäßig zwischen der Union und dem betreffenden Mitgliedstaat aufgeteilt werden müsse. Es gebe keine Vorschriften für den Konformitätsabschluss, wenn sich die Unregelmäßigkeiten nicht auf Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der Mitgliedstaaten bezögen. Die von den Mitgliedstaaten im Rahmen des EGFL geleisteten Zahlungen würden vom Haushalt der Union erstattet. Da die Mitgliedstaaten für Rechnung der Union handelten, müsse diese die Verluste tragen, die durch das Verhalten Einzelner verursacht worden seien, wenn die Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende getan hätten, um sich zu vergewissern, dass die durch den EGFL finanzierten Maßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Folglich müsse im vorliegenden Fall die Haftung für die finanziellen Folgen der von der Kommission festgestellten Unregelmäßigkeiten mit der Union geteilt werden, so dass der Betrag der streitigen finanziellen Berichtigungen unverhältnismäßig sei.

103    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

104    Als Erstes macht die Republik Bulgarien im Wesentlichen geltend, es gebe keine Vorschriften für den Konformitätsabschluss, wenn sich die von der Kommission festgestellten Unregelmäßigkeiten nicht auf Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der Mitgliedstaaten bezögen.

105    Hierzu genügt die Feststellung, dass sich aus Art. 54 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1306/2013 ergibt, dass die Kommission unter der Voraussetzung, dass sie das Verfahren gemäß Art. 52 Abs. 3 der Verordnung anwendet, u. a. berechtigt ist, Durchführungsrechtsakte zum Ausschluss der zulasten des Haushalts der Union verbuchten Beträge von der Finanzierung durch die Union in drei Fällen zu erlassen, bei denen es sich nicht zwangsläufig um Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der Mitgliedstaaten handelt.

106    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die streitige finanzielle Berichtigung auf der Grundlage zweier dieser Fälle erlassen wurde, nämlich auf der Grundlage von Art. 54 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013, der die nicht erfolgte Wiedereinziehung zu Unrecht getätigter Ausgaben innerhalb der in Art. 54 Abs. 1 der Verordnung festgelegten Fristen betrifft, und auf der Grundlage von Art. 54 Abs. 5 Buchst. c der Verordnung, der u. a. die nicht erfolgte Wiedereinziehung solcher Ausgaben betrifft, die auf Versäumnisse zurückzuführen ist, die den Verwaltungen oder anderen Dienststellen des betreffenden Mitgliedstaats zuzurechnen sind.

107    Folglich ist das Vorbringen, die von der Kommission im vorliegenden Fall festgestellten Unregelmäßigkeiten beträfen keine Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen der Republik Bulgarien, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses unerheblich und daher zurückzuweisen.

108    Aus dem Vorstehenden ergibt sich ferner, dass die Erwägungen, mit denen die Republik Bulgarien geltend macht, sie habe nicht gegen die Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 3/2008 des Rates vom 17. Dezember 2007 über Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern (ABl. 2008, L 3, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 501/2008 der Kommission vom 5. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 3/2008 (ABl. 2008, L 147, S. 3) verstoßen und die Durchführung der „Absatzförderungsprogramm“-Regelung werde mit der Kommission geteilt, unerheblich sind und aus demselben Grund ebenfalls außer Betracht bleiben müssen.

109    Als Zweites beruft sich die Republik Bulgarien auf Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013, um zu verlangen, dass die finanzielle Belastung aus den Unregelmäßigkeiten, die die streitigen Ausgaben beträfen, mit der Kommission geteilt werde.

110    Aus dem 37. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1306/2013 geht jedoch hervor, dass „[b]ei Versäumnissen des betreffenden Mitgliedstaats diesem in bestimmten Fällen der gesamte Betrag angelastet werden können [sollte]“.

111    Im vorliegenden Fall hat die Kommission die beanstandete finanzielle Berichtigung vorgenommen, weil sie der Ansicht war, dass das Fehlen selbst der geringsten Maßnahme zur Wiedereinziehung der streitigen Ausgaben als ein solches Versäumnis der Republik Bulgarien anzusehen sei.

112    Zudem ist festzustellen, dass Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 die Fälle vorsieht, in denen die finanzielle Belastung aus Unregelmäßigkeiten, die die zulasten des EGFL getätigten Ausgaben betreffen, zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und der Kommission aufgeteilt werden kann. So sieht diese Bestimmung vor, dass, „[wenn] die Wiedereinziehung [zu Unrecht getätigter Ausgaben] nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der Wiedereinziehungsaufforderung beziehungsweise, wenn sie Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist, innerhalb einer Frist von acht Jahren erfolgt [ist], 50 % der finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu Lasten des betreffenden Mitgliedstaats und 50 % zu Lasten des Haushalts der Union [gehen]“.

113    Diese Bestimmung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Republik Bulgarien keine Wiedereinziehungsaufforderung im Sinne der Bestimmung ausgesprochen hat und eine solche Aufforderung auch nicht Gegenstand eines Verfahrens vor ihren nationalen Gerichten war, was im Übrigen der eigentliche Grund für die streitige finanzielle Berichtigung ist.

114    Folglich ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen und die Klage daher abzuweisen.

 Kosten

115    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

116    Da die Republik Bulgarien unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Republik Bulgarien trägt die Kosten.

Kanninen

Półtorak

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. März 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Bulgarisch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.