Language of document : ECLI:EU:C:2016:201

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 5. April 2016(1)

Rechtssache C‑57/15

United Video Properties Inc.

gegen

Telenet NV

(Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Beroep te Antwerpen [Appellationshof Antwerpen, Belgien])

„Rechte des geistigen Eigentums – Richtlinie 2004/48/EG – Art. 14 – Prozesskosten – Erstattung der Anwalts- und Sachverständigenkosten – Obergrenze für Anwaltshonorare“





1.        Die in diesem Vorabentscheidungsersuchen vom Hof van Beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen) vorgelegten Fragen sind auf den ersten Blick von begrenzter Tragweite, werfen in Wirklichkeit jedoch komplexe juristische Fragen auf. Obgleich sie im Grunde nur die Vereinbarkeit einiger nationaler (in diesem Fall belgischer) Vorschriften über die Erstattung bestimmter mit dem Verfahren verbundener Kosten durch die unterlegene Partei mit dem Unionsrecht betreffen, sind sie Ausgangspunkt für weiter reichende Überlegungen zu den Auswirkungen des Unionsrechts auf die Zivilverfahrensgesetze der Mitgliedstaaten.

2.        Die Zweifel des vorlegenden Gerichts betreffen die Anwendung des belgischen Systems (Rechtsvorschriften und Rechtsprechung des Kassationshofs) auf die Kostenpositionen Anwaltshonorare und Sachverständigenkosten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums. Da eine konkrete Bestimmung über die Prozesskosten in der Richtlinie 2004/48/EG(2) enthalten ist, an der sich im Grundsatz die Verfahrensmodalitäten in jedem Mitgliedstaat ausrichten müssen, stellt sich die Frage, wie – sofern dies überhaupt möglich ist – das belgische Zivilverfahrensgesetz und die Rechtsprechung des belgischen Hof van Cassatie (Kassationshof), die beide ganz allgemein auf alle Arten von Verfahren anwendbar sind, mit einer „sektoralen“ Bestimmung des Unionsrechts in Einklang gebracht werden können, die sich speziell auf Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des geistigen Eigentums bezieht.

3.        In verschiedenen Richtlinien, darunter auch in der hier einschlägigen Richtlinie, die die Zuständigkeit des Gerichtshofs für einen Fall begründet, der ansonsten ausschließlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiele, ist das Ziel zu erkennen, bestimmte Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Der Anwendungsbereich dieser Richtlinien ist logischerweise beschränkt auf einen oder mehrere Einzelsektoren (das geistige Eigentum, den Wettbewerbsschutz, die Umwelt, den Verbraucherschutz, um nur einige zu nennen). Die Vielzahl der „sektoralen“ Verfahrensvorschriften – die auch nicht immer miteinander in Einklang stehen –, die in die nationalen Rechtsordnungen integriert werden müssen, kann als einen unerwünschten Nebeneffekt eine Fragmentierung des Verfahrensrechts in eben jenen Ländern nach sich ziehen, die es nach vielen Jahren durch eine beachtliche Kodifizierungsanstrengung erreicht haben, allgemeine Verfahrensgesetze zu verabschieden, um die Vielzahl der früheren Verfahren durch ein einziges allgemeines Verfahren zu ersetzen.

4.        Im Ausgangsrechtsstreit geht es zum einen darum, die Höhe der Beträge, die die im Verfahren unterlegene Partei erstatten muss, weil sie den von der obsiegenden Partei aufgewendeten Anwaltshonoraren entsprechen, unter Berücksichtigung der belgischen Regelung zu bestimmen, die insoweit einen Höchstbetrag vorsieht. Zum zweiten stellt sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des belgischen Kassationshofs im Hinblick auf die Sachverständigenkosten nicht so sehr die Frage nach deren Höhe, sondern nach der Entstehung einer entsprechenden Erstattungspflicht dem Grunde nach. Die Frage ist, ob die Festlegung eines derartigen Höchstbetrags und das von der Rechtsprechung geforderte Kriterium mit Art. 14 der Richtlinie vereinbar sind.

5.        Dieses Vorabentscheidungsersuchen gibt Gelegenheit zu klären, ob den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung eines Systems zur Erstattung von Prozesskosten durch die unterlegene Partei, das entweder eine Obergrenze für die Kosten vorsieht oder deren Erstattung ganz ausschließt, ein gewisser gesetzgeberischer Freiraum zusteht, wenn die fraglichen Rechtsstreitigkeiten in beiden Fällen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Richtlinie

6.        Die Erwägungsgründe 4, 5, 10, und 26 lauten:

„(4)      Auf internationaler Ebene sind alle Mitgliedstaaten – wie auch die Gemeinschaft selbst in Fragen, die in ihre Zuständigkeit fallen – an das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates … gebilligte Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen), das im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde geschlossen wurde, gebunden.

(5)      Das TRIPS-Übereinkommen enthält vornehmlich Bestimmungen über die Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, die gemeinsame, international gültige Normen sind und in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wurden. Diese Richtlinie sollte die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen aufgrund des TRIPS-Übereinkommens unberührt lassen.“

„(10) Mit dieser Richtlinie sollen diese Rechtsvorschriften einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.“

„(26) Um den Schaden auszugleichen, den ein Verletzer von Rechten des geistigen Eigentums verursacht hat, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, sollten bei der Festsetzung der Höhe des an den Rechtsinhaber zu zahlenden Schadensersatzes alle einschlägigen Aspekte berücksichtigt werden, wie z. B. Gewinneinbußen des Rechtsinhabers oder zu Unrecht erzielte Gewinne des Verletzers sowie gegebenenfalls der immaterielle Schaden, der dem Rechtsinhaber entstanden ist … Bezweckt wird dabei nicht die Einführung einer Verpflichtung zu einem als Strafe angelegten Schadensersatz, sondern eine Ausgleichsentschädigung für den Rechtsinhaber auf objektiver Grundlage unter Berücksichtigung der ihm entstandenen Kosten, z. B. im Zusammenhang mit der Feststellung der Rechtsverletzung und ihrer Verursacher.“

7.        Art. 1 sieht vor:

„Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rechte des geistigen Eigentums’ auch die gewerblichen Schutzrechte.“

8.        Art. 3 bestimmt hinsichtlich der „Allgemeinen Verpflichtung“ der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den in Kapitel II geregelten „Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfen“:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2)      Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

9.        Kapitel II Abschnitt 6 („Schadensersatz und Rechtskosten“) enthält die Art. 13 und 14, die wie folgt lauten:

„Artikel 13

(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.

Bei der Festsetzung des Schadensersatzes verfahren die Gerichte wie folgt:

a)      Sie berücksichtigen alle in Frage kommenden Aspekte, wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers, sowie in geeigneten Fällen auch andere als die rein wirtschaftlichen Faktoren, wie den immateriellen Schaden für den Rechtsinhaber,

oder

b)      sie können stattdessen in geeigneten Fällen den Schadensersatz als Pauschalbetrag festsetzen, und zwar auf der Grundlage von Faktoren wie mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums eingeholt hätte.

(2)      Für Fälle, in denen der Verletzer eine Verletzungshandlung vorgenommen hat, ohne dass er dies wusste oder hätte wissen müssen, können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen, dass die Gerichte die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung von Schadensersatz anordnen, dessen Höhe im Voraus festgesetzt werden kann.

Artikel 14

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.“

B –    Nationales Recht

10.      Nach Art. 827 Abs. 1 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs vom 10. Oktober 1967 (Gerechtelijk Wetboek) zieht jede Rücknahme die Verpflichtung zur Begleichung der Verfahrenskosten nach sich, die der zurücknehmenden Partei auferlegt werden.

11.      Gemäß Art. 1017 dieses Gesetzbuchs werden, sofern besondere Gesetze nicht etwas anderes bestimmen, in jedem Endurteil unbeschadet einer durch dieses gegebenenfalls bestätigten Vereinbarung zwischen den Parteien der unterlegenen Partei die Kosten auferlegt.

12.      Zu den Kosten gehören nach Art. 1018 Abs. 4 und 6 dieses Gesetzbuchs

–        die Kosten sämtlicher Beweismittel, insbesondere die Kosten für Zeugen und Sachverständige;

–        die Verfahrensentschädigung im Sinne von Art. 1022.

13.      Nach Art. 1022 des genannten Gesetzbuchs ist die Verfahrensentschädigung ein Pauschalbetrag der Anwaltshonorare und ‑kosten der obsiegenden Partei.

Durch im Ministerrat beratenen Erlass wurden Mindest- und Höchstbeträge der Verfahrensentschädigung unter Berücksichtigung insbesondere der Art der Streitsache und ihrer Bedeutung festgelegt.

Auf Antrag einer der Parteien und aufgrund eines mit besonderen Gründen versehenen Beschlusses darf der Richter die Verfahrensentschädigung entweder herabsetzen oder sie erhöhen, ohne jedoch die im Erlass vorgesehenen Höchst- und Mindestbeträge zu überschreiten. Bei seiner Beurteilung berücksichtigt der Richter

–        die finanziellen Mittel der unterlegenen Partei im Hinblick auf eine Herabsetzung des Entschädigungsbetrags,

–        die Komplexität der Sache,

–        die für die obsiegende Partei vereinbarten vertraglichen Entschädigungen und

–        die offensichtliche Unzumutbarkeit der Sachlage.

Keine Partei kann dazu verpflichtet werden, für das Auftreten des Anwalts einer anderen Partei eine Entschädigung zu zahlen, die den Betrag der Verfahrensentschädigung übersteigt.

14.      Durch Königlichen Erlass vom 26. Oktober 2007 (im Folgenden: Königlicher Erlass) wurden die Mindest- und Höchstbeträge der Verfahrensentschädigung im Sinne von Art. 1022 des Gerichtsgesetzbuchs festgelegt.

Gemäß Art. 2 des Königlichen Erlasses wird die Verfahrensentschädigung für Streitigkeiten, die sich auf in Geld zu bemessende Forderungen beziehen, mit Ausnahme der Angelegenheiten im Sinne von Art. 4 dieses Erlasses wie folgt festgelegt:

 

Basisbetrag

Mindestbetrag

Höchstbetrag

bis 250,00

150,00

75,00

300,00

von 250,01 bis 750,00

200,00

125,00

500,00

von 750,01 bis 2 500,00

400,00

200,00

1 000,00

von 2 500,01 bis 5 000,00

650,00

375,00

1 500,00

von 5 000,01 bis 10 000,00

900,00

500,00

2 000,00

von 10 000,01 bis 20 000,00

1 100,00

625,00

2 500,00

von 20 000,01 bis 40 000,00

2 000,00

1 000,00

4 000,00

von 40 000,01 bis 60 000,00

2 500,00

1 000,00

5 000,00

von 60 000,01 bis 100 000,00

3 000,00

1 000,00

6 000,00

von 100 000,01 bis 250 000,00

5 000,00

1 000,00

10 000,00

von 250 000,01 bis 500 000,00

7 000,00

1 000,00

14 000,00

von 500 000,01 bis 1 000 000,00

10 000,00

1 000,00

20 000,00

über 1 000 000,01

15 000,00

1 000,00

30 000,00


Gemäß Art. 3 des Königlichen Erlasses beträgt für Streitigkeiten, die sich auf nicht in Geld zu bemessende Forderungen beziehen, der Basisbetrag der Verfahrensentschädigung 1 200 Euro, der Mindestbetrag 75 Euro und der Höchstbetrag 10 000 Euro.

Art. 8 des Königlichen Erlasses sieht ein System zur Aktualisierung dieser Beträge vor.

II – Sachverhalt im Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

15.      Die United Video Properties, Inc. (im Folgenden: UVP) war Inhaberin des am 27. März 2008 für Systeme und Verfahren zur Speicherung von Daten auf Servern in einem Media-On-Demand-Ausgabesystem erteilten Patents EP 1327209. Da sie der Ansicht war, dass die Telenet NV (im Folgenden: Telenet) ihre Rechte an diesem Patent verletzt habe, erhob sie am 7. Juni 2011 Klage gegen diese Gesellschaft. Mit ihrer Klage begehrte sie, zusammengefasst, die Feststellung, dass Telenet ihr Patent verletzt habe, und die Anordnung der Unterlassung von unmittelbaren und mittelbaren Verletzungen dieses Patents. Darüber hinaus beantragte UVP, Telenet zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

16.      Auf die Widerklage von Telenet hin wurde mit Urteil des stellvertretenden Präsidenten der Rechtbank van koophandel te Antwerpen (Handelsgericht Antwerpen) vom 3. April 2012 der belgische Teil des Patents EP 1327209 wegen Nichterfüllung der Neuheitsvoraussetzung für nichtig erklärt, und UVP wurde zur Tragung der Kosten dieses Rechtszugs in Höhe von insgesamt 11 000 Euro verurteilt. Dagegen legte UVP am 27. August 2012 ein Rechtsmittel zum Hof van Beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen) ein.

17.      Parallel dazu hatte UVP (allerdings nicht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits) für den englischen Teil desselben Patents ein Verfahren gegen die Firma Virgin Media eingereicht. Der High Court in London stellte am 14. Juli 2014 die Nichtigkeit wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit fest. In Anbetracht der Urteile des High Court in London und des stellvertretenden Präsidenten der Rechtbank van koophandel te Antwerpen (Handelsgericht Antwerpen) entschied UVP, mit Schriftsatz vom 14. August 2014 das von ihr eingelegte Rechtsmittel zurückzunehmen, was sie in einem weiteren Schriftsatz vom 24. Oktober desselben Jahres bestätigte.

18.      Angesichts der Rücknahme des Rechtsmittels durch UVP beantragte Telenet beim Hof van Beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen),

–        festzustellen, dass das Gesetz vom 21. April 2007 über die Rückforderbarkeit der Anwaltshonorare und ‑kosten und der Königliche Erlass vom 26. Oktober 2007 zur Festlegung des Tarifs der Verfahrensentschädigung gegen Art. 14 der Richtlinie verstoßen,

–        festzustellen, dass die Rechtsprechung des Hof van Cassatie (Kassationshof) (wonach Honorare und Kosten für technischen Beistand durch Sachverständige nur im Fall eines zivilrechtlichen Fehlverhaltens von der unterlegenen Partei zurückgefordert werden können) ebenfalls gegen Art. 14 der Richtlinie verstößt,

–        und UVP zur Zahlung von 185 462,55 Euro für Anwaltskosten und von 40 400 Euro für den technischen Beistand durch einen Sachverständigen, den Patentanwalt, zu verurteilen.

19.      Nach dem Vorbringen von Telenet zu den von ihr aufgewendeten Prozesskosten – dem einzigen verbleibenden Streitpunkt im Ausgangsrechtsstreit – gilt im belgischen Recht der Grundsatz, dass diese von der unterlegenen Partei zu zahlen sind. Allerdings legt der Königliche Erlass für die konkrete Festsetzung der Anwaltskosten, die der im Rechtsstreit unterlegenen Partei auferlegt werden können, Höchstbeträge fest, die nicht überschritten werden können, was nach Ansicht von Telenet im Widerspruch zu Art. 14 der Richtlinie steht.

20.      Darüber hinaus könnten die Kosten für den technischen Beistand durch Sachverständige, die nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes vom 21. April 2007 und des Königlichen Erlasses fielen, nach der Rechtsprechung des Hof van Cassatie (Kassationshof) dem Gegner nur auferlegt werden, wenn das Vorliegen eines Fehlverhaltens der unterlegenen Prozesspartei festgestellt werde, was ebenfalls nicht mit Art. 14 der Richtlinie in Einklang stehe.

21.      Aufgrund dessen legt der Hof van Beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen) mit Beschluss vom 26. Januar 2015 die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Steht die Wendung „Prozesskosten und sonstige Kosten …, soweit sie zumutbar und angemessen sind“, in Art. 14 der Richtlinie den belgischen Rechtsvorschriften entgegen, die den Gerichten die Möglichkeit einräumen, genau festgelegte Besonderheiten der Rechtssache zu berücksichtigen, und in Bezug auf Kosten für den Beistand eines Rechtsanwalts ein System vielfältiger Pauschaltarife vorsehen?

2.      Steht die Wendung „Prozesskosten und sonstige Kosten …, soweit sie zumutbar und angemessen sind“, in Art. 14 der Richtlinie der Rechtsprechung entgegen, wonach die Kosten für einen technischen Berater nur im Fall eines (vertraglichen oder außervertraglichen) Fehlverhaltens erstattungsfähig sind?

III – Zusammenfassung der Standpunkte der Parteien

A –    Zur ersten Frage

22.      UVP hat sich zu dieser Vorlagefrage in der Sache nicht geäußert, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass es sich um einen Streit zwischen der Kommission und der belgischen Regierung über die richtige Umsetzung der Richtlinie handele.

23.      Telenet macht geltend, da sie die obsiegende Partei in einem Rechtsstreit sei, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle, müsse deren Art. 14 Anwendung finden, weshalb sie Gläubigerin eines Anspruchs auf Erstattung von im Ausgangsverfahren angefallenen Prozesskosten sei, die zumutbar und angemessen seien und die somit von der unterlegenen Partei in voller Höhe auszugleichen seien.

24.      Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei den Wendungen „Prozesskosten …, soweit sie zumutbar und angemessen sind“ und „Billigkeit“ um autonome Konzepte des Unionsrechts, die im gesamten Unionsgebiet einheitlich ausgelegt werden müssten. Die gegenteilige Auffassung stünde nach der Rechtsprechung im Urteil Realchemie Nederland(3) in Widerspruch zum Zweck der Richtlinie.

25.      Der eigentliche Zweck der Richtlinie würde verfehlt, wenn die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums in Rechtsordnungen wie der belgischen, in denen die in einem Rechtsstreit obsiegende Partei von der unterlegenen Partei nicht mehr als einen kleinen Teil der Anwaltshonorare erstattet verlangen könne, nicht ausreichend geschützt würden.

26.      Um zu belegen, dass die Festlegung einer finanziellen Grenze da, wo die Richtlinie selbst keine vorsehe, unzulässig sei, beruft sich Telenet im Wege der Analogie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und führt das Urteil in der Rechtssache McDonagh(4) an. Es sei unmöglich, dass eine feste Obergrenze von 11 000 Euro sich unter die ihrem Wesen nach relativen Begriffe der Zumutbarkeit, Angemessenheit und Billigkeit subsumieren lasse. Daher schließe Art. 14 der Richtlinie aus, dass es für den Betrag, der der obsiegenden Partei zu erstatten sei, eine Obergrenze gebe.

27.      Zur Untermauerung der Hypothese, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs absolut oder grundsätzlich formulierten nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehe, die eine Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles nicht zuließen, wenn die Richtlinien eine derartig starre Regelung nicht enthielten, führt sie die Urteile in den Rechtssachen Marshall sowie VTB-VAB und Galatea(5) an.

28.      Nach Auffassung der Kommission ist Art. 14 der Richtlinie sehr allgemein gehalten. Er gehe nicht nur selbst wenig ins Detail, sondern lasse überdies Ausnahmen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu, was zeige, dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in ihr nationales Recht ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe.

29.      Art. 14 sei im Licht des allgemeinen Zwecks der Richtlinie (zehnter Erwägungsgrund) und des Urteils Realchemie Nederland(6) zu würdigen, wonach beabsichtigt sei, dass der Schutz des geistigen Eigentums wirksam sein müsse(7). Darüber hinaus seien folgende Fakten zu berücksichtigen:

–        Der besondere Zweck von Art. 14 der Richtlinie bestehe darin, zu verhindern, dass ein Geschädigter davon abgehalten werden könnte, ein gerichtliches Verfahren zum Schutz seiner Rechte des geistigen Eigentums einzuleiten(8).

–        Die mit solchen Verfahren verbundenen Kosten könnten in der Praxis eine bedeutende Hürde für die Einleitung solcher Verfahren darstellen, und die Unterschiede zwischen den prozessualen Regelungen in den Mitgliedstaaten seien erheblich, nicht nur vor der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, sondern auch danach noch(9).

–        Im Kontext von Art. 14 der Richtlinie sei hervorzuheben, dass deren Art. 3 bestimme, dass die im nationalen Recht vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein dürften und zugleich wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssten.

30.      Für die Kommission steht Art. 14 der Richtlinie einem System der pauschalen Festsetzung von Anwaltskosten wie dem belgischen nicht entgegen. Die Möglichkeit, ein solches System einzuführen, ergebe sich aus dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dieser Artikel oder andere in der Richtlinie diese Möglichkeit ausschlössen. Dieses System sei für eine geordnete Rechtspflege und insbesondere für die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit von Vorteil. Die Ungewissheit über die Höhe der Kosten, die in einem Verfahren gezahlt werden müssten oder erstattet verlangt werden könnten, könne ein Hindernis für die Erhebung einer Klage darstellen. Die abschreckende Wirkung könne ebenso die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums betreffen. Sähe die Regelung einen Ersatz der Kosten in voller Höhe vor, so wären die Parteien möglicherweise bei einem Unterliegen im Rechtsstreit hohen Kostenforderungen ausgesetzt. Diese Möglichkeit könne sie ebenfalls davon abhalten, ein Verfahren einzuleiten.

31.      Die belgische Regierung nimmt zunächst auf die sich aus dem Wortlaut der Erwägungsgründe 10 und 11 ergebenden Zwecke der Richtlinie Bezug und führt dazu aus, der wesentliche Zweck bestehe darin, einen leichteren Zugang zu Gerichten zu ermöglichen, um eine bessere Durchsetzbarkeit der Rechte des geistigen Eigentums zu gewährleisten. Dies sei der Gesetzesbegründung zufolge auch der Zweck des Gesetzes vom 21. April 2007 über die Rückforderbarkeit der Anwaltshonorare und ‑kosten(10). Das Recht auf Zugang zu Gerichten ergebe sich zudem unmittelbar aus Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

32.      Das vom belgischen Gesetzgeber eingeführte gemischte System biete den Vorteil, eine gewisse Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die finanziellen Risiken für den Fall des Unterliegens im Prozess zu gewährleisten, was nicht nur den Zugang zu Gerichten begünstige, sondern auch die eine Partei schütze, wenn die andere Kosten verursacht habe, die nicht zumutbar und angemessen seien. Es handele sich zudem um eine nationale Rechtsvorschrift, die nach Anhörung und mit Zustimmung der belgischen Anwaltskammern erlassen worden sei, die am besten wüssten, wie hoch die Anwaltshonorare in streitigen Verfahren – zu denen auch die Verfahren über geistiges Eigentum gehörten – im Durchschnitt seien.

33.      Die niederländische Regierung beruft sich darauf, dass die Anwaltshonorare im ursprünglichen Vorschlag der Kommission(11) ausdrücklich erwähnt worden seien, nicht jedoch in der endgültigen Fassung, weshalb sie der Ansicht ist, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten den Freiraum einräume, selbst zu entscheiden, ob die Anwaltskosten zu den Kosten gehörten, die die im Rechtsstreit unterlegene Partei erstatten müsse. Um diese Hypothese zu belegen, führt sie auch Art. 45 Abs. 2 des TRIPS-Übereinkommens an, auf dem die Richtlinie beruhe(12).

34.      Die niederländische Regierung verweist auf die freie Wahl der Methode zur Festlegung der zu erstattenden Prozesskosten und darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung bei Fehlen einer detaillierten Regelung den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum in der Wahl der Mittel zustehe, um die volle Wirkung einer Bestimmung sicherzustellen.

35.      Sie betont außerdem, dass dieser weite Gestaltungsspielraum nicht zufällig bestehe, sondern von der Richtlinie bewusst eingeräumt worden sei. Diese Ansicht werde in erster Linie von dem Wortlaut von Art. 14 untermauert, der allgemein und flexibel formuliert sei, und in zweiter Linie durch die unterschiedliche Wortwahl im Entwurf der Richtlinie(13) und in deren endgültiger Fassung, insbesondere im Hinblick auf die Hinzufügung der Wendung „in der Regel“ und den Wegfall einer ausdrücklichen Erwähnung der „Anwaltshonorare“. Diese Änderungen seien in Anbetracht der großen Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Regelungen erfolgt und deshalb, weil die Mitgliedstaaten im Bereich des Prozessrechts im Grundsatz autonom entscheiden könnten.

36.      Die Mitgliedstaaten könnten daher frei bestimmen, wann Anwaltskosten zumutbar und angemessen und wann sie zu erstatten seien, sei es durch die Festlegung von Pauschalbeträgen oder in anderer Weise, solange die volle Wirkung von Art. 14 der Richtlinie gewährleistet werde.

37.      Der Zweck dieses Artikels bestehe darin sicherzustellen, dass die Parteien nicht von der Ausübung ihrer Rechte abgehalten würden. Die Anwaltskosten stellten den wichtigsten und am wenigsten vorhersehbaren Teil der Kosten dar und könnten in diesem Sinne ein Hindernis für den Zugang zu Gerichten darstellen. Das Pauschalsystem trage zur Vorhersehbarkeit und Transparenz des finanziellen Risikos bei, wodurch es eine wichtige Hürde für den Zugang zu Gerichten beseitige. Es diene außerdem dazu, die allgemeine Forderung in Art. 3 der Richtlinie zu erfüllen, dass die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zum Schutz des geistigen Eigentums nicht unnötig komplex oder kostspielig sein dürften. Ein Pauschaltarif ermögliche eine objektive Feststellung des Höchstbetrags, oberhalb dessen die Kosten nicht mehr zumutbar und angemessen seien.

38.      Schließlich untermauert die niederländische Regierung mit dem Wortlaut des 17. Erwägungsgrundes der Richtlinie ihre Auffassung, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit und Angemessenheit unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen habe. Solange der Pauschaltarif dazu diene, die zumutbaren und angemessenen Prozesskosten zu ermitteln, stelle Art. 14 der Richtlinie kein Hindernis für eine nicht abdingbare Begrenzung der Anwaltshonorare auf einen Höchstbetrag dar.

39.      Im Ergebnis steht daher Art. 14 der Richtlinie nach Ansicht der niederländischen Regierung einem System, das zur Bestimmung der erstattungsfähigen Anwaltshonorare auf gesetzlich oder in anderer Weise festgelegte Pauschaltarife zurückgreift, nicht entgegen, wenn diese Tarife die angesichts der Umstände des Falles zumutbaren und angemessenen Prozesskosten widerspiegeln.

40.      Die polnische Regierung vertritt die Auffassung, Art. 14 der Richtlinie verlange nicht, dass die unterlegene Partei der obsiegenden sämtliche Prozesskosten ersetze, sondern nur die zumutbaren und angemessenen. Gerade die Festlegung von Pauschaltarifen gestatte es, die Verurteilung zur Tragung der Kosten als zumutbar anzusehen.

41.      Das belgische System ermögliche es, dass die unterlegene Partei die Kosten der Gegenpartei im Rahmen akzeptabler sozio-ökonomischer Bedingungen zu tragen habe. Es verhindere außerdem, dass die obsiegende Partei künstlich herbeigeführte oder ungerechtfertigte Kosten einbeziehe, sei es durch den Einsatz finanzieller Mittel, die außer Verhältnis zu den finanziellen Ressourcen der anderen Partei stünden, sei es böswillig in der Absicht, der unterlegenen Partei nicht nur die negativen Folgen der Abweisung ihrer Anträge aufzubürden, sondern obendrein künstlich herbeigeführte Kosten.

42.      Der Zweck von Art. 14 der Richtlinie sei, dass der Geschädigte nicht davon abgehalten werde, ein gerichtliches Verfahren zum Schutz seiner Rechte des geistigen Eigentums anzustrengen. Bei dem belgischen System könne die Partei im Vorhinein absehen, in welcher Höhe ihr Kosten erstattet würden oder sie Kosten übernehmen müsse. Der Tarif sorge somit dafür, dass die Kosten vorhersehbar seien, und trage dazu bei, den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, sich für die Sicherung ihrer Rechte zu entscheiden.

B –    Zur zweiten Frage

43.      Weder UVP noch die Regierung Polens haben zu dieser Frage Erklärungen abgegeben.

44.      Telenet ist der Ansicht, die in der belgischen Rechtsprechung entwickelte Voraussetzung (dass ein Fehlverhalten vorliegen muss, damit die Erstattung von Sachverständigenkosten von der unterlegenen Partei verlangt werden kann) stehe in Widerspruch zu Art. 14 der Richtlinie. Diese Bestimmung nenne Fehlverhalten nicht als Kriterium, und bei der in ihr erwähnten Billigkeit handele es sich lediglich um einen Korrekturmechanismus im Verhältnis zur allgemeinen Regelung, nämlich der Erstattung sämtlicher zumutbarer und angemessener Kosten, und nicht um deren Anknüpfungspunkt.

45.      Für die Kommission fallen die Kosten des technischen Beistands durch Sachverständige unter den Begriff der Prozesskosten im Sinne von Art. 14 und können Gegenstand einer Rückerstattung sein. Das Erfordernis eines Fehlverhaltens als Voraussetzung für die Rückerstattung sei aus den folgenden Gründen mit diesem Artikel nicht vereinbar:

–        Der Wortlaut von Art. 14 enthalte dieses Kriterium nicht und gebe auch keinen Anlass dazu, davon auszugehen, dass Sachverständigenkosten anders zu behandeln seien als die übrigen Kosten.

–        Das Kriterium des Fehlverhaltens stelle ein ernst zu nehmendes Hindernis für die Möglichkeit der obsiegenden Partei dar, die von ihr für die Beibringung von Sachverständigengutachten im Gerichtsverfahren aufgewendeten Kosten ersetzt zu erhalten.

–        In der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei es, wenngleich in anderen Rechtsbereichen, jedoch bezogen auf die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz, als unzulässig angesehen worden, Verschulden als ein zusätzliches haftungsbegründendes Element zu fordern(14).

46.      Der belgischen Regierung zufolge fallen die Kosten für Sachverständigenhonorare nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes vom 21. April 2007. Der belgische Hof van Cassatie (Kassationshof) habe den Grundsatz der Rückforderbarkeit solcher Kosten unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt: Es müsse nachgewiesen werden, dass ein für den Schaden, der in der Zahlung der Kosten und Honorare von Sachverständigen liege, ursächliches Fehlverhalten vorgelegen habe, dass diese Aufwendungen in einem Kausalzusammenhang mit dem Fehlverhalten stünden und dass der technische Beistand erforderlich gewesen sei.

47.      Diese Rechtsprechung berechtigt nach Ansicht der belgischen Regierung zu einer vollständigen Erstattung der Sachverständigenkosten in dem Umfang, in dem sie einen Schaden darstellten, den die unterlegene Partei auf der Grundlage eines vertragswidrigen oder außervertraglichen Fehlverhaltens zu ersetzen habe. Das System sei daher mit Art. 14 der Richtlinie vereinbar.

48.      Die niederländische Regierung vertritt die Auffassung, dass die Sachverständigenkosten von der unterlegenen Partei in dem Umfang zu ersetzen seien, wie sie zumutbar und angemessen seien. Art. 14 biete keinen Spielraum für eine restriktive Auslegung dahin gehend, dass Sachverständigenkosten nur dann zu erstatten seien, wenn bei der unterlegenen Partei Fehlverhalten vorgelegen habe.

IV – Würdigung

A –    Zur ersten Vorlagefrage

49.      Art. 14 der Richtlinie verwendet zwei Rechtsbegriffe („Prozesskosten“ und „sonstige Kosten der obsiegenden Partei“), die im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage nicht im Detail analysiert werden müssen, weil die Anwaltshonorare sich ohne Schwierigkeiten unter den Begriff der Prozesskosten subsumieren lassen. Die „Prozesskosten“ umfassen definitionsgemäß solche Honorare(15), und dies gilt sowohl im belgischen Recht(16) als auch in den übrigen Rechtsordnungen und in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs(17).

50.      Wenn die Anwaltshonorare der obsiegenden Partei „zumutbar und angemessen“ sind, sieht Art. 14 der Richtlinie als allgemeine Regel vor, dass sie von der unterlegenen Partei zu zahlen sind, „sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen“. Die Vorschrift führt also eine allgemeine Regel ein, von der es verschiedene Ausnahmen geben kann: u. a. dann, wenn die Folgen dieser Regel im Einzelfall der Billigkeit widersprechen.

51.      Die Merkmale „zumutbar und angemessen“(18) sind folglich entscheidend für die Frage, ob die Anwaltshonorare der einen Partei von der zur Tragung der Kosten verurteilten anderen Partei zu ersetzen sind. Beide Merkmale müssen vorliegen, damit Art. 14 Anwendung findet; insoweit steht die Formulierung im Einklang mit Art. 3 der Richtlinie, der bestimmt, dass die erforderlichen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums „fair und gerecht“ sein müssen.

52.      Die Beurteilung der „Zumutbarkeit“ der Honorare hat sich in erster Linie an dem Gedanken der „zumutbaren Einforderbarkeit“ zu orientieren, der in der deutschen Fassung von Art. 14 der Richtlinie anklingt(19). Eine nationale Regelung könnte möglicherweise die Erstattung der Kosten eines Anwalts als nicht zumutbar ansehen, wenn beispielsweise dessen Einschaltung in einem bestimmten Verfahren überflüssig gewesen wäre. Die Kosten, deren Erstattung von der unterlegenen Partei verlangt werden, können daher auf die „notwendigen Aufwendungen“ begrenzt werden, die der obsiegenden Partei des Rechtsstreits entstanden sind(20).

53.      In zweiter Linie ist zu prüfen, ob die Anwaltshonorare „angemessen“ sind, d. h., ob sie nicht außer Verhältnis zu einer Reihe von Variablen stehen, deren Festlegung wiederum dem Gesetz oder dem nationalen Gericht obliegt. Faktoren wie der Gegenstand des Rechtsstreits, der Streitwert, die Komplexität der aufgeworfenen rechtlichen Fragen, der für die Vertretung erforderliche Arbeitsaufwand, die finanzielle Leistungsfähigkeit der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei und andere ähnliche Faktoren könnten geprüft werden, um festzustellen, ob die erforderliche Angemessenheit (im Sinne von Verhältnismäßigkeit) der Anwaltshonorare, die die obsiegende Partei von der in einem Rechtsstreit über den Schutz von Rechten des geistigen Eigentums unterlegenen Partei erstattet verlangt, gegeben ist.

54.      Im vorliegenden Fall hat sich das vorlegende Gericht zur Zumutbarkeit und Angemessenheit der Honorare des Anwalts, der die Interessen von Telenet vertreten hat, nicht geäußert. Diese Wertung liegt jedoch in der ausschließlichen Zuständigkeit dieses Gerichts und kann nicht vom Gerichtshof vorgenommen werden. Die Antwort auf die Vorlagefrage muss daher die Befugnis des vorlegenden Gerichts zur Würdigung der Frage, ob der von Telenet für Anwaltskosten verlangte Betrag von 185 462,55 Euro angesichts der Umstände des Rechtsstreits, den es beigelegt hat, zumutbar und angemessen ist, unberührt lassen. Bejahendenfalls müsste das vorlegende Gericht darüber hinaus noch prüfen, ob die Erstattung dieser Summe der Billigkeit entspricht, was ihm zweifellos einen gewissen Handlungsspielraum einräumt. All diese Feststellungen hängen aber nicht von der Entscheidung über die Wirksamkeit – aus dem Blickwinkel des Unionsrechts – der Obergrenze ab, auf die im Folgenden Bezug genommen wird.

55.      Die Werte und Grundsätze, die das Unionsrecht inspiriert haben und zu denen Rechtssicherheit ebenso gehört wie das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in seiner Ausprägung als Recht auf Zugang zu Gerichten, können weder bei der Auslegung der Richtlinie in ihrer Gesamtheit noch im Hinblick auf Art. 14 außer Acht gelassen werden.

56.      Obwohl in einigen der Erklärungen – insbesondere in denen der belgischen Regierung – auf die prozessrechtliche Autonomie der Staaten verwiesen wird, kann die Auslegung von Art. 14 der Richtlinie nicht losgelöst vom teleologischen Ansatz erfolgen: Ihr Zweck besteht darin, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten müssen im Einklang mit diesem Ziel die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vorsehen, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erforderlich sind, jedoch stets innerhalb des von der Richtlinie selbst vorgegebenen rechtlichen Rahmens.

57.      Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens ist ein weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der nicht vernachlässigt werden darf: Die Verfahren und Rechtsbehelfe, die die Mitgliedstaaten in diesem Bereich einführen müssen, dürfen nicht „unnötig kompliziert oder kostspielig“ sein (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Demnach dürfen die „Kosten“ der betreffenden Rechtsstreitigkeiten keine übermäßig hohen Belastungen(21) für die Parteien nach sich ziehen.

58.      Aus systematischer Perspektive betrachtet, behandelt die Richtlinie „Schadensersatz“ und „Prozesskosten“ innerhalb desselben Abschnitts (Abschnitt 6). Auch wenn ihr 26. Erwägungsgrund, der sich auf den Ersatz des erlittenen Schadens bezieht, die Prozesskosten nicht erwähnt, lässt sich trotzdem argumentieren, dass diese wegen ihrer Positionierung im selben Abschnitt als ein weiteres Element einzuordnen sind, das nach der Richtlinie zur Entschädigung für Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums gehört. Allerdings sieht die Richtlinie nur eine „allgemeine Regel“ vor, von der Ausnahmen möglich sind und deren Anwendbarkeit von Faktoren abhängt, die sich von den im Rahmen der Schadensersatzregelung relevanten Faktoren unterscheiden.

59.      Der Gerichtshof hat sich zu den Prozesskosten in Verfahren zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums in den Urteilen Realchemie Nederland(22) und Diageo Brands(23) geäußert. Deren Lektüre, insbesondere von Rn. 49 des Urteils Realchemie Nederland(24), lässt sich der bereits zuvor skizzierte Gedanke entnehmen, dass Art. 14 der Richtlinie ein zusätzliches Element im Dienst eines vollumfänglichen Ersatzes des vom Inhaber des geistigen Eigentumsrechts erlittenen Schadens ist. Der Gerichtshof hat darüber hinaus betont, dass Art. 14 der Richtlinie das Schutzniveau für geistiges Eigentum erhöhen soll, indem er verhindert, dass ein Geschädigter von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Sicherung seiner Rechte abgehalten wird.

60.      Im Urteil Realchemie Nederland hat sich der Gerichtshof allerdings nicht zur Frage der Zumutbarkeit und Angemessenheit der Prozesskosten geäußert, da dies bei jenem Vorabentscheidungsersuchen nicht erforderlich war(25). Der Streit über die Auslegung und Tragweite von Art. 14 harrt folglich noch der Lösung und ist gerade Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens.

61.      Der in der Rechtsprechung unverrückbar anerkannte Grundsatz der Rechtssicherheit ist mit dem der Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidung verknüpft. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass „… Rechtsakte der Gemeinschaft … eindeutig sein [müssen], und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein. Dieses Gebot der Rechtssicherheit gilt in besonderem Maße, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen“(26).

62.      Ein Korollar dieses Grundsatzes, das sich für die richtige Auslegung von Art. 14 der Richtlinie eignet, ist der Umstand, dass die Mitgliedstaaten Mechanismen vorsehen müssen, die die Vorhersehbarkeit der Prozesskosten ermöglichen. Im Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich(27) verweist der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung des englischen Rechts zu einem „Kostenschutzbeschluss“ auf die Notwendigkeit, eine hinreichende Vorhersehbarkeit zu gewährleisten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten dem Grunde nach als auch im Hinblick auf deren Höhe.

63.      So überrascht es nicht, dass einige der Verfahrensbeteiligten, die schriftliche Erklärungen vorgelegt haben, auf die Gegengewichte der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit als Schlüsselelemente für die Bemessung der Prozesskosten hingewiesen haben. Zu den entscheidenden Faktoren, wenn es darum geht, einen Rechtsstreit ins Auge zu fassen, zählen die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten und der absehbare finanzielle Aufwand, der auf die Betroffenen zukommt.

64.      Aus diesem Blickwinkel betrachtet, vermag ich mich nicht einer Auslegung von Art. 14 der Richtlinie anzuschließen, die dazu führt, dass die Prozesskosten zwingend sämtliche Anwaltshonorare umfassen müssen, die der obsiegenden Partei entstanden sind. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass a) die insoweit erstattungsfähigen Kosten nur diejenigen sind, die im Einzelfall als zumutbare und angemessene Kosten anzusehen sind, und b) die Mitgliedstaaten gerade wegen des zwingenden Gebots der Vorhersehbarkeit berechtigt sind, „objektiv“ und allgemein den zu erstattenden Höchstbetrag innerhalb einer Skala wie derjenigen der streitigen belgischen Regelung festzulegen.

65.      Das Rechtsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist nicht mit demjenigen zu verwechseln, durch das die Verpflichtung zur Erstattung der Prozesskosten entsteht. Ersteres ist ein Rechtsverhältnis dienstvertraglicher Natur, in dessen Rahmen beide die finanzielle Gegenleistung des Mandanten an seinen Anwalt frei festlegen. Das zweite ist ein Prozessrechtsverhältnis, das darauf zielt, die obsiegende Partei zulasten der unterlegenen Partei für die Kosten zu entschädigen, die durch den Prozess anfallen.

66.      Die unterschiedliche Rechtsnatur dieser beiden Rechtsverhältnisse ist von essenzieller Bedeutung, weil für das erste (das vertragliche) den subjektiven Erwägungen entscheidendes Gewicht zukommt und die Entscheidung, ob der Mandant die finanziellen Bedingungen des Anwalts annimmt, vollständig vom Willen des Mandanten abhängt, der sich leicht einen anderen Rechtsanwalt suchen kann, der ihn vertritt. Im Prozessrechtsverhältnis besteht diese Wahlfreiheit nicht, und deshalb ist es folgerichtig, hier objektive Kriterien anzuwenden(28), um die Höhe der Honorare zu konkretisieren – und gegebenenfalls zu verringern –, die von jemandem ersetzt werden müssen, der an der Auswahl des Anwalts der Gegenseite nicht beteiligt war.

67.      Die objektiven Kriterien können auf der Grundlage von Standardkosten für den Beistand durch einen Rechtsanwalt angepasst werden, was zudem zur Gleichheit der Parteien im Prozess beiträgt und verhindert, dass die eine, die wirtschaftlich besser gestellt ist, der Gegenpartei ihre Wahl aufzwingen kann. Wenn es möglich wäre, der Gegenpartei den Gesamtbetrag des Anwaltshonorars aufzuerlegen, so könnte der Kläger mit der größeren Finanzkraft seine Wahlmöglichkeit in einer quasi zwingenden Art und Weise ausnutzen. Angesichts des Risikos, die sehr hohen Kosten des Anwalts der Gegenseite übernehmen zu müssen, könnte der Betroffene die Entscheidung fällen, dass es nicht der Mühe wert ist, zu kämpfen, und dass es sicherer ist, auf eine Klageerhebung zu verzichten. Der Grundsatz der Gleichheit der Prozessparteien und das Recht auf Zugang zu Gerichten, mit dem diese ganze Diskussion untrennbar verknüpft ist(29), könnten ausgehöhlt werden.

68.      Fest steht, dass gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie die Verfahren und Rechtsbehelfe in diesem Bereich „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Diese Abschreckung kann in einem doppelten Sinne wirken: In der einen Richtung könnte sie Personen davon abbringen, einen Rechtsstreit einzuleiten, weil sie, wenn sie verlören, mit sehr hohen Kosten konfrontiert wären; in der anderen deshalb, weil sie, auch wenn sie gewönnen, nur einen geringen Teil der von ihnen aufgewendeten Kosten erstattet verlangen könnten. Meiner Ansicht nach verwirklicht sich das „abschreckende“ Potenzial dieser Art Verfahren, was die Prozesskosten anbetrifft, wenn diese anhand von vorhersehbaren, im Vorhinein nach den objektiven Kriterien der Zumutbarkeit und Angemessenheit festgelegten Maßstäben berechnet werden. Die von der unterlegenen Partei zu ersetzenden Anwaltskosten könnten ein bedeutendes Hindernis für den Zugang zu Gerichten darstellen (d. h. einen übermäßig „abschreckenden“ bis hin zu einem „kostspieligen“ Faktor, was gemäß Art. 3 der Richtlinie verboten wäre), wenn man ihre Konkretisierung ausschließlich dem Gläubiger überließe, ohne dass eine externe Prüfung des Betrags erfolgte.

69.      Entspricht ein System wie das belgische, das einen Höchstbetrag für die von der zur Kostentragung verurteilten Partei zu ersetzenden Anwaltshonorare festlegt, diesen Kriterien? Keine der Parteien dieses Vorabentscheidungsersuchens (auch nicht Telenet) hat vorgetragen, die absoluten Grenzen stellten als solche abstrakt einen Verstoß gegen Art. 14 der Richtlinie dar(30), und dem stimme ich zu(31). Die Kommission verweist ausdrücklich darauf, dass diese Bestimmung Systeme mit einer pauschalen Kostenfestsetzung nicht ausschließe; dies ergebe sich aus dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten. In diesem Sinne wird auch in den Erklärungen der Niederlande argumentiert: Die Begriffe „zumutbar und angemessen“ und die Berufung auf die „Billigkeit“ in Art. 14 seien so weit gefasst, dass sie den Mitgliedstaaten einen Freiraum einräumten.

70.      Das Königreich Belgien plädiert für die Anwendung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Staaten. Ich bin jedoch, wie bereits erwähnt, der Auffassung, dass angesichts dessen, dass die Richtlinie eine konkrete Bestimmung enthält, die die „Homogenität“ des Umgangs mit den Kosten bei einer bestimmten Art von Rechtsstreitigkeiten anstrebt (in denen es um geistiges Eigentum geht), die Regelung der prozessualen Instrumente zwar eindeutig den Mitgliedstaaten zukommt, aber innerhalb der von der Richtlinie gezogenen Grenzen bleiben muss(32).

71.      Das belgische System zur Festsetzung der Anwaltskosten bestimmt anhand des Kriteriums des Obsiegens (die im Rechtsstreit unterlegene Partei zahlt die Anwaltshonorare der obsiegenden Partei) Ober- und Untergrenzen der Beträge, auf deren Erstattung ein Anspruch besteht, in Abhängigkeit vom Streitwert(33). Die Konkretisierung des genauen Betrags, der verlangt werden kann, obliegt dem erkennenden Gericht, das ihn in Ansehung der Umstände des Einzelfalls, aber immer innerhalb dieser Grenzen, festsetzt.

72.      Im Ausgangsverfahren hat das Gericht die Kosten für die Anwaltshonorare im ersten Rechtszug auf 11 000 Euro festgesetzt, was gemäß Art. 3 des Königlichen Erlasses dem Höchstbetrag bei Klagen mit nicht in Geld zu bemessendem Streitwert entspricht. Der zugesprochene Betrag ist damit sehr viel niedriger als der von der Kostengläubigerin verlangte Betrag (über 185 000 Euro). Dieser Umstand ist allem Anschein zum Trotz in Wahrheit nicht von Bedeutung, da es einerseits nicht Sache des Gerichtshofs, sondern des vorlegenden Gerichts ist, darüber zu entscheiden, ob diese Honorare zumutbar und angemessen sind, und andererseits die übermittelten Angaben keinen Schluss darauf zulassen, an welchem Punkt ein angemessenes Verhältnis bestehen würde.

73.      Meines Erachtens ist die Antwort auf diese Frage im Licht einer Würdigung des belgischen Systems in seiner Gesamtheit zu geben, und zwar unter Berücksichtigung der in diesem Land geltenden üblichen Standards für Anwaltshonorare. Art. 14 der Richtlinie strebt zwar eine Homogenisierung der Regelungen über die Kosten in Verfahren aus dem Bereich der Rechte des geistigen Eigentums in allen Mitgliedstaaten an, aber er hat niemals zum Ziel gehabt, die bekanntermaßen stark voneinander abweichenden Anwaltshonorare in allen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen oder anzunähern. Der Königliche Erlass wurde unter Berücksichtigung der positiven Stellungnahme der belgischen Berufsverbände (der Anwaltskammern) angenommen, weshalb im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass die darin festgelegten Höchstbeträge den durchschnittlichen Standards in Belgien entsprechen. Diese Organisationen können am besten die Grenzen der „objektiven Zumutbarkeit“ vorschlagen, jenseits derer in Belgien niemand dazu verpflichtet werden darf, die Honorare des gegnerischen Anwalts zu zahlen.

74.      Für das vom belgischen Gesetzgeber geschaffene System spricht zudem die Vorhersehbarkeit der Prozesskosten, zu deren Zahlung die Parteien ab dem Beginn des Prozesses verpflichtet sind. Wie ich schon weiter oben unterstrichen habe, erfordert der Grundsatz der Rechtssicherheit, über sichere (feste oder prozentuale) Zahlen zu verfügen, auf deren Grundlage sich das finanzielle Risiko eines gerichtlichen Vorgehens – sei es offensiv oder defensiv – berechnen lässt.

75.      Ausgehend von diesen Überlegungen bin ich der Auffassung, dass Art. 14 der Richtlinie dem Gerichtshof nicht die Möglichkeit eröffnet, den Willen des belgischen Gesetzgebers zu „korrigieren“, der in den beiden vorerwähnten nationalen Bestimmungen im Hinblick auf die Obergrenze für Honorare zum Ausdruck kommt, ab der die Verpflichtung der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei entfällt, die für den gegnerischen Anwalt aufgewendeten Kosten zu ersetzen. Die belgischen Behörden haben – dies belegt das Verfahren zum Erlass dieser beiden Bestimmungen – genaue Angaben herangezogen, um ein System von Höchstbeträgen für Anwaltshonorare (die von der im Rechtsstreit unterlegenen Partei zu erstatten sind) zu etablieren, das in Einklang mit ihren eigenen Kostenstandards der Anwälte steht und – neben anderen Faktoren – der konkreten Situation der Rechtsbeistände in diesem Land Rechnung trägt(34).

76.      Die Tatsache, dass innerhalb des Systems die Beträge so festgelegt worden sind, dass bei Klagen mit in Geld zu bemessendem Streitwert die erstattungsfähigen Honorare 30 000 Euro pro Rechtszug nicht übersteigen, während es bei Klagen mit nicht in Geld zu bemessendem Streitwert pro Rechtszug nur 11 000 Euro sind, könnte aus anderen Blickwinkeln betrachtet mehr oder weniger Anlass zu Kritik geben, aber nicht im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 14 der Richtlinie. Sicherlich wäre das System Verbesserungen zugänglich (z. B. indem es Abweichungen in Ausnahmefällen zulassen könnte), aber es steht so, wie es ausgestaltet ist, nicht in Widerspruch zu diesem Artikel, der, wie bereits ausgeführt, eine „allgemeine Regel“ festlegt, von der Ausnahmen unter den Gesichtspunkten der Zumutbarkeit und Angemessenheit möglich sind, was den Mitgliedstaaten ein größeres Maß an gesetzgeberischer Freiheit verschafft. Der nationale Gesetzgeber kann meines Erachtens unter Berücksichtigung der Rechtskultur und der Situation der Rechtsbeistände in Belgien – neben anderen Faktoren – selbst entscheiden, ab welcher Höhe die von der unterlegenen Partei zu erstattenden Anwaltshonorare nicht mehr als zumutbar anzusehen sind.

B –    Zur zweiten Vorlagefrage

77.      Ausgangspunkt der Lösung der zweiten Vorlagefrage muss das nationale Recht sein, so wie das vorlegende Gericht es beschreibt. Dessen Prämisse ist, dass nach „der [belgischen] Rechtsprechung … die Kosten für einen technischen Berater nur im Fall eines (vertraglichen oder außervertraglichen) Fehlverhaltens erstattungsfähig sind“. Einigkeit herrscht darüber, dass die Erstattung von Sachverständigenkosten (einschließlich der Kosten für technische Sachverständige oder Beistände) nicht den für die Erstattung von Anwaltshonoraren geltenden Regeln unterliegt.

78.      Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob die belgische Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit dieser Kosten mit Art. 14 der Richtlinie vereinbar ist. Die von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten schriftlichen Erklärungen – mit Ausnahme jener der belgischen Regierung – stimmen insoweit darin überein, dass eine Unvereinbarkeit vorliegt.

79.      Bevor ich zur Antwort komme, muss ich zwei Dinge klarstellen. Das erste ist, dass unter den Begriff der Kosten für die Tätigkeit von Sachverständigen oder technischen Beiständen verschiedene Sachverhalte fallen können, von denen einige nicht unbedingt in die Kategorie der „Prozesskosten“ einzuordnen sind. Diese Kategorie umfasst nicht jegliche mehr oder weniger mit der Erhebung der Klage „verbundenen“ oder „aus Anlass“ der Klageerhebung angefallenen Kosten, sondern nur jene, die ihren unmittelbaren Ursprung im Prozess selbst haben. Eine – natürliche oder juristische – Person kann Vorverfahren durchführen oder sogar im Vorfeld bestimmte Berater oder Sachverständige konsultieren, ohne dass die Kosten dafür zu den „Prozesskosten“ zählen. Nach dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie gehören die zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums aufgewendeten „Kosten im Zusammenhang mit der Feststellung der Rechtsverletzung und ihrer Verursacher“ zum Bereich des Schadensersatzes (Art. 13) und nicht zu den Prozesskosten (Art. 14).

80.      Die zweite Klarstellung betrifft den Umstand, dass das belgische Gerichtsgesetzbuch (in Art. 1018 Abs. 4) besagt, dass zu den – nach der allgemeinen Regel der Kostentragungspflicht des Unterliegenden – von der unterlegenen Partei zu tragenden Prozesskosten die Kosten der „Zeugen und Sachverständigen“ gehören, wenn diese aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung über die Erhebung von „Beweismitteln“ mitgewirkt haben. Im Hinblick auf diese Sachverständigenkosten findet offensichtlich das (subjektive) Kriterium des Fehlverhaltens, auf das das vorlegende Gericht sich bezieht, keine Anwendung, sondern die (objektive) Regel der Kostentragungspflicht des Unterliegenden.

81.      Daher ist klarzustellen, auf welche Sachverständigenkosten sich die belgische Rechtsprechung genau bezieht, wenn sie deren Erstattung vom Vorliegen eines Fehlverhaltens bei der Verursachung des Schadens abhängig macht, der zu der Erstattungspflicht führt(35). Es gibt zwei Formen von Aufwendungen für Beweise technischer Art: a) Kosten für die Tätigkeit von Gutachtern (Sachverständigen) im Prozess, die in Art. 1018 Abs. 4 des Gerichtsgesetzbuchs aufgeführt sind, und b) Kosten, die außerhalb des Prozesses angefallen sind, um die Klageforderung oder die Klageerwiderung zu stützen. Nur auf die letztgenannten Kosten kann sich die vom vorlegenden Gericht und von der belgischen Regierung selbst angeführte Rechtsprechung beziehen.

82.      Unter den genannten Vorbehalten schlage ich eine Antwort auf die zweite Vorlagefrage vor, die zwei Seiten aufweist. Meines Erachtens steht die nationale Rechtsprechung, die das vorlegende Gericht erwähnt, nicht in Widerspruch zu Art. 14 der Richtlinie, wenn die Kosten des technischen Beistands aufgrund der konkreten Umstände, beispielsweise wegen des vorbereitenden Charakters seiner Tätigkeit oder aus anderen Gründen, die ich zuvor dargestellt habe, nicht unter den Begriff „Prozesskosten“ fallen. In diesem Fall können sie möglicherweise gemäß Art. 13 der Richtlinie erstattungsfähig sein, denn diese Bestimmung lässt ein Abstellen auf Umstände zu, die mit dem Begriff des Fehlverhaltens verknüpft sind (der Schaden ist von dem „… Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm“, auszugleichen).

83.      Im Gegensatz dazu und als Kehrseite der vorgenannten Antwort müssen die Kosten für die Tätigkeit eines Sachverständigen im Rahmen eines Rechtsstreits zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Klage stehen, der obsiegenden Partei nach Maßgabe von Art. 14 der Richtlinie (d. h. wenn sie zumutbar und angemessen sind und Billigkeitsgründe nicht entgegenstehen) ersetzt werden, ohne dass das Vorliegen einer zusätzlichen Voraussetzung, wie ein Fehlverhalten, verlangt werden darf.

84.      Wenn ich auf die zweite Vorlagefrage eine Antwort gebe, die von der auf die erste Frage vorgeschlagenen Antwort abweicht, so liegt das daran, dass nach der offenbar auf die Sachverständigenkosten angewendeten (von der Rechtsprechung entwickelten) nationalen Regel deren Erstattung in Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum ganz oder teilweise ausgeschlossen sein kann, und zwar wegen des Merkmals des Fehlverhaltens, das im Hinblick auf die Anwaltshonorare nicht gefordert wird. Der allgemeine Ausschluss derartiger „Prozesskosten“ (immer vorausgesetzt, sie unterfallen tatsächlich diesem Begriff), der sich aus der Anwendung der nationalen Rechtsprechung auf diese Art von Verfahren ergeben könnte, würde es nicht einmal ermöglichen zu prüfen, ob sie im Einzelfall zumutbar und angemessen sind, was meiner Ansicht nach weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck von Art. 14 der Richtlinie vereinbar ist.

V –    Ergebnis

85.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

1.      Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums steht einer nationalen Regelung wie der in diesem Vorabentscheidungsverfahren streitigen, mit der eine für alle Arten von Verfahren einschließlich Verfahren zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums geltende Obergrenze für die Erstattung der Anwaltshonorare der obsiegenden Partei durch die zur Tragung der Kosten verurteilten Partei festgelegt wird, nicht entgegen.

2.      Art. 14 der Richtlinie 2004/48 lässt es nicht zu, dass als notwendige Voraussetzung dafür, der unterlegenen Partei die der obsiegenden Partei entstandenen zumutbaren und angemessenen Sachverständigenkosten, deren Erstattung keine Billigkeitsgründe entgegenstehen, aufzuerlegen, ein Fehlverhalten verlangt wird, sofern diese Kosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erhebung einer Klage zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums stehen.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45, berichtigt im ABl. L 195, S. 16, im Folgenden: Richtlinie).


3 – Rechtssache C‑406/09 (EU:C:2011:668, Rn. 47 und 48).


4 – Rechtssache C‑12/11 (EU:C:2013:43, Rn. 40 und 42).


5 – Urteil Marshall (C‑271/91, EU:C:1993:335) sowie Urteil VTB‑VAB und Galatea (C‑261/07 und C‑299/07, EU:C:2009:244).


6 – Rechtssache C‑406/09 (EU:C:2011:668). Nach diesem Urteil ist es das allgemeine Ziel der Richtlinie, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum zu gewährleisten.


7 – Urteil L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 131).


8 – Urteil Realchemie Nederland (C‑406/09, EU:C:2011:668, Rn. 48).


9 – http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2012/intellectual-property-rights/summary-of-responses_en.pdf.


10 – Sie verweist darauf, dass der belgische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil Nr. 182/2008 vom 18. September 2008 im Rahmen einer gegen das Gesetz vom 21. April 2007 erhobenen Nichtigkeitsklage wegen Verfassungswidrigkeit festgestellt habe, dass der Gesetzgeber angestrebt habe, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine Antwort auf die Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich der Erstattung von Anwaltskosten zu geben, ebenso wie den Zugang zu Gerichten für den Einzelnen sicherzustellen.


11 – http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52003PC0046&from=EN.


12 – Die Gerichte sind ferner befugt anzuordnen, dass der Verletzer dem Rechtsinhaber die Kosten zu erstatten hat, zu denen auch angemessene Anwaltshonorare gehören können (http://www.wipo.int/treaties/en/text.jsp?file_id=305906).


13 – http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52003PC0046&from=DE.


14 – Urteile Dekker (C‑177/88, EU:C:1990:383), Draehmpaehl (C‑180/95, EU:C:1997:208) und Strabag u. a. (C‑314/09, EU:C:2010:567).


15 – Ich halte es nicht für relevant, dass im Verlauf des Verfahrens zur Erarbeitung der Richtlinie die ausdrückliche Erwähnung der Anwaltshonorare in Art. 14 entfallen ist, weil es sich mit oder ohne ausdrückliche Erwähnung um einen der charakteristischsten Bestandteile der Prozesskosten handelt.


16 – Vgl. Art. 1018 Abs. 6 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs.


17 – Art. 144 Buchst. b der Verfahrensordnung. Der Gerichtshof greift in ständiger Rechtsprechung auf die Begriffe der Zumutbarkeit und der Angemessenheit zurück, um die Prozesskosten zu konkretisieren, deren Erstattung von den Prozessparteien verlangt werden kann, so u. a. in den Beschlüssen in den Rechtssachen Deoleo/Aceites del Sur-Coosur (C‑498/07 P‑DEP, EU:C:2013:302, Rn. 35), Zafra Marroquineros/Calvin Klein Trademark Trust (C‑254/09 P‑DEP, EU:C:2012:628, Rn. 31), Internationaler Hilfsfonds/Kommission (C‑208/11 P‑DEP, EU:C:2013:304, Rn. 30), Deutschland u. a./Kommission (C‑75/05 P und C‑80/05 P, EU:C:2005:614, Rn. 48), OCVV/Schräder (C‑38/09 P‑DEP, EU:C:2013:679, Rn. 36), Elf Aquitaine/Kommission (C‑521/09 P‑DEP, EU:C:2013:644, Rn. 28) und Wedl & Hofmann/Reber Holding (C‑141/13 P‑DEP, EU:C:2015:133, Rn. 28).


18 – In einigen Sprachfassungen der Richtlinie beziehen sich beide Merkmale sowohl auf die Prozesskosten als auch auf die sonstigen Kosten. In anderen hingegen (der französischen, der spanischen und der italienischen) beziehen sie sich nur auf die Prozesskosten. Der Sinn der Vorschrift spricht dafür, sie auf beide Arten von Kosten zu beziehen, wie es in der englischen, der deutschen, der portugiesischen und der niederländischen Fassung der Fall ist.


19 – Die deutsche Fassung von Art. 14 bezieht sich auf die „Prozesskosten und sonstigen Kosten, … soweit sie zumutbar und angemessen sind“ (Hervorhebung nur hier).


20 – Der Begriff „notwendige Aufwendungen“ findet sich wörtlich in dem bereits angeführten Art. 144 Buchst. b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs („Erstattungsfähige Kosten“). Dazu gehören insbesondere „Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte“.


21 – Dieselbe Überlegung ist in der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156, S. 17) erkennbar. Art. 10a Abs. 5 und Art. 15a Nr. 5 der beiden letztgenannten Richtlinien bestimmen jeweils, dass die gerichtlichen Verfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.


22 – Rechtssache C‑406/09 (EU:C:2011:668, Rn. 48 und 49).


23 – Rechtssache C‑681/13 (EU:C:2015:471, Rn. 72).


24 – Rechtssache C‑406/09 (EU:C:2011:668). Derjenige, der Rechte des geistigen Eigentums verletzt, muss im Allgemeinen die finanziellen Folgen seines Verhaltens in vollem Umfang tragen.


25 – Rechtssache C‑406/09 (EU:C:2011:668). Er beschränkte sich auf die Prüfung, ob die Kosten eines Exequaturverfahrens, die in einem Mitgliedstaat angefallen sind, in dem die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen eines Rechtsstreits über den Schutz von Rechten des geistigen Eigentums erlassenen gerichtlichen Entscheidung beantragt wurde, in den Anwendungsbereich von Art. 14 der Richtlinie fallen.


26 – Urteil Irland/Kommission (325/85, EU:C:1987:546, Rn. 18).


27 – Rechtssache C‑530/11 (EU:C:2014:67, Rn. 52 ff.). Die nationalen Rechtsvorschriften ermöglichten eine Beschränkung des Betrags der Kosten, die am Ende des Rechtsstreits gegebenenfalls zu ersetzen waren, von Anfang an.


28 – Der Gerichtshof verwendet den Begriff „objektive Angemessenheit“ der Kosten im Urteil Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221), wo er in Rn. 40 im Rahmen der Abwägung zwischen dem Einzelinteresse des Rechtsmittelführers und dem Allgemeininteresse (in diesem Fall in Gestalt des Umweltschutzes) betont, dass „[d]iese Beurteilung … nicht allein unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen erfolgen [kann], sondern … auch auf einer objektiven Analyse der Höhe der Kosten beruhen [muss] …. Insofern dürfen die Kosten eines Verfahrens nicht in Einzelfällen objektiv unangemessen sein. Die Kosten eines Verfahrens dürfen somit nicht die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen übersteigen und in keinem Fall objektiv unangemessen sein“.


29 – Es kann nicht anders sein, da das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt ist. Dieser ist hier einschlägig, weil der Gegenstand des Rechtsstreits in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (Art. 51 der Charta).


30 – Einige haben sich, um ihre Hypothese zu belegen, auf das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (ABl. 2013, C 175, S. 1) berufen, in dem nicht nur die Anwendung der Kriterien der Zumutbarkeit und Angemessenheit vorgesehen ist, sondern auch eine Obergrenze für die Kosten, und zwar wie folgt: „Die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei werden in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze von der unterlegenen Partei getragen, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen“ (Hervorhebung nur hier).


31 – Der Vertreter von Telenet räumte in der mündlichen Verhandlung ein, dass er keine grundsätzlichen Einwände gegen die Anwendung der durch den Königlichen Erlass festgelegten Obergrenze hätte, wenn der Betrag höher wäre.


32 – Im Urteil Diageo Brands (C‑681/13, EU:C:2015:471, Rn. 72) stellte der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie nicht darauf abzielt, alle Aspekte im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums zu regeln, sondern nur diejenigen, die zum einen eng mit der Durchsetzung dieser Rechte verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreibt, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben.


33 – In Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge ist die Tabelle wiedergegeben, in der die Maximalbeträge in Abhängigkeit vom Streitwert angegeben sind. Ist dieser nicht in Geld zu bemessen, reicht die Spanne von 82,50 bis 11 000 Euro. Diese Beträge fallen in jeder Phase des Rechtsstreits an, d. h. in jedem Rechtszug.


34 – Der belgische Verfassungsgerichtshof betont in seinem Urteil Nr. 182/2008, dass das Gesetz vom 21. April 2007 ebenso wie der zu seiner Durchführung erlassene Königliche Erlass die Beschränkung der der obsiegenden Partei von der im Rechtsstreit unterlegenen Partei zu erstattenden Beträge einführte, weil es „dem Willen des Gesetzgebers [entspricht], den Zugang benachteiligter Personen zu Gerichten zu gewährleisten und ‚Verfahren innerhalb des Verfahrens’ zu vermeiden oder zu begrenzen, soweit es um die Summe der erstattungsfähigen Honorare geht“.


35 – Weder in den schriftlichen Erklärungen noch in den mündlichen Ausführungen ist mit hinreichender Sicherheit dargelegt worden, dass es in diesem Bereich eine allgemeine, ständige und einheitliche Rechtsprechung gibt. In einem Urteil des belgischen Hof van Cassatie (Kassationshof) wurde festgestellt, dass die Kosten des technischen Beistands dem Geschädigten zu ersetzen sind, und zwar als Teil des Schadensersatzes, wenn sie zur Feststellung der Schadenshöhe von entscheidender Bedeutung gewesen sind (z. B. in Enteignungsfällen).