Language of document : ECLI:EU:T:2013:238

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

14. Mai 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke mit der Darstellung eines Huhns – Ältere nationale Bildmarke mit der Darstellung eines Huhns – Relatives Eintragungshindernis – Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑249/11

Sanco, SA mit Sitz in Barcelona (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Segura Roda,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch J. Crespo Carrillo als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM:

Marsalman, SL mit Sitz in Barcelona,

betreffend eine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 17. Februar 2011 (Sache R 1073/2010‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Sanco, SA und der Marsalman, SL

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter) sowie der Richter S. Frimodt Nielsen und E. Buttigieg,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 10. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 14. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 18. Februar 2008 meldete die Marsalman, SL nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 29, 35 und 39 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 29: „Hühner“;

–        Klasse 35: „Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import; Groß- und Einzelhandelsverkauf von Lebensmitteln aller Art und Verkauf über weltweite Datennetze von Lebensmitteln aller Art“;

–        Klasse 39: „Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen“.

4        Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 28/2008 vom 14. Juli 2008 veröffentlicht.

5        Am 14. Oktober 2008 erhob die Klägerin, die Sanco, SA, Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) für die oben in Randnr. 3 aufgeführten Waren und Dienstleistungen.

6        Der Widerspruch wurde auf folgende ältere spanische Bildmarke gestützt:

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7        Diese Marke umfasst folgende Waren in den Klassen 29 und 31:

–        Klasse 29: „Fleisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“;

–        Klasse 31: „Lebende Tiere“.

8        Der Widerspruch wurde mit den in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009) aufgeführten Eintragungshindernissen begründet.

9        Am 13. April 2010 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise statt und lehnte die Eintragung der angemeldeten Marke für „Hühner“ in Klasse 29 und für die Dienstleistungen „Groß- und Einzelhandelsverkauf von Lebensmitteln aller Art und Verkauf über weltweite Datennetze von Lebensmitteln aller Art“ der Klasse 35 ab. Dagegen wies sie den Widerspruch in Bezug auf die Dienstleistungen „Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import“ der Klasse 35 sowie „Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen“ der Klasse 39 zurück.

10      Am 14. Juni 2010 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein, soweit ihr Widerspruch darin zurückgewiesen worden war.

11      Mit Entscheidung vom 17. Februar 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung der Widerspruchsabteilung über die teilweise Zurückweisung des Widerspruchs. Die Beschwerdekammer stellte fest, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus Durchschnittsverbrauchern der breiten Öffentlichkeit als auch aus einem spezialisierten Publikum angehörenden Verbrauchern zusammensetzten. Außerdem war sie der Auffassung, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen, also „Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import“ und „Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen“ keine Ähnlichkeit mit den von der älteren Marke erfassten Waren, nämlich „Fleisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“ und „Lebende Tiere“, aufwiesen. Im Hinblick auf das Fehlen einer Ähnlichkeit zwischen den von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen stellte die Beschwerdekammer fest, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke und der älteren nationalen Bildmarke bestehe, ohne dass es erforderlich sei, einen Vergleich der streitigen Zeichen durchzuführen.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Eintragung der angemeldeten Marke für alle von dieser erfassten Waren und Dienstleistungen abzulehnen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

 Einleitende Erwägungen

14      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen festgestellt, dass mangels Ähnlichkeit zwischen den von der älteren Marke erfassten Waren und den von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen „Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import“ und „Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen“ zwischen den fraglichen Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe, ohne dass es erforderlich wäre, die in Rede stehenden Zeichen miteinander zu vergleichen (Randnrn. 22 und 25 der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin ist der Ansicht, die angefochtene Entscheidung habe gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, weil zwischen den von der älteren Marke erfassten Waren und den von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen eine Ähnlichkeit bestehe.

15      Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.

16      Folglich kann, wenn keine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den von den fraglichen Zeichen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen besteht, keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 22).

17      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine Verwechslungsgefahr dann vorliegt, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist umfassend, gemäß der Wahrnehmung der Zeichen und der betroffenen Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Somit kann ein geringer Ähnlichkeitsgrad der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen erhöhten Ähnlichkeitsgrad zwischen den Zeichen ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 19).

19      Nach alledem kann nur dann, wenn dargetan wird, dass keine Ähnlichkeit zwischen den von den fraglichen Marken erfassten Waren und Dienstleistungen besteht, festgestellt werden, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen diesen Marken vorliegt, ohne dass eine umfassende Beurteilung der Wahrnehmung der Zeichen und der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren vorgenommen zu werden brauchte.

20      Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei feststellen konnte, dass zwischen den von den in Rede stehenden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen keinerlei Ähnlichkeit bestehe, so dass jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei, ohne eine umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr vorgenommen zu haben.

 Zum Vergleich der betreffenden Waren und Dienstleistungen

 Grundsätzliche Erwägungen

21      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Was insbesondere die Eigenart als einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen betrifft, sei daran erinnert, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinn besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen (Urteile des Gerichts PiraÑAM diseño original Juan Bolaños, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 48, und vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist für die Beurteilung, ob Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, letztlich darauf abzustellen, wie wichtig eine Ware oder Dienstleistung aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise für die Verwendung einer anderen Ware oder Dienstleistung ist.

23      Die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Eigenart als einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen setzt also zunächst die Bestimmung der Verbraucher dieser Waren und Dienstleistungen voraus.

–       Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

24      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Verkehrskreise setzen sich aus den Nutzern zusammen, die sowohl die von der älteren Marke als auch die von der Anmeldemarke erfassten Waren oder Dienstleistungen nutzen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. Mai 2011, ancotel/HABM – Acotel [ancotel], T‑408/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdekammer fest, dass die Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import sowie Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen zum einen für die breite Öffentlichkeit und zum anderen für ein spezialisiertes Publikum bestimmt seien. Sie führte sodann aus, dass sich einige dieser Dienstleistungen im Allgemeinen an Handelsunternehmen richteten. Sie gelangte somit zu dem Ergebnis, dass sich die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus Durchschnittsverbrauchern der breiten Öffentlichkeit als auch aus Verbrauchern, die einem stärker spezialisierten Publikum angehörten, zusammensetzten (vgl. Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung).

27      Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, dass sich die oben genannten Dienstleistungen an Fachleute richten. Diese könnten nämlich solche Dienstleistungen nachfragen. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige dieser Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind. Außerdem ist in Bezug auf „Fleisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“ und „Lebende Tiere“ festzustellen, dass diese Waren zwar von Fachleuten produziert werden und dass die Aufzucht lebender Tiere zwar hauptsächlich von Fachleuten betrieben wird, diese Waren jedoch sowohl von normalen Verbrauchern als auch von Fachleuten erworben werden.

28      Folglich hat die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise im Fall der fraglichen Waren und Dienstleistungen sowohl Fachleute als auch normale Verbraucher umfassen.

–       Zur Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren mit den Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import

29      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass zwischen den von der älteren Marke erfassten Waren „Fleisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“ und „Lebende Tiere“ einerseits und den Dienstleistungen „Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import“ der angemeldeten Marke andererseits keine Ähnlichkeit bestehe.

30      Die Klägerin rügt diese Beurteilung mit der Begründung, dass zwischen den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ein Zusammenhang bestehe und dass die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, dass die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammten. Das HABM tritt dieser Auffassung entgegen und nimmt hierzu im Wesentlichen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug.

31      Insoweit stellt das Gericht zunächst fest, dass die Beschwerdekammer zu Recht der Auffassung war, dass sich die Waren Fleisch, Geflügel, Wild, Fleischextrakte und lebende Tiere ihrer Art, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung nach von den Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import unterscheiden. Die genannten Waren und Dienstleistungen sind, was im Übrigen von der Klägerin nicht bestritten wird, weder untereinander austauschbar noch konkurrieren sie miteinander.

32      Was die Vertriebswege betrifft, hat die Beschwerdekammer – seitens der Klägerin unbeanstandet – ausgeführt, dass diese unterschiedlich seien, weil es unwahrscheinlich und sogar ausgeschlossen sei, dass eine Geflügelfarm oder ‑zuchtanlage genutzt werde, um anderen Unternehmen Werbe-, Handelsvertretungs-, Franchise-, Export- oder Importdienstleistungen anzubieten. In Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen konnte die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei feststellen, dass deren Vertriebswege unterschiedlich sind.

33      Jedoch ist, wie in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen den Waren und Dienstleistungen auch deren Eigenart als einander ergänzende Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen.

34      Insoweit hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Waren der älteren Marke und die Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretungen, Franchisevergabe, Export und Import einander nicht einmal ergänzten, weil Art, Nutzung und Vertriebswege von Waren wie Hühnern und lebenden Tieren keinerlei Beziehung zu diesen Dienstleistungen aufwiesen, was der Verbraucher ohne Weiteres erkenne (vgl. Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung).

35      Die Beschwerdekammer war somit der Auffassung, dass die betreffenden Waren und Dienstleistungen einander aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise deshalb nicht ergänzten, weil es keine Beziehung zwischen ihrer Art, ihrer Nutzung und ihren Vertriebswegen gebe.

36      Allerdings wird, wie in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, die Eigenart von Waren und Dienstleistungen als einander ergänzend im Rahmen der Verwechslungsgefahr nicht danach beurteilt, ob es eine Beziehung zwischen diesen Waren und Dienstleistungen im Hinblick auf ihre jeweilige Art oder Nutzung oder ihre Vertriebswege gibt, sondern danach, ob ein enger Zusammenhang zwischen diesen Waren und Dienstleistungen besteht, d. h., ob die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unerlässlich oder wichtig ist, so dass die Verkehrskreise denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen.

37      Folglich durfte die Beschwerdekammer das Vorliegen eines Ergänzungsverhältnisses zwischen den betreffenden Waren und Dienstleistungen nicht allein aus dem Grund verneinen, dass keine Beziehung zwischen ihrer Art, ihrer Nutzung und ihren Vertriebswegen bestehe. Mit dieser Vorgehensweise hat sie nämlich erneut die Art, die Nutzung und die Vertriebswege der fraglichen Waren und Dienstleistungen berücksichtigt, sich aber nicht zur Wichtigkeit der einen für die Verwendung der anderen aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise geäußert.

38      Was konkret die von der Beschwerdekammer angesprochene Beziehung zwischen der Nutzung dieser Waren und der der Dienstleistungen betrifft, ist festzustellen, dass dieses Kriterium keine umfassende Beurteilung der Frage erlaubt, ob die einen Waren oder Dienstleistungen für die Verwendung der anderen unerlässlich oder zumindest wichtig sind, wie die Prüfung, ob diese Waren und Dienstleistungen einander ergänzen, es erfordert. Der Umstand, dass keine Beziehung zwischen der Nutzung der einen Ware oder Dienstleistung und der der anderen Ware oder Dienstleistung besteht, bedeutet nämlich nicht in jedem Fall, dass die Verwendung der einen für die Verwendung der anderen nicht wichtig oder unerlässlich ist.

39      Somit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer insbesondere nicht ordnungsgemäß geprüft hat, ob die Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretung, Franchisevergabe, Export und Import aus Sicht eines gewerblichen Käufers von Hühnern oder Fleisch beim Erwerb dieser Waren so wichtig waren, dass er denken könnte, dass die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren und die Erbringung dieser Dienstleistungen bei demselben Unternehmen liege.

40      Dieser Mangel, der die von der Beschwerdekammer vorgenommene Prüfung kennzeichnet, wird durch die Ausführungen des HABM vor dem Gericht verdeutlicht, wonach ein Fleischproduzent seinen Kunden gegenüber für seine eigenen Erzeugnisse Import- und Exportdienstleistungen erbringen könne. Wenn dies zutrifft, kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise annehmen, dass Import- und Exportdienstleistungen für den Kauf dieser Waren wichtig sind, so dass sie denken werden, dass diese Waren und diese Dienstleistungen von demselben Unternehmen stammen. Der vom HABM geltend gemachte Umstand, wonach diese Import- und Exportdienstleistung nicht gegen Entgelt erbracht und keinem Dritten angeboten werde, ändert an dieser Beurteilung nichts. Zum einen ist nämlich nicht dargetan, ob diese Dienstleistung in dem vom HABM geltend gemachten Fall unentgeltlich angeboten wird oder ob sie nicht vielmehr Bestandteil des angebotenen Kaufs ist. Zum anderen ist jedenfalls die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise in Bezug auf das Bestehen eines hinreichend engen Zusammenhangs zwischen diesen Waren und Dienstleistungen zu beurteilen. Im vorliegenden Fall hat es die Beschwerdekammer jedoch versäumt, diese Kriterien zu würdigen.

41      Damit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer dadurch, dass sie diese Kriterien nicht berücksichtigt hat, einen Fehler bei der Beurteilung der Eigenart der von der älteren Marke erfassten Waren und der Dienstleistungen Werbung, Handelsvertretung, Franchisevergabe, Export und Import der angemeldeten Marke als einander ergänzende Waren und Dienstleistungen begangen hat.

42      Dieser Fehler hat zur Folge, dass die Beschwerdekammer nicht alle für die Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Waren und Dienstleistungen erheblichen Faktoren berücksichtigt hat. Da somit eine Prüfung, bei der alle für die Beurteilung einer Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Waren und Dienstleistungen erheblichen Faktoren berücksichtigt wurden, versäumt wurde, ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt aufzuheben.

–       Zur Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren mit den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen

43      In der angefochtenen Entscheidung stellte die Beschwerdekammer fest, dass zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen „Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen“ und den Waren „Fleisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“ und „lebende Tiere“ der älteren Marke keine Ähnlichkeit bestehe.

44      Die Klägerin rügt diese Beurteilung und ist der Auffassung, dass es wegen der Verbindungen, die zwischen den Märkten der fraglichen Waren und Dienstleistungen bestünden, sehr unwahrscheinlich sei, dass eine Marke eine dieser Dienstleistungen unabhängig von der Ware kennzeichne.

45      Hierzu stellt das Gericht zunächst fest, dass die Klägerin nicht die Beurteilung der Beschwerdekammer rügt, wonach die in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Waren und Dienstleistungen ihrer Art, ihrem Gegenstand und ihrem Verwendungszweck nach verschieden sind. Diese von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung ist zu bestätigen. Art, Zweck oder Nutzung der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen sind nämlich andere als bei Fleisch, Geflügel, Wild, Fleischextrakten und lebenden Tieren. Außerdem konkurrieren die fraglichen Waren und Dienstleistungen nicht miteinander und sind nicht gegeneinander austauschbar. Diese Dienstleistungen können nämlich Fleisch oder lebende Tiere nicht ersetzen.

46      Die Beschwerdekammer zog aus dem Unterschied zwischen diesen Waren und Dienstleistungen aufgrund ihrer Art, ihres Gegenstands und ihres Verwendungszwecks den Schluss, dass die auf Transport spezialisierten Unternehmen und die Unternehmen, die auf die Herstellung der von der älteren Marke erfassten Waren spezialisiert sind, ebenfalls verschieden seien (vgl. Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung).

47      Das Gericht stellt allerdings fest, dass die Tatsache, dass die Herstellung von Fleisch, Geflügel, Wild und Fleischextrakten sowie die Aufzucht von lebenden Tieren und die Erbringung der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen eine Spezialisierung voraussetzen, nicht notwendigerweise bedeutet, dass die Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten, von denen, die diese Waren herstellen, verschieden sind. Wie die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist es nämlich möglich, dass die in der Produktion von Hähnchen und lebenden Tieren tätigen Unternehmen ihre Ware auf eigene Rechnung transportieren, lagern und vertreiben (vgl. Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung).

48      Außerdem ist für die Beurteilung des Ergänzungsverhältnisses zwischen den Waren und Dienstleistungen nicht auf die Spezialisierung der Unternehmen abzustellen, sondern zu beurteilen, ob die Verbraucher der Waren und Dienstleistungen aufgrund eines zwischen diesen bestehenden Zusammenhangs denken könnten, dass die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren und die Erbringung dieser Dienstleistungen bei demselben Unternehmen liegt. Folglich reicht der Umstand, dass es Unternehmen gibt, die auf die Herstellung der von der älteren Marke erfassten Waren spezialisiert sind, und solche, die auf die Erbringung der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen spezialisiert sind, nicht aus, um zu belegen, dass es kein Ergänzungsverhältnis zwischen diesen Waren und Dienstleistungen gibt.

49      Die Beschwerdekammer war ferner der Auffassung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise für diese Waren und Dienstleistungen wegen der Spezialisierung der betreffenden Unternehmen verschieden seien, so dass keine industrielle oder gewerbliche Verbindung zwischen diesen Unternehmen bestehe. Konkret stellte sie fest, dass sich die Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen aufgrund ihres speziellen Charakters allgemein an Unternehmen und Fachleute einer ganz bestimmten Branche richteten. Sie zog hieraus den Schluss, dass dieses Publikum von den Verkehrskreisen, denen die Waren der älteren Marke angeboten würden, verschieden sei, was die Annahme einer industriellen oder gewerblichen Verbindung zwischen diesen Unternehmen von vornherein ausschließe (vgl. Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung). Das HABM hat sich dieser Auffassung in seiner Klagebeantwortung angeschlossen.

50      Insoweit stellt das Gericht fest, dass es sich bei den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen der angemeldeten Marke um Dienstleistungen handelt, die sich an ein Fachpublikum richten. Dagegen sind die von der älteren Marke erfassten Waren sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für Fachkreise bestimmt. Auch wenn nämlich Fleisch, Geflügel, Wild und Fleischextrakte für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind, können sie sich ebenfalls an gewerbliche Käufer richten. Lebende Tiere einschließlich Hühner sind hauptsächlich für Fachkreise bestimmt.

51      Da sich diese Waren an ein Fachpublikum richten, hat die Beschwerdekammer zu Unrecht festgestellt, dass diese Verkehrskreise von denen der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen verschieden seien. Fachkreise könnten nämlich sowohl die fraglichen Waren kaufen als auch die angeführten Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

52      Außerdem ist zu dem Bestehen eines engen Zusammenhangs zwischen diesen Waren und Dienstleistungen festzustellen, dass die Verwendung der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen das Vorhandensein von Hähnchen voraussetzt, die zu transportieren, lagern und vertreiben sind. In diesem Sinne sind die Hähnchen für die Verwendung der Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen unerlässlich. Umgekehrt kann es für einen Geflügelzüchter wichtig sein, über Transport-, Lager- und Vertriebsdienstleistungen für seine Hühner zu verfügen. In dieser Hinsicht besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen der angemeldeten Marke und den von der älteren Marke erfassten Hühnern. Da der Begriff „Huhn“ auch das Fleisch dieser Tiere bezeichnet, besteht dieser Zusammenhang nicht nur in Bezug auf die lebenden Tiere, sondern auch für die mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren Fleisch und Geflügel.

53      Zudem könnte der gewerbliche Abnehmer dieser Waren und Dienstleistungen, d. h. ein Unternehmen, das Großhandelskäufer von Hähnchen ist und auch die Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen benötigt, denken, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren und die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen. Da nämlich einige Hersteller auch Transportdienstleistungen anbieten, könnte der Käufer der Hähnchen denken, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren und die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen.

54      Das HABM verneint eine Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Waren und Dienstleistungen aus ähnlichen Gründen wie den in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils dargestellten. Es ist nämlich der Auffassung, dass es sich bei den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb, wenn ein Hersteller von Hähnchen seine eigenen Hähnchen transportiere, lagere und vertreibe, nicht um Dienstleistungen handele, die an Dritte gegen Entgelt erbracht würden, sondern um „interne“ oder in Bezug auf die Herstellung von Hähnchen akzessorische Dienstleistungen, so dass der fragliche Hersteller nicht auf dem Markt für die Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen tätig sei. Zur Stützung dieses Arguments beruft sich das HABM zum einen auf eine Analogie zur Erforderlichkeit des Belegs einer öffentlichen Benutzung einer Marke für den Nachweis ihrer tatsächlichen Benutzung und zum anderen auf die Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 7. Februar 2006, Alecansan/HABM – CompUSA (COMP USA) (T‑202/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47).

55      In dieser Hinsicht stellt das Gericht entsprechend den Ausführungen in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils zunächst fest, dass die Beschwerdekammer ihre Behauptung, dass es sich, wenn Hersteller ihre eigenen Waren transportierten, lagerten oder vertrieben, nicht um eine Dritten gegenüber gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handele, durch nichts untermauert hat. Aus dem Umstand, dass ein Unternehmen, das Geflügelzucht betreibt, gleichzeitig die Dienstleistung des Transports von Hähnchen anbietet, kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Dienstleistung unentgeltlich erbracht wird. Außerdem kann aus einem solchen Gesamtangebot nicht geschlossen werden, dass das Unternehmen, das diese ergänzenden Dienstleistungen anbietet, nicht auf dem Markt für Dienstleistungen des Transports von Hähnchen tätig ist. Die Tatsache, dass ein Produzent von Hähnchen Transportdienstleistungen für seine Hähnchen anbietet, bedeutet nämlich, dass er mit Unternehmen konkurriert, die Transportdienstleistungen für Hähnchen anbieten. Damit ist dieser Hersteller auf dem besagten Markt tätig.

56      Sodann ist in grundsätzlicher Hinsicht darauf hinzuweisen, dass bei der Prüfung, ob Waren und Dienstleistungen einander ergänzen, für den Zweck der Beurteilung der zwischen diesen Waren und Dienstleistungen bestehenden Ähnlichkeit nicht darauf abzustellen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen einen „internen“ Charakter im Sinne der Argumentation des HABM (siehe oben, Randnr. 54) haben, sondern darauf, ob nach der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren und die Erbringung dieser Dienstleistungen bei demselben oder bei verschiedenen Unternehmen liegt (siehe oben, Randnr. 22). Die Auffassung der Beschwerdekammer, die das HABM in seinen Ausführungen zum Ergänzungsverhältnis zwischen den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen übernommen hat, ist daher fehlerhaft.

57      Zur Verdeutlichung der Fehlerhaftigkeit der vom HABM vertretenen Auffassung ist zu bemerken, dass diese im vorliegenden Fall auf die Feststellung hinausliefe, dass ein Unternehmen, das Hähnchen kaufen möchte und diese auch transportieren lassen will, wenn es zum einen auf einen am Markt unter einer bestimmten Marke tätigen Hähnchenproduzenten und zum anderen auf einen Erbringer der Dienstleistung Hähnchentransport mit einer identischen Marke trifft, nicht meinen könnte, dass diese Waren und Dienstleistungen von demselben Unternehmen stammen, da, wenn ein Hähnchenhersteller eine Transportleistung anbietet, diese Dienstleistung nur eine akzessorische oder „interne“ Dienstleistung in Bezug auf die Hähnchenherstellung ist und er daher nicht auf dem Markt des Transports von Hähnchen tätig ist. Gemäß der vom HABM vertretenen Auffassung besteht nämlich keinerlei Ähnlichkeit zwischen der Produktion von Hähnchen und den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen, so dass identische Marken für diese Waren und Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr für die Verbraucher dieser Waren und Dienstleistungen nebeneinander bestehen könnten.

58      Aus den in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen könnte aber der Großhandelskäufer von Hähnchen, der darüber hinaus eine Transportdienstleistung für Hähnchen benötigt, annehmen, dass ein ausgeprägter Zusammenhang zwischen der Produktion von Hähnchen und den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen besteht, so dass der Verbraucher dieser Waren und Dienstleistungen denken wird, sie stammten von ein und demselben Unternehmen.

59      Da die Marktpräsenz, so wie sie vom HABM im vorliegenden Fall definiert wird (siehe oben, Randnr. 54), nicht berücksichtigt werden kann, ist eine Analogie zu den im Bereich der tatsächlichen Benutzung einer älteren Marke im Zusammenhang mit einem Widerspruch geltenden Regeln zu verneinen.

60      Ferner ist, soweit sich das HABM auf die Rechtssache beruft, in der das Urteil COMP USA ergangen ist, festzustellen, dass diese sich von der vorliegenden Rechtssache unterscheidet, da es dort um im Versandhandel verkaufte Informatikprodukte und ‑dienstleistungen ging. Außerdem kann im Unterschied zu jener Rechtssache, in der festgestellt worden ist, dass der physische Versand von gekaufter oder gemieteter Computersoft- und ‑hardware an ein Unternehmen, das seine Waren über das Internet anbietet, nur die Durchführung eines Versandkaufs oder eines Dienstleistungsvertrags ohne Bezug zu Transportdienstleistungen darstellt (Urteil COMP USA, Randnr. 47), hier mangels eines entsprechenden Nachweises seitens des HABM nicht davon ausgegangen werden, dass der Transport, die Lagerung und der Vertrieb von Hähnchen nur die Durchführung des Verkaufs der Hähnchen oder eines Dienstleistungsvertrags ohne Bezug zu den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen darstellten.

61      Damit durfte die Beschwerdekammer nicht von vornherein ausschließen, dass die Waren der älteren Marke und die Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen einander ergänzen. Ein solches Ergänzungsverhältnis hätte zumindest in Bezug auf Hähnchen und die Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen festgestellt werden müssen.

62      Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen hatte die Beschwerdekammer alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis von Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Somit hätte die Beschwerdekammer trotz des zwischen Hähnchenfleisch und lebenden Hühnern einerseits und den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen andererseits im Hinblick auf ihre Art, ihren Verwendungszweck, ihre Nutzung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende Waren und Dienstleistungen bestehenden Unterschieds erkennen müssen, dass zwischen ihnen ein gewisses Ergänzungsverhältnis besteht. Aus der Berücksichtigung aller bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen diesen Waren und Dienstleistungen erheblichen Faktoren ergibt sich, dass die Beschwerdekammer fehlerhaft festgestellt hat, dass zwischen diesen Waren und Dienstleistungen keine Ähnlichkeit bestehe.

63      Die angefochtene Entscheidung ist damit auch insoweit aufzuheben, als darin festgestellt wird, dass die Waren der älteren Marke keine Ähnlichkeit mit den Dienstleistungen Transport, Lagerung und Vertrieb von Hähnchen der angemeldeten Marke aufweisen.

2.     Zum Antrag auf Versagung der Eintragung der angemeldeten Gemeinschaftsmarke

64      Die Klägerin beantragt, dass mit dem Urteil des Gerichts die Eintragung der angemeldeten Gemeinschaftsmarke für alle von dieser erfassten Waren und Dienstleistungen abgelehnt werde.

65      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die vom Gericht ausgeübte Kontrolle eine Rechtmäßigkeitskontrolle ist. Wenn ein Rechtsfehler vorliegt, kann es die Entscheidung der Beschwerdekammer aufheben und sie, auf einen entsprechenden Antrag hin, abändern. Es obliegt ihm nicht, die Eintragung einer Marke vorzunehmen oder abzulehnen. Das HABM ist nämlich gemäß Art. 266 AEUV und Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 verpflichtet, die sich aus einem etwaigen Aufhebungsurteil des Unionsrichters ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Es kommt dem Gericht nicht zu, dem HABM Anordnungen zu erteilen, dieses hat aber die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Gerichts zu ziehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 21. Juni 2012, Kavaklidere-Europe/HABM – Yakult Honsha [Yakut], T‑276/09, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Sollte der Antrag der Klägerin dahin auszulegen sein, dass das Gericht ersucht wird, das HABM anzuweisen, die Eintragung der angemeldeten Marke für alle erfassten Waren und Dienstleistungen abzulehnen, ist dieser Antrag für unzulässig zu erklären.

67      Soweit der Antrag dahin auszulegen sein sollte, dass das Gericht ersucht wird, die angefochtene Entscheidung in der Weise abzuändern, dass das Gericht die angefochtene Entscheidung durch eine Entscheidung ersetzt, in der festgestellt wird, dass die angemeldete Marke für die Dienstleistungen, für die die Eintragung in der Entscheidung der Widerspruchsabteilung noch nicht abgelehnt wurde, nicht eingetragen werden darf, ist daran zu erinnern, dass die dem Gericht zustehende Abänderungsbefugnis nicht bewirkt, dass es dazu ermächtigt wäre, seine eigene Beurteilung an die Stelle der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung zu setzen, oder dazu, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, Slg. 2011, I‑5853, Randnr. 72).

68      Die Ausübung der Abänderungsbefugnis ist folglich grundsätzlich auf Situationen zu beschränken, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (Urteil Edwin/HABM, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 72).

69      Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der in den Randnrn. 29 ff. des vorliegenden Urteils dargestellte methodische Fehler bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen aufgrund der nicht hinreichenden Berücksichtigung ihres Ergänzungsverhältnisses hat zur Folge, dass das Gericht eine Frage zu beurteilen hätte, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat. Ferner ist, wie sich aus den Randnrn. 43 ff. des vorliegenden Urteils ergibt, eine wenn auch geringe Ähnlichkeit zwischen bestimmten in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen festzustellen, so dass die Beschwerdekammer eine Prüfung der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Marken und eine umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr hätte vornehmen müssen. Dies hat sie versäumt.

70      Somit ist der Antrag der Klägerin, das Gericht möge die Eintragung der Gemeinschaftsmarke ablehnen, auch dann zurückzuweisen, wenn er als Antrag auf Abänderung zu verstehen sein sollte.

 Kosten

71      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

72      Da das HABM mit seinem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 17. Februar 2011 (Sache R 1073/2010‑2) wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das HABM trägt die Kosten.

Azizi

Frimodt Nielsen

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.