Language of document : ECLI:EU:T:2022:385


URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

22. Juni 2022(*)

„EFRE – Regionalpolitik – Operationelle Programme, die unter das Ziel ‚Investitionen für Wachstum und Beschäftigung‘ in Italien fallen – Beschluss, mit dem der finanzielle Beitrag durch den EFRE zu dem Großprojekt ‚Grande Progetto Nazionale Banda Ultra Larga – Aree Bianche‘ genehmigt wird – Keine Förderfähigkeit von Ausgaben, die dem Begünstigten aufgrund der Mehrwertsteuer entstanden sind – Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 – Begriff ‚Mehrwertsteuer, die im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet wird‘“

In der Rechtssache T‑357/19,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, Avvocato dello Stato,

Klägerin,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und O. Serdula als Bevollmächtigte,

und durch

Königreich Spanien, vertreten durch I. Herranz Elizalde als Bevollmächtigten,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Mantl und F. Tomat als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, des Richters V. Valančius (Berichterstatter) und der Richterin I. Reine,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt die Klägerin, die Italienische Republik, die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2019) 2652 final der Kommission vom 3. April 2019, in dem ein finanzieller Beitrag zu dem Großprojekt „Grande Progetto Nazionale Banda Ultra Larga – Aree Bianche“ genehmigt wird, das in Italien im Rahmen der operationellen Programme „POR Abruzzo FESR 2014-2020“, „Basilicata“, „POR Calabria FESR FSE“, „Campania“, „POR Emilia Romagna FESR“, „POR Lazio FESR“, „POR Liguria FESR“, „POR Lombardia FESR“, „POR Marche FESR 2014-2020“, „POR Piemonte FESR“, „POR Puglia FESR-FSE“, „POR Sardegna FESR“, „Sicilia“, „Toscana“, „POR Umbria FESR“, „POR Veneto FESR 2014-2020“ sowie „Unternehmen und Wettbewerbsfähigkeit“ ausgewählt wurde, soweit damit die dem Begünstigten aufgrund der Mehrwertsteuer entstandenen Kosten von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen werden (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 3. März 2015 verabschiedete das Präsidium des Ministerrats der Italienischen Republik ein Dokument mit dem Titel „Italienische Strategie zur Errichtung eines Ultrabreitbandnetzes“.

3        Diese Strategie umfasste u. a. das Ziel, in Italien Internetgeschwindigkeiten von 100 Megabit pro Sekunde (Mbps) für 85 % der Haushalte und alle öffentlichen Gebäude (einschließlich Schulen und Krankenhäuser) und von mindestens 30 Mbps für die übrige Bevölkerung zu gewährleisten, insbesondere in Gebieten mit Marktversagen, in denen es keine Netze für den Zugang zum Internet der nächsten Generation gab oder in denen private Betreiber nicht planten, solche Netze innerhalb der nächsten drei Jahre zu errichten (im Folgenden „weiße Flecken“).

4        Zur Errichtung der Netze für den Zugang zum Internet der nächsten Generation in den weißen Flecken vor dem 31. Dezember 2022 genehmigte das Interministerielle Komitee für die Wirtschaftsplanung der Italienischen Republik mit Beschluss vom 6. August 2015 den Grundsatz einer direkten öffentlichen Intervention in Höhe von etwa 4 Mrd. Euro, und zwar 2,2 Mrd. Euro, die vom italienischen Entwicklungs- und Kohäsionsfonds finanziert werden, und 1,8 Mrd. Euro, die im Wesentlichen durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziert werden.

5        Im Einzelnen sah das von den italienischen Behörden gewählte Interventionsmodell die Auswahl eines Konzessionärs oder mehrerer Konzessionäre durch öffentliche Ausschreibungen vor, um zum einen die passive Infrastruktur des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang – die Eigentum des italienischen Staates bleiben würde – auszubauen und zum anderen die Wartung, den Betrieb und die kommerzielle Nutzung dieses Netzes für eine verlängerbare Dauer von 20 Jahren sicherzustellen.

6        Mit dem Beschluss C(2016) 3931 final vom 30. Juni 2016 stellte die Europäische Kommission fest, dass die öffentliche Finanzierung der Netze für den Zugang zum Internet der nächsten Generation in den weißen Flecken eine staatliche Beihilfe, „SA.41647 (2016/N) – Italien – Strategia italiana per la banda ultra larga (Italienische Strategie zur Errichtung eines Ultrabreitbandnetzes)“, sei, und dass diese staatliche Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, da sie eine Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete sei, die die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändere, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe.

7        Im Anschluss an diesen Beschluss beauftragte das italienische Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung die Infratel Italia SpA (im Folgenden: Infratel), einen oder mehrere Konzessionäre auszuwählen, um die passive Infrastruktur des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang zu errichten und ihre Wartung und kommerzielle Nutzung sicherzustellen.

8        Am 20. Juni und 8. November 2017 sowie im April 2019 schloss Infratel nach drei Ausschreibungsverfahren Konzessionsverträge mit der Open Fiber SpA, um zum einen die passive Infrastruktur des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang zu errichten und zum anderen die Wartung, den Betrieb und die kommerzielle Nutzung dieses Netzes für eine verlängerbare Dauer von 20 Jahren sicherzustellen.

9        Am 7. September 2017 stellten die italienischen Behörden bei der Kommission einen Antrag auf einen finanziellen Beitrag durch den EFRE für die Durchführung des „Grande Progetto Nazionale Banda Ultra Larga – Aree Bianche“ (im Folgenden: Großprojekt BUL), das von der Verwaltungsbehörde im Rahmen der Prioritätsachse 2 der operationellen Programme „POR Abruzzo FESR 2014-2020“, „Basilicata“, „POR Calabria FESR FSE“, „Campania“, „POR Emilia Romagna FESR“, „POR Lazio FESR“, „POR Liguria FESR“, „POR Lombardia FESR“, „POR Marche FESR 2014-2020“, „POR Piemonte FESR“, „POR Puglia FESR-FSE“, „POR Sardegna FESR“, „Sicilia“, „Toscana“, „POR Umbria FESR“, „POR Veneto FESR 2014-2020“ sowie „Unternehmen und Wettbewerbsfähigkeit“ ausgewählt worden war.

10      Aus diesem Antrag und den von den italienischen Behörden zu seiner Begründung vorgelegten Informationen ging hervor, dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung darin als Begünstigter des Beitrags durch den EFRE bezeichnet wurde, während die Durchführung des Großprojekts BUL Infratel oblag.

