Language of document : ECLI:EU:C:2018:717

Rechtssache C-594/16

Enzo Buccioni

gegen

Banca d’Italia

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Richtlinie 2013/36/EU – Art. 53 Abs. 1 – Geheimhaltungspflicht der nationalen Behörden, die Kreditinstitute beaufsichtigen – Kreditinstitut, dessen Zwangsabwicklung angeordnet wurde – Weitergabe vertraulicher Informationen in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 13. September 2018

1.        Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Aufsicht über den Finanzsektor der Union – Einheitlicher Aufsichtsmechanismus – Beaufsichtigung von Kreditinstituten – Informationsaustausch zwischen zuständigen Behörden – Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses – Gegenstand

(Richtlinie 2013/36 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 53 Abs. 1)

2.        Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Aufsicht über den Finanzsektor der Union – Einheitlicher Aufsichtsmechanismus – Beaufsichtigung von Kreditinstituten – Informationsaustausch zwischen zuständigen Behörden – Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses – Umfang – Weitergabe von Informationen an einen Dritten, der ein zivil- oder handelsrechtliches Verfahren zum Schutz von infolge der Zwangsabwicklung eines Kreditinstituts verletzter Vermögensinteressen einleiten möchte – Kein Verstoß – Voraussetzungen

(Richtlinie 2013/36 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 53 Abs. 1)

1.      Die wirksame Umsetzung der in den vorstehenden Randnummern kurz beschriebenen Regelung über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, die der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2013/36 eingeführt hat und die auf einer Überwachung innerhalb eines Mitgliedstaats und dem Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden mehrerer Mitgliedstaaten beruht, erfordert es, dass sowohl die beaufsichtigten Kreditinstitute als auch die zuständigen Behörden sicher sein können, dass die vertraulichen Informationen grundsätzlich auch vertraulich bleiben (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 31). Das Fehlen eines solchen Vertrauens könnte nämlich die reibungslose Übermittlung der vertraulichen Informationen gefährden, die zur Ausübung der Beaufsichtigung erforderlich sind (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 32). Daher stellt Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 zum Schutz nicht nur der speziellen Interessen der unmittelbar betroffenen Kreditinstitute, sondern auch des allgemeinen Interesses insbesondere an der Stabilität des Finanzsystems innerhalb der Union die Grundregel auf, dass das Berufsgeheimnis zu wahren ist (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 33). Schließlich werden die speziellen Fälle, in denen der in Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 aufgestellte allgemeine Grundsatz des Verbots der Weitergabe der den zuständigen Behörden vorliegenden vertraulichen Informationen ihrer Übermittlung oder Verwendung ausnahmsweise nicht entgegensteht, in dieser Richtlinie abschließend aufgeführt (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 38),

(vgl. Rn. 27-30)

2.      Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG ist dahin auszulegen, dass er es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht verwehrt, vertrauliche Informationen an eine Person weiterzugeben, die dies beantragt, um ein zivil- oder handelsrechtliches Verfahren zum Schutz von Vermögensinteressen, die infolge der Zwangsabwicklung eines Kreditinstituts verletzt worden sein sollen, einleiten zu können. Allerdings muss der Antrag auf Weitergabe Informationen betreffen, hinsichtlich deren der Antragsteller genaue und übereinstimmende Indizien vorlegt, die plausibel vermuten lassen, dass sie für die Belange eines zivil- oder handelsrechtlichen Verfahrens relevant sind, dessen Gegenstand vom Antragsteller konkret bezeichnet werden muss und außerhalb dessen die fraglichen Informationen nicht verwendet werden dürfen. Es ist Sache der zuständigen Behörden und Gerichte, das Interesse des Antragstellers, über die in Rede stehenden Informationen zu verfügen, gegen die Interessen an der Aufrechterhaltung der Vertraulichkeit der geheimhaltungspflichtigen Informationen abzuwägen, bevor jede einzelne der erbetenen vertraulichen Informationen weitergegeben wird.

(vgl. Rn. 40 und Tenor)