Language of document : ECLI:EU:C:2024:229

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

14. März 2024(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Richtlinie (EU) 2018/1972 – Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation – Unterbliebene Umsetzung und unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds – Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Sanktion“

In der Rechtssache C‑439/22

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingelegt am 5. Juli 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch U. Małecka, L. Malferrari, E. Manhaeve und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Irland, vertreten durch M. Browne, A. Joyce, M. Lane und D. O’Reilly als Bevollmächtigte im Beistand von S. Brittain, BL,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission:

–        festzustellen, dass Irland dadurch, dass es nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. 2018, L 321, S. 36) nachzukommen, oder der Kommission diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt hat, seine Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie verletzt hat;

–        Irland zu verurteilen, an sie einen Pauschalbetrag in Höhe von 5 544,90 Euro/Tag, mindestens jedoch in Höhe von 1 376 000 Euro zu zahlen;

–        Irland, sofern der unter dem ersten Gedankenstrich beschriebene Verstoß bis zum Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache andauern sollte, zu verurteilen, an sie ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem es seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 nachgekommen ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 24 942,90 Euro/Tag zu zahlen;

–        Irland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

2        In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 heißt es:

„(2)      Die Funktionsweise der fünf Richtlinien, die Teil des geltenden Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste sind …, wird regelmäßig von der Kommission überprüft, um insbesondere festzustellen, ob diese Richtlinien angesichts der Technologie- und Marktentwicklung geändert werden müssen.

(3)      In ihrer Mitteilung vom 6. Mai 2015 mit einer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa stellte die Kommission fest, dass der Schwerpunkt ihrer Überprüfung des Rechtsrahmens für die Telekommunikation auf Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze, für ein kohärenteres Binnenmarktkonzept für die Funkfrequenzpolitik und Funkfrequenzverwaltung, geeignete Rahmenbedingungen für einen echten Binnenmarkt durch Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Einzelregelungen, Gewährleistung eines wirksamen Verbraucherschutzes, gleiche Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer und eine einheitliche Anwendung der Bestimmungen sowie zur Bereitstellung eines wirksameren institutionellen Rechtsrahmen liegen würde.“

3        Art. 1 („Gegenstand, Anwendungsbereich und Ziel“) der Richtlinie 2018/1972 bestimmt:

„(1)      Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, elektronischer Kommunikationsdienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.

(2)      Die Ziele dieser Richtlinie sind,

a)      die Errichtung eines Binnenmarkts für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der den Ausbau und die Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität bewirkt, einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste sowie die Zugänglichkeit und die Sicherheit von Netzen und Diensten gewährleistet und die Interessen der Endnutzer fördert; und

b)      die Bereitstellung unionsweiter hochwertiger, erschwinglicher, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse von Endnutzern – einschließlich Nutzern mit Behinderungen im Hinblick darauf, dass sie in gleicher Weise wie andere Zugang zu den Diensten haben – durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können, sowie die notwendigen Endnutzerrechte festzulegen.

…“

4        Art. 124 („Umsetzung“) der Richtlinie 2018/1972 bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 21. Dezember 2020 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Die Mitgliedstaaten wenden diese Vorschriften ab dem 21. Dezember 2020 an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie geänderten Richtlinien als Bezugnahmen auf diese Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.“

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

5        Da Irland ihr nicht mitgeteilt hatte, welche erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften es erlassen hat, um der Richtlinie 2018/1972 gemäß deren Art. 124 nachzukommen, forderte die Kommission diesen Mitgliedstaat mit einem Aufforderungsschreiben vom 3. Februar 2021 auf, sich hierzu zu äußern.

6        Die irischen Behörden antworteten mit einem Schreiben vom 7. April 2021. Sie wiesen darauf hin, dass das Verfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das irische Recht eingeleitet worden sei und die entsprechenden Maßnahmen gerade ausgearbeitet würden.

7        Zum Zeitplan oder zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 machten die irischen Behörden keine Angaben. Die Kommission forderte Irland deshalb mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 23. September 2021 auf, dieser bis zum 23. November 2021 nachzukommen.

8        Mit Schreiben vom 22. November 2021, das durch ein Schreiben vom 26. November 2021 ergänzt wurde, beantragten die irischen Behörden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist zu verlängern. Die Kommission setzte daraufhin eine neue Frist fest (23. Februar 2022).

9        Am 22. Februar 2022 antworteten die irischen Behörden auf die mit Gründen versehene Stellungnahme. Sie wiesen darauf hin, dass wegen der Unvorhersehbarkeit der zeitlichen Abläufe des irischen Gesetzgebungsverfahrens nicht mit Gewissheit vorhergesagt werden könne, an welchem Tag genau die Richtlinie 2018/1972 umgesetzt sein werde. Sie gingen aber davon aus, dem Oireachtas (irisches Parlament) im April 2022 einen Teil der Umsetzungsmaßnahmen vorlegen zu können.

10      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass Irland nicht die erforderlichen Vorschriften erlassen habe, um der Richtlinie 2018/1972 nachzukommen, und beschloss deshalb am 6. April 2022, beim Gerichtshof die vorliegende Klage zu erheben.