11      In diesem Zusammenhang waren die italienischen Behörden der Ansicht, dass die auf die Baukosten entfallende Mehrwertsteuer durch den EFRE förderfähig sei, da sie vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gezahlt werde, ohne dass sie ihm nach den nationalen Mehrwertsteuervorschriften rückerstattet werden könne, da es nicht mehrwertsteuerpflichtig sei und es die Mehrwertsteuer nicht abziehen könne.

12      Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass Infratel vollständig im Eigentum der Agenzia nazionale per l’attrazione degli investimenti e lo sviluppo d’impresa SpA stehe, deren alleiniger Anteilsinhaber das ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) sei.

13      Am 30. April 2018 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um zusätzliche Informationen, um die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer auf die sich aus der Durchführung des Großprojekts BUL ergebenden Baukosten zu beurteilen.

14      Am 2. Juli 2018 übermittelten die italienischen Behörden der Kommission diese zusätzlichen Informationen.

15      Diesen Informationen zufolge stellte sich das Abrechnungssystem in der Phase des Baus des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang wie folgt dar:

–        der Konzessionär übermittelte Infratel Rechnungen über die Kosten der ausgeführten Arbeiten einschließlich Mehrwertsteuer;

–        Infratel übermittelte anschließend Rechnungen über dieselben Beträge einschließlich Mehrwertsteuer an das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung;

–        das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zahlte zum einen den Teil der von Infratel gestellten Rechnungen ohne Steuer und zum anderen die Mehrwertsteuer direkt an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen entsprechend dem in der nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Split-Payment-Verfahren für die Mehrwertsteuer gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2017/784 des Rates vom 25. April 2017 zur Ermächtigung der Italienischen Republik, eine von Artikel 206 und 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sonderregelung anzuwenden, und zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/1401 (ABl. 2017, L 118, S. 17).

16      Außerdem war in Bezug auf die Phase des Betriebs des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang vorgesehen, dass der Konzessionär die Konzessionsgebühr für die Nutzung dieses Netzes an Infratel zahlen und die entsprechende Mehrwertsteuer nach diesem Split-Payment-Verfahren für die Mehrwertsteuer direkt an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen abführen sollte. Infratel musste demnach die Rechnungen für die Gebühren direkt dem Konzessionär stellen.

17      Schließlich wurden in der letzten Fassung des von den italienischen Behörden vorgelegten Finanzierungsantrags die Gesamtkosten des Großprojekts BUL auf 3 096 733 706,11 Euro geschätzt, davon 364 798 002 Euro Mehrwertsteuer. Nach Ansicht dieser Behörden stellte die Mehrwertsteuer teilweise – in Höhe von 210 044 165,81 Euro – aus dem finanziellen Beitrag durch den EFRE förderfähige Kosten dar.

18      Am 26. Dezember 2018 teilte die Kommission den italienischen Behörden mit, dass die Ausgaben für die Mehrwertsteuer im Rahmen des EFRE und des ELER nicht förderfähig seien, und forderte die italienischen Behörden auf, die Mehrwertsteuer von den förderfähigen Gesamtkosten des Großprojekts BUL abzuziehen.

19      Am 6. März 2019 übermittelten die italienischen Behörden der Kommission die endgültige Fassung des Antrags auf einen finanziellen Beitrag zum Großprojekt BUL durch den EFRE. In dieser endgültigen Fassung wurden die Mehrwertsteuerausgaben in Höhe von 210 044 165,81 Euro weiterhin als förderfähige Kosten dieses Vorhabens angegeben.

20      Mit dem angefochtenen Beschluss genehmigte die Kommission den finanziellen Beitrag durch den EFRE zu dem Großprojekt BUL in Höhe von 941 022 670 Euro gemäß Art. 102 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 320).

21      In diesem Beschluss vertrat die Kommission die Auffassung, dass die vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung anlässlich der Durchführung des Großprojekts BUL ausgewiesene Mehrwertsteuer keine wirtschaftliche Belastung für den Begünstigten darstelle und nicht gemäß Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 als im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer erstattungsfähig angesehen werden könne.

22      Diese Schlussfolgerung stützte die Kommission in dem angefochtenen Beschluss auf drei verschiedene Gründe.

23      Erstens könne die Zahlung der Mehrwertsteuer zwischen zwei Ministerien, nämlich dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, nicht als Kosten für die Zentralverwaltung des italienischen Staates angesehen werden, zu der das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gehöre.

24      Zweitens wies die Kommission angesichts des Status von Infratel als Innengesellschaft (In-House-Gesellschaft) darauf hin, dass die Mehrwertsteuer nicht auf interne Umsätze geschuldet werde und dass die Mehrwertsteuer folglich in den von Infratel dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gestellten Rechnungen nicht enthalten sein dürfte. Außerdem konnte Infratel nach dem angefochtenen Beschluss aufgrund ihrer Eigenschaft als Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer auf die Bauarbeiten abziehen.

25      Drittens verwies die Kommission darauf, dass das Großprojekt BUL durch die Konzessionsgebühren, die der Konzessionär an Infratel für die Nutzung des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang gezahlt habe, Einnahmen erwirtschafte. Da diese Gebühren der Mehrwertsteuer unterliegen, schloss die Kommission daraus, dass diese rückerstattete nachgelagerte Mehrwertsteuer die auf die Arbeiten für den Bau des besagten Netzes geschuldete Vorsteuer neutralisiere, und dass daher die Mehrwertsteuer theoretisch erstattungsfähig gewesen sei, unabhängig von der institutionellen Struktur des Großprojekts BUL und der Trennung von Begünstigtem und Infratel.

26      In diesem Zusammenhang wies die Kommission darauf hin, dass die Formulierung „wird im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet“ in Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 dahin zu verstehen sei, dass sie die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer in allen Situationen ausschließe, in denen der Begünstigte die Mehrwertsteuer abziehen, die Mehrwertsteuer zurückgezahlt bekommen oder sie auf irgendeine Weise rückerstattet bekommen könne.

27      Daher war die Kommission der Ansicht, dass die Mehrwertsteuerausgaben für das Großprojekt BUL nicht für einen finanziellen Beitrag durch den EFRE in Betracht kämen.

 Anträge der Parteien

28      Mit Klageschrift, die am 14. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Italienische Republik die vorliegende Klage erhoben. Sie beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als er die dem Begünstigten aufgrund der Mehrwertsteuer entstandenen Kosten von einem Beitrag durch den EFRE ausschließt;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Tschechische Republik und das Königreich Spanien beantragen,

–        der Klage der Italienischen Republik stattzugeben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

31      Die Italienische Republik stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013, zweitens einen Verstoß gegen die Art. 9, 11, 13, 28, 206 und 250 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie gegen Art. 4 Abs. 2 EUV und drittens einen Verstoß gegen Art. 61 Abs. 8 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 geltend macht.

32      Im vorliegenden Fall hält es das Gericht für angezeigt, zunächst den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 zu prüfen.

33      Mit diesem Klagegrund macht die Italienische Republik, unterstützt durch die Tschechische Republik und das Königreich Spanien, geltend, dass entgegen Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1084/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 zur Errichtung des Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 (ABl. 2006, L 210, S. 79) und entgegen Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1783/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 1) Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 einen strikten Verweis auf das nationale Mehrwertsteuerrecht enthalte, was nunmehr bedeute, dass nur die im Sinne der spezifisch steuerrechtlichen Vorschriften abzugsfähigen Mehrwertsteuerkosten von den förderfähigen Kosten ausgeschlossen werden könnten. Dagegen könnten die anderen Formen der Rückerstattung, die weder spezifisch steuerlicher Natur seien noch sich auf die nationalen Mehrwertsteuervorschriften stützten, nicht dazu führen, die Mehrwertsteuer von den mit einem finanziellen Beitrag durch den EFRE förderfähigen Kosten auszuschließen.

34      Die Italienische Republik weist darauf hin, dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das Begünstigter des finanziellen Beitrags durch den EFRE sei, nicht zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt sei, die es für die Vorhaben für den Bau der passiven Infrastruktur des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang zu entrichten habe, so dass die Kommission diese Mehrwertsteuer, da sie nicht im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet werde, nicht rechtmäßig von den förderfähigen Kosten habe ausschließen können.

35      Die Kommission hält diesen Klagegrund für unbegründet und stützt sich dabei auf die drei oben in den Rn. 22 bis 26 wiedergegebenen Gründe des angefochtenen Beschlusses.

36      Zunächst betont sie, dass die Möglichkeit der Rückerstattung der Mehrwertsteuer nach Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 auf einen Ausdruck verweise, der viel weiter gefasst sei als der der Abzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer, und dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zwar tatsächlich nicht Mehrwertsteuerpflichtiger im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sei, dass es aber dennoch die Mehrwertsteuer im Sinne von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 rückerstattet bekommen könne.

37      Daher sei Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 in Verbindung mit Art. 65 dieser Verordnung über die Förderfähigkeit der Ausgaben auszulegen, aus dem hervorgehe, dass nur Ausgaben, die eine tatsächliche und endgültige Belastung für den Begünstigten darstellten, für einen Beitrag aus den Strukturfonds in Betracht kämen.

38      In diesem Zusammenhang gebe es zwei Fälle, in denen die Mehrwertsteuer keine tatsächliche und endgültige Belastung für den Begünstigten darstelle, nämlich zum einen, wenn der Begünstigte gemäß den Bestimmungen des Titels X der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mehrwertsteuer abziehen könne, und zum anderen, wenn der Begünstigte die Mehrwertsteuer zwar nicht abziehen könne, die getätigten Ausgaben aber auf andere Weise rückerstattet werden könnten, entweder durch einen in anderen Rechtsvorschriften als denen über die Mehrwertsteuer geregelten Ausgleichsmechanismus oder wenn die auf die Arbeiten für den Bau der kofinanzierten Infrastruktur entrichtete Mehrwertsteuer über die Einnahmen aus dem Betrieb dieser Infrastruktur rückerstattet werde, wie im vorliegenden Fall.

39      Insbesondere könnten die Phase der Errichtung und die Phase der Nutzung der Infrastruktur nicht aus technischer, organisatorischer und institutioneller Sicht getrennt werden, und im vorliegenden Fall werde die auf die Arbeiten für den Bau der Infrastruktur entrichtete Vorsteuer tatsächlich rückerstattet, da sie durch die nachgelagerte Mehrwertsteuer, die auf die Konzessionsgebühren für die Nutzung der Infrastruktur erhoben werde, neutralisiert werde.

40      Eine andere Auslegung liefe dem Zweck von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 zuwider, da sie dem Begünstigten erlaubte, die Mehrwertsteuer, die er nach den nationalen Mehrwertsteuervorschriften nicht abziehen könne, zweimal rückerstattet zu bekommen, ein erstes Mal über den nationalen Ausgleichsmechanismus oder aufgrund der auf die Einnahmen erhobenen Mehrwertsteuer und ein zweites Mal aufgrund des Beitrags der Strukturfonds.

 Zur Auslegung von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013

41      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, insbesondere deren Entstehungsgeschichte (vgl. Urteil vom 11. Juli 2018, E LATS, C‑154/17, EU:C:2018:560, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß u. a. den Art. 174 bis 176 AEUV durch die Verordnung Nr. 1303/2013 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 die gemeinsamen Regeln für die „Europäischen Struktur- und Investitionsfonds“ (im Folgenden ESI-Fonds), zu denen der EFRE gehört, sowie die allgemeinen Bestimmungen für den EFRE festgelegt wurden.

43      Insbesondere ergibt sich aus Art. 100 der Verordnung Nr. 1303/2013, dass aus dem EFRE ein Großprojekt, definiert als Vorhaben, das eine Reihe von Arbeiten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen mit nicht zu trennenden Aufgaben einer konkreten wirtschaftlichen oder technischen Art, klar ausgewiesenen Zielen und förderfähigen Gesamtkosten von mehr als 50 000 000 Euro umfasst, finanziert werden kann, sofern dieses Großprojekt Teil eines operationellen Programms oder mehrerer operationeller Programme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ ist, das von der Kommission genehmigt worden ist.

44      In diesem Zusammenhang verpflichtet Art. 102 der Verordnung Nr. 1303/2013 die Kommission für die Feststellung, ob die Auswahl des Großprojekts durch die Verwaltungsbehörde gerechtfertigt ist, dieses Großprojekt auf der Grundlage bestimmter in Art. 101 dieser Verordnung aufgeführter Informationen, insbesondere seiner Gesamtkosten und seiner förderfähigen Gesamtkosten, zu beurteilen.

45      Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 ist in Teil Zwei Kapitel III Titel VII der Verordnung enthalten, in dem die spezifischen Voraussetzungen der Förderfähigkeit festgelegt sind, anhand deren die Ausgaben für ein Vorhaben im Hinblick auf eine Beteiligung des EFRE zu beurteilen sind. So enthält Art. 69 dieser Verordnung zusätzlich zu den Voraussetzungen für die Förderfähigkeit, die gemäß Art. 65 Abs. 1 dieser Verordnung auf der Grundlage der nationalen Regelungen festgelegt werden, spezifische Förderfähigkeitsregelungen für Zuschüsse und rückzahlbare Unterstützung. Insbesondere sieht Art. 69 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung vor, dass die Mehrwertsteuer von Kosten ausgeschlossen ist, die für solche Beiträge aus den ESI-Fonds in Frage kommen, es sei denn, sie wird im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet.

46      Erstens wird nach Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 dann, wenn ein Beitrag aus den ESI-Fonds wie im vorliegenden Fall ein Zuschuss ist, die Mehrwertsteuer, die auf die bezuschusste Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen geschuldet wird, von den Kosten ausgeschlossen, die für diesen Beitrag in Frage kommen, es sei denn, dass diese Mehrwertsteuer im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet wird.

47      Hierzu ist festzustellen, dass eine solche Regel voll und ganz mit dem in Art. 317 AEUV verankerten Erfordernis der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung im Einklang steht, das der Durchführung der Strukturfonds zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2018, Italien/Kommission, T‑91/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:30, Rn. 50). Die Einbeziehung der Mehrwertsteuer in die Kosten, die für einen Beitrag aus den ESI-Fonds in Betracht kommen, wie ein Zuschuss, würde nämlich zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Begünstigten führen, wenn der Begünstigte, nachdem er die auf die bezuschusste Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer entrichtet hat, in der Lage wäre, diese Mehrwertsteuer nach den nationalen Rechtsvorschriften rückerstattet zu bekommen.

48      Nichtsdestoweniger bewirkt Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 auch, dass die Ausgaben für die auf das bezuschusste Vorhaben geschuldete Mehrwertsteuer in die Kosten, die für einen Zuschuss aus den ESI-Fonds in Betracht kommen, einbezogen werden, wenn diese Mehrwertsteuer im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet wird.

49      Der Ausschluss der Mehrwertsteuer von den Kosten, die für einen Zuschuss aus den ESI-Fonds in Betracht kommen, wenn diese Steuer nicht rückerstattet wird, hätte nämlich zur Folge, dass sich der dem Begünstigten der ESI-Fonds obliegende Finanzierungsanteil erhöht, und daher die Durchführung von Vorhaben behindern könnte, die mit diesen Fonds finanziert werden sollen.

50      Aus einer Zusammenschau der Art. 174 bis Art. 176 AEUV ergibt sich aber, dass die Strukturfonds und die sonstigen Finanzierungsinstrumente der Union, die einen Beitrag zum wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt leisten, insbesondere zum Ziel haben, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern. Dieses Ziel ist im Übrigen im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1303/2013 aufgeführt und ist bei der Durchführung der mittels dieser Fonds und Instrumente kofinanzierten Investitionen zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Dezember 2012, GAMP, C‑579/11, EU:C:2012:833, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Folglich gewährleistet Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 – indem er vorsieht, dass die Mehrwertsteuer keine Kosten sind, die für einen Beitrag aus den ESI-Fonds, insbesondere wenn er ein Zuschuss ist, in Betracht kommen, es sei denn, diese Mehrwertsteuer wird im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet – das ordnungsgemäße Funktionieren der durch diese Verordnung geschaffenen Mechanismen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts.

52      Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013, dass die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer, die ihrer Einbeziehung in die Gesamtkosten, die für einen Zuschuss aus einem ESI-Fonds in Betracht kommen, entgegensteht, in den nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sein muss.

53      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der Wortlaut dieser Bestimmung von dem der früheren Regeln unterscheidet, die für Beiträge durch den EFRE in Regel Nr. 7 Ziff. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 448/2004 der Kommission vom 10. März 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1685/2000 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates hinsichtlich der Zuschussfähigkeit der Ausgaben für von den Strukturfonds kofinanzierte Operationen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1145/2003 (ABl. 2004, L 72, S. 66) und dann in Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 festgelegt wurden.

54      Diese Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses aufgehoben waren, sahen nämlich vor, dass die Mehrwertsteuer keine durch den EFRE zuschussfähige Ausgabe war, wenn diese Ausgabe im Fall der Regel Nr. 7 Ziff. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 448/2004 „[r]ückforderbar… – auf welche Weise auch immer –“ und im Fall des Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 „erstattungsfähig“ war.

55      Dagegen geht aus dem Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 klar hervor, dass die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer nunmehr nur noch nach Maßgabe des nationalen Mehrwertsteuerrechts beurteilt werden kann.

56      Zwar hatte die Kommission in dem der Verordnung Nr. 1303/2013 zugrunde liegenden Vorschlag für eine Verordnung (SEK[2011] 1141 endgültig und SEK[2011] 1142 endgültig) vorgeschlagen, die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer auf den Fall zu beschränken, dass die Mehrwertsteuer zum einen im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer nicht rückerstattet wird und zum anderen von einem Empfänger gezahlt wird, der nicht unter die Definition der nicht Steuerpflichtigen im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt, vorausgesetzt, diese Mehrwertsteuer tritt nicht im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Infrastruktur auf.

57      Zum einen vertrat jedoch der Ausschuss der Regionen in seiner Stellungnahme zu diesem Vorschlag (ABl. 2012, C 225, S. 58) folgende Auffassung: Würde – wie von der Kommission vorgeschlagen – bei allen vom öffentlichen Sektor durchgeführten Maßnahmen die nicht rückerstattungsfähige Mehrwertsteuer als nicht förderfähige Ausgabe zu Buche schlagen, würde dadurch der Anteil der nationalen Kofinanzierung wesentlich erhöht und die Fähigkeit der lokalen und regionalen Ebene zur Umsetzung von Projekten gefährdet.

58      Zum anderen geht der Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 auf den Änderungsantrag Nr. 255 des Europäischen Parlaments zu dem oben in Rn. 56 erwähnten Vorschlag für eine Verordnung zurück. Diese Änderung war laut dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Parlaments mit der Notwendigkeit begründet, „die Haushalte öffentlicher Einrichtungen nicht weiter zu belasten, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Umsetzung und die Wirksamkeit der Maßnahmen, die sie unterstützen möchten, beeinträchtigt werden, weil diese Einrichtungen keine Mehrwertsteuereinnahmen in ihre Abschlüsse aufnehmen können“.

59      Zwar hat der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Parlaments darauf hingewiesen, dass dieser Änderungsantrag in Kontinuität mit den vorangegangenen Programmplanungszeiträumen stehe. Entgegen dem Vorbringen der Kommission zielte die damit geltend gemachte Kontinuität jedoch darauf ab, auf den Vorschlag der Kommission, schlicht und einfach jegliche Übernahme der Mehrwertsteuer auszuschließen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts getragen wird, zu antworten, wie sich aus oben der in Rn. 58 auszugsweise wiedergegebenen Stellungnahme des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ergibt. Es ging also nicht darum, die frühere Regelung beizubehalten, nach der die – auf welche Weise auch immer – rückforderbare Mehrwertsteuer von jedem Beitrag aus den ESI-Fonds auszuschließen war.

60      Folglich spiegeln Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 die Absicht des Unionsgesetzgebers wider, die Tragweite der zuvor in Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 vorgesehenen Klausel für die fehlende Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer zu beschränken.

61      Somit beschränkt Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 die fehlende Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer auf Beiträge aus dem EFRE, insbesondere wenn sie ein Zuschuss sind, nunmehr auf den Fall, dass diese Steuer im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer – und nicht, wie die Kommission geltend macht, auf welche Weise auch immer – rückerstattet wird.

62      Drittens ist festzustellen, dass zwischen dem Ausdruck „Mehrwertsteuer, [die] rückerstattet [wird]“ in Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 und dem Ausdruck „Mehrwertsteuer, die abgezogen werden kann“, der u. a. in den Art. 167, 168a, 188, 226, 295 und 310 der Mehrwertsteuerrichtlinie enthalten ist, ein terminologischer Unterschied besteht.

63      So entspricht entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik die Möglichkeit für den Begünstigten eines finanziellen Beitrags aus einem ESI-Fonds, die Mehrwertsteuer rückerstattet zu bekommen, nicht genau dem Abzugsrecht des Steuerpflichtigen im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie (vgl. entsprechend Urteile vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑89/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:451, Rn. 47, und vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑407/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:453, Rn. 46).

64      Aus Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 ergibt sich jedoch, dass das Recht auf Vorsteuerabzug eine Rückerstattungsmodalität darstellt, die der Einbeziehung der Mehrwertsteuer in die mit dem Beitrag aus den ESI-Fonds förderfähigen Kosten entgegensteht, was im Übrigen von keiner der Parteien bestritten wird.

65      Nach ständiger Rechtsprechung kann das Recht auf Vorsteuerabzug, das integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist, nämlich für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden und soll dem Steuerpflichtigen vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlasten. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Soweit ein Steuerpflichtiger zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands oder einer Dienstleistung als solcher handelt und den Gegenstand bzw. die Dienstleistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, ist er berechtigt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diesen Gegenstand oder diese Dienstleistung abzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C‑132/16, EU:C:2017:683, Rn. 25 bis 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Im Kontext der Verordnung Nr. 1303/2013 ermöglicht das durch die Mehrwertsteuerrichtlinie garantierte Recht auf Vorsteuerabzug somit dem Begünstigten eines Zuschusses aus einem ESI-Fonds, wenn dieser Begünstigte Steuerpflichtiger im Sinne dieser Richtlinie ist, die Rückerstattung der Mehrwertsteuer, die er zuvor für die bezuschusste Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen entrichtet hat.

67      Auch wenn der Ausdruck „Mehrwertsteuer, die im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet wird“ zwangsläufig die abzugsfähige Mehrwertsteuer einschließt, kann er folglich nicht auf diesen einen Fall beschränkt werden, da auch andere im nationalen Mehrwertsteuerrecht vorgesehene Erstattungsmöglichkeiten der Berücksichtigung der Mehrwertsteuer im Rahmen des Beitrags aus den ESI-Fonds entgegenstehen können.

68      Viertens und letztens trifft es zu, dass Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013, ebenso wie Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 und Art. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 1084/2006, von denen er beeinflusst ist, nicht die Organisationseinheit oder die Person, aus deren Sicht die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer zu beurteilen ist, bestimmt.

69      Aus Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1303/2013 ergibt sich jedoch, dass für einen Beitrag aus den ESI-Fonds nur Ausgaben in Betracht kommen, die von einem Begünstigten eines solchen Beitrags getätigt und während des maßgeblichen Zeitraums bezahlt wurden. Daher können nur die Ausgaben, die von diesem Begünstigten getätigt und bezahlt werden, als förderfähige Kosten des betreffenden Projekts angesehen werden. Der Begriff „Begünstigter“ wird in Art. 2 Nr. 10 dieser Verordnung als eine Einrichtung des öffentlichen oder privaten Rechts, die mit der Einleitung oder mit der Einleitung und Durchführung von Vorhaben betraut ist, definiert.

70      Daher ist, wie das Gericht bereits in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25) und die Verordnung Nr. 1084/2006 entschieden hat (Urteil vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑89/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:451, Rn. 51), entschieden hat, davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 1303/2013 für die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer auf den Begünstigten der Intervention aus einem ESI-Fonds Bezug genommen wird.

71      Außerdem ist auch darauf hinzuweisen, dass der Rat im Rahmen der Vorarbeiten zum Erlass der Verordnung Nr. 1080/2006 am 12. Juni 2006 einen gemeinsamen Standpunkt zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung betreffend den EFRE angenommen hat, der vorsieht, dass die nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer, „die tatsächlich und endgültig vom Begünstigten zu entrichten ist“, für die Zwecke der Berechnung des aus den Fonds geleisteten Beitrags als zuschussfähige Ausgabe gilt. In einer Mitteilung an das Europäische Parlament vom 13. Juni 2006 erklärte die Kommission, dass sie diesen gemeinsamen Standpunkt unterstützen könne.

72      Vor diesem Hintergrund erließ der Unionsgesetzgeber Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006, wonach die erstattungsfähige Mehrwertsteuer keine für eine Förderung durch den EFRE in Betracht kommende Ausgabe ist.

73      Aus den Vorarbeiten zum Erlass der Verordnung Nr. 1303/2013 geht jedoch nicht hervor, dass die Bestimmung der Organisationseinheit oder der Person, aus deren Sicht die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer zu beurteilen ist, d. h. der Begünstigte eines Beitrags aus einem ESI-Fonds, gegenüber derjenigen geändert worden wäre, die der Gesetzgeber gewählt hatte, als er u. a. Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 erlassen hat.

74      Wenn die Mehrwertsteuer, die aufgrund der Durchführung eines aus einem ESI-Fonds bezuschussten Vorhabens geschuldet wird, tatsächlich und endgültig vom Begünstigten dieses Zuschusses entrichtet wird und wenn diese Mehrwertsteuer ihm im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet wird, kann diese Mehrwertsteuer folglich nicht in die mit diesem Zuschuss förderfähigen Kosten einbezogen werden.

75      Vor dem Hintergrund all dieser Erwägungen sind die drei Gründe zu prüfen, auf die sich der angefochtene Beschluss stützt und die nach Ansicht der Italienischen Republik sämtlich auf einer Verkennung von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 beruhen.

 Zum ersten Grund: Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gehöre zur Zentralverwaltung des italienischen Staates

76      Zunächst ist festzustellen, dass nach dem 25. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung Begünstigter des finanziellen Beitrags durch den EFRE im Sinne der Definition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung Nr. 1303/2013 ist.

77      Darüber hinaus wird in Art. 2 Nr. 9 dieser Verordnung der Ausdruck „Vorhaben“ definiert als „ein Projekt, ein… Vertrag, eine Maßnahme oder ein Bündel von Projekten, ausgewählt von den Verwaltungsbehörden der betreffenden Programme oder unter ihrer Verantwortung, die zu den Zielen einer Priorität bzw. der zugehörigen Prioritäten beitragen“.

78      Überdies ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der von Open Fiber ausgeführte Bau einer Infrastruktur wie eines Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang gegen Entgelt eine Lieferung eines Gegenstands, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt, war, die nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer unterliegt, und dass die auf die Baukosten dieses Netzes entfallende Mehrwertsteuer den Begünstigten des Beitrags durch den EFRE, d. h. das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, belastete.

79      Zu der Begründung im 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach die vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen gezahlte Mehrwertsteuer nicht als Kosten angesehen werden könne, die der Zentralverwaltung des italienischen Staates entstanden seien, führt die Kommission aus, sie habe berücksichtigt, dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung aus dem Staatshaushalt finanziert werde, der u. a. aus Mitteln der Mehrwertsteuererhebung gespeist werde.

80      Zum einen geht aus den Akten jedoch in keiner Weise hervor, dass die wegen der Durchführung des Großprojekts BUL vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung ausgewiesenen Mehrwertsteuerausgaben Gegenstand eines Haushaltsausgleichs seitens des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen waren, so dass eine solche Modalität der Mehrwertsteuerrückerstattung an den Begünstigten des Beitrags durch den EFRE nicht nachgewiesen ist.

81      Zum anderen hat die Kommission, selbst wenn ein solcher Haushaltsausgleich vorliegen sollte, nicht nachgewiesen, dass er eine Rückerstattung im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer wäre.

82      Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 ergibt und oben in den Rn. 52 bis 61 ausgeführt worden ist, ist die fehlende Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer durch Beiträge aus dem EFRE aber auf den Fall beschränkt, dass der Begünstigte, der diese Steuer zu entrichten hat, diese im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet bekommt, und erfasst entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht den Fall, dass die Mehrwertsteuer auf welche Weise auch immer rückerstattet wird.

83      Ferner kann der Begründung im 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht gefolgt werden, da sie zur Folge hätte, dass die Mehrwertsteuer von den für Beiträge aus dem EFRE in Betracht kommenden Kosten systematisch ausgenommen würde, wenn der Begünstigte eine Zentralverwaltung eines Mitgliedstaats, wie etwa – wie hier – ein Ministerium ist.

84      Abgesehen davon, dass sich eine solche Auslegung in keiner Weise aus dem Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 ergibt, würde sie aber zu einer Ungleichbehandlung der öffentlichen Einrichtungen führen, die Begünstigte der ESI-Fonds sein können, und damit gegen Art. 2 Nr. 10 dieser Verordnung verstoßen, der in die Definition des Begriffs des Begünstigten Einrichtungen des öffentlichen Rechts einbezieht, ohne Rücksicht darauf, ob diese Einrichtungen zur Zentralverwaltung eines Mitgliedstaats gehören oder über eine von dem Staat, zu dem sie gehören, gesonderte und eigenständige Rechtspersönlichkeit verfügen.

85      Folglich hat die Kommission dadurch gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 verstoßen, dass sie sich auf den im 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Grund gestützt hat, wonach die Zahlung der Mehrwertsteuer durch das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen nicht als Kosten angesehen werden könnten, die der Zentralverwaltung des italienischen Staates entstanden seien.

 Zum zweiten Grund, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass nicht das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung die Mehrwertsteuerlast trage

86      Im 31. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die Mehrwertsteuerausgaben für den Bau des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang Infratel als Innengesellschaft des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und nicht diesem Ministerium zuzurechnen seien. Gemäß der Mehrwertsteuerrichtlinie werde im Rahmen eines „internen Umsatzes“ keine Steuer geschuldet, so dass die Mehrwertsteuer nicht in den Rechnungen hätte ausgewiesen werden dürfen, die Infratel diesem Ministerium gestellt habe. Da Infratel außerdem mehrwertsteuerpflichtig sei, hätte sie die fragliche Mehrwertsteuer abziehen können.

87      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die italienischen Behörden in ihrem Antrag auf Gewährung des finanziellen Beitrags durch den EFRE angaben, dass die gesamte Finanzierung des Großprojekts BUL, d. h. nicht nur die Kapitalausgaben, zu denen die Kosten für den Erwerb von Vermögenswerten wie Infrastrukturen, sondern auch die Betriebsausgaben gehören, über Infratel verwaltet werde, ohne anzugeben, dass diese Gesellschaft keine Mehrwertsteuer entrichten würde.

88      In demselben Antrag hieß es jedoch, dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gemäß der am 20. Oktober 2015 zwischen diesem Ministerium, der Agenzia nazionale per l’attrazione degli investimenti e lo sviluppo d’impresa und Infratel geschlossenen Programmvereinbarung die Betriebskosten zu tragen habe, zu denen üblicherweise die Steuern gehörten.

89      Außerdem hatten die italienischen Behörden ausdrücklich klargestellt, dass sie die Mehrwertsteuer in die förderfähigen Kosten einbezogen hatten, da diese Steuer vom Begünstigten, d. h. dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, gezahlt werde.

90      Wie sich oben aus Rn. 15 und den Antworten der Italienischen Republik auf die prozessleitenden Maßnahmen ergibt, sollte nämlich der Konzessionär, Open Fiber, nach Maßgabe des Fortschritts der Arbeiten für den Bau des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang Infratel die den Kosten dieser Arbeiten entsprechenden Rechnungen mit Mehrwertsteuer stellen, wobei Infratel nur den Betrag ohne Mehrwertsteuer aus diesen Rechnungen zu zahlen hatte.

91      Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung musste seinerseits den der Mehrwertsteuer entsprechenden Teil dieser Rechnungen direkt an das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen zahlen, und zwar gemäß der oben in Rn. 15 erwähnten Ausnahmeregelung des Split-Payment-Verfahrens für die Mehrwertsteuer, nach dem die auf die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen an Behörden geschuldete Mehrwertsteuer von diesen Behörden direkt auf ein gesondertes und gesperrtes Bankkonto der Steuerverwaltung zu zahlen war.

92      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass nach der von den italienischen Behörden für die Durchführung des Großprojekts BUL gewählten institutionellen Struktur, die von der Kommission nicht bestritten wird, die Last der Mehrwertsteuer auf die Baukosten des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang der Begünstigte des Beitrags durch den EFRE, d. h. das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, und nicht Infratel trug.

93      In Rn. 31 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch festgestellt, dass im Rahmen „interner Umsätze“ keine Mehrwertsteuer geschuldet werde, so dass Infratel die Mehrwertsteuer auf die Baukosten des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang anstelle des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung hätte entrichten können, und dass Infratel diese anschließend hätte abziehen können.

94      Die Ausgabe, die die Mehrwertsteuer auf die Baukosten des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang darstelle, sei daher keine sichere finanzielle Belastung für den Begünstigten des Beitrags durch den EFRE. Daraus folge, dass die Mehrwertsteuer keine förderfähigen Kosten für den Begünstigten darstelle.

95      Erstens ist jedoch festzustellen, dass die Begriffe „interner Umsatz“ und „Innengesellschaft“ in der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht vorgesehen sind. Die Kommission hat sich auch nicht auf Bestimmungen des italienischen Mehrwertsteuerrechts berufen, in denen solche Begriffe definiert oder verwendet würden.

96      Ganz allgemein ist die Kommission den Nachweis schuldig geblieben, dass Infratel als rechtlich vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung getrennte Gesellschaft die Mehrwertsteuer nicht auf das Ministerium abwälzen durfte.

97      Soweit die Kommission zweitens auf Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie Bezug nehmen wollte, trifft es zu, dass diese Bestimmung in ihrem Abs. 1 vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann.

98      Eine solche Bestimmung hat jedoch insoweit einen bedingten Charakter, als sie die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang der engen Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht zwischen den betroffenen Personen bestimmen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, C‑108/14 und C‑109/14, EU:C:2015:496, Rn. 50). Außerdem wurde, wie die Italienische Republik geltend macht, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, die durch diese Bestimmung gebotene Möglichkeit in den italienischen Rechtsvorschriften über Organisationseinheiten wie das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Infratel, die zwei getrennte rechtliche Einheiten sind, nicht umgesetzt.

99      Somit konnte die Kommission jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die Umsätze zwischen Infratel und dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zwischen zwei Organisationseinheiten getätigt wurden, die zusammen einen Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie bildeten, was es dem Ministerium ermöglicht hätte, die für den Bau des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang geschuldete Mehrwertsteuer auf Infratel abzuwälzen.

100    Drittens trifft es zu, dass, wie die Kommission geltend macht, die Entscheidung, die Einnahmen und Ausgaben auf mehrere öffentliche Einrichtungen desselben Mitgliedstaats und unter mehreren Verantwortlichen eines Vorhabens aufzuteilen, die Beurteilung der Förderfähigkeit der Ausgaben, insbesondere der für die Durchführung dieses Projekts entrichteten Mehrwertsteuer, nicht ändern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑407/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:453, Rn. 32).

101    Es genügt jedoch die Feststellung, dass in der vorliegenden Rechtssache die Entscheidung der italienischen Behörden, die Dienstleistungen von Infratel nicht in Anspruch zu nehmen, keine Auswirkungen auf die Zahlung der Mehrwertsteuer durch das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gehabt hätte, die ihm dann für die Arbeiten für den Bau des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang unmittelbar von Open Fiber in Rechnung gestellt worden wäre.

102    Außerdem hat die Kommission weder nachgewiesen noch auch nur behauptet, dass die von den italienischen Behörden für die Durchführung des Großprojekts BUL gewählte institutionelle Struktur, soweit sie die endgültige Mehrwertsteuerlast dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung aufbürdet, im Hinblick auf die in der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Regeln nicht ordnungsgemäß gewesen sei.

103    Folglich verstößt auch der zweite Grund, auf den sich der angefochtene Beschluss stützt, wonach die Last der Mehrwertsteuer auf die Arbeiten für den Bau des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang ausschließlich Infratel als Innengesellschaft des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung tragen müsse, gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013.

 Zum dritten Grund: Neutralisierung der Mehrwertsteuer der auf die Arbeiten für den Bau des Netzes für den UltrabreitbandInternetzugang geschuldeten Mehrwertsteuer durch die auf die Konzessionsgebühren für dieses Netz erhobene Mehrwertsteuer

104    Im 32. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission im Wesentlichen festgestellt, dass die vom Konzessionär an Infratel als öffentlicher Auftraggeber gezahlten Konzessionsgebühren für das Netz für den Ultrabreitband‑Internetzugang der Mehrwertsteuer unterlägen, die der Konzessionär nach dem Split-Payment-Verfahren für die Mehrwertsteuer direkt an die italienische Steuerverwaltung zahle. Die auf die Arbeiten für den Bau dieses Netzes geschuldete Vorsteuer werde daher durch die auf diese Gebühren erhobene nachgelagerte Mehrwertsteuer neutralisiert, so dass sie dadurch theoretisch rückerstattet werde.

105    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich dieser auf die Neutralisierung der auf die Bauarbeiten geschuldeten Mehrwertsteuer durch die Mehrwertsteuer, die Infratel auf die Konzessionsgebühren erheben würde, gestützte Grund nicht auf das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung bezieht, das Begünstigter des Beitrags durch den EFRE für die Durchführung des Großprojekts BUL ist. Daher ist dieser Grund nicht geeignet, zu belegen, dass dieses Ministerium die Mehrwertsteuer, die es auf die Rechnungen für die Phase des Baus des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang zu entrichten hat, im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet bekommen kann.

106    Aus den Akten geht nämlich hervor, dass Infratel nach Maßgabe des Fortschritts der Arbeiten für den Bau dieses Netzes nur den Betrag der von Open Fiber ausgestellten Rechnungen ohne Steuer zahlen musste, während das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung den der Mehrwertsteuer entsprechenden Teil dieser Rechnungen direkt an die Steuerverwaltung abführen musste.

107    Außerdem gilt, wie die Italienische Republik ausgeführt hat, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung nicht als Steuerpflichtiger für Tätigkeiten oder Umsätze, die im Rahmen der Ausübung der institutionellen Aufgaben wie der Durchführung des Großprojekts BUL ausgeführt werden, wenn es diese Tätigkeiten oder Umsätze im Rahmen der öffentlichen Gewalt gemäß Art. 13 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausführt, der durch Art. 4 des Decreto del Presidente della Repubblica n. 633 – Istituzione e disciplina dell’imposta sul valore aggiunto (Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 633 über die Einführung und Regelung der Mehrwertsteuer) vom 26. Oktober 1972 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 292 vom 11. November 1972) in italienisches Recht umgesetzt worden ist.

108    Daher konnte das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung die Mehrwertsteuer auf die Baukosten des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang nicht gemäß den in Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie und in Art. 19 Abs. 1 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 vorgesehenen Modalitäten abziehen.

109    Im Übrigen geht aus den Akten nicht hervor, dass das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung die von Open Fiber auf die Konzessionsgebühren in der Phase des Betriebs des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang geschuldete Mehrwertsteuer, sei es auch nur teilweise, mittelbar erstattet bekommen könnte, so dass davon ausgegangen werden könnte, dass dieses Ministerium nicht die tatsächliche und endgültige Last dieser Ausgabe trägt.

110    Insoweit reicht der Umstand allein, dass Infratel eine Gesellschaft mit öffentlichem Kapital ist, die mittelbar im Eigentum des italienischen Staates steht und dessen Kontrolle unterliegt, nicht aus, um das Bestehen eines Mechanismus der mittelbaren Erstattung der Mehrwertsteuer zugunsten des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung zu belegen.

111    Selbst wenn ein solcher Mechanismus zwischen dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Infratel bestünde oder eingerichtet werden könnte, könnten jedenfalls die von diesem Ministerium in der Phase des Baus des Netzes für den Ultrabreitband‑Internetzugang geschuldeten Mehrwertsteuerausgaben nur dann von den mit dem Beitrag durch den EFRE förderfähigen Gesamtkosten ausgeschlossen werden, wenn diese mittelbare Rückerstattung der Mehrwertsteuer über Infratel in italienischen Rechtsvorschriften über die Mehrwertsteuer vorgesehen wäre, was von der Kommission nicht einmal behauptet wird.

112    Insoweit kann sich die Kommission nicht auf die Entscheidung des Gerichts in den Urteilen vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission (T‑89/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:451), und vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission (T‑407/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:453), berufen.

113    Zwar hat das Gericht in diesen beiden Rechtssachen Nichtigkeitsklagen gegen zwei Beschlüsse der Kommission abgewiesen, mit denen die Mehrwertsteuer von den für Beiträge durch den EFRE und den Kohäsionsfonds in Betracht kommenden Ausgaben ausgeschlossen wurde.

114    Allerdings waren diese beiden Beschlüsse der Kommission zum einen u. a. durch die Verordnung Nr. 1084/2006 geregelt, deren Art. 3 Buchst. e ebenso wie Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1080/2006 die erstattungsfähige Mehrwertsteuer von den Ausgaben ausschloss, die für Interventionen durch den Kohäsionsfonds in Betracht kamen, ohne dass festgestellt zu werden brauchte, ob sich die Rückerstattungsmodalitäten aus einer Anwendung des nationalen Mehrwertsteuerrechts ergaben.

115    Zum anderen hatte in den beiden Rechtssachen, in denen die oben in Rn. 112 angeführten Urteile ergangen sind, der Begünstigte eine einheitliche Finanzverwaltung der Bau- und Betriebsphasen der in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Projekte berücksichtigt und eine für Einnahmen erwirtschaftende Projekte typische Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen.

116    Im vorliegenden Fall stellt, wie oben in Rn. 6 ausgeführt, die Unterstützung im Rahmen des EFRE für das Großprojekt BUL eine mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe dar, wie sich aus der von der Kommission in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften über die staatlichen Beihilfen ausgeführten Einzelüberprüfung des Finanzierungsbedarfs ergibt.

117    Wie die Italienische Republik zu Recht ausführt, ergibt sich aus Art. 61 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1303/2013 in ihrer zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses geltenden Fassung, dass die Vorschriften über Vorhaben, die nach ihrem Abschluss Nettoeinnahmen erwirtschaften, nicht auf Vorhaben anwendbar waren, für die die Unterstützung im Rahmen des Programms eine staatliche Beihilfe darstellt.

118    Schließlich weist die Kommission nicht nach, dass das italienische Mehrwertsteuerrecht andere Mechanismen zur Mehrwertsteuererstattung als das durch die Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegte Recht auf Vorsteuerabzug vorsehe, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts wie dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung ermöglichten, die Mehrwertsteuer, die sie als Endverbraucher ausweisen, rückerstattet zu bekommen.

119    Der Umstand allein, dass die Konzessionsgebühren für das Netz für den Ultrabreitband‑Internetzugang, die der Konzessionär an Infratel als öffentlichen Auftraggeber zahlt, der Mehrwertsteuer unterliegen, wirkt sich folglich nicht auf die tatsächliche und endgültige Zurechenbarkeit der Mehrwertsteuerausgaben für die Durchführung des Großprojekts BUL an das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung aus. Da die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass dieses Ministerium diese Ausgabe im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer rückerstattet bekommen konnte, verstößt auch der dritte im 32. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Grund gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013.

120    Nach alledem verstoßen die drei Gründe, auf denen der angefochtene Beschluss beruht, gegen Art. 69 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass die anderen Klagegründe, auf die sich die Klage stützt, zu prüfen wären.

 Kosten

121    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

122    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Durchführungsbeschluss C(2019) 2652 final der Kommission vom 3. April 2019, in dem ein finanzieller Beitrag zu dem Großprojekt „Grande Progetto Nazionale Banda Ultra Larga – Aree Bianche“ genehmigt wird, das in Italien im Rahmen der operationellen Programme „POR Abruzzo FESR 2014-2020“, „Basilicata“, „POR Calabria FESR FSE“, „Campania“, „POR Emilia Romagna FESR“, „POR Lazio FESR“, „POR Liguria FESR“, „POR Lombardia FESR“, „POR Marche FESR 2014-2020“, „POR Piemonte FESR“, „POR Puglia FESR-FSE“, „POR Sardegna FESR“, „Sicilia“, „Toscana“, „POR Umbria FESR“, „POR Veneto FESR 2014-2020“ sowie „Unternehmen und Wettbewerbsfähigkeit“ ausgewählt wurde, wird für nichtig erklärt, soweit damit die dem Begünstigten aufgrund der Mehrwertsteuer entstandenen Kosten von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen werden.

2.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Italienischen Republik.

3.      Die Tschechische Republik und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

da Silva Passos

Valančius

Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Juni 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.