Language of document : ECLI:EU:C:2023:697

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 21. September 2023(1)

Rechtssache C301/22

Peter Sweetman

gegen

An Bord Pleanála,

Ireland and the Attorney General,

Beteiligte:

Bradán Beo Teoranta,

Galway City Council,

Environmental Protection Agency

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Hohes Gericht, Irland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2000/60/EG – Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Union im Bereich der Wasserpolitik – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a – Umweltziele bei Oberflächengewässern – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, das eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann – Art. 5 und Anhang II – Beschreibung der Typen der Oberflächenwasserkörper – Art. 8 und Anhang V – Einstufung des ökologischen Zustands von Oberflächengewässern – See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² – Keine Verpflichtung, diesen Wasserkörper zu beschreiben und einzustufen – Verpflichtungen des Mitgliedstaats im Fall eines Vorhabens, das sich auf den Wasserkörper auswirken kann“






I.      Einleitung

1.        Ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, für alle in seinem Hoheitsgebiet liegenden Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² eine Beschreibung im Sinne von Art. 5 und Anhang II der Richtlinie 2000/60/EG(2) sowie anschließend eine Einstufung des ökologischen Zustands im Sinne von Art. 8 und Anhang V dieser Richtlinie vorzunehmen? Falls dies nicht der Fall ist, welche Verpflichtungen obliegen dem Mitgliedstaat nach der Richtlinie, um den Schutz eines solchen Wasserkörpers sicherzustellen, wenn sich ein Vorhaben auf diesen auswirken kann? Dies sind im Wesentlichen die Fragen, die der High Court (Hohes Gericht, Irland) gestellt hat.

2.        Diese Fragen knüpfen an das Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 50), an, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme jede Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers zu vermeiden ist, unabhängig von längerfristigen Planungen in Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen.

3.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peter Sweetman (im Folgenden: Kläger) und An Bord Pleanála (Planungsbehörde, Irland) über die Genehmigung eines Vorhabens, das darin besteht, aus einem See mit einer Oberfläche von 0,083 km² Wasser zu entnehmen.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        In Art. 1 („Ziel“) der Richtlinie 2000/60 heißt es:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks

a)      Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt,

…“

5.        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.      ‚Oberflächengewässer‘: die Binnengewässer mit Ausnahme des Grundwassers sowie die Übergangsgewässer und Küstengewässer, wobei im Hinblick auf den chemischen Zustand ausnahmsweise auch die Hoheitsgewässer eingeschlossen sind;

5.      ‚See‘: ein stehendes Binnenoberflächengewässer;

10.      ‚Oberflächenwasserkörper‘: ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen;

17.      ‚Zustand des Oberflächengewässers‘: die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand;

21.      ‚ökologischer Zustand‘: die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V;

…“

6.        Art. 4 („Umweltziele“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt Folgendes:

a)      bei Oberflächengewässern:

i)      die Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii)      die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Oberflächenwasserkörper, vorbehaltlich der Anwendung der Ziffer iii betreffend künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper, mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 einen guten Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

iii)      die Mitgliedstaaten schützen und verbessern alle künstlichen und erheblich veränderten Wasserkörper mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 ein gutes ökologisches Potential und einen guten chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

c)      bei Schutzgebieten:

Die Mitgliedstaaten erfüllen spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie alle Normen und Ziele, sofern die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die einzelnen Schutzgebiete ausgewiesen wurden, keine anderweitigen Bestimmungen enthalten.

…“

7.        Art. 5 („Merkmale der Flussgebietseinheit, Überprüfung der Umweltauswirkungen menschlicher Tätigkeiten und wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung“) Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass für jede Flussgebietseinheit oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen Flussgebietseinheit

–        eine Analyse ihrer Merkmale,

–        eine Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwassers und

–        eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung

entsprechend den technischen Spezifikationen gemäß den Anhängen II und III durchgeführt und spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie abgeschlossen werden.“

8.        In Art. 6 („Verzeichnis der Schutzgebiete“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 heißt es, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass ein Verzeichnis oder mehrere Verzeichnisse aller Gebiete innerhalb der einzelnen Flussgebietseinheiten erstellt wird bzw. erstellt werden, für die gemäß den spezifischen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zum Schutz der Oberflächengewässer und des Grundwassers oder zur Erhaltung von unmittelbar vom Wasser abhängigen Lebensräumen und Arten ein besonderer Schutzbedarf festgestellt wurde.

9.        Art. 8 („Überwachung des Zustands des Oberflächengewässers, des Zustands des Grundwassers und der Schutzgebiete“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer aufgestellt werden, damit ein zusammenhängender und umfassender Überblick über den Zustand der Gewässer in jeder Flussgebietseinheit gewonnen wird; dabei gilt Folgendes:

–        bei Oberflächengewässern umfassen diese Programme:

i)      die Menge und den Wasserstand oder die Durchflussgeschwindigkeit, soweit sie für den ökologischen und chemischen Zustand und das ökologische Potential von Bedeutung sind, sowie

ii)      den ökologischen und chemischen Zustand und das ökologische Potential;

–        …

–        bei Schutzgebieten werden diese Programme durch die Spezifikationen nach denjenigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ergänzt, aufgrund deren die einzelnen Schutzgebiete festgelegt worden sind.

(2)      … Die Überwachung erfolgt entsprechend den Anforderungen des Anhangs V.

…“

10.      Art. 11 („Maßnahmenprogramm“) Abs. 1 bis 3 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass für jede Flussgebietseinheit oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen Flussgebietseinheit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Analysen gemäß Artikel 5 ein Maßnahmenprogramm festgelegt wird, um die Ziele gemäß Artikel 4 zu verwirklichen. Diese Maßnahmenprogramme können auf Maßnahmen verweisen, die sich auf Rechtsvorschriften stützen, welche auf nationaler Ebene erlassen wurden, und sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken. Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, die für alle Flussgebietseinheiten und/oder für alle in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Teile internationaler Flussgebietseinheiten gelten.

(2)      Jedes Maßnahmenprogramm enthält die ‚grundlegenden‘ Maßnahmen gemäß Absatz 3 und gegebenenfalls ‚ergänzende‘ Maßnahmen.

(3)      ‚Grundlegende Maßnahmen‘ sind die zu erfüllenden Mindestanforderungen und beinhalten

e)      Begrenzungen der Entnahme von Oberflächensüßwasser und Grundwasser sowie der Aufstauung von Oberflächensüßwasser, einschließlich eines oder mehrerer Register der Wasserentnahmen und einer Vorschrift über die vorherige Genehmigung der Entnahme und der Aufstauung. Diese Begrenzungen werden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktualisiert. Die Mitgliedstaaten können Entnahmen oder Aufstauungen, die keine signifikanten Auswirkungen auf den Wasserzustand haben, von diesen Begrenzungen freistellen;

…“

11.      In Anhang II der Richtlinie 2000/60 heißt es:

„1      Oberflächengewässer

1.1      Beschreibung der Typen der Oberflächenwasserkörper

Die Mitgliedstaaten ermitteln die Lage und den Grenzverlauf der Oberflächenwasserkörper und nehmen nach dem folgenden Verfahren eine erstmalige Beschreibung all dieser Wasserkörper vor. Die Mitgliedstaaten können Oberflächenwasserkörper zum Zwecke dieser erstmaligen Beschreibung in Gruppen zusammenfassen.

i)      Die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit werden in eine der folgenden Kategorien von Oberflächengewässern – Flüsse, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer – oder künstliche Oberflächenwasserkörper oder erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper eingeordnet.

ii)      In jeder Kategorie von Oberflächengewässern sind die betreffenden Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit nach Typen zu unterscheiden. Diese Typen sind diejenigen, die entweder nach ‚System A‘ oder ‚System B‘ gemäß Abschnitt 1.2 definiert werden.

iii)      Wird System A angewendet, so sind die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zunächst nach den entsprechenden Ökoregionen in Einklang mit den in Abschnitt 1.2 angegebenen und in der betreffenden Karte in Anhang XI dargestellten geographischen Gebieten zu unterscheiden. Die Wasserkörper innerhalb jeder Ökoregion sind dann nach Arten von Oberflächenwasserkörpern entsprechend den in den Tabellen des Systems A angegebenen Deskriptoren zu unterscheiden.

iv)      Wird System B angewendet, so müssen die Mitgliedstaaten zu einer mindestens ebenso feinen Unterscheidung gelangen, wie es nach System A der Fall wäre. Entsprechend ist eine Unterscheidung der Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zu treffen, und zwar anhand der Werte für die obligatorischen Deskriptoren sowie derjenigen optionalen Deskriptoren oder Deskriptorenkombinationen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass typspezifische biologische Referenzbedingungen zuverlässig abgeleitet werden können.

1.2      Ökoregionen und Arten von Oberflächenwasserkörpern

1.2.2      Seen

System A

Feststehende Typologie

Deskriptoren

Ökoregion

Ökoregionen nach Karte A in Anhang XI

Typ

Höhenlage

höhere Lage: > 800 m

mittlere Lage: 200 bis 800 m

Tiefland: < 200 m

Tiefe (auf der Grundlage der durchschnittlichen Tiefe)

< 3 m

3 bis 15 m

> 15 m

Größe (auf der Grundlage der Oberfläche)

0,5 bis 1 km2

1 bis 10 km2

10 bis 100 km2

> 100 km2

Geologie

kalkig

silikatisch

organisch


System B

Alternative Beschreibung

Physikalische und chemische Faktoren, die die Eigenschaften des Sees und somit die Struktur und Zusammensetzung der Biozönosen bestimmen

Obligatorische Faktoren

Höhe

geographische Breite

geographische Länge


Geologie

Größe

Optionale Faktoren


…“

12.      Anhang IV („Schutzgebiete“) dieser Richtlinie sieht in Abschnitt 1 vor, dass das Verzeichnis der Schutzgebiete gemäß Art. 6 der Richtlinie verschiedene Arten von Schutzgebieten umfasst, darunter Gebiete, die für den Schutz von Lebensräumen oder Arten ausgewiesen wurden, sofern die Erhaltung oder Verbesserung des Wasserzustands ein wichtiger Faktor für diesen Schutz ist, einschließlich der Natura-2000-Standorte, die im Rahmen der Richtlinie 92/43/EWG(3) und der Richtlinie 79/409/EWG(4) ausgewiesen wurden.

13.      In Anhang V der Richtlinie werden hinsichtlich des Zustands der Oberflächengewässer (Abschnitt 1) die Qualitätskomponenten für die Einstufung des ökologischen Zustands (Abschnitt 1.1), u. a. in Bezug auf Seen (Abschnitt 1.1.2), präzisiert.

B.      Irisches Recht

14.      Die Richtlinie 2000/60 wurde durch verschiedene Verordnungen in irisches Recht umgesetzt, darunter die European Communities (Water Policy) Regulations 2003 (Verordnung in Bezug auf die Europäischen Gemeinschaften [Wasserpolitik] von 2003)(5) und die European Union (Water Policy) Regulations 2014 (Verordnung in Bezug auf die Europäische Union [Wasserpolitik] von 2014)(6).

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Loch an Mhuilinn ist ein in Privateigentum stehender tidefreier Binnensee auf der Insel Gorumna im County Galway (Irland), dessen Oberfläche 0,083 km², also 8,3 ha beträgt (im Folgenden: See). Der See wurde von der Environmental Protection Agency (Umweltschutzagentur, Irland, im Folgenden: EPA)(7) nicht als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 ermittelt, weil er die in dieser Richtlinie vorgesehenen Kriterien bezüglich Oberfläche oder Lage in einem Schutzgebiet nicht erfülle. Folglich nahm die EPA keine Einstufung des ökologischen Zustands des Sees im Sinne von Anhang V der Richtlinie vor(8).

16.      Die Gesellschaft Bradán Beo Teoranta beantragte bei der Planungsbehörde die Genehmigung, jährlich im Zeitraum Mai bis September bis zu 22 Wochen lang bis zu 4 680 m3 Süßwasser wöchentlich aus dem See zu entnehmen(9). Diese Entnahme sollte an höchstens vier Tagen pro Woche über einen Zeitraum von vier Stunden täglich erfolgen, wobei das entnommene Süßwasser dazu bestimmt wäre, erkrankte Lachse zu baden, um sie von Amöbenbefall und Seeläusen zu befreien. Diese Lachse befinden sich in vier zugelassenen Zuchtanlagen, die von der genannten Gesellschaft in Kilkieran Bay, County Galway, betrieben werden. Das Süßwasser sollte durch eine Rohrleitung aus dem See zur geplanten Leitwand an der Küstenstraße gepumpt werden, von wo das Süßwasser durch eine weitere Rohrleitung zu Planen befördert würde, die per Boot zu den Anlagen geschleppt würden, wo die Behandlung der Lachse stattfinden sollte (im Folgenden: Vorhaben). Die Planungsbehörde entschied, der Gesellschaft die beantragte Genehmigung zu erteilen.

17.      Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Klage beim High Court (Hohes Gericht, Irland), dem vorlegenden Gericht, und machte geltend, die Planungsbehörde habe mit der Genehmigung des Vorhabens gegen ihre Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 verstoßen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verschlechterung des Zustands dieses Oberflächenwasserkörpers zu verhindern.

18.      Mit Urteil vom 15. Januar 2021 hob das vorlegende Gericht die Genehmigung des Vorhabens auf, und zwar allein aus dem Grund, dass sie den Anforderungen der Richtlinie 2000/60 nicht genüge. Insoweit ist das vorlegende Gericht der Ansicht, das Vorhaben wirke sich auf den Wasserkörper, den der See darstelle, aus. Da die EPA keine Einstufung des ökologischen Zustands des Sees vorgenommen habe, sei es der Planungsbehörde jedoch unmöglich gewesen, zu beurteilen, ob das Vorhaben die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie erfülle.

19.      Nach der Verkündung dieses Urteils beschloss Bradán Beo Teoranta, eine Stellungnahme der EPA, die weder Partei des Ausgangsrechtsstreits noch an der mündlichen Verhandlung zur Sache beteiligt war, zu ihrer Rolle bei der Ermittlung von Wasserkörpern gemäß der Richtlinie 2000/60 einzuholen. In ihrem Antwortschreiben vom 28. Januar 2021 (im Folgenden: Antwortschreiben der EPA), das allen Parteien zugeleitet wurde, gab die EPA an, dass ihrer Ansicht nach keine Verpflichtung zur Einstufung des ökologischen Zustands aller Wasserkörper bestehe und dass sie weder verpflichtet sei noch verpflichtet gewesen sei, den ökologischen Zustand des Sees einzustufen. Die Europäische Kommission habe im Rahmen der gemeinsamen Umsetzungsstrategie für die Richtlinie 2000/60, an der die Kommission, sämtliche Mitgliedstaaten, die Beitrittsländer, Norwegen sowie weitere Interessenträger und Nichtregierungsorganisationen beteiligt seien, die Leitlinie Nr. 2 „Ermittlung von Wasserkörpern“(10) (im Folgenden: Leitlinie Nr. 2) ausgearbeitet. Nach Abschnitt 3.5 der Leitlinie Nr. 2(11) verfügten die Mitgliedstaaten über einen Handlungsspielraum bei der Entscheidung, ob sich die Ziele der Richtlinie, die für alle Oberflächengewässer gälten, erreichen ließen, ohne jeden einzelnen kleineren, aber einheitlichen und bedeutenden Abschnitt eines Oberflächengewässers als einen Wasserkörper ermitteln zu müssen.

20.      In ihrem Antwortschreiben wies die EPA auch darauf hin, dass nach Art. 5 und Anhang II Abschnitt 1.2.2 der Richtlinie 2000/60 Seen mit einer Oberfläche von mehr als 0,5 km² als ein Wasserkörper im Sinne dieser Richtlinie zu ermitteln seien. Bei Seen, deren Oberfläche unter diesem Schwellenwert liege, könnten sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, diese als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie zu ermitteln, insbesondere, wenn sie ökologisch wichtig seien, zu einem der in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Schutzgebiete gehörten oder signifikante negative Auswirkungen auf andere Oberflächenwasserkörper hätten. Bei der Auswahl der Seenwasserkörper seien die EPA und die für die Koordinierung der Flussgebietseinheiten zuständigen irischen Behörden diesen Grundsätzen gefolgt. So seien alle Seen mit einer Oberfläche von mehr als 0,5 km² sowie kleinere Seen in Schutzgebieten als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 ermittelt worden(12). In Bezug auf Abschnitte von Oberflächengewässern, die nicht im Sinne dieser Richtlinie ermittelt worden seien, ergebe sich aus Abschnitt 3.5 der Leitlinie Nr. 2, dass für sie die „grundlegenden Maßnahmen“ im Sinne von Art. 11 der Richtlinie gälten.

21.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass ihm die Auffassung der EPA, wonach die Richtlinie 2000/60 es nicht vorschreibe, den See als Wasserkörper zu ermitteln, in der mündlichen Verhandlung zur Sache, die dem Urteil vom 15. Januar 2021 vorausgegangen sei, nicht vorgetragen worden sei. Angesichts des Antwortschreibens der EPA stellte die Planungsbehörde einen Antrag auf Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens. Am 16. April 2021 gab das vorlegende Gericht diesem Antrag statt und nahm die Rechtssache wieder in die Terminliste auf. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die von der EPA in ihrem Antwortschreiben angeführten Gesichtspunkte den Ausgang des Ausgangsverfahrens beeinflussen könnten und dass in Anbetracht der nationalen Rechtsprechung zu den Kriterien für die Überprüfung eines Urteils des High Court (Hohes Gericht) die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme dieser Rechtssache eindeutig erfüllt seien.

22.      Zur Entscheidung über die Vorlage zur Vorabentscheidung weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Ausgangsverfahren die Frage aufwerfe, ob alle Wasserkörper unabhängig von ihrer Größe im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2000/60 beschrieben werden müssten, damit das angerufene nationale Gericht bei einem Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens, das sich auf einen Oberflächenwasserkörper auswirken könne, in der Lage sei, dieses Vorhaben anhand der Begriffe „Verschlechterung“ und „guter Zustand der Oberflächengewässer“ im Sinne dieser Richtlinie zu beurteilen. In diesem Zusammenhang erwähnt das vorlegende Gericht erstens das Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433), zweitens den Umstand, dass sich die EPA weitgehend auf die Leitlinie Nr. 2 und die Praxis der Kommission gestützt habe, und drittens das Fehlen einer Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dieser Frage.

23.      Unter diesen Umständen hat der High Court (Hohes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      a)      Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Wasserkörper unabhängig von der Größe zu beschreiben und anschließend einzustufen, und sind insbesondere alle Seen mit einer topologischen Oberfläche von weniger als 0,5 km2 zu beschreiben und einzustufen?

b)      Inwieweit gilt bei Wasserkörpern in einem Schutzgebiet gegebenenfalls etwas anderes?

2.      Falls die erste Frage, Buchst. a, bejaht wird: Kann eine für Genehmigungen zuständige Behörde eine Genehmigung für ein Vorhaben, das sich auf den Wasserkörper auswirken kann, erteilen, bevor dieser beschrieben und eingestuft wurde?

3.      Falls die erste Frage, Buchst. a, verneint wird: Welchen Verpflichtungen unterliegt eine zuständige Behörde bei der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Vorhaben, das sich möglicherweise auf einen nicht beschriebenen und/oder eingestuften Wasserkörper auswirkt?

24.      Der Kläger, die Planungsbehörde, die irische, die französische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

IV.    Würdigung

A.      Erste Vorlagefrage, Buchst. a

25.      Mit Buchst. a seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 5 und 8 der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen sind, dass sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, alle Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben und einzustufen.

26.      Gemäß Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 ist deren Ziel die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz u. a. der Binnenoberflächengewässer zwecks Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie zwecks Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt.

27.      Insoweit schreibt Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie zwei gesonderte, wenn auch eng miteinander verbundene Ziele vor. Zum einen führen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie in Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme bei Oberflächengewässern vorbehaltlich der Anwendung der Abs. 6 und 7 und unbeschadet von Abs. 8 dieses Artikels die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung). Zum anderen schützen, verbessern und sanieren die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii und iii alle Oberflächenwasserkörper mit dem Ziel, spätestens Ende des Jahres 2015 einen guten Zustand der Gewässer zu erreichen (Verbesserungspflicht)(13).

28.      Um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten diese Umweltziele verwirklichen, enthält die Richtlinie 2000/60 eine Reihe von Bestimmungen, insbesondere die Art. 3, 5, 8, 11 und 13 sowie Anhang V, und schafft damit ein komplexes, mehrere detailliert geregelte Abschnitte umfassendes Verfahren, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe der für ihr Hoheitsgebiet festgestellten Besonderheiten und Merkmalen der Wasserkörper umzusetzen(14).

29.      Um die in Art. 4 der Richtlinie 2000/60 festgelegten Umweltziele zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten insbesondere, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, über ein Gesamtbild der Merkmale der betreffenden Wasserkörper verfügen. Zu diesem Zweck bestimmen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 dieser Richtlinie(15) zunächst die einzelnen Einzugsgebiete, ordnen diese Einheiten zu und bestimmen die zuständigen Behörden. Sodann beschreiben sie die Wasserkörper gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie sowie deren Anhänge II (im Folgenden: Anhang II) und III. Gemäß dieser Bestimmung stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass für jede Flussgebietseinheit in seinem Hoheitsgebiet eine Analyse ihrer Merkmale, eine Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand der Oberflächengewässer und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung, gemäß den technischen Spezifikationen in den Anhängen II und III, durchgeführt werden(16).

30.      Was diese technischen Spezifikationen betrifft, so befasst sich Abschnitt 1 des Anhangs II mit Oberflächengewässern, und Abschnitt 1.1 präzisiert die Anforderungen, die die Mitgliedstaaten nach der Ermittlung der Lage und des Grenzverlaufs der Oberflächenwasserkörper bei der erstmaligen Beschreibung all dieser Wasserkörper erfüllen müssen(17). Hierzu sieht Abschnitt 1.1 Ziff. i dieses Anhangs vor, dass die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit in eine der folgenden Kategorien von Oberflächengewässern, nämlich „Flüsse, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer … oder künstliche Oberflächenwasserkörper oder erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper“, eingeordnet werden. Nach Abschnitt 1.1 Ziff. ii des Anhangs sind in jeder Kategorie von Oberflächengewässern die betreffenden Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit nach Typen zu unterscheiden, die entweder nach „System A“ oder „System B“ gemäß Abschnitt 1.2 definiert werden. Nach Abschnitt 1.1 Ziff. iii des Anhangs II sind, wenn System A angewendet wird, die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zunächst nach den entsprechenden Ökoregionen in Einklang mit den in Abschnitt 1.2 dieses Anhangs angegebenen geografischen Gebieten zu unterscheiden, und die Wasserkörper innerhalb jeder Ökoregion sind dann nach Arten von Oberflächenwasserkörpern entsprechend den in den Tabellen des Systems A angegebenen Deskriptoren zu unterscheiden.

31.      Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und Anhang II der Richtlinie 2000/60 zu beschreiben und anschließend im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und Anhang V dieser Richtlinie einzustufen ist. Wie das vorlegende Gericht ausführt, stellt sich über den Fall eines solchen Sees hinaus die allgemeinere Frage, ob im Rahmen der Anwendung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten alle Wasserkörper beschrieben und eingestuft werden müssen.

32.      Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2000/60 definiert einen „See“ als ein „stehendes Binnenoberflächengewässer“. Da sich diese Definition nicht auf die Oberfläche oder andere Kriterien bezieht, ist es nicht notwendigerweise offensichtlich, dass zwischen einem „See“ und anderen stehenden Wasserkörpern mit geringerer Größe, wie etwa einem Tümpel, unterschieden wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch unstreitig, dass Loch an Mhuilinn ein See im Sinne dieses Art. 2 Nr. 5 ist.

33.      In Bezug auf Seen nennt Abschnitt 1.2.2 des Anhangs II im Rahmen des Systems A eine Reihe von Deskriptoren, die auf den physischen Eigenschaften dieser Wasserkörper beruhen, nämlich die „Höhenlage“, die „Tiefe (auf der Grundlage der durchschnittlichen Tiefe)“, die „Geologie“ und die „Größe (auf der Grundlage der Oberfläche)“. Letztere wird wie folgt präzisiert: „0,5 bis 1 km²“, „1 bis 10 km²“, „10 bis 100 km²“ und „> 100 km²“. Folglich legt der Deskriptor hinsichtlich der Oberfläche im System A für Seen eine Untergrenze von 0,5 km² fest.

34.      Da Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 ausdrücklich bestimmt, dass die Beschreibung entsprechend den technischen Spezifikationen u. a. gemäß Anhang II durchgeführt wird, ist festzustellen, dass diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, bei der Anwendung des Systems A Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben.

35.      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass Irland das System B zur Beschreibung der Oberflächenwasserkörper verwende, das sich nicht auf Zahlenwerte beziehe. Insoweit ergibt sich aus Abschnitt 1.2.2 des Anhangs II, dass im Rahmen des Systems B in Bezug auf Seen die obligatorischen Faktoren bei den „[p]hysikalische[n] und chemische[n] Faktoren, die die Eigenschaften des Sees und somit die Struktur und Zusammensetzung der Biozönosen bestimmen“, die Höhe, die geografische Breite, die geografische Länge, die Geologie und die Größe sind. Abschnitt 1.1 Ziff. iv dieses Anhangs bestimmt, dass, wenn System B angewendet wird, „die Mitgliedstaaten zu einer mindestens ebenso feinen Unterscheidung gelangen [müssen], wie es nach System A der Fall wäre“, und dass entsprechend „eine Unterscheidung der Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zu treffen [ist], und zwar anhand der Werte für die obligatorischen Deskriptoren sowie derjenigen optionalen Deskriptoren oder Deskriptorenkombinationen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass typspezifische biologische Referenzbedingungen zuverlässig abgeleitet werden können“. Aus dieser Bestimmung folgt, dass, da das System A für die Beschreibung eines Sees im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/60 die Mindestgröße von 0,5 km² zugrunde legt, die Anwendung des Systems B dazu führt, dass ein See eine solche Oberfläche haben muss, damit dessen Beschreibung durch den betreffenden Mitgliedstaat notwendigerweise zu erfolgen hat.

36.      Diese Auslegung wird durch die Leitlinie Nr. 2 bestätigt. Zwar hat eine solche Leitlinie keinen rechtsverbindlichen Charakter(18), doch ist es interessant, dass es in ihrem Abschnitt 3.5 („Kleine Oberflächengewässer“) heißt, das Ziel der Richtlinie 2000/60 bestehe in der Schaffung eines „Ordnungsrahmens für den Schutz aller Gewässer, einschließlich der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers“, dass aber „Oberflächengewässer viele sehr kleine Gewässer umfassen, deren Bewirtschaftung einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich bringen kann“(19). In Abschnitt 3.5 der Leitlinie Nr. 2 heißt es weiter, dass diese Richtlinie keine Schwelle für sehr kleine „Wasserkörper“ vorsieht und dass „[d]ie Mitgliedstaaten über einen Handlungsspielraum verfügen bei der Entscheidung, ob sich die Ziele der Richtlinie, die für alle Oberflächengewässer gelten, erreichen lassen, ohne jeden einzelnen kleinen, aber einheitlichen und bedeutenden Abschnitt eines Oberflächengewässers als Wasserkörper ermitteln zu müssen“, bevor ein möglicher Ansatz für den Schutz dieser Gewässer vorgeschlagen wird(20).

37.      Insoweit stimme ich mit der Analyse der irischen Regierung überein, dass die Auferlegung derart schwerfälliger Verwaltungspflichten für kleine Oberflächengewässer Ressourcen abziehen könnte, die für die Erfüllung besonderer Verpflichtungen für große Wasserkörper aus der Richtlinie 2000/60 bestimmt sind. Folglich scheint der Umstand, dass Seen mit einer Fläche von weniger als 0,5 km² keiner Beschreibung im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie unterliegen, als solcher nicht unvereinbar mit dem Ziel der Richtlinie, eine Verschlechterung der Oberflächengewässer zu verhindern.

38.      Im Anschluss an die Beschreibung der Oberflächenwasserkörper im Sinne dieses Art. 5 müssen die Mitgliedstaaten die Einstufung ihres ökologischen Zustands gemäß Art. 8 und Anhang V der Richtlinie 2000/60 vornehmen. Da die Mitgliedstaaten jedoch bei Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² nicht zu deren Beschreibung verpflichtet sind, folgt daraus logischerweise, dass sie auch nicht verpflichtet sind, den ökologischen Zustand solcher Seen einzustufen(21). Außerdem hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben und einzustufen, wenn sie dies für gerechtfertigt halten(22).

39.      Nach alledem schlage ich vor, auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 5 und 8 der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen sind, dass sie die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichten, alle Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben und einzustufen.

B.      Erste Vorlagefrage, Buchst. b

40.      Mit Buchst. b seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Antwort auf Buchst. a der ersten Frage anders ausfällt, wenn der betreffende Wasserkörper in einem Schutzgebiet im Sinne der Richtlinie 2000/60 liegt.

1.      Zulässigkeit

41.      Es ist festzustellen, dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass eines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen. Folglich gilt für Fragen nationaler Gerichte eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(23).

42.      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die EPA in ihrem Antwortschreiben geltend machte, dass der See nicht das Kriterium der Lage in einem Schutzgebiet im Sinne der Richtlinie 2000/60 erfülle. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht klargestellt, dass der See nicht in einem Schutzgebiet liege, aber durch eine direkte Gezeitenverbindung(24) unmittelbar mit dem besonderen Schutzgebiet(25) von Kilkieran Bay und deren Inseln verbunden sei.

43.      Mithin ist festzustellen, dass der See nicht in einem Schutzgebiet im Sinne von Anhang IV der Richtlinie 2000/60 liegt. Ich bin daher der Ansicht, dass Buchst. b der ersten Frage hypothetisch und folglich unzulässig ist.

2.      Beantwortung der Vorlagefrage

44.      Für den Fall, dass der Gerichtshof Buchst. b der ersten Frage für zulässig halten sollte, weise ich darauf hin, dass die Mitgliedstaaten u. a. nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/60 bei Schutzgebieten grundsätzlich spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie alle Normen und Ziele erfüllen sollen. Art. 6 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass ein Verzeichnis oder mehrere Verzeichnisse der Schutzgebiete erstellt wird bzw. erstellt werden. Darüber hinaus bestimmt Art. 8 Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Richtlinie, dass bei Schutzgebieten die Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer durch die Spezifikationen nach denjenigen Rechtsvorschriften der Union ergänzt werden, aufgrund deren die einzelnen Schutzgebiete festgelegt worden sind.

45.      Folglich sieht die Richtlinie 2000/60 vor, dass auf Schutzgebiete ergänzende Kontrollen Anwendung finden. Dagegen enthält diese Richtlinie keine Bestimmung, die den in ihren Anhängen II und V festgelegten räumlichen Geltungsbereich der Verpflichtung zur Beschreibung und Einstufung von Oberflächenwasserkörpern, der auf den physischen Eigenschaften des Oberflächengewässers beruht, ändern würde. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten, wie in Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, die Möglichkeit haben, Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben und einzustufen, wenn sie in Schutzgebieten liegen(26).

46.      Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass die Antwort auf Buchst. a der ersten Frage nicht anders ausfällt, wenn der betreffende Wasserkörper in einem Schutzgebiet im Sinne der Richtlinie 2000/60 liegt.

C.      Zweite Vorlagefrage

47.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, wissen, ob die Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass ein Vorhaben, das sich auf einen Oberflächenwasserkörper auswirken kann, von der zuständigen nationalen Behörde genehmigt werden kann, wenn dieser Wasserkörper nicht im Sinne der Art. 5 und 8 dieser Richtlinie beschrieben und eingestuft wurde.

48.      In Anbetracht der vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nach meiner Auffassung nicht beantwortet zu werden.

D.      Dritte Vorlagefrage

49.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die erste Frage verneint wird, im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass sie der zuständigen nationalen Behörde, die über den Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens entscheidet, das sich auf einen See auswirken kann, für den wegen seiner geringen Oberfläche keine Beschreibung oder Einstufung im Sinne der Art. 5 und 8 dieser Richtlinie vorgenommen wurde, Verpflichtungen auferlegt, um den Schutz dieses Wasserkörpers sicherzustellen.

50.      Wie in Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, enthält die Richtlinie 2000/60 eine Reihe von Bestimmungen, insbesondere die Art. 3, 5, 8, 11 und 13, mit denen sie ein komplexes, mehrere detailliert geregelte Abschnitte umfassendes Verfahren schafft, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe der für ihr Hoheitsgebiet festgestellten Besonderheiten und Merkmalen der Wasserkörper umzusetzen.

51.      Im vorliegenden Fall war der betreffende Mitgliedstaat, wie sich aus der vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage ergibt, nicht verpflichtet, eine Beschreibung und Einstufung des Sees im Sinne von Art. 5 bzw. 8 dieser Richtlinie vorzunehmen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die weiteren Schritte des in der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens zum Schutz der Oberflächenwasserkörper eingehalten werden müssen. Mit anderen Worten: Sind kleine Oberflächenwasserkörper generell von der Anwendung der Richtlinie 2000/60 ausgenommen? Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen.

52.      Hierzu ist auf die allgemeine Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen, nach der sich Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 nicht auf die programmatische Formulierung bloßer Ziele der Bewirtschaftungsplanung beschränkt, sondern – sobald der ökologische Zustand des betreffenden Wasserkörpers festgestellt ist – in jedem Abschnitt des nach der Richtlinie vorgeschriebenen Verfahrens verbindliche Wirkungen entfaltet. Diese Bestimmung enthält somit nicht allein grundsätzliche Verpflichtungen, sondern betrifft auch konkrete Vorhaben. Vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme ist daher jede Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers zu vermeiden, unabhängig von längerfristigen Planungen in Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen. Die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper bleibt in jedem Stadium der Durchführung der Richtlinie 2000/60 verbindlich und gilt für jeden Typ und jeden Zustand eines Oberflächenwasserkörpers, für den ein Bewirtschaftungsplan erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen. Der betreffende Mitgliedstaat ist folglich verpflichtet, die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, wenn es geeignet ist, den Zustand des fraglichen Wasserkörpers zu verschlechtern oder die Erreichung eines guten Zustands der Oberflächenwasserkörper zu gefährden, es sei denn, das Vorhaben fällt unter eine der in Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen. Dies bedeutet, dass die zuständigen Behörden nach Art. 4 der Richtlinie 2000/60 verpflichtet sind, im Lauf des Projektgenehmigungsverfahrens, und somit vor dem Erlass einer Entscheidung, zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf die Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderliefen, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern(27).

53.      Diese Rechtsprechung fügt sich in das in Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte klassische Verfahren zum Schutz von Wasserkörpern in den Mitgliedstaaten ein, indem sie u. a. auf die „Feststellung des ökologischen Zustands des Wasserkörpers“ und auf den „Erlass eines Bewirtschaftungsplans“ als Voraussetzungen Bezug nimmt. Daraus könnte abgeleitet werden, dass der betreffende Wasserkörper nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/60 fällt, wenn diese Voraussetzungen wie im Ausgangsverfahren nicht vorliegen.

54.      Im gleichen Sinne soll Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie eine Verschlechterung des Zustands aller „Oberflächenwasserkörper“ verhindern. Nach Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie ist ein „Oberflächenwasserkörper“ ein einheitlicher und „bedeutender“ Abschnitt der Oberflächengewässer, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen. Diese Bestimmung könnte somit dahin ausgelegt werden, dass insbesondere ein kleiner See kein „bedeutender“ Abschnitt der Oberflächengewässer ist, wie die irische, die französische und die niederländische Regierung vortragen.

55.      Zum einen ergibt sich jedoch aus der in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung, dass die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper für „jeden Typ und jeden Zustand eines Oberflächenwasserkörpers“ gilt. So ist über die bloße Einhaltung des mit der Richtlinie 2000/60 geschaffenen Verfahrens hinaus deren Ziel der Schutz u. a. aller Binnenoberflächengewässer. Diesem Ziel muss der Vorrang eingeräumt werden, wenn der betreffende Wasserkörper aufgrund seiner geringen Oberfläche nicht gemäß Anhang II beschrieben und eingestuft wurde.

56.      Zum anderen ist hinsichtlich des Begriffs „bedeutender Abschnitt“ in Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 2000/60 auf die Vorarbeiten zu dieser Richtlinie abzustellen. So hatte die Kommission in ihrem am 26. Februar 1997 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik(28) in Art. 2 Nr. 7 dieses Vorschlags ein „Gewässer“ als „ein[en] separate[n] und homogene[n] Oberflächen- oder Grundwasserkörper, z. B. Grundwasserleiter, See, Speicherbecken, Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, Ästuar oder ein Streifen Küstengewässer“(29) und in Art. 2 Nr. 8 „bedeutende Gewässer“ als „alle Gewässer, die im Sinne von Artikel 8 für die Erzeugung von Trinkwasser aus einer einzigen Quelle zur Versorgung von mehr als 15 Haushalten genutzt werden sollen“ definiert. Beim Erlass der Richtlinie 2000/60 wurden diese Definitionen nicht übernommen, ohne dass der Begriff des „bedeutenden“ Abschnitts der Oberflächengewässer in dieser Richtlinie definiert wurde.

57.      Auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs zu den Gründen, die den Unionsgesetzgeber dazu veranlasst haben, vom ursprünglichen „Gewässer“-Begriff abzuweichen, hat die irische Regierung geltend gemacht, dass die Vorarbeiten ihren Standpunkt bestätigten, wonach der Unionsgesetzgeber beabsichtigt habe, eine in der Praxis anwendbare Untergrenze festzulegen. Die niederländische Regierung hat ihrerseits vorgetragen, dass sich der Begriff „bedeutender Abschnitt“ auf ein räumliches Kriterium, nämlich die Größe, beziehe. Nach Auffassung der Kommission ist kein Zusammenhang zwischen dem Adjektiv „bedeutend“ und einem Gebiet mit einer Oberfläche von mindestens 0,5 km² herzustellen, da aus den verschiedenen Sprachfassungen der Richtlinie 2000/60 hervorgehe, dass die Abgrenzung eines Wasserkörpers als „einheitlich und bedeutend“ eher die topologischen Merkmale betreffe als seine Größe als solche.

58.      Hierzu stelle ich fest, dass diese Richtlinie keine Bestimmung enthält, die die in den Tabellen des Systems A enthaltenen Deskriptoren mit dem Begriff des einheitlichen und „bedeutenden“ Abschnitts eines Oberflächengewässers verknüpft. Daher kann ein „Oberflächenwasserkörper“, der als „ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen“ definiert wird, durch die Verwendung des Ausdrucks „z. B.“ so verstanden werden, dass er sich auf eine Art von Gewässer unabhängig von seiner Größe bezieht, d. h. im vorliegenden Fall auf jeden „See“. Mit anderen Worten könnte ein nicht „bedeutender“ Abschnitt von Oberflächengewässern ein von dieser Definition nicht erfasster Bestandteil wie etwa ein „Tümpel“ sein.

59.      Zwar deuten die in den Tabellen des Systems A enthaltenen Deskriptoren darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber kleine Seen nicht der Beschreibung und Einstufung im Sinne der Art. 5 und 8 der Richtlinie 2000/60 unterwerfen wollte. Wie sich jedoch aus der Systematik dieser Richtlinie ergibt, wollte der Unionsgesetzgeber den Schutz aller Gewässer in den Mitgliedstaaten sicherstellen. Außerdem kann, da Oberflächengewässer naturgemäß miteinander verbunden sind, die Qualität eines kleineren (aber nicht zu vernachlässigenden) Oberflächenwasserbestandteils die Qualität eines anderen, größeren Bestandteils beeinträchtigen(30). Daher ist ein See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km2 dem Schutz der Richtlinie zu unterstellen.

60.      Daraus folgt, dass, wie die Kommission ausgeführt hat, wenn die zuständige nationale Behörde einen Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens erhält, die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung für jeden Oberflächenwasserkörper gilt, auf den sich dieses Vorhaben auswirken könnte. Um die Einhaltung dieser Pflicht zu gewährleisten, müssen diese Wasserkörper folglich Gegenstand des Maßnahmenprogramms nach Art. 11 der Richtlinie sein(31). Insbesondere muss dieses Programm, wie es in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e heißt, „grundlegende Maßnahmen“ enthalten, darunter Begrenzungen der Entnahme von Oberflächensüßwasser. Ein solches Maßnahmenprogramm erscheint meiner Meinung nach jedoch nicht ausreichend, um jedwede Verschlechterung des Zustands eines kleinen Wasserkörpers zu verhindern. In Anbetracht der in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung ist nämlich das konkrete Vorhaben des Falls zu prüfen.

61.      Daher muss die zuständige nationale Behörde, wenn die Genehmigung eines Vorhabens beantragt wird, meiner Auffassung nach den Ad-hoc-Zustand des betreffenden Wasserkörpers feststellen, um sich zu vergewissern, dass dieses Vorhaben nicht zu einer Verschlechterung des Zustands des Wasserkörpers führt. Meiner Ansicht zufolge muss der Mitgliedstaat in entsprechender Anwendung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 dafür sorgen, dass eine Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand dieses Wasserkörpers und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung durchgeführt wird. Dabei geht es nämlich um die Aufstellung von Bewertungskriterien, da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers jede Veränderung umfasst, die geeignet ist, die Verwirklichung des Hauptziels dieser Richtlinie zu beeinträchtigen(32). Zwar wirft eine solche Prüfung bei fehlender vorheriger Beschreibung und Einstufung gewisse praktische Schwierigkeiten auf. Sie ist jedoch notwendig, um den Schutz von Oberflächengewässern in der Union sicherzustellen(33).

62.      Wie aus der in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 hervorgeht, ist der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet, die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, wenn es geeignet ist, den Zustand des fraglichen Wasserkörpers zu verschlechtern oder die Erreichung eines guten Zustands der Oberflächenwasserkörper zu gefährden, es sei denn, das Vorhaben fällt unter eine der in Art. 4 Abs. 7 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen.

63.      Daher schlage ich vor, auf die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass sich die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein Vorhaben, das einen See betrifft, für den wegen seiner geringen Oberfläche keine Beschreibung oder Einstufung vorgenommen wurde, durch eine Ad-hoc-Analyse vergewissern müssen, dass dieses Vorhaben nicht zu einer Verschlechterung des Zustands dieses Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie führen kann.

V.      Ergebnis

64.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des High Court (Hohes Gericht, Irland) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Art. 5 und 8 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik

sind dahin auszulegen, dass

sie die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichten, alle Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² zu beschreiben und einzustufen.

2.      Die Richtlinie 2000/60

ist dahin auszulegen, dass

sich die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein Vorhaben, das einen See betrifft, für den wegen seiner geringen Oberfläche keine Beschreibung oder Einstufung vorgenommen wurde, durch eine Ad-hoc-Analyse vergewissern müssen, dass dieses Vorhaben nicht zu einer Verschlechterung des Zustands dieses Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie führen kann.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1).


3      Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7).


4      Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 1979, L 103, S. 1).


5      S. I. No. 722/2003.


6      S. I. No. 350/2014.


7      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass nach Art. 7 der Verordnung in Bezug auf die Europäischen Gemeinschaften (Wasserpolitik) von 2003 die EPA die zuständige Behörde für die Ermittlung von Wasserkörpern gemäß der Richtlinie 2000/60 in Irland ist.


8      Für Oberflächenwasserkörper sieht dieser Anhang eine Abstufung in fünf ökologische Zustandsklassen vor, nämlich „sehr gut“, „gut“, „mäßig“, „unbefriedigend“ und „schlecht“. Vgl. Urteil vom 28. Mai 2020, Land Nordrhein-Westfalen (C‑535/18, EU:C:2020:391, Rn. 93).


9      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Planungsbehörde ausgeführt, dass diese Bedingungen vorgesehen worden seien, um den Schutz des betreffenden Wasserkörpers sicherzustellen.


10      Dieses (nur in englischer Sprache verfügbare) Dokument ist abrufbar unter: https://circabc.europa.eu/sd/a/655e3e31-3b5d-4053-be19-15bd22b15ba9/Guidance%20No%202%20-%20Identification%20of%20water%20bodies.pdf. Die in den vorliegenden Schlussanträgen angeführten Auszüge wurden frei übersetzt.


11      Vgl. S. 12 dieses Dokuments.


12      In ihrem Antwortschreiben führte die EPA aus, dass es in Irland schätzungsweise 12 000 Seen verschiedener Größe gebe und dass sie 800 Seen als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 ermittelt habe.


13      Vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 42), sowie in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2021, Kommission/Spanien (Verschlechterung des Naturraums Doñana) (C‑559/19, EU:C:2021:512, Rn. 41).


15      Art. 3 („Koordinierung von Verwaltungsvereinbarungen innerhalb einer Flussgebietseinheit“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten die einzelnen Einzugsgebiete innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsgebiets [bestimmen] und sie für die Zwecke dieser Richtlinie jeweils einer Flussgebietseinheit [zuordnen]. Kleine Einzugsgebiete können gegebenenfalls mit größeren Einzugsgebieten zusammengelegt werden oder mit benachbarten kleinen Einzugsgebieten eine Flussgebietseinheit bilden. Grundwässer, die nicht in vollem Umfang in einem einzigen Einzugsgebiet liegen, werden genau bestimmt und der am nächsten gelegenen oder am besten geeigneten Flussgebietseinheit zugeordnet …“.


16      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2021, Kommission/Spanien (Verschlechterung des Naturraums Doñana) (C‑559/19, EU:C:2021:512, Rn. 85 bis 87).


17      Nach dieser Bestimmung „können“ die Mitgliedstaaten Oberflächenwasserkörper zum Zweck dieser erstmaligen Beschreibung in Gruppen zusammenfassen. Es handelt sich folglich um eine bloße Möglichkeit der Sicherstellung eines besseren Schutzes dieser Wasserkörper und nicht um eine Verpflichtung.


18      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 31). In diesem Urteil ist der Gerichtshof somit einer anderen Auslegung gefolgt als in der Leitlinie Nr. 36 zu den „Ausnahmen von den Umweltzielen gemäß Artikel 4 Absatz 7“, die ebenfalls Teil der gemeinsamen Umsetzungsstrategie für die Richtlinie 2000/60 ist.


19      Hervorhebung in der ursprünglichen Fassung. In Abschnitt 3.5 heißt es ferner, dass viele Oberflächenwasserkörper unter die in Anhang II Abschnitt 1.2 festgelegten Mindestgrößenwerte für Flüsse und Seen fallen werden.


20      Hervorhebung in der ursprünglichen Fassung. Gemäß Abschnitt 3.5 wird bei der Anwendung des Systems B empfohlen, die Größe kleiner Flüsse und Seen nach dem System A zu verwenden.


21      Wie im Rahmen der dritten Vorlagefrage geprüft wird, ist der betreffende Mitgliedstaat jedoch verpflichtet, gemäß der Richtlinie 2000/60 den Schutz eines Sees mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km2 sicherzustellen, wenn ein Vorhaben zur Verschlechterung des Zustands dieses Sees führen kann.


22      Die französische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt, dass die zuständigen nationalen Behörden kleine Alpenseen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² beschrieben und anschließend eingestuft hätten, weil diese seit dem 19. Jahrhundert ökologisch und wissenschaftlich überwacht würden und sich daher besonders aussagekräftig und sachdienlich anhand ihrer stichprobenartig verfolgen lasse, wie sich der Gewässerzustand in der alpinen Umwelt über einen längeren Zeitraum entwickele.


23      Vgl. Urteil vom 9. Februar 2023, VZ (Endgültig ausgeschlossener Bieter) (C‑53/22, EU:C:2023:88, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Eine „Gezeitenzone“ ist das Gebiet des Tidenhubs.


25      Art. 1 Buchst. l der Richtlinie 92/43 definiert ein „besonderes Schutzgebiet“ als „ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen [durchgeführt werden], die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten [erforderlich sind], für die das Gebiet bestimmt ist, …“.


26      Die irische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen angegeben, dass die EPA alle Seen in Schutzgebieten beschrieben habe, einschließlich solcher mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km², wobei diese Praxis von der Richtlinie 2000/60 nicht vorgeschrieben werde.


27      Vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 24 bis 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28      KOM(97) 49 endg.


29      Hervorhebung nur hier.


30      In seinen schriftlichen Erklärungen macht der Kläger geltend, dass der See Teil einer Gruppe miteinander verbundener Seen sei, deren zusammengenommene Oberfläche mehr als 50 Hektar betrage.


31      Vgl. in diesem Sinne Abschnitt 3.5 der Leitlinie Nr. 2.


32      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 66).


33      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:16, Nr. 72) ausgeführt habe, wurde die Richtlinie 2000/60 entworfen, um eine Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern möglichst zu verhindern, und in diesem Sinne sollen, wie es im 25. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, Umweltziele festgelegt werden, die sicherstellen, dass sich die Oberflächengewässer und das Grundwasser in der gesamten Union in einem guten Zustand befinden und eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer innerhalb der Union verhindert wird, wobei diese ehrgeizigen Ziele zwangsläufig Belastungen für die Mitgliedstaaten bedeuten.