11      Am 5. Juli 2022 hat sie dann die vorliegende Klage erhoben.

12      In seiner Klagebeantwortung vom 16. September 2022 beantragte Irland, die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags an die Bedingung zu knüpfen, dass es die Richtlinie 2018/1972 nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten ab der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache umgesetzt habe.

13      In der Gegenerwiderung vom 2. Dezember 2022 hat Irland seine Anträge berichtigt. Es beantragt nun für den Fall, dass der Gerichtshof annehmen sollte, dass es die Richtlinie 2018/1972 zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache vollständig umgesetzt habe:

–        festzustellen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags auf seine Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds erledigt hat;

–        festzustellen, dass sich der Rechtsstreit auch hinsichtlich des Antrags auf seine Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags erledigt hat, da es für es rechtlich unmöglich gewesen sei, die Richtlinie im Einklang mit seiner Verfassung vor dem Urteil des Supreme Court (Oberstes Gericht, Irland) vom 6. April 2021 in der Rechtssache Zalewski/Adjudication Officer (im Folgenden: Urteil Zalewski) umzusetzen, jedenfalls ihm aber die Schwierigkeiten, auf die es bei der Umsetzung der Richtlinie gestoßen sei, nicht zuzurechnen seien, was der Gerichtshof bei der Festsetzung eines etwaigen Pauschalbetrags berücksichtigen müsse.

14      Am 2. Dezember 2022 ist das schriftliche Verfahren in der vorliegenden Rechtssache abgeschlossen worden.

15      Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2023 hat Irland dem Gerichtshof mitgeteilt, dass es der Kommission am 16. Juni 2023 mitgeteilt habe, mit welchen Maßnahmen es die Richtlinie 2018/1972 seiner Auffassung nach mit Ausnahme von deren Art. 110, der so schnell wie möglich umgesetzt werde, vollständig umgesetzt habe.

16      Die Kommission hat hierzu mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2023 Stellung genommen und ihre Anträge angepasst.

17      Die Kommission meint, dass die Richtlinie 2018/1972 mit den betreffenden Maßnahmen, da Art. 110 der Richtlinie noch nicht umgesetzt sei, noch nicht vollständig umgesetzt sei. Von einer vollständigen Umsetzung der Richtlinie könne erst ausgegangen werden, wenn ihr die Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 110 der Richtlinie mitgeteilt worden seien.

18      Wegen der Fortschritte, die Irland bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 gemacht hat, hat die Kommission allerdings ihre Anträge zu den finanziellen Sanktionen angepasst.

19      Beim Pauschalbetrag hat sie den Schwerekoeffizienten herabgesetzt und beantragt, für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag des Ablaufs der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 folgte (22. Dezember 2020) bis zum 8. Juni 2023 einen Pauschalbetrag in Höhe von 4 944 500 Euro und für die Zeit von dem Tag des Inkrafttretens der oben in Rn. 15 genannten Maßnahmen (9. Juni 2023) bis zum Ende des Verstoßes oder, falls der Verstoß nicht beendet wird, dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache einen Pauschalbetrag in Höhe von 1 100 Euro/Tag anzuwenden.

20      Beim Zwangsgeld schlägt die Kommission nun vor, bis zu dem Tag, an dem Irland seinen Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972 in vollem Umfang nachgekommen ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 4 950 Euro/Tag zu verhängen.

21      Irland hat zu der Anpassung der Anträge der Kommission am 27. Oktober 2023 Stellung genommen. Es hat in seiner Stellungnahme im Wesentlichen sein Verteidigungsvorbringen wiederholt, insbesondere sein Vorbringen, dass es unmöglich gewesen sei, die Richtlinie 2018/1972 vor der Verkündung des Urteils Zalewski umzusetzen.

22      Irland hat dem Gerichtshof am 29. November 2023 mitgeteilt, dass es an diesem Tag die Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 110 der Richtlinie 2018/1972 erlassen habe und deshalb davon ausgehe, dass es die Richtlinie vollständig in das nationale Recht umgesetzt habe. Die Verhängung eines Zwangsgelds sei daher nicht mehr gerechtfertigt.

23      Die Kommission hat dem Gerichtshof mit Schreiben vom 14. Dezember 2023 mitgeteilt, dass sie sich das Recht vorbehalte, mitzuteilen, wie sie diese Maßnahmen und deren etwaige Auswirkungen auf ihre Anträge zur Verhängung von Sanktionen gegen Irland beurteile.

24      Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2024 hat die Kommission dem Gerichtshof dann mitgeteilt, dass angenommen werden könne, dass Irland die Richtlinie 2018/1972 am 1. Dezember 2023 vollständig umgesetzt habe, und die Klage teilweise zurückgenommen. Sie beantragt nicht mehr, Irland zur Zahlung eines Zwangsgelds zu verurteilen. Ihren Antrag auf Verurteilung Irlands zur Zahlung eines Pauschalbetrags hat sie dahin angepasst, dass sie nun einen Pauschalbetrag in Höhe von 5 137 000 Euro vorschlägt.

25      Irland hat am 12. Februar 2024 zur teilweisen Rücknahme der Klage und Anpassung der Klageanträge durch die Kommission Stellung genommen.

 Zur Klage

 Zum Verstoß gemäß Art. 258 AEUV

 Vorbringen der Parteien

26      Die Kommission weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet seien, die Vorschriften zu erlassen, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass die Richtlinien innerhalb der darin festgelegten Fristen in das jeweilige nationale Recht umgesetzt würden, und ihr die betreffenden Vorschriften unverzüglich mitzuteilen.

27      Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß vorliege, sei die Situation maßgeblich, in der sich der betreffende Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist befunden habe.

28      Im vorliegenden Fall habe Irland die Vorschriften, die erforderlich gewesen seien, um die Richtlinie 2018/1972 in sein nationales Recht umzusetzen, bei Ablauf dieser Frist, ja sogar bei Erhebung der vorliegenden Klage noch nicht erlassen, jedenfalls ihr aber nicht mitgeteilt gehabt.

29      Irland bestreite nicht wirklich, den ihm zur Last gelegten Verstoß begangen zu haben. Es beschränke sich darauf, den Verstoß mit internen Umständen praktischer Art zu rechtfertigen. Solche Umstände vermöchten die Nichtumsetzung einer Richtlinie in der darin festgelegten Frist aber nicht zu rechtfertigen.

30      Irland räumt ein, dass es die Vorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie 2018/1972 vor Ablauf der darin festgelegten Umsetzungsfrist nachzukommen, nicht erlassen hat.

31      Zum einen habe die irische Regierung aber einem Entwurf eines Gesetzes über die Telekommunikation (im Folgenden: Gesetzesentwurf) verabschiedet, mit dem die Richtlinie 2018/1972 teilweise umgesetzt werde. Das irische Parlament werde sich im Herbst 2022 mit diesem Gesetzesentwurf befassen. Zum anderen habe die irische Regierung auch das Statutory Instrument (Verordnung) SI Nr. 444/2022 vorgelegt, das unterzeichnet und veröffentlicht worden sei. Es werde mit dem Inkrafttreten des Gesetzesentwurfs gültig werden. Die endgültige Fassung des Gesetzesentwurfs und die Verordnung würden spätestens am 30. September 2022 veröffentlicht werden, und das Gesetz werde wahrscheinlich spätestens Ende des Jahres 2022 ausgefertigt werden.

32      Irland rechtfertigt die Verspätung damit, dass der Supreme Court of Ireland (Oberstes Gericht) mit dem Urteil Zalewski entschieden habe, dass die Workplace Relations Commission (Kommission für Beschäftigungsverhältnisse, Irland), eine Stelle, die in Irland für die Entscheidung von Arbeitsrechtsstreitigkeiten zuständig sei, im Sinne von Art. 37 der Verfassung von Irland Rechtsprechungsaufgaben wahrnehme. Der Supreme Court (Oberstes Gericht) sei damit von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen.

33      Die Verzögerung bei der Erstellung des Gesetzesentwurfs sei daher vor allem darauf zurückzuführen, dass der Gesetzesentwurf habe angepasst werden müssen, um den neuen verfassungsrechtlichen Anforderungen für Stellen, die Rechtsprechungsaufgaben wahrnähmen, wie sie sich aus dem Urteil Zalewski ergäben, Rechnung zu tragen. Denn mit dem Urteil Zalewski sei die Zahl der Befugnisse, bei denen nach irischen Verfassungsrecht davon ausgegangen werde, dass mit ihnen die Wahrnehmung von Rechtsprechungsaufgaben einhergehe, erheblich erweitert worden. So könne bei Stellen, bei denen früher davon ausgegangen worden sei, dass sie reine Verwaltungs- und Regelungstätigkeiten ausübten, nun davon ausgegangen werden, dass sie bei der Ausübung bestimmter gesetzlicher Entscheidungsbefugnisse, insbesondere solchen, mit denen die Entscheidung über die Rechte von Rechtsunterworfenen in Rechtsstreitigkeiten einhergehe, Rechtsprechungsaufgaben wahrnähmen.

34      Die verspätete Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 durch Irland sei mithin in erster Linie darauf zurückzuführen, dass erhebliche Anstrengungen unternommen worden seien, um zu gewährleisten, dass die Richtlinie in Einklang mit den neuen, nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie entstandenen verfassungsrechtlichen Anforderungen umgesetzt werde. Hätte man diese Frist eingehalten, hätte das Urteil Zalewski nicht berücksichtigt werden können, was zu der Feststellung hätte führen können, dass Irland die Richtlinie rechtswidrig umgesetzt habe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

35      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen eines Verstoßes aufgrund der Situation zu beurteilen, in der sich der betreffende Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können spätere Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Weiter hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten, wenn eine Richtlinie sie ausdrücklich dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass auf sie in den zu ihrer Umsetzung erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei deren amtlicher Veröffentlichung Bezug genommen wird, in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen, die eine solche Bezugnahme enthält (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall ist die Frist zur Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme, wie sie von der Kommission verlängert wurde, am 23. Februar 2022 abgelaufen. Bei der Prüfung der Frage, ob Irland den ihm zur Last gelegten Verstoß begangen hat, ist daher von den zu diesem Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften auszugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Insoweit steht fest, dass Irland die zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderlichen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hatte.

39      Irland rechtfertigt seinen Verstoß damit, dass bei Stellen, die Rechtsprechungsaufgaben wahrnähmen, neuen, durch das Urteil Zalewski bedingten verfassungsrechtlichen Anforderungen hätte Rechnung getragen werden müssen. Dadurch sei das Gesetzgebungsverfahren überaus komplex geworden.

40      Dieses Vorbringen vermag den von der Kommission gerügtem Verstoß jedoch nicht zu rechtfertigen.

41      Die behauptete Komplexität des innerstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 ist nämlich nicht von Belang. Denn nach ständiger Rechtsprechung können Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen (Urteil vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien [MiFID II], C‑628/18, EU:C:2021:1, Rn. 79 die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Somit ist festzustellen, dass Irland dadurch, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, wie sie von der Kommission verlängert wurde, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie 2018/1972 nachzukommen, nicht erlassen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hat, seine Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie verletzt hat.

 Zu den Anträgen gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV

 Zum Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds

43      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 24) hat die Kommission mit Schriftsatz vom 2. Februar 2024 anerkannt, dass Irland die Richtlinie 2018/1972 am 1. Dezember 2023 vollständig umgesetzt hat, und ihren Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes deshalb zurückgenommen.

44      Insoweit hat sich der Rechtsstreit erledigt.

 Zum Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags

–       Vorbringen der Parteien

45      In der Klageschrift macht die Kommission geltend, dass die Richtlinie 2018/1972 im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sei und damit in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV falle und dass die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 124 der Richtlinie, die Irland dadurch begangen habe, dass es ihr die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie nicht mitgeteilt habe, ganz klar eine Nichtmitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV darstelle.

46      In Ziff. 23 ihrer Mitteilung 2011/C 12/01 „Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“ (ABl. 2011, C 12, S. 1) (im Folgenden: Mitteilung von 2011) habe sie darauf hingewiesen, dass die Sanktionen, die sie gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV vorschlagen werde, nach derselben Methode berechnet würden wie der in den Abschnitten 14 bis 18 ihrer Mitteilung SEK(2005) 1658 „Anwendung von Artikel [260 AEUV]“ (im Folgenden: Mitteilung von 2005) dargestellten, die bei der Anrufung des Gerichtshofs gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV angewandt werde.

47      Danach müssten bei der Festlegung der Höhe der Sanktion erstens die Schwere des Verstoßes, zweitens dessen Dauer und drittens die erforderliche Abschreckungswirkung, um einen erneuten Verstoß zu verhindern, zugrunde gelegt werden.

48      Was als Erstes die Schwere der Zuwiderhandlung angehe, so ziehe sie bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten gemäß Abschnitt 16 der Mitteilung von 2005 und gemäß der Mitteilung von 2011 zwei Gesichtspunkte heran, nämlich zum einen die Bedeutung der Vorschriften des Unionsrechts, gegen die der Mitgliedstaat verstoßen habe, und zum anderen die Folgen dieses Verstoßes sowohl für das Gemeinwohl als auch für die Interessen Einzelner.

49      Hierzu sei zum einen festzustellen, dass die Richtlinie 2018/1972 der Hauptrechtsakt im Bereich der elektronischen Kommunikation sei. Mit dem europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (im Folgenden: EKEK) würden die unionsrechtlichen Vorschriften über die elektronische Kommunikation modernisiert, indem die Wahlmöglichkeiten und die Rechte der Verbraucher gestärkt würden, anspruchsvollere Normen für die elektronische Kommunikation garantiert würden, Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität gefördert würden und der drahtlose Zugang zu Netzen mit sehr hoher Kapazität in der gesamten Union gefördert werde. Außerdem würden mit dem EKEK Regeln für die Organisation des Sektors der elektronischen Kommunikation, u. a. für dessen institutionelle Struktur und Verwaltung, aufgestellt. Durch die Bestimmungen des EKEK werde die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt, indem Aufgaben festgelegt würden, die diese mindestens haben müssten, und indem durch die Aufstellung von Kriterien für die Ernennung der Mitglieder und die Verpflichtungen im Bereich der Mitteilung von Informationen die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt werde. Im Übrigen werde durch den EKEK auch eine effiziente und effektive Verwaltung der Funkfrequenzen sichergestellt. Durch die entsprechenden Bestimmungen würden die Praktiken der Mitgliedstaaten hinsichtlich der wesentlichen Aspekte der Genehmigungen im Zusammenhang mit Funkfrequenzen besser aufeinander abgestimmt und der Wettbewerb zwischen Infrastrukturen und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der gesamten Union gefördert. Schließlich würden durch den EKEK verschiedene Aspekte der Erbringung von Diensten der elektronischen Kommunikation geregelt, u. a. die Universaldienstverpflichtung, die Nummerierungsressourcen und die Endnutzerrechte. Die Verschärfung dieser Regeln diene dazu, die Sicherheit und den Verbraucherschutz zu verbessern, insbesondere was den Zugang zu Diensten der elektronischen Kommunikation zu erschwinglichen Preisen angehe.

50      Zum anderen schade die Nichtumsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das irische Recht erstens, was die Verwaltung des Systems der elektronischen Kommunikation, die Genehmigungen im Zusammenhang mit den Funkfrequenzen und die Regeln über den Zugang zum Markt angehe, der Regulierungspraxis in der gesamten Union. Den Unternehmen kämen deshalb weder einheitlichere und vorhersehbarere Verfahren für die Erteilung oder Verlängerung der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen noch die Vorhersehbarkeit des Regelungsrahmens aufgrund der Mindestdauer von 20 Jahren der Rechte zur Nutzung der Funkfrequenzen zugute. Solche Mängel wirkten sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der Union aus. Zweitens würden den Verbrauchern eine ganze Reihe handfester Vorteile vorenthalten, die ihnen durch die Richtlinie gewährt würden, z. B. Lösungen über den Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten, das Erfordernis, dass ihnen Informationen über ihre Verträge erteilt werden müssten, die Verpflichtung, transparente Entgelte anzuwenden, die Vereinfachung des Wechsels des Netzanbieters, um erschwinglichere Endkundenpreise zu fördern, und die Verpflichtung der Anbieter, Endnutzern mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zu den Kommunikationsdiensten anzubieten.

51      Da sie weder erschwerende noch mildernde Umstände festgestellt hat, schlägt die Kommission im vorliegenden Fall einen Schwerekoeffizienten von 10 vor. Für die Zeit nach dem 9. Juni 2023, dem Tag, an dem die von Irland mitgeteilten Maßnahmen zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in Kraft getreten seien, sei der Koeffizient um 2 herabzusetzen.

52      Als Zweites macht die Kommission zur Dauer des Verstoßes geltend, dass dieser von dem Tag, der auf den Tag, an dem die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 abgelaufen sei, gefolgt sei (22. Dezember 2020), bis zu dem Tag, an dem sie entschieden habe, den Gerichtshof anzurufen (6. April 2022), angedauert habe. Es habe sich also um einen relevanten Zeitraum von 15 Monaten gehandelt. Bei Anwendung des in Abschnitt 17 der Mitteilung von 2005 in Verbindung mit der Mitteilung von 2011 vorgesehenen Koeffizienten von 0,10/Monat ergebe sich ein Dauerkoeffizient von 1,5.

53      Was als Drittes die Zahlungsfähigkeit Irlands angeht, so hat die Kommission gemäß ihrer Mitteilung 2019/C 70/01 „Änderung der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge und Tagessäte für das Zwangsgeld, die von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagen werden“ (ABl. 2019, C 70, S. 1), den Faktor „n“ angewandt. Dieser Faktor berücksichtige zwei Elemente, nämlich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das institutionelle Gewicht des betreffenden Mitgliedstaats, wie es in der Anzahl der Sitze, die diesem im Europäischen Parlament zugewiesen seien, zum Ausdruck komme.

54      Obwohl der Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland (Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel) (C‑51/20, EU:C:2022:36), bereits sowohl dieses zweite Element als auch den in der genannten Mitteilung vorgesehenen Anpassungsfaktor von 4,5 für nicht maßgeblich erachtet hat, hat sie sich dafür entschieden, im vorliegenden Fall bis zum Erlass einer neuen Mitteilung, die dieser jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung trage, die in der genannten Mitteilung vorgesehenen Kriterien anzuwenden.

55      Nach ihrer Mitteilung 2022/C 74/02 „Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (ABl. 2022, C 74, S. 2) (im Folgenden: Mitteilung von 2022), betrage der Faktor „n“ für Irland 0,61. In ihrer Stellungnahme vom 3. Oktober 2023 hat die Kommission jedoch den Faktor „n“ 0,55 angewandt, der jetzt für Irland in Anhang I der Mitteilung 2023/C 2/01 der Kommission „Finanzielle Sanktionen in Vertragsverletzungsverfahren“ (ABl. 2023, C 2, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2023) vorgesehen ist.

56      Sie beantragt gemäß ihrer Mitteilung 2017/C 18/02 „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (ABl. 2017, C 18, S. 10) gegen Irland für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag gefolgt sei, an dem die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 abgelaufen sei, bis zu dem Tag, an dem Irland seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie in vollem Umfang nachgekommen sei (1. Dezember 2023), einen Pauschalbetrag zu verhängen.

57      Der Pauschalbetrag dürfe nach Abschnitt 20 der Mitteilung von 2005 einen festen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Der feste Mindestbetrag trage dem Grundsatz Rechnung, dass jede fortdauernde Nichtdurchführung des Unionsrechts unabhängig von erschwerenden Umständen gleich welcher Art in einer Rechtsgemeinschaft schon an sich einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip darstelle, der mit einer echten Sanktion geahndet werden müsse. Nach der Mitteilung von 2022 betrage der Mindestpauschalbetrag für Irland 1 376 000 Euro.

58      Nach der Methode gemäß den Mitteilungen von 2005 und 2011 schlägt die Kommission dem Gerichtshof für den Fall, dass der errechnete Pauschalbetrag den Mindestpauschalbetrag übersteigt, vor, den Pauschalbetrag zu bestimmen, indem für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag gefolgt sei, an dem die in der betreffenden Richtlinie festgelegte Umsetzungsfrist abgelaufen sei, bis zu dem Tag, an dem der Verstoß abgestellt sei, oder, wenn der Verstoß nicht abgestellt werde, dem Tag der Verkündung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV ergangenen Urteils, ein Tagessatz mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß nicht abgestellt sei, multipliziert werde. Der Tagessatz des Pauschalbetrags werde berechnet, indem der einheitliche Grundbetrag für die Berechnung des Tagessatzes des Pauschalbetrags mit dem Schwerekoeffizienten und dem Faktor „n“ multipliziert werde. Nach Nr. 2 des Anhangs I der Mitteilung von 2023 sei der einheitliche Grundbetrag 1 000 Euro. Im vorliegenden Fall sei der Schwerekoeffizient für die ersten 899 Tage des Verstoßes (22. Dezember 2020 bis 8. Juni 2023) 10 und für die Zeit nach dem 9. Juni 2023 2. Der Faktor „n“ sei 0,55. Es ergebe sich somit für die Zeit vom 22. Dezember 2020 bis zum 8. Juni 2023 ein Pauschalbetrag in Höhe von 4 944 500 Euro und für die Zeit vom 9. Juni 2023 bis zu dem Tag, der dem Tag, an dem Irland seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 in vollem Umfang nachgekommen sei, vorausgegangen sei (30. November 2023), ein Pauschalbetrag in Höhe von 1 100 Euro/Tag. Entsprechend beantragt die Kommission, Irland zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 5 137 000 Euro zu verurteilen.

59      In der Klagebeantwortung beantragt Irland lediglich, es wegen der Umstände, mit denen es die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 im Vorverfahren gerechtfertigt habe, zu verurteilen, einen Pauschalbetrag zu zahlen, der drei Monate nach der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache zu zahlen sei, falls es die Richtlinie bis dahin noch nicht umgesetzt habe.

60      In der Erwiderung folgert die Kommission daraus, dass Irland implizit beantrage, es unter einer aufschiebenden Bedingung zur Zahlung eines Pauschalbetrags zu verurteilen.

61      Nach Auffassung der Kommission ist der Antrag Irlands zurückzuweisen. Irland erläutere lediglich die Gründe für die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972. Es berufe sich insoweit im Wesentlichen auf verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie. Solche Gründe reichten aber nicht aus, um einen solchen Verstoß zu rechtfertigen, zumal der Verstoß angedauert und Irland nicht kooperiert habe.

62      In der Gegenerwiderung weist Irland darauf hin, dass es, anders als die Kommission behaupte, während des gesamten Verfahrens in einem Dialog mit dieser gestanden habe. Es sei kein Pauschalbetrag mehr zu verhängen. Die ursprüngliche Fristüberschreitung, nämlich in der Zeit zwischen dem Tag, der für die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 festgelegt worden sei (21. Dezember 2020) und dem Tag, an dem das Urteil Zalewski ergangen sei (6. April 2021), sei auf den Kontext der Covid‑19-Pandemie und die dadurch bedingten Störungen zurückzuführen. Im Übrigen sei eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, wie sie durch das Urteil Zalewski geschehen sei, ein äußerst ungewöhnliches Ereignis.

63      Die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 ab dem 6. April 2021 sei mithin auf Umstände zurückzuführen, auf die es überhaupt keinen Einfluss gehabt habe.

64      Unter diesen Umständen hätte die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags auf Irland überhaupt keine abschreckende Wirkung. Irland sei deshalb, soweit die Richtlinie 2018/1972 zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache umgesetzt sei, nicht zur Zahlung eines Pauschalbetrags zu verurteilen.

65      Hilfsweise macht Irland geltend, dass es allenfalls zur Zahlung eines sehr moderaten Pauschalbetrags zu verurteilen sei. Die Gründe, aus denen es die Richtlinie 2018/1972 nicht umgesetzt habe, erlaubten nämlich die Feststellung, dass es unüberwindlichen Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen sei, für die es in keiner Weise verantwortlich gewesen sei.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

66      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 42) steht fest, dass Irland der Kommission bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, wie sie von der Kommission verlängert wurde, keine Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV mitgeteilt hatte. Der festgestellte Verstoß fällt deshalb in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.

67      Die Kommission beantragt die Verhängung eines Pauschalbetrags.

68      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht der Zweck der Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung lange Zeit fortbestanden hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Zu der Frage, ob es im vorliegenden Fall angezeigt ist, einen Pauschalbetrags zu verhängen, ist festzustellen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Zwar hat Irland während des gesamten Vorverfahrens mit den Dienststellen der Kommission kooperiert und diese laufend darüber unterrichtet, aus welchen Gründen es an der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das irische Recht gehindert war. Dennoch ist im vorliegenden Fall in Anbetracht aller rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte des festgestellten Verstoßes – nämlich des gänzlichen Fehlens der Mitteilung der zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist und sogar noch zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage – der Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie die Verhängung eines Pauschalbetrags zur wirksamen Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht geboten (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem oben in Rn. 62 dargestellten Vorbringen Irlands.

72      Zum einen können die Schwierigkeiten, die durch die Verkündung des Urteils Zalewski entstanden sein sollen, nicht von Belang sein. Denn, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 41), können Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen.

73      Zum anderen ist zu den Auswirkungen der Anfang 2020 ausgebrochenen Covid‑19-Pandemie festzustellen, dass es Sache des Unionsgesetzgebers gewesen wäre, die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 zu verlängern, wenn er davon ausgegangen wäre, dass die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie, die sich auf das gesamte Gebiet der Union erstreckt hat, so groß gewesen sind, dass die Mitgliedstaaten dadurch daran gehindert waren, ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen.

74      Deshalb ist es angezeigt, gegen Irland einen Pauschalbetrag zu verhängen.

75      In Bezug auf die Berechnung des Pauschalbetrags ist Folgendes festzustellen: Es ist Sache des Gerichtshofs, in Ausübung seines entsprechenden Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden kann, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere des festgestellten Verstoßes, der Zeitraum, in dem dieser fortbestanden hat, und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Was als Erstes die Schwere des Verstoßes angeht, ist festzustellen, dass die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts sind und dass der Verletzung dieser Pflichten daher eine gewisse Schwere beizumessen ist (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Im vorliegenden Fall war Irland seinen sich aus der Richtlinie 2018/1972 ergebenden Verpflichtungen zur Umsetzung bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, wie sie von der Kommission verlängert worden war (23. Februar 2022), nicht nachgekommen (siehe oben, Rn. 42), so dass die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nicht gewährleistet war. Dieser Verstoß wiegt umso schwerer, als Irland zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt keine Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie mitgeteilt hatte.

78      Außerdem ist die Richtlinie 2018/1972 der Hauptrechtsakt im Bereich der elektronischen Kommunikation, wie die Kommission hervorgehoben hat.

79      Insbesondere bestimmt Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972: „Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, elektronischer Kommunikationsdienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.“

80      Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 ist es Ziel der Richtlinie 2018/1972, zum einen einen Binnenmarkt für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste zu errichten, der den Ausbau und die Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität bewirkt, einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste sowie die Zugänglichkeit und die Sicherheit von Netzen und Diensten gewährleistet und die Interessen der Endnutzer fördert, und zum anderen die Bereitstellung unionsweiter hochwertiger, erschwinglicher, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse von Endnutzern – einschließlich Nutzern mit Behinderungen im Hinblick darauf, dass sie in gleicher Weise wie andere Zugang zu den Diensten haben – durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können, sowie die notwendigen Endnutzerrechte festzulegen.

81      Schließlich geht aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 hervor, dass der Rechtsrahmen, der vor dem Erlass der Richtlinie galt, durch diese geändert wird, um der Technologie- und Marktentwicklung Rechnung zu tragen.

82      Wie die Kommission zu Recht geltend macht, schadet die Nichtumsetzung der Richtlinie 2018/1972 durch Irland, was die Verwaltung des Systems der elektronischen Kommunikation, die Genehmigungen im Zusammenhang mit den Funkfrequenzen und die Regeln über den Zugang zum Markt angeht, erstens der Regulierungspraxis in der gesamten Union. Dies führt dazu, dass den Unternehmen weder einheitlichere und vorhersehbarere Verfahren für die Erteilung oder Verlängerung der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen noch die durch die Mindestdauer von 20 Jahren der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen bedingte Vorhersehbarkeit der Regelung zugutekommen. Solche Mängel wirken sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der Union aus. Zweitens werden den Verbrauchern eine ganze Reihe handfester Vorteile nicht zuteil, die ihnen durch die Richtlinie gewährt werden, z. B. Lösungen über den Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten, das Erfordernis, dass ihnen klare Informationen über ihre Verträge erteilt werden müssen, die Verpflichtung zur Anwendung transparenter Entgelte, die Vereinfachung des Wechsels des Netzanbieters, um erschwinglichere Endkundenpreise zu fördern, und die Verpflichtung der Anbieter, Endnutzern mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zu den Kommunikationsdiensten anzubieten.

83      Bei der Festlegung der Höhe des Pauschalbetrags ist bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes allerdings zu berücksichtigen, dass Irland der Kommission im Verfahren die Maßnahmen zur Umsetzung aller Vorschriften der Richtlinie 2018/1972 mitgeteilt hat.

84      Was als Zweites die Dauer des Verstoßes anbelangt, so ist bei deren Bestimmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und diese Sachverhaltswürdigung als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens erfolgt anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 66 und 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Was zum einen den Beginns des Zeitraums angeht, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zugrunde zu legen ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass bei der Bestimmung der Dauer des betreffenden Verstoßes – anders als bei dem Zwangsgeld in Form eines Tagessatzes – nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der betreffenden Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist abzustellen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 79, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 90).

86      Im vorliegenden Fall wird nicht ernsthaft bestritten, dass Irland die für die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bei Ablauf der in Art. 124 der Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist (21. Dezember 2020) nicht erlassen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hatte.

87      Zum anderen bestreitet Irland in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2024 zur Anpassung der Klageanträge durch die Kommission nicht, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Richtlinie 2018/1972 am 1. Dezember 2023 vollständig in das irische Recht umgesetzt wurde.

88      Demnach hat der oben in Rn. 42 festgestellte Verstoß vom 22. Dezember 2020 bis zum 30. November 2023 gedauert, also 1 073 Tage lang. Dies ist ein sehr langer Zeitraum.

89      Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Dauer des Verstoßes zum Teil möglicherweise auf die außergewöhnlichen Umstände der Covid‑19-Pandemie zurückzuführen ist. Irland macht nämlich, ohne dass ihm widersprochen würde, geltend, dass das für die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderliche Gesetzgebungsverfahren durch die Umstände der Covid‑19-Pandemie, die unvorhersehbar gewesen seien und auf die es keinen Einfluss gehabt habe, verzögert und somit der Zeitraum, in dem sein Verstoß fortbestanden habe, verlängert worden sei.

90      Was als Drittes die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats angeht, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dessen BIP zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 85, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 97).

91      In der Klageschrift schlägt die Kommission vor, neben dem BIP Irlands auch dessen institutionelles Gewicht in der Union zu berücksichtigen, wie es in der Anzahl der Sitze zum Ausdruck komme, über die Irland im Europäischen Parlament verfüge. Sie schlägt ferner vor, einen Anpassungsfaktor von 4,5 anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit und die abschreckende Wirkung der von ihr vorgeschlagenen Sanktionen sicherzustellen.

92      Jedoch hat der Gerichtshof jüngst eindeutig klargestellt, dass die Berücksichtigung des institutionellen Gewichts des betreffenden Mitgliedstaats nicht unerlässlich erscheint, um eine hinreichende Abschreckung zu gewährleisten und den Mitgliedstaat zu einer Änderung seines gegenwärtigen oder zukünftigen Verhaltens zu veranlassen, und dass die Kommission nicht dargetan hat, anhand welcher objektiven Kriterien sie den Wert des Anpassungsfaktors von 4,5 festgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 115 und 117).

93      Somit ist es in Anbetracht sämtlicher Umstände der vorliegenden Rechtssache im Hinblick auf das Ermessen, das dem Gerichtshof durch Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumt wird, wonach der Gerichtshof bei dem von ihm verhängten Pauschalbetrag den von der Kommission genannten Betrag nicht übersteigen darf, um wirksam zu verhindern, dass in Zukunft erneut mit dem Verstoß gegen Art. 124 der Richtlinie 2018/1972 vergleichbare Verstöße begangen werden, die die volle Wirksamkeit des Unionsrecht beeinträchtigen, angezeigt, einen Pauschalbetrag in Höhe von 4 500 000 Euro zu verhängen.

94      Irland ist deshalb zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag in Höhe von 4 500 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

95      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nimmt eine Partei die Klage zurück, so wird sie zur Tragung der Kosten verurteilt, wenn die Gegenpartei dies in ihrer Stellungnahme zu der Rücknahme beantragt (Art. 141 Abs. 1 der Verfahrensordnung). Die Kosten werden jedoch auf Antrag der Partei, die die Rücknahme erklärt, der Gegenpartei auferlegt, wenn dies wegen des Verhaltens dieser Partei gerechtfertigt erscheint (Art. 141 Abs. 2 der Verfahrensordnung). Werden keine Kostenanträge gestellt, so trägt jede Partei ihre eigenen Kosten (Art. 141 Abs. 4 der Verfahrensordnung).

96      Im vorliegenden Fall hat die Kommission zwar beantragt, Irland zu verurteilen und der Verstoß wurde festgestellt. Die Kommission hat ihre Klage aber teilweise zurückgenommen, ohne zu beantragen, Irland die Kosten der vorliegenden Klage aufzuerlegen. Und Irland hat in seiner Stellungnahme zur Klagerücknahme der Kommission nicht beantragt, dieser die Kosten aufzuerlegen.

97      Die Klagerücknahme durch die Kommission erfolgte allerdings wegen des Verhaltens Irlands, das die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erst nach der Erhebung der vorliegenden Klage erlassen und der Kommission mitgeteilt hat. Wegen dieses Verhaltens hat sich der Antrag der Kommission auf Verurteilung Irlands auf Zahlung eines Zwangsgeldes erledigt und hat die Kommission ihn zurückgenommen.

98      Deshalb ist – zumal sich nicht genau sagen lässt, welche Kosten auf den oben in Rn. 42 festgestellten Verstoß und welche Kosten auf die teilweise Klagerücknahme durch die Kommission entfallen – zu entscheiden, dass Irland neben seinen eigenen Kosten die der Kommission trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Irland hat dadurch, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, wie sie von der Kommission verlängert wurde, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation nachzukommen, nicht erlassen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hat, seine Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie verletzt.

2.      Irland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag in Höhe von 4 500 000 Euro zu zahlen.

3.      Irland trägt neben seinen eigenen Kosten die der Europäischen Kommission.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.