Language of document : ECLI:EU:T:2005:325

Rechtssache T‑320/03

Citicorp

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Wortmarke LIVE RICHLY – Absolute Eintragungshindernisse – Unterscheidungskraft – Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Rechtliches Gehör – Artikel 73 der Verordnung Nr. 40/94“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Entscheidungen des Amtes – Wahrung der Verteidigungsrechte

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 73)

2.      Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Gemeinschaftsrichter – Anmeldung eines Zeichens für mehrere Kategorien von Waren oder Dienstleistungen – Anerkenntnis des Klägers, dass sich der Streitgegenstand auf eine dieser Kategorien beschränkt – Darin liegende Rücknahme eines Klagegrundes, der sich auf eine andere dieser Kategorien bezieht

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Fehlende Unterscheidungskraft – Zeichen, das mehrere Bedeutungen haben, ein Wortspiel sein und ironisch, überraschend oder unerwartet wirken kann – Voraussetzung für die Eintragung – Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen zu werden

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Wortzeichen LIVE RICHLY

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b)

5.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Fehlende Unterscheidungskraft des Zeichens – Verneinung der Unterscheidungskraft des Zeichens nicht bereits wegen Fehlens eines Fantasieüberschusses oder eines Minimums an Fantasieüberschuss

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b)

1.      Gemäß Artikel 73 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke dürfen die Entscheidungen des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Diese Bestimmung gewährleistet im Rahmen des Gemeinschaftsmarkenrechts den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte, dem zufolge der Adressat einer amtlichen Entscheidung, die seine Interessen spürbar berührt, Gelegenheit erhalten muss, seinen Standpunkt gebührend darzulegen.

(vgl. Randnrn. 21-22)

2.      Im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung einer Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), mit der die Anmeldung einer Marke für verschiedene Arten von Waren oder Dienstleistungen zurückgewiesen wurde, hat das Gericht über einen Klagegrund, der sich nur auf eine Art dieser Waren oder Dienstleistungen bezieht, nicht mehr zu entscheiden, wenn der Kläger den Klagegrund in der Sache dadurch zurückgenommen hat, dass er ausdrücklich anerkannt hat, dass sich der Streitgegenstand auf eine andere Art von Waren oder Dienstleistungen beschränkt.

(vgl. Randnr. 48)

3.      Dass ein nicht beschreibendes Zeichen mehrere mögliche Bedeutungen hat, ein Wortspiel sein kann oder möglicherweise ironisch, überraschend oder unerwartet wirkt, verleiht ihm noch keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke. Diese verschiedenen Umstände würden dem Zeichen Unterscheidungskraft nur verleihen, wenn es unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden könnte, so dass das maßgebliche Publikum die Waren oder Dienstleistungen des Anmelders ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer gewerblicher Herkunft unterscheiden könnte.

(vgl. Randnr. 84)

4.      Das Wortzeichen LIVE RICHLY, als Gemeinschaftsmarke angemeldet für Finanz- und Bankdienstleistungen in Klasse 36 des Nizzaer Abkommens, ist für diese Dienstleistungen ohne Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke. Denn die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern bestehen, werden das Zeichen für Finanz- und Bankdienstleistungen vor allem als Werbeslogan und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Dienstleistungen wahrnehmen; dabei kann die aufgewandte Aufmerksamkeit gegenüber reinen Werbeaussagen, an denen sich – englischsprachige oder des Englischen hinreichend mächtige – informierte Verkehrskreise nicht orientieren, verhältnismäßig gering sein. Denn das Zeichen enthält keine Bestandteile, die über seine offenkundige Werbeaussage hinaus die maßgeblichen Verkehrskreise in die Lage versetzen, es sich leicht und sofort als unterscheidungskräftige Marke für die beanspruchten Dienstleistungen einzuprägen. Selbst wenn das Zeichen allein und ohne Hinzufügung anderer Zeichen oder Marken verwendet würde, könnten es die maßgeblichen Verkehrskreise ohne eine entsprechende Vorinformation nicht anders als in seiner werbenden Bedeutung wahrnehmen.

(vgl. Randnrn. 70, 74, 76, 85)

5.      Das Fehlen von Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass kein Fantasieüberschuss oder kein Minimum an Fantasieüberschuss vorliegt. Einer Gemeinschaftsmarke liegt nämlich nicht notwendig ein schöpferischer Akt zugrunde, und sie beruht auch nicht auf einem Element der Originalität oder der Fantasie, sondern auf der Fähigkeit, die Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt von den gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzugrenzen, die die Wettbewerber anbieten.

(vgl. Randnr. 91)