Language of document : ECLI:EU:C:2021:607

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. Juli 2021(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Disziplinarverfahren – Disziplinarstrafe – Festsetzung dieser Strafe – Einbehaltung eines Teilbetrags des Ruhegehalts – Strafrechtliche und zivilrechtliche Verurteilung vor den nationalen Gerichten – Vollständiger oder teilweiser Ersatz des immateriellen Schadens, den die Europäische Union erlitten hat – Keine Auswirkung dieses Schadensersatzes – Art. 10 des Statuts der Beamten der Europäischen Union – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑851/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 19. November 2019,

DK, Prozessbevollmächtigte: zunächst S. Orlandi und T. Martin, dann S. Orlandi, avocats,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD), Prozessbevollmächtigte: S. Marquardt und R. Spáč als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter A. Kumin, T. von Danwitz (Berichterstatter) und P. G. Xuereb sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. November 2020

folgendes

Urteil

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt DK die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 10. September 2019, DK/EAD (T‑217/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:571), mit dem das Gericht seine Klage auf zum einen Aufhebung der Entscheidung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 23. Mai 2017, mit der gegen ihn eine Disziplinarstrafe verhängt wurde (im Folgenden: streitige Entscheidung), und zum anderen Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sein soll, dass der EAD ihn im Rahmen des gegen ihn in Belgien geführten Strafverfahrens in seinen Verteidigungsrechten verletzt habe, abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 22 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in seiner auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) in dessen Titel II („Rechte und Pflichten des Beamten“) bestimmt in Abs. 1:

„Der Beamte kann zum vollen oder teilweisen Ersatz des Schadens herangezogen werden, den die [Europäische] Union durch sein schwerwiegendes Verschulden in Ausübung oder anlässlich der Ausübung seines Amtes erlitten hat.“

3        Art. 86 in Titel VI („Disziplinarordnung“) des Statuts lautet:

„(1)      Gegen Beamte oder ehemalige Beamte, die vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen durch das Statut auferlegten Pflichten verletzen, kann eine Disziplinarstrafe verhängt werden.

(2)      Werden der Anstellungsbehörde oder dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung [(OLAF)] Tatsachen zur Kenntnis gebracht, die auf eine Verletzung der Dienstpflichten im Sinne von Absatz 1 schließen lassen, so können diese eine Verwaltungsuntersuchung einleiten, um zu prüfen, ob eine solche Dienstpflichtverletzung vorliegt.

(3)      Die Disziplinarvorschriften und ‑verfahren sowie die für Verwaltungsuntersuchungen geltenden Vorschriften und Verfahren sind in Anhang IX des Statuts geregelt.“

4        Anhang IX des Statuts enthält gemäß seiner Überschrift die „Disziplinarordnung“. Art. 9 dieses Anhangs, der in dessen Abschnitt 3 („Disziplinarstrafen“) enthalten ist, bestimmt:

„(1)      Die Anstellungsbehörde kann eine der folgenden Strafen verhängen:

a)      schriftliche Verwarnung,

b)      Verweis,

c)      zeitweiliges Versagen des Aufsteigens in den Dienstaltersstufen für einen Zeitraum zwischen einem Monat und dreiundzwanzig Monaten,

d)      Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe,

e)      zeitweilige Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe für einen Zeitraum zwischen 15 Tagen und einem Jahr,

f)      Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe derselben Funktionsgruppe,

g)      Einstufung in eine niedrigere Funktionsgruppe mit oder ohne Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe,

h)      Entfernung aus dem Dienst, gegebenenfalls unter zeitweiliger Kürzung des Ruhegehalts oder unter Einbehaltung eines Teilbetrags des Invalidengeldes während eines bestimmten Zeitraums, wobei sich die Auswirkungen dieser Strafe nicht auf die dem Beamten gegenüber anspruchsberechtigten Personen erstrecken dürfen. Bei einer solchen Kürzung dürfen jedoch die Bezüge des ehemaligen Beamten das in Anhang VIII Artikel 6 vorgesehene Existenzminimum zuzüglich etwaiger Familienzulagen nicht unterschreiten.

(2)      Ist der betreffende Beamte ein Ruhegehalts- oder Invalidengeldempfänger, so kann die Anstellungsbehörde für einen befristeten Zeitraum beschließen, einen Teilbetrag des Ruhegehalts oder Invalidengeldes einzubehalten, wobei sich die Auswirkungen dieser Strafe nicht auf die dem Beamten gegenüber anspruchsberechtigten Personen erstrecken dürfen. Die Bezüge des betreffenden Beamten dürfen jedoch das in Anhang VIII Artikel 6 vorgesehene Existenzminimum zuzüglich etwaiger Familienzulagen nicht unterschreiten.

(3)      Ein und dasselbe Dienstvergehen kann nur eine Disziplinarstrafe nach sich ziehen.“

5        Art. 10 des Anhangs lautet:

„Die verhängte Disziplinarstrafe muss der Schwere des Dienstvergehens entsprechen. Bei der Feststellung, wie schwer das Dienstvergehen wiegt und welche Disziplinarstrafe angemessen ist, wird insbesondere Folgendem Rechnung getragen:

a)      der Art des Dienstvergehens und den Tatumständen;

b)      dem Ausmaß, in dem das Dienstvergehen die Integrität, den Ruf oder die Interessen der Organe beeinträchtigt;

c)      dem Ausmaß, in dem das Dienstvergehen mit vorsätzlichen oder fahrlässigen Handlungen verbunden ist;

d)      den Gründen des Beamten für das Dienstvergehen;

e)      der Besoldungsgruppe und dem Dienstalter des Beamten;

f)      dem Grad der persönlichen Verantwortung des Beamten;

g)      dem Niveau der Aufgaben und Zuständigkeiten des Beamten;

h)      der Frage, ob das Dienstvergehen mit wiederholten Handlungen oder wiederholtem Verhalten verbunden ist, und

i)      der bisherigen dienstlichen Führung des Beamten.“

6        Art. 25 dieses Anhangs, der in dessen Abschnitt 7 („Gleichzeitige Strafverfolgung“) enthalten ist, bestimmt:

„Ist gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet worden, so wird seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des zuständigen Gerichts rechtskräftig geworden ist.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

7        DK trat 1994 als Beamter in den Dienst der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Im Jahr 1999 wurde er mit der Verwaltung der Liegenschaften dieses Organs in Drittländern beauftragt. Ab dem 1. Januar 2011 war er beim EAD eingesetzt. Am 1. Januar 2016 trat DK vorzeitig in den Ruhestand.

 Das gegen DK in Belgien geführte Strafverfahren

8        Im Jahr 2004 wurde gegen DK in Belgien ein Strafverfahren eingeleitet, in dem ihm Bestechlichkeit bei der Durchführung öffentlicher Aufträge ab 1999 über einen Zeitraum von mehreren Jahren zur Last gelegt wurde. Die Union, vertreten durch die Kommission, stellte in diesem Verfahren einen Adhäsionsantrag.

9        Mit Urteil vom 16. Mai 2014 verurteilte das Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) DK wegen verschiedener in Ausübung seines Amtes begangener Straftaten zu den folgenden Strafen:

–        zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde;

–        zu einer Geldstrafe in Höhe von 27 500 Euro;

–        zu einem Verbot, für einen Zeitraum von zehn Jahren als Vorstand, Geschäftsführer oder Wirtschaftsprüfer eines Handelsunternehmens tätig zu werden;

–        zur Einziehung eines Betrags in Höhe von 176 367,15 Euro.

10      Das Gericht verurteilte DK auch zivilrechtlich zu einer gesamtschuldnerischen Zahlung in Höhe von 25 000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens, der der Union durch die Schädigung ihres Ansehens entstanden sei.

11      Mit Urteil vom 30. Juni 2015 bestätigte die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) das Urteil dieses Gerichts, erhöhte dabei jedoch die gegen DK verhängte Freiheitsstrafe auf drei Jahre, deren Vollstreckung auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, und den Betrag des der Union für den ihr verursachten immateriellen Schaden zu leistenden Ersatzes, zu dem DK verurteilt worden war, auf 38 814 Euro.

12      Am 10. Februar 2016 wies die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Belgien) das von DK gegen das Urteil des Appellationshofs eingelegte Rechtsmittel zurück.

 Disziplinarverfahren nach dem Statut

13      Mit Entscheidung vom 2. Mai 2007 leitete die Anstellungsbehörde der Kommission ein Disziplinarverfahren gegen DK ein.

14      Dieses Disziplinarverfahren wurde bis zum rechtskräftigen Abschluss des nationalen Strafverfahrens, das gegen DK wegen desselben Sachverhalts geführt wurde, ausgesetzt und vom EAD mit Entscheidung vom 12. Juli 2016 wieder aufgenommen.

15      Am 12. Dezember 2016 erließ der Disziplinarrat, nachdem er DK angehört hatte, eine mit Gründen versehene Stellungnahme, die DK zugestellt wurde. In dieser Stellungnahme führte der Disziplinarrat u. a. aus, dass „die nationalen Strafgerichte den Sachverhalt festgestellt [hätten]“, dass „das Verhalten des Beamten eine Verletzung der Art. 11, 11a, 12 und 21 des Statuts [darstelle]“ und dass „als einzige mögliche Sanktion das Einbehalten eines Teils seines Ruhegehalts in Betracht [komme]“. Bei seiner Bewertung verschiedener erschwerender und mildernder Umstände berücksichtigte der Disziplinarrat u. a. „den Umstand, dass die nationale Justiz den Beamten bereits zum Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens [verurteilt habe]“. Auf dieser Grundlage empfahl der Disziplinarrat der Anstellungsbehörde eine Disziplinarstrafe in Form eines monatlichen Abzugs in Höhe von 400 Euro vom Nettobetrag des Ruhegehalts von DK über einen Zeitraum von drei Jahren.

16      Mit der streitigen Entscheidung verhängte die Anstellungsbehörde gegen DK, nachdem sie ihn angehört hatte, „gemäß Art. 9 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts die Strafe der Einbehaltung von 1 105 Euro des monatlichen Ruhegehalts bis zum 30. September 2025“.

17      Am 20. Dezember 2017 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde von DK gegen die streitige Entscheidung zurück.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18      Mit Klageschrift, die am 28. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhob DK Klage, mit der er zum einen die Aufhebung der streitigen Entscheidung und zum anderen den Ersatz des Schadens begehrte, der ihm dadurch entstanden sei, dass der EAD ihn im Rahmen des gegen ihn in Belgien geführten Strafverfahrens in seinen Verteidigungsrechten verletzt habe.

19      DK stützte seine Anträge auf zwei Klagegründe, die die Festsetzung der zu verhängenden Disziplinarstrafe bzw. die Berücksichtigung mildernder Umstände in deren Rahmen betreffen.

20      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage von DK, soweit sie auf die Aufhebung der streitigen Entscheidung gerichtet war, als unbegründet und, soweit sie auf Ersatz des ihm angeblich entstandenen Schadens gerichtet war, als unzulässig und jedenfalls unbegründet abgewiesen. Außerdem hat es DK die Kosten auferlegt.

21      Insbesondere hat das Gericht in Bezug auf den Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung in den Rn. 28 bis 53 des angefochtenen Urteils den ersten Teil des ersten Klagegrundes von DK zurückgewiesen, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Berücksichtigung eines bereits ersetzten Schadens gerügt wurde. Das Gericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass die Anstellungsbehörde im Rahmen der Anwendung von Art. 10 des Anhangs IX des Statuts nicht verpflichtet gewesen sei, dem bereits auf nationaler Ebene erfolgten Ersatz des der Union entstandenen Schadens Rechnung zu tragen.

 Anträge der Parteien

22      DK beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        die streitige Entscheidung aufzuheben und

–        dem EAD die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

23      Der EAD beantragt,

–        das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und

–        DK die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

 Vorbringen der Parteien

24      DK stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund. Mit diesem rügt er, dass das Gericht in Rn. 52 des angefochtenen Urteils Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs IX des Statuts rechtsfehlerhaft dahin ausgelegt habe, dass er es der Anstellungsbehörde erlaube, sich auf den der Union entstandenen immateriellen Schaden zu stützen, um die Verhängung einer schwereren Disziplinarstrafe als der vom Disziplinarrat empfohlenen zu rechtfertigen, obwohl eine Wiedergutmachung dieses Schadens auf nationaler Ebene bereits erfolgt sei.

25      Dieser Rechtsmittelgrund ist in drei Teile gegliedert.

26      Erstens macht DK im Wesentlichen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 52 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Anstellungsbehörde keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie entschieden habe, dass sie nach Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs IX des Statuts nicht verpflichtet gewesen sei, dem bereits auf nationaler Ebene geleisteten Ersatz des der Union entstandenen immateriellen Schadens Rechnung zu tragen. Nach Art. 25 des Anhangs IX des Statuts sei die Anstellungsbehörde an die auf nationaler Ebene getroffene Sachverhaltsfeststellung sowie an den Grundsatz gebunden gewesen, dass ein Schaden, der vollständig wiedergutgemacht worden sei, als ungeschehen gelte.

27      Zweitens macht DK im Wesentlichen geltend, dass das Gericht mit seiner Feststellung in Rn. 52 des angefochtenen Urteils, dass die Anstellungsbehörde nicht verpflichtet gewesen sei, den bereits auf nationaler Ebene geleisteten Ersatz des der Union entstandenen immateriellen Schadens zu berücksichtigen, auch gegen das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Disziplinarstrafe und den Grundsatz, dass ein vollständig wiedergutgemachter Schaden als ungeschehen gelte, verstoßen habe. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission (C‑257/98 P, EU:C:1999:402, Rn. 19 und 20), ergibt, bringt DK vor, dass der letztgenannte Grundsatz entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 34 des angefochtenen Urteils nicht nur im belgischen Recht verankert sei, sondern einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstelle, der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sei und einen doppelten Ersatz desselben Schadens verbiete.

28      Drittens hat nach Ansicht von DK das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass Art. 10 des Anhangs IX des Statuts das Anliegen des Unionsgesetzgebers widerspiegele, den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung nicht dadurch zu unterlaufen, dass Beamte, die ein Dienstvergehen begangen hätten, je nach dem Ausmaß des Schadens, der dem Unionsorgan, dem sie angehörten, entstanden sei, unterschiedlich behandelt würden. Jedoch habe das Gericht in den Rn. 39 bis 41 seines Urteils gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem es festgestellt habe, dass der Umstand, dass der der Union entstandene Schaden bereits ganz oder teilweise ersetzt worden sei, keine Auswirkung auf die Bestimmung der nach diesem Art. 10 zu verhängenden Disziplinarstrafen habe. Ein Beamter, der den der Union entstandenen Schaden ersetzt habe, befinde sich nicht in der gleichen Lage wie ein Beamter, der keinen solchen Ersatz geleistet habe.

29      Der EAD macht zunächst geltend, das Vorbringen von DK, wonach die Anstellungsbehörde die gegen ihn verhängte Strafe verschärft habe, indem sie einen angeblich bereits ersetzten Schaden berücksichtigt habe, sei im Stadium des Rechtsmittelverfahrens unzulässig, da mit diesem Vorbringen nicht ein etwaiger Rechtsfehler des Gerichts dargetan werden solle, sondern die Beurteilung der Anstellungsbehörde in Frage gestellt werde; es stelle eine Umformulierung eines im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegrundes dar. Falls DK einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend mache, werde mit dieser Argumentation zudem auch die Beurteilung der Anstellungsbehörde und nicht das angefochtene Urteil in Frage gestellt. Im Übrigen habe DK diese Argumentation erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgetragen.

30      In der Sache trägt der EAD vor, der einzige Rechtsmittelgrund sei zurückzuweisen. Das Gericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Ersatz des der Union entstandenen immateriellen Schadens, wie dieser Schaden auf nationaler Ebene festgestellt worden sei, für die Beurteilung der Schwere des begangenen Dienstvergehens gemäß Art. 10 des Anhangs IX des Statuts unerheblich sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

 Zur Unzulässigkeitseinrede des EAD

31      Die vom EAD erhobene Unzulässigkeitseinrede ist als Erstes darauf gestützt, dass mit dem Vorbringen von DK nicht ein etwaiger Rechtsfehler des Gerichts dargetan, sondern die Beurteilung der Anstellungsbehörde in Frage gestellt werden solle. Außerdem handele es sich um eine Umformulierung eines im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegrundes.

32      Insoweit geht aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht diesem Erfordernis ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, ohne überhaupt eine Argumentation zu enthalten, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Jedoch können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteile vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat, C‑241/19 P, EU:C:2020:545, Rn. 50, und vom 9. Dezember 2020, Groupe Canal +/Kommission, C‑132/19 P, EU:C:2020:1007, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall beanstandet DK mit dem Rechtsmittel die Feststellung des Gerichts in Rn. 52 des angefochtenen Urteils, wonach die Anstellungsbehörde keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie entschieden habe, dass bei der Anwendung von Art. 10 des Anhangs IX des Statuts der bereits auf nationaler Ebene erfolgte Ersatz des der Union entstandenen Schadens nicht zu berücksichtigen sei. Zudem beanstandet er die rechtliche Prüfung, die das Gericht dazu veranlasst habe, den ersten Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Des Weiteren nimmt das Rechtsmittel zwar auf die Beurteilung der Anstellