Language of document : ECLI:EU:C:2024:347

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

25. April 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2000/60/EG – Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Union im Bereich der Wasserpolitik – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a – Umweltziele bei Oberflächengewässern – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, das eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann – Art. 5 und Anhang II – Beschreibung der Typen der Oberflächenwasserkörper – Art. 8 und Anhang V – Einstufung des ökologischen Zustands von Oberflächengewässern – Art. 11 – Maßnahmenprogramm – Vorhaben zur Entnahme von Wasser aus einem See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km²“

In der Rechtssache C‑301/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 26. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2022, in dem Verfahren

Peter Sweetman

gegen

An Bord Pleanála,

Ireland and the Attorney General,

Beteiligte:

Bradán Beo Teoranta,

Galway City Council,

Environmental Protection Agency,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl, J. Passer (Berichterstatter) und der Richterin L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Peter Sweetman, vertreten durch J. Devlin, SC, B. Harrington, Solicitor, und M. Heavey, Barrister,

–        des An Bord Pleanála, vertreten durch J. Moore, Solicitor, R. Mulcahy, SC, und F. Valentine, SC,

–        von Irland, vertreten durch M. Browne, A. Joyce, D. O’Reilly und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von J. Doherty, SC, E. Egan McGrath, SC, G. Gilmore, BL, und A. McBride, SC,

–        der französischen Regierung, vertreten durch B. Travard, J.‑L. Carré und W. Zemamta als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und S. Gijzen als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati und E. Sanfrutos Cano als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. September 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peter Sweetman auf der einen Seite und dem An Bord Pleanála (Planungsbehörde, Irland) (im Folgenden: Behörde) sowie Ireland (Irland) und dem Attorney General (Generalstaatsanwalt, Irland) auf der anderen Seite über ein Vorhaben zur Entnahme von Süßwasser aus einem See.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 25, 33, 34 und 36 der Richtlinie 2000/60 bestimmen:

„(25)      Es sollten gemeinsame Begriffsbestimmungen zur Beschreibung des Zustandes von Gewässern sowohl im Hinblick auf die Güte als auch – soweit für den Umweltschutz von Belang – auf die Menge festgelegt werden. Umweltziele sollen sicherstellen, dass sich die Oberflächengewässer und das Grundwasser in der gesamten Gemeinschaft in einem guten Zustand befinden und eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer auf Gemeinschaftsebene verhindert wird.

(33)      Das Ziel eines guten Gewässerzustands sollte für jedes Einzugsgebiet verfolgt werden, so dass eine Koordinierung der Maßnahmen für Grundwässer und Oberflächengewässer ein und desselben ökologischen, hydrologischen und hydrogeologischen Systems erreicht wird.

(34)      Zum Zwecke des Umweltschutzes müssen die qualitativen und quantitativen Aspekte sowohl bei Oberflächengewässern als auch bei Grundwässern stärker integriert werden, wobei die natürlichen Fließbedingungen von Wasser innerhalb des hydrologischen Kreislaufs zu berücksichtigen sind.

(36)      Es ist erforderlich, eine Analyse der Merkmale eines Einzugsgebiets und der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten sowie eine wirtschaftliche Analyse des Wassergebrauchs zu erstellen. Die Entwicklung des Gewässerzustands in der gesamten Gemeinschaft sollte von den Mitgliedstaaten auf systematische und vergleichbare Weise überwacht werden. Die Mitgliedstaaten brauchen diese Informationen, um auf einer soliden Grundlage Maßnahmenprogramme zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie entwickeln zu können.“

4        Art. 1 („Ziel“) der Richtlinie 2000/60 sieht vor:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks

a)      Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt,

…“

5        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2000/60 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.      ‚Oberflächengewässer‘: die Binnengewässer mit Ausnahme des Grundwassers sowie die Übergangsgewässer und Küstengewässer, wobei im Hinblick auf den chemischen Zustand ausnahmsweise auch die Hoheitsgewässer eingeschlossen sind;

3.      ‚Binnengewässer‘: alle an der Erdoberfläche stehenden oder fließenden Gewässer sowie alles Grundwasser auf der landwärtigen Seite der Basislinie, von der aus die Breite der Hoheitsgewässer gemessen wird;

5.      ‚See‘: ein stehendes Binnenoberflächengewässer;

6.      ‚Übergangsgewässer‘: die Oberflächenwasserkörper in der Nähe von Flussmündungen, die aufgrund ihrer Nähe zu den Küstengewässern einen gewissen Salzgehalt aufweisen, aber im Wesentlichen von Süßwasserströmungen beeinflusst werden;

7.      ‚Küstengewässer‘: die Oberflächengewässer auf der landwärtigen Seite einer Linie, auf der sich jeder Punkt eine Seemeile seewärts vom nächsten Punkt der Basislinie befindet, von der aus die Breite der Hoheitsgewässer gemessen wird, gegebenenfalls bis zur äußeren Grenze eines Übergangsgewässers;

10. ‚Oberflächenwasserkörper‘: ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen;

17.      ‚Zustand des Oberflächengewässers‘: die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand;

18. ‚guter Zustand des Oberflächengewässers‘: der Zustand eines Oberflächenwasserkörpers, der sich in einem zumindest ‚guten‘ ökologischen und chemischen Zustand befindet;

21. ‚ökologischer Zustand‘: die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V;

22.      ‚guter ökologischer Zustand‘: der Zustand eines entsprechenden Oberflächenwasserkörpers gemäß der Einstufung nach Anhang V;

…“

6        Art. 4 („Umweltziele“) der Richtlinie 2000/60 bestimmt:

„(1)      In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt Folgendes:

a)      bei Oberflächengewässern:

i)      [D]ie Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii)      die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Oberflächenwasserkörper, vorbehaltlich der Anwendung der Ziffer iii betreffend künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper, mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 einen guten Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

iii)      die Mitgliedstaaten schützen und verbessern alle künstlichen und erheblich veränderten Wasserkörper mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 ein gutes ökologisches Potential und einen guten chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

(7)      Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:

–        das Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustands oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder das Nichtverhindern einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächen[‑] oder Grundwasserkörpers die Folge von neuen Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern ist, oder

–        das Nichtverhindern einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers die Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit des Menschen ist

und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

a)      Es werden alle praktikablen Vorkehrungen getroffen, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern;

b)      die Gründe für die Änderungen werden in dem in Artikel 13 genannten Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet im Einzelnen dargelegt, und die Ziele werden alle sechs Jahre überprüft;

c)      die Gründe für die Änderungen sind von übergeordnetem öffentlichem Interesse[,] und/oder der Nutzen, den die Verwirklichung der in Absatz 1 genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, wird übertroffen durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung; und

d)      die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Wasserkörpers dienen sollen, können aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden.

(8)      Ein Mitgliedstaat, der die Absätze 3, 4, 5, 6 und 7 zur Anwendung bringt, trägt dafür Sorge, dass dies die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in anderen Wasserkörpern innerhalb derselben Flussgebietseinheit nicht dauerhaft ausschließt oder gefährdet und mit den sonstigen gemeinschaftlichen Umweltschutzvorschriften vereinbar ist.

…“

7        Art. 5 („Merkmale der Flussgebietseinheit, Überprüfung der Umweltauswirkungen menschlicher Tätigkeiten und wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass für jede Flussgebietseinheit oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen Flussgebietseinheit

–        eine Analyse ihrer Merkmale,

–        eine Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwassers und

–        eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung

entsprechend den technischen Spezifikationen gemäß den Anhängen II und III durchgeführt und spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie abgeschlossen werden.“

8        Art. 8 („Überwachung des Zustands des Oberflächengewässers, des Zustands des Grundwassers und der Schutzgebiete“) der Richtlinie 2000/60 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer aufgestellt werden, damit ein zusammenhängender und umfassender Überblick über den Zustand der Gewässer in jeder Flussgebietseinheit gewonnen wird; dabei gilt Folgendes:

–        [B]ei Oberflächengewässern umfassen diese Programme:

i)      die Menge und den Wasserstand oder die Durchflussgeschwindigkeit, soweit sie für den ökologischen und chemischen Zustand und das ökologische Potential von Bedeutung sind, sowie

ii)      den ökologischen und chemischen Zustand und das ökologische Potential;

(2)      Diese Programme müssen spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie anwendungsbereit sein, sofern in den betreffenden Rechtsvorschriften nicht etwas anderes vorgesehen ist. Die Überwachung erfolgt entsprechend den Anforderungen des Anhangs V.

…“

9        Art. 11 („Maßnahmenprogramm“) der Richtlinie 2000/60 sieht vor:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass für jede Flussgebietseinheit oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen Flussgebietseinheit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Analysen gemäß Artikel 5 ein Maßnahmenprogramm festgelegt wird, um die Ziele gemäß Artikel 4 zu verwirklichen. Diese Maßnahmenprogramme können auf Maßnahmen verweisen, die sich auf Rechtsvorschriften stützen, welche auf nationaler Ebene erlassen wurden, und sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken. Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, die für alle Flussgebietseinheiten und/oder für alle in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Teile internationaler Flussgebietseinheiten gelten.

(2)      Jedes Maßnahmenprogramm enthält die ‚grundlegenden‘ Maßnahmen gemäß Absatz 3 und gegebenenfalls ‚ergänzende‘ Maßnahmen.

(3)      ‚Grundlegende Maßnahmen‘ sind die zu erfüllenden Mindestanforderungen und beinhalten

c)      Maßnahmen, die eine effiziente und nachhaltige Wassernutzung fördern, um nicht die Verwirklichung der in Artikel 4 genannten Ziele zu gefährden;

e)      Begrenzungen der Entnahme von Oberflächensüßwasser und Grundwasser sowie der Aufstauung von Oberflächensüßwasser, einschließlich eines oder mehrerer Register der Wasserentnahmen und einer Vorschrift über die vorherige Genehmigung der Entnahme und der Aufstauung. Diese Begrenzungen werden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktualisiert. Die Mitgliedstaaten können Entnahmen oder Aufstauungen, die keine signifikanten Auswirkungen auf den Wasserzustand haben, von diesen Begrenzungen freistellen;

(4)      ‚Ergänzende Maßnahmen‘ sind Maßnahmen, die zusätzlich zu den grundlegenden Maßnahmen geplant und ergriffen werden, um die gemäß Artikel 4 festgelegten Ziele zu erreichen. Anhang VI Teil B enthält eine nichterschöpfende Liste solcher Maßnahmen.

…“

10      In Anhang II der Richtlinie 2000/60 heißt es:

„1.      Oberflächengewässer

1.1      Beschreibung der Typen der Oberflächenwasserkörper

Die Mitgliedstaaten ermitteln die Lage und den Grenzverlauf der Oberflächenwasserkörper und nehmen nach dem folgenden Verfahren eine erstmalige Beschreibung all dieser Wasserkörper vor. Die Mitgliedstaaten können Oberflächenwasserkörper zum Zwecke dieser erstmaligen Beschreibung in Gruppen zusammenfassen.

i)      Die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit werden in eine der folgenden Kategorien von Oberflächengewässern – Flüsse, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer – oder künstliche Oberflächenwasserkörper oder erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper eingeordnet.

ii)      In jeder Kategorie von Oberflächengewässern sind die betreffenden Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit nach Typen zu unterscheiden. Diese Typen sind diejenigen, die entweder nach ‚System A‘ oder ‚System B‘ gemäß Abschnitt 1.2 definiert werden.

iii)      Wird System A angewendet, so sind die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zunächst nach den entsprechenden Ökoregionen in Einklang mit den in Abschnitt 1.2 angegebenen und in der betreffenden Karte in Anhang XI dargestellten geographischen Gebieten zu unterscheiden. Die Wasserkörper innerhalb jeder Ökoregion sind dann nach Arten von Oberflächenwasserkörpern entsprechend den in den Tabellen des Systems A angegebenen Deskriptoren zu unterscheiden.

iv)      Wird System B angewendet, so müssen die Mitgliedstaaten zu einer mindestens ebenso feinen Unterscheidung gelangen, wie es nach System A der Fall wäre. Entsprechend ist eine Unterscheidung der Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit zu treffen, und zwar anhand der Werte für die obligatorischen Deskriptoren sowie derjenigen optionalen Deskriptoren oder Deskriptorenkombinationen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass typspezifische biologische Referenzbedingungen zuverlässig abgeleitet werden können.

1.2      Ökoregionen und Arten von Oberflächenwasserkörpern

1.2.2      Seen

System A

Feststehende Typologie

Deskriptoren

Ökoregion

Ökoregionen nach Karte A in Anhang XI

Typ

Höhenlage

höhere Lage: > 800 m

mittlere Lage: 200 bis 800 m

Tiefland: < 200 m

Tiefe (auf der Grundlage der durchschnittlichen Tiefe)

< 3 m

3 bis 15 m

> 15 m

Größe (auf der Grundlage der Oberfläche)

0,5 bis 1 km2

1 bis 10 km2

10 bis 100 km2

> 100 km2

Geologie

kalkig

silikatisch

organisch




System B

Alternative Beschreibung

Physikalische und chemische Faktoren, die die Eigenschaften des Sees und somit die Struktur und Zusammensetzung der Biozönosen bestimmen

Obligatorische Faktoren

Höhe

geographische Breite

geographische Länge

geographische Länge

Geologie

Größe

Optionale Faktoren

durchschnittliche Wassertiefe

Morphologie des Sees

Wassererneuerungszeit

durchschnittliche Lufttemperatur

Schwankungsbereich der Lufttemperatur

Durchmischungseigenschaften (z. B. monomiktisch, dimiktisch, polymiktisch)

Säurebindungsvermögen

natürliche Nährstoffsituation

durchschnittliche Zusammensetzung des Substrats

Wasserspiegelschwankungen

1.3      Festlegung der typspezifischen Referenzbedingungen für Arten von Oberflächenwasserkörpern

i)      Für jeden gemäß Randnummer 1.1 beschriebenen Oberflächenwasserkörper sind typspezifische hydromorphologische und physikalisch-chemische Bedingungen festzulegen, die denjenigen hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten entsprechen, die in Anhang V Randnummer 1.1 für diesen Typ von Oberflächenwasserkörper für den sehr guten ökologischen Zustand gemäß der entsprechenden Tabelle in Anhang V Randnummer 1.2 angegeben sind. Außerdem sind typspezifische biologische Referenzbedingungen festzulegen, die die biologischen Qualitätskomponenten abbilden, die in Anhang V Randnummer 1.1 für diese Art von Oberflächenwasserkörper bei sehr gutem ökologischen Zustand gemäß der entsprechenden Tabelle in Anhang V Randnummer 1.2 angegeben sind.

1.5      Beurteilung der Auswirkungen

Die Mitgliedstaaten beurteilen, wie empfindlich der Zustand von Oberflächenwasserkörpern auf die in Abschnitt 1.4 genannten Belastungen reagiert.

Die Mitgliedstaaten verwenden die gemäß Abschnitt 1.4 gesammelten Informationen sowie andere einschlägige Informationen einschließlich vorhandener Daten aus der Umweltüberwachung, um zu beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Oberflächenwasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit die für diese Wasserkörper gemäß Artikel 4 aufgestellten Umweltqualitätsziele nicht erreichen. Die Mitgliedstaaten können Modellierungstechniken anwenden, um diese Beurteilung zu unterstützen.

Werden Wasserkörper ermittelt, bei denen das Risiko besteht, dass sie die Umweltqualitätsziele nicht erreichen, wird, soweit angezeigt, eine zusätzliche Beschreibung vorgenommen, um die Ausgestaltung sowohl der Überwachungsprogramme nach Artikel 8 als auch der Maßnahmenprogramme nach Artikel 11 zu optimieren.

…“

11      Im ersten Teil des Anhangs V der Richtlinie 2000/60, der die Regeln für die Einstufung und Überwachung des Zustands der Oberflächengewässer enthält, heißt es:

„…

1.2      Normative Begriffsbestimmungen zur Einstufung des ökologischen Zustands

Tabelle 1.2      Allgemeine Begriffsbestimmungen für den Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern

Im Folgenden wird eine allgemeine Bestimmung der ökologischen Qualität gegeben. Zur Einstufung sind als Werte für die Qualitätskomponenten des ökologischen Zustands bei der jeweiligen Kategorie von Oberflächengewässern die Werte der nachstehenden Tabellen 1.2.1 bis 1.2.4 anzuwenden.

Komponente

Sehr guter Zustand

Guter Zustand

Mäßiger Zustand

Allgemein

Es sind bei dem jeweiligen Oberflächengewässertyp keine oder nur sehr geringfügige anthropogene Änderungen der Werte für die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten gegenüber den Werten zu verzeichnen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit diesem Typ einhergehen.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässers entsprechen denen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Typ einhergehen, und zeigen keine oder nur sehr geringfügige Abweichungen an.

Die typspezifischen Bedingungen und Gemeinschaften sind damit gegeben.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässertyps zeigen geringe anthropogene Abweichungen an, weichen aber nur in geringem Maße von den Werten ab, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässertyps weichen mäßig von den Werten ab, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen. Die Werte geben Hinweise auf mäßige anthropogene Abweichungen und weisen signifikant stärkere Störungen auf, als dies unter den Bedingungen des guten Zustands der Fall ist.


Gewässer, deren Zustand schlechter als mäßig ist, werden als unbefriedigend oder schlecht eingestuft.

Gewässer, bei denen die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des betreffenden Oberflächengewässertyps stärkere Veränderungen aufweisen und die Biozönosen erheblich von denen abweichen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen, werden als unbefriedigend eingestuft.

Gewässer, bei denen die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des betreffenden Oberflächengewässertyps erhebliche Veränderungen aufweisen und große Teile der Biozönosen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen, fehlen, werden als schlecht eingestuft.

1.2.6      Verfahren zur Festlegung chemischer Qualitätsnormen durch die Mitgliedstaaten

Bei der Herleitung von Umweltqualitätsnormen für die in den Nummern 1 bis 9 des Anhangs VIII betreffend den Schutz von aquatischen Biota aufgeführten Schadstoffe gehen die Mitgliedstaaten entsprechend den nachstehenden Bestimmungen vor. Es können Normen für Wasser, Sedimente oder Biota festgelegt werden.

Wenn dies möglich ist, sollten für die unten genannten Taxa, die für den betreffenden Wasserkörpertyp von Belang sind, wie auch für alle anderen aquatischen Taxa, für die Daten verfügbar sind, sowohl akute als auch chronische Daten beschafft werden. Der Grundbestand an Taxa umfasst

–        Algen und/oder Makrophyten,

–        Daphnien oder Organismen, die für salzhaltiges Wasser repräsentativ sind,

–        Fische.

1.3      Überwachung des ökologischen und des chemischen Zustands der Oberflächengewässer

Das Netz zur Überwachung der Oberflächengewässer wird im Einklang mit den Anforderungen des Artikels 8 errichtet. Das Überwachungsnetz muss so ausgelegt sein, dass sich daraus ein kohärenter und umfassender Überblick über den ökologischen und chemischen Zustand in jedem Einzugsgebiet gewinnen lässt und sich die Wasserkörper im Einklang mit den normativen Begriffsbestimmungen der Randnummer 1.2 in fünf Klassen einteilen lassen. Die Mitgliedstaaten erstellen eine oder mehrere Karten, die das Netz zur Überwachung des ökologischen und des chemischen Zustands im Rahmen des Bewirtschaftungsplans für das Einzugsgebiet darstellen.

Auf der Grundlage der Analyse der Eigenschaften und der Überprüfung der Auswirkungen, die gemäß Artikel 5 und Anhang II durchgeführt werden, erstellen die Mitgliedstaaten für jeden Zeitraum, für den ein Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet gilt, ein Programm für die überblicksweise Überwachung und ein operatives Überwachungsprogramm. In einigen Fällen müssen die Mitgliedstaaten möglicherweise Überwachungsprogramme zu Ermittlungszwecken erstellen.

…“

12      Anhang VI Teil B der Richtlinie 2000/60 enthält die nicht erschöpfende Liste ergänzender Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten innerhalb jeder Flussgebietseinheit als Teil der Maßnahmenprogramme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie verabschieden können. Unter diesen Maßnahmen finden sich unter viii) „Entnahmebegrenzungen“.

 Irisches Recht

13      Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2000/60 finden sich in den European Communities (Water Policy) Regulations 2003 (Verordnung in Bezug auf die Europäischen Gemeinschaften [Wasserpolitik] von 2003) (S. I. No 722/2003) und in den European Union (Water Policy) Regulations 2014 (Verordnung in Bezug auf die Europäische Union [Wasserpolitik] von 2014) (S. I. No 350/2014).

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      Das Ausgangsverfahren betrifft einen Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens, jährlich im Zeitraum Mai bis September bis zu 22 Wochen lang bis zu 4 680 m³ Süßwasser wöchentlich durch Pumpen über eine Pipeline an höchstens vier Tagen pro Woche während vier Stunden täglich aus dem Loch an Mhuilinn zu entnehmen, einem in Privateigentum stehenden tidefreien Binnensee auf der Insel Gorumna im County Galway (Irland), dessen Oberfläche 0,083 km² beträgt. Das entnommene Süßwasser sollte nach seiner Zuleitung zu vier von Bradán Beo Teoranta, einem irischen Unternehmen, in der Bucht von Kilkieran im County Galway betriebenen Anlagen dazu dienen, erkrankte Lachse zu baden, um sie von Amöbenbefall und Seeläusen zu befreien.

15      Herr Sweetman erhob beim High Court (Hohes Gericht, Irland), dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache, Klage gegen die Entscheidung der Behörde vom 20. Juli 2018, mit der die beantragte Genehmigung erteilt worden war.

16      Mit Urteil vom 15. Januar 2021 hob das vorlegende Gericht diese Entscheidung auf, da sie den Anforderungen der Richtlinie 2000/60 nicht genüge. Insoweit führte der High Court (Hohes Gericht) insbesondere aus, dass die Environmental Protection Agency (Umweltschutzagentur, Irland, im Folgenden: EPA) für den Loch an Mhuilinn eine auf genauer Beurteilung und Überwachung beruhende Zustandseinstufung hätte vornehmen müssen, so wie es die Richtlinie 2000/60 und die ihrer Umsetzung dienende irische Gesetzgebung erforderten. Da aber die EPA eine solche Zustandseinstufung unterlassen habe, kam das vorlegende Gericht zu dem Schluss, dass es der Behörde unmöglich gewesen sei, zu beurteilen, ob das geplante Vorhaben Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 genüge.

17      Nach der Verkündung dieses Urteils ersuchte Bradán Beo Teoranta die EPA um Stellungnahme. In einem Schreiben vom 28. Januar 2021 legte die EPA ihre Auslegung dar, wonach nach der Richtlinie 2000/60 nur Seen mit einer Oberfläche von mehr als 0,5 km² als ein Wasserkörper im Sinne dieser Richtlinie auszuweisen seien. Bei Seen, deren Oberfläche unter diesem Schwellenwert liege, könnten sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, diese als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 einzuschließen, wenn sie im Zusammenhang mit den Zielen und Bestimmungen dieser Richtlinie von Bedeutung seien. Nach diesen Grundsätzen seien in Irland alle Seen mit einer Oberfläche von mehr als 0,5 km2 sowie kleinere Seen in Schutzgebieten (Gebiete mit besonderem Schutzbedarf oder Gebiete für die Trinkwasserentnahme) als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 ausgewiesen worden. Der Loch an Mhuilinn sei hingegen nicht als Wasserkörper im Sinne der Richtlinie 2000/60 ausgewiesen worden, weil er diese Kriterien bezüglich Oberfläche oder Lage in einem Schutzgebiet nicht erfülle, und die EPA habe deshalb keine Zustandseinstufung für ihn vorgenommen.

18      In Anbetracht dieses Schreibens der EPA stellte die Behörde einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, dem das vorlegende Gericht mit der Begründung stattgab, dass die Angaben in diesem Schreiben den Ausgang dieser Rechtssache beeinflussen könnten.

19      Nach Ansicht des High Court (Hohes Gericht) stelle sich insbesondere im Licht der Erwägungen des Urteils vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433), die zentrale Frage nach der Auslegung der Richtlinie 2000/60, nämlich ob alle Wasserkörper unabhängig von ihrer Größe Gegenstand einer Analyse ihrer Merkmale und einer Einstufung ihres Zustands nach dieser Richtlinie sein müssten, damit ein Gericht im Zusammenhang mit einem Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens, das einen Oberflächenwasserkörper betreffe, in der Lage sei, das geplante Vorhaben unter Bezugnahme auf die Begriffe „Verschlechterung“ und „guter Zustand“ der Oberflächengewässer zu beurteilen.

20      Unter diesen Umständen hat der High Court (Hohes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      a)      Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Wasserkörper unabhängig von der Größe zu beschreiben und anschließend einzustufen, und sind insbesondere alle Seen mit einer topologischen Oberfläche von weniger als 0,5 km2 zu beschreiben und einzustufen?

b)      Inwieweit gilt bei Wasserkörpern in einem Schutzgebiet gegebenenfalls etwas anderes?

2.      Falls die erste Frage, Buchst. a, bejaht wird: Kann eine für Genehmigungen zuständige Behörde eine Genehmigung für ein Vorhaben, das sich auf den Wasserkörper auswirken kann, erteilen, bevor dieser beschrieben und eingestuft wurde?

3.      Falls die erste Frage, Buchst. a, verneint wird: Welchen Verpflichtungen unterliegt eine zuständige Behörde bei der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Vorhaben, das sich möglicherweise auf einen nicht beschriebenen und/oder eingestuften Wasserkörper auswirkt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

21      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 6. Oktober 2021, W. Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Erstens bezieht sich im vorliegenden Fall die erste Frage zwar allgemein auf „Wasserkörper“, doch geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen und im Übrigen aus der Klarstellung am Ende von Buchst. a dieser Frage hervor, dass es im Ausgangsverfahren um einen Oberflächenwasserkörper, nämlich um einen See, geht.

23      Zweitens hat das vorlegende Gericht, obwohl sich Buchst. b der ersten Frage auf Wasserkörper in einem Schutzgebiet bezieht, in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs klargestellt, dass sich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende See nicht in einem solchen Gebiet befinde, sondern tatsächlich nur über eine direkte, durch die Gezeitenzone verlaufende Verbindung mit dem besonderen Schutzgebiet der Bucht und der Inseln von Kilkieran verbunden sei.

24      Drittens schließlich werden in der ersten Frage zwar die Vorschriften des Unionsrechts, um deren Auslegung ersucht wird, nicht genannt, doch ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie aus den vom vorlegenden Gericht in dieser Frage verwendeten Verben „beschreiben“ und „einstufen“, dass es mit dieser Frage im Wesentlichen auf die Verpflichtungen nach Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 der Richtlinie 2000/60 in Verbindung mit deren Anhängen II und V abzielt.

25      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 der Richtlinie 2000/60 in Verbindung mit deren Anhängen II und V dahin auszulegen sind, dass ein See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² unter die Pflicht fällt, zum einen für jede Flussgebietseinheit eine Analyse ihrer Merkmale durchzuführen und zum anderen Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer aufzustellen, damit ein zusammenhängender und umfassender Überblick über den Zustand der Gewässer in jeder Flussgebietseinheit gewonnen wird.

26      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/60, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die vom Unionsgesetzgeber angestrebten qualitativen Ziele erreichen, nämlich die Erhaltung oder Wiederherstellung eines guten Zustands der Oberflächengewässer, eine Reihe von Bestimmungen, darunter die Art. 5 und 8 sowie die Anhänge II und V, enthält und damit ein komplexes, mehrere detailliert geregelte Abschnitte umfassendes Verfahren schafft, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe der für ihr Hoheitsgebiet festgestellten Besonderheiten und Merkmale der Wasserkörper umzusetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2021, Kommission/Spanien [Verschlechterung des Naturraums Doñana], C‑559/19, EU:C:2021:512, Rn. 41 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Was als Erstes Art. 5 der Richtlinie 2000/60 betrifft, verpflichtet diese Bestimmung die Mitgliedstaaten, u. a. dafür zu sorgen, dass für jede Flussgebietseinheit eine Analyse ihrer Merkmale entsprechend den technischen Spezifikationen gemäß dem Anhang II dieser Richtlinie durchgeführt wird.

28      Gemäß Abschnitt 1.1 des Anhangs II der Richtlinie 2000/60 ermitteln die Mitgliedstaaten für die Zwecke der in Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie vorgesehenen Beschreibung der Typen der Oberflächenwasserkörper zunächst die Lage und den Grenzverlauf der Oberflächenwasserkörper und ordnen sodann die Oberflächenwasserkörper innerhalb einer Flussgebietseinheit in eine der aufgeführten Kategorien von Oberflächengewässern (Flüsse, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer), als künstliche Oberflächenwasserkörper oder als erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper ein. Schließlich unterscheiden sie in jeder Kategorie von Oberflächengewässern die betreffenden Wasserkörper innerhalb der Flussgebietseinheit nach Typen, die mit Hilfe von System A oder System B gemäß Abschnitt 1.2 dieses Anhangs II definiert werden. In der Folge sind gemäß Abschnitt 1.3 des genannten Anhangs II die typspezifischen Referenzbedingungen für Arten von Oberflächenwasserkörpern festzulegen.

29      Was Seen und ihre Typologie der Größe auf der Grundlage der Oberfläche betrifft, so sieht Abschnitt 1.2.2 des Anhangs II der Richtlinie 2000/60 im Hinblick auf System A nur die Typen 0,5 bis 1 km2, 1 bis 10 km2, 10 bis 100 km2 und mehr als 100 km2 vor. Im Übrigen bestimmt Abschnitt 1.1 Ziff. iv des Anhangs II, dass die Mitgliedstaaten, wenn System B angewendet wird, zu einer mindestens ebenso feinen Unterscheidung gelangen müssen, wie es nach System A der Fall wäre, was es den Mitgliedstaaten, die sich für System B entscheiden, gestattet, auch die Mindestgröße von 0,5 km² als obligatorischen Beschreibungsfaktor für die Größe im Sinne von Abschnitt 1.2.2 des genannten Anhangs II heranzuziehen.

30      Was ferner den vom Kläger des Ausgangsverfahrens in seiner schriftlichen Stellungnahme angeführten Umstand betrifft, dass eine hydrologische Machbarkeitsstudie von Bradán Beo Teoranta darauf hindeute, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende See, aus dem die Entnahme geplant sei, mit mindestens sieben weiteren Seen verbunden sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2000/60 ein See als stehendes Binnenoberflächengewässer zu verstehen ist und dass das vorlegende Gericht, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts zuständig ist, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wasserkörper dergestalt eingeordnet hat. Im Übrigen ist, wie der Generalanwalt in Fn. 17 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, festzustellen, dass die Mitgliedstaaten zwar nach Abschnitt 1.1 des Anhangs II der Richtlinie 2000/60 Oberflächenwasserkörper zum Zweck der erstmaligen Beschreibung in Gruppen zusammenfassen können, es sich dabei jedoch um eine Möglichkeit und nicht um eine Verpflichtung handelt.

31      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich die in Abschnitt 1.3 des Anhangs II der Richtlinie 2000/60 vorgesehene Verpflichtung zur Festlegung der typspezifischen Referenzbedingungen für Arten von Oberflächenwasserkörpern nicht auf Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² bezieht, und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Mitgliedstaat das System A oder – wie im vorliegenden Fall ausweislich der Antwort des vorlegenden Gerichts auf die in Rn. 23 des vorliegenden Urteils genannte schriftliche Frage des Gerichtshofs – das System B anwendet.

32      Was als Zweites Art. 8 der Richtlinie 2000/60 betrifft, so verpflichtet dieser die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer aufgestellt werden, damit ein zusammenhängender und umfassender Überblick über den Zustand der Gewässer in jeder Flussgebietseinheit gewonnen wird, und bezieht sich in seiner Überschrift insbesondere allgemein auf „Oberflächengewässer“.

33      Da die Mitgliedstaaten jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, bei Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² nicht verpflichtet sind, diese gemäß Art. 5 und Anhang II der Richtlinie 2000/60 zu beschreiben, folgt daraus logischerweise, dass die Mitgliedstaaten auch nicht verpflichtet sind, den ökologischen Zustand solcher Seen gemäß Art. 8 und Anhang V dieser Richtlinie einzustufen.

34      Eine Gesamtbetrachtung der Anhänge II und V der Richtlinie 2000/60 bestätigt, soweit erforderlich, diese Auslegung.

35      Insbesondere bezieht sich Anhang V der Richtlinie 2000/60, der in seinem Abschnitt 1.2 allgemeine Begriffsbestimmungen für den ökologischen Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern zu ihrer Einstufung enthält, ausdrücklich auf die „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern, die in Anhang II dieser Richtlinie definiert sind, der, wie sich aus Rn. 29 des vorliegenden Urteils ergibt, nur Seen mit einer Oberfläche von mindestens 0,5 km² erfasst. Ebenso bezieht sich Abschnitt 1.2.6 des Anhangs V hinsichtlich des von den Mitgliedstaaten zur Festlegung chemischer Qualitätsnormen für Oberflächengewässer anzuwendenden Verfahrens ebenfalls auf die „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern.

36      Des Weiteren geht z. B. aus Abschnitt 1.3 Ziff. i des Anhangs II der Richtlinie 2000/60 hervor, dass die typspezifischen Referenzbedingungen für jeden gemäß Rn. 1.1 dieses Anhangs II beschriebenen Oberflächenwasserkörper so festgelegt werden müssen, dass sie die in Rn. 1.1 des Anhangs V der genannten Richtlinie für diese Art von Oberflächenwasserkörper bei sehr gutem ökologischen Zustand gemäß der entsprechenden Tabelle in Rn. 1.2 des Anhangs V angegebenen hydromorphologischen, physikalisch-chemischen und biologischen Qualitätskomponenten abbilden. Ebenso ist nach Abschnitt 1.5 Abs. 3 des Anhangs II der Richtlinie 2000/60, soweit angezeigt, eine zusätzliche Beschreibung in Bezug auf die ermittelten Wasserkörper erforderlich, bei denen das Risiko besteht, dass sie die Umweltqualitätsziele nicht erreichen, um insbesondere die Ausgestaltung der nach Art. 8 dieser Richtlinie erforderlichen Überwachungsprogramme zu optimieren.

37      Außerdem sind gemäß Abschnitt 1.3 Abs. 2 des Anhangs V der Richtlinie 2000/60 auf der Grundlage der Analyse der Eigenschaften und der Überprüfung der Auswirkungen, die gemäß Art. 5 und Anhang II dieser Richtlinie durchgeführt werden, ein Programm für die überblicksweise Überwachung und ein operatives Überwachungsprogramm zu erstellen.

38      Die Auslegung der Art. 5 und 8 sowie der Anhänge II und V der Richtlinie 2000/60 dahin, dass sich weder die Verpflichtung zur Festlegung der typspezifischen Referenzbedingungen für Arten von Oberflächenwasserkörpern noch die zur Aufstellung von Programmen zur Überwachung des Zustands der Gewässer auf Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² bezieht, wird auch durch die Vorarbeiten zu dieser Richtlinie bestätigt. Zum einen sollten nämlich mit dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 1997, C 184, S. 20), ergänzt durch einen geänderten Vorschlag (ABl. 1998, C 108, S. 94), im Rahmen eines einzigen Anhangs V Verpflichtungen vorgesehen werden, die denen entsprechen, die derzeit in den genannten Anhängen II und V aufgeführt sind. Zum anderen erfasste dieser Vorschlag für eine Richtlinie in der ergänzten Fassung im Rahmen des Systems A keine Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,01 km², während die Richtlinie 2000/60 in der schließlich angenommenen Fassung zu diesem Zweck einen Schwellenwert von 0,5 km² vorsieht.

39      Eine solche Erhöhung der Größenschwelle, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens für Seen vorgenommen wurde, ist u. a. im Licht der Komplexität des in Rn. 26 des vorliegenden Urteils genannten Verfahrens und des Umstands zu sehen, dass die Oberflächengewässer viele sehr kleine Wasserkörper umfassen, deren Bewirtschaftung einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich bringen kann, worauf nach dem Erlass der Richtlinie 2000/60 in Punkt 3.5 der im Rahmen der gemeinsamen Umsetzungsstrategie für diese Richtlinie, an der die Europäische Kommission, sämtliche Mitgliedstaaten, die Beitrittsländer, das Königreich Norwegen sowie weitere Interessenträger und Nichtregierungsorganisationen beteiligt waren, ausgearbeiteten Leitlinie Nr. 2 („Ermittlung von Wasserkörpern“) hingewiesen wurde.

40      Diese Feststellung hindert die Mitgliedstaaten, die es im Hinblick auf die mit der Richtlinie 2000/60 verfolgten Ziele für zweckdienlich halten, jedoch nicht daran, im Rahmen der Durchführung des in Abschnitt 1.1 Ziff. iv des Anhangs II dieser Richtlinie genannten Systems B bestimmte Arten von Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² den mit den Art. 5 und 8 sowie den Anhängen II und V dieser Richtlinie eingeführten Regelungen zu unterwerfen.

41      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 der Richtlinie 2000/60 in Verbindung mit deren Anhängen II und V dahin auszulegen sind, dass ein See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² weder unter die in diesen Bestimmungen vorgesehene Pflicht zur Festlegung seiner typspezifischen Referenzbedingungen noch die dort vorgesehene Pflicht zur Aufstellung von Programmen zur Überwachung des Zustands der Gewässer fällt.

 Zur zweiten Frage

42      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

 Zur dritten Frage

43      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welchen Verpflichtungen eine zuständige Behörde nach der Richtlinie 2000/60 bei der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Vorhaben unterliegt, das sich möglicherweise auf einen See auswirkt, für den aufgrund seiner Oberfläche von weniger als 0,5 km² weder typspezifische Referenzbedingungen noch ein Programm zur Überwachung des Zustands der Gewässer nach Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 in Verbindung mit den Anhängen II und V der Richtlinie 2000/60 festgelegt wurden.

44      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/60 Umweltziele sicherstellen sollen, dass sich die Oberflächengewässer und das Grundwasser in der gesamten Europäischen Union in einem guten Zustand befinden und eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer auf Unionsebene verhindert wird. Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 bestimmt seinerseits, dass ihr Ziel die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme ist. Schließlich werden in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 die von den Mitgliedstaaten zu erreichenden Umweltziele aufgeführt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 35, 36 und 38).

45      Die letztgenannte Bestimmung, deren Abs. 1 die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme betrifft, verfolgt zwei gesonderte, wenn auch eng miteinander verbundene Ziele. Zum einen führen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung). Zum anderen schützen, verbessern und sanieren die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii – vorbehaltlich der Anwendung von Ziff. iii dieser Bestimmung in Bezug auf künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper – alle Oberflächengewässer mit dem Ziel, spätestens Ende des Jahres 2015 einen guten Zustand der Gewässer zu erreichen (Verbesserungspflicht) (Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 39).

46      Soweit sich dieser Art. 4 somit in seinem Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und ii auf „alle Oberflächenwasserkörper“ bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 2000/60 ein „Oberflächenwasserkörper“ „ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen“, und nach Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie ein „See“ „ein stehendes Binnenoberflächengewässer“ ist, ohne dass auf irgendeinen Schwellenwert Bezug genommen würde.

47      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift jedoch nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 26. April 2022, Landespolizeidirektion Steiermark [Höchstdauer von Kontrollen an den Binnengrenzen], C‑368/20 und C‑369/20, EU:C:2022:298, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Insoweit ist zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und ii der Richtlinie 2000/60 festzustellen, dass sich diese Bestimmung zur Festlegung des Umfangs der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils genannten Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung und zur Verbesserung der Oberflächenwasserkörper auch auf den „Zustand“ der genannten Wasserkörper bezieht. Der „Zustand des Oberflächengewässers“ wird in Art. 2 Nr. 17 dieser Richtlinie definiert als „die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand“, wobei der „ökologische Zustand“ in Art. 2 Nr. 21 definiert wird als „die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V“.

49      Wie bereits in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ergibt sich aus Tabelle 1.2 („Allgemeine Begriffsbestimmungen für den Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern“) dieses Anhangs V, dass die Einstufung des ökologischen Zustands nur im Hinblick auf „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern geregelt wird. Außerdem bezieht sich der genannte Anhang V in seinem Abschnitt 1.2.6, wo er das Verfahren zur Festlegung chemischer Qualitätsnormen durch die Mitgliedstaaten regelt, ebenfalls auf die „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern.

50      Aus Wortlaut und Kontext von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und ii der Richtlinie 2000/60 ergibt sich somit, dass die beiden in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und ii der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ebenso wie die Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 dieser Richtlinie und vorbehaltlich der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannten Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Oberflächenwasserkörper zum Zweck der erstmaligen Beschreibung in Gruppen zusammenzufassen, keine Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² erfassen.

51      Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass der genannte Art. 4 und die mit ihm eingeführten Verpflichtungen Teil eines durch die Richtlinie 2000/60 geschaffenen komplexen Verfahrens sind, an dessen Ende sie stehen.

52      Wie nämlich aus der in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, enthält die Richtlinie 2000/60, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die mit dieser Richtlinie angestrebten und in ihrem Art. 4 Abs. 1 genauer dargelegten Umweltziele erreichen, eine Reihe von Bestimmungen, insbesondere die Art. 5 und 8 sowie die Anhänge II und V der genannten Richtlinie, und schafft damit ein komplexes, mehrere detailliert geregelte Abschnitte umfassendes Verfahren, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe der für ihr Hoheitsgebiet festgestellten Besonderheiten und Merkmale der Wasserkörper umzusetzen.

53      Es wäre daher mit der Systematik der Richtlinie 2000/60, insbesondere mit dem komplexen Verfahren, das sie festlegt, unvereinbar, wenn der verbindliche Charakter der in Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie genauer dargelegten Umweltziele auch Oberflächenwasserkörper beträfe, die im Einklang mit dieser Richtlinie nicht Gegenstand von zwei Abschnitten dieses Verfahrens – nämlich den in den Art. 5 und 8 dieser Richtlinie vorgesehenen – waren und auch nicht zwingend hätten sein müssen, wobei die Daseinsberechtigung dieser Verfahrensabschnitte darin besteht, die Erhebung der zur Erreichung der genannten Ziele erforderlichen Daten zu ermöglichen.

54      Außerdem hat der Gerichtshof in Bezug auf die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 vorgesehene Pflicht, eine Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper zu verhindern, mehrfach ausdrücklich entschieden, dass diese Pflicht in jedem Stadium der Durchführung der Richtlinie 2000/60 verbindlich bleibt und für „jeden Typ“ und jeden Zustand eines Oberflächenwasserkörpers gilt, für den ein Bewirtschaftungsplan erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen (Urteile vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 50, vom 4. Mai 2016, Kommission/Österreich, C‑346/14, EU:C:2016:322, Rn. 64, und vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement [Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer], C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 25).

55      Es ist jedoch hervorzuheben, dass – wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat – die Qualität eines kleineren Oberflächenwasserbestandteils die Qualität eines anderen, größeren Bestandteils beeinträchtigen kann, da sich Oberflächengewässer als natürlich miteinander verbunden erweisen können.

56      Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet (Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Daher darf eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie einen Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens prüft, das einen See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² beeinträchtigen könnte, diese Prüfung nicht auf die Auswirkungen des Vorhabens auf diesen See beschränken. Um zu bestimmen, ob dieses Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines solchen Gewässers gefährden kann, hat sie vielmehr die Wasserkörper, die mit diesem See verbunden sind, zu berücksichtigen.

58      Daraus folgt, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme auch verpflichtet ist, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, das wegen seiner Auswirkungen auf einen See, der unter Berücksichtigung seiner Oberfläche von weniger als 0,5 km² nicht Gegenstand einer Beschreibung nach Art. 5 und Anhang II der Richtlinie 2000/60 war und für den aus dem gleichen Grund kein Programm zur Überwachung des Zustands der Gewässer gemäß Art. 8 und Anhang V dieser Richtlinie erstellt wurde, geeignet ist, eine Verschlechterung des Zustands eines anderen Oberflächenwasserkörpers zu verursachen, der von diesem Mitgliedstaat als „Typ“ eines Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurde oder hätte ausgewiesen werden müssen, oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines solchen Gewässers zu gefährden.

59      In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 8 der Richtlinie 2000/60 bei der Anwendung u. a. von Art. 4 Abs. 7 dafür Sorge tragen müssen, dass dies die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in anderen Wasserkörpern innerhalb derselben Flussgebietseinheit nicht dauerhaft ausschließt oder gefährdet und mit den sonstigen Umweltschutzvorschriften der Union vereinbar ist.

60      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs klargestellt, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende See über eine direkte, durch die Gezeitenzone verlaufende Verbindung mit dem besonderen Schutzgebiet der Bucht und der Inseln von Kilkieran verbunden sei. Im Übrigen weist der Kläger des Ausgangsverfahrens in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass sich aus einer hydrologischen Machbarkeitsstudie von Bradán Beo Teoranta vom Juli 2017 ergebe, dass dieser See mit anderen Seen verbunden sei.

61      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese anderen Seen oder gegebenenfalls ein Teil der Küstengewässer von Irland als „Typen“ eines Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurden oder hätten ausgewiesen werden müssen und, wenn dies der Fall ist, ob die Durchführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorhabens den Zustand dieser Oberflächenwasserkörper oder gegebenenfalls eines anderen Oberflächenwasserkörpers, der als „Typ“ eines Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurde oder hätte ausgewiesen werden müssen, beeinträchtigen kann.

62      Im Übrigen wird das vorlegende Gericht auch zu prüfen haben, ob die Durchführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorhabens mit den Maßnahmen vereinbar ist, die nach dem gemäß Art. 11 der Richtlinie 2000/60 für die betreffende Flussgebietseinheit festgelegten Programm durchgeführt wurden.

63      In der Tat fordert Art. 11 Abs. 1 bei einem solchen Maßnahmenprogramm zwar die „Berücksichtigung der Ergebnisse der Analysen gemäß Artikel 5“ der Richtlinie 2000/60, doch ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 11 dieser Richtlinie, dass der Geltungsbereich eines Maßnahmenprogramms nicht nur auf die „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern beschränkt ist, die im Rahmen der Durchführung von Art. 5 und Anhang II dieser Richtlinie beschrieben werden.

64      Insbesondere müssen nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2000/60 die „grundlegenden Maßnahmen“, die in jedes Maßnahmenprogramm aufzunehmen sind und die die zu erfüllenden Mindestanforderungen sind, Maßnahmen beinhalten, die eine effiziente und nachhaltige Wassernutzung fördern, um nicht die Verwirklichung der in Art. 4 dieser Richtlinie genannten Ziele zu gefährden.

65      In Anbetracht der Ausführungen in Rn. 55 des vorliegenden Urteils kann sich in diesem Rahmen ein Schutz des Wassers von Oberflächenwasserkörpern als notwendig erweisen, die, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende See, von dem betreffenden Mitgliedstaat nicht als „Typen“ von Oberflächenwasserkörpern ausgewiesen wurden und auch nicht zwingend so hätten ausgewiesen werden müssen.

66      Diese Auslegung wird durch die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannte Leitlinie bestätigt. Dieses Dokument bestätigt zwar, dass keine Verpflichtung besteht, Seen mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² als „Typen“ eines Oberflächenwasserkörpers auszuweisen, hebt jedoch hervor, dass „die Ziele der Richtlinie [2000/60] für alle Oberflächengewässer gelten“, und empfiehlt, zumindest die in Art. 11 Abs. 3 dieser Richtlinie aufgeführten grundlegenden Maßnahmen auf die sogenannten „kleineren“ Oberflächengewässer anzuwenden, „sofern dies erforderlich ist, um zu vermeiden, dass die Erreichung der Ziele in anderen Wasserkörpern gefährdet wird“.

67      Aus demselben Grund kann es erforderlich sein, Begrenzungen der Entnahme von Wasser im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e und Anhang VI Teil B Ziff. viii der Richtlinie 2000/60 sogar auf Oberflächenwasserkörper anzuwenden, die nicht als „Typen“ des Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurden und auch nicht zwingend so hätten ausgewiesen werden müssen.

68      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob solche Maßnahmen auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden See aufgrund eines von Irland gemäß Art. 11 der Richtlinie 2000/60 erlassenen Maßnahmenprogramms anwendbar sind und ob die Durchführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorhabens mit diesen Maßnahmen vereinbar ist.

69      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 11 der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen sind, dass sie eine zuständige Behörde bei der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Vorhaben, das sich möglicherweise auf einen See auswirkt, für den aufgrund seiner Oberfläche von weniger als 0,5 km² weder typspezifische Referenzbedingungen noch ein Programm zur Überwachung des Zustands der Gewässer nach Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 in Verbindung mit den Anhängen II und V der Richtlinie 2000/60 festgelegt wurden, verpflichten, zum einen sicherzustellen, dass die Durchführung eines solchen Vorhabens aufgrund seiner Auswirkungen auf einen solchen See keine Verschlechterung des Zustands eines anderen Oberflächenwasserkörpers verursachen kann, der von diesem Mitgliedstaat als „Typ“ eines Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurde oder so hätte ausgewiesen werden müssen, oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines solchen anderen Oberflächenwasserkörpers nicht gefährden kann, und zum anderen, dass die Durchführung dieses Vorhabens mit den Maßnahmen vereinbar ist, die im Rahmen des gemäß Art. 11 der Richtlinie 2000/60 für die betreffende Flussgebietseinheit aufgestellten Programms durchgeführt wurden.

 Kosten

70      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in Verbindung mit den Anhängen II und V dieser Richtlinie

sind dahin auszulegen, dass

ein See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² weder unter die in diesen Bestimmungen vorgesehene Pflicht zur Festlegung seiner typspezifischen Referenzbedingungen noch die dort vorgesehene Pflicht zur Aufstellung von Programmen zur Überwachung des Zustands der Gewässer fällt.

2.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 11 der Richtlinie 2000/60

sind dahin auszulegen, dass

sie eine zuständige Behörde bei der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Vorhaben, das sich möglicherweise auf einen See auswirkt, für den aufgrund seiner Oberfläche von weniger als 0,5 km² weder typspezifische Referenzbedingungen noch ein Programm zur Überwachung des Zustands der Gewässer nach Art. 5 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 8 in Verbindung mit den Anhängen II und V der Richtlinie 2000/60 festgelegt wurden, verpflichten, zum einen sicherzustellen, dass die Durchführung eines solchen Vorhabens aufgrund seiner Auswirkungen auf einen solchen See keine Verschlechterung des Zustands eines anderen Oberflächenwasserkörpers verursachen kann, der von diesem Mitgliedstaat als „Typ“ eines Oberflächenwasserkörpers ausgewiesen wurde oder so hätte ausgewiesen werden müssen, oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines solchen anderen Oberflächenwasserkörpers nicht gefährden kann, und zum anderen, dass die Durchführung dieses Vorhabens mit den Maßnahmen vereinbar ist, die im Rahmen des gemäß Art. 11 der Richtlinie 2000/60 für die betreffende Flussgebietseinheit aufgestellten Programms durchgeführt wurden.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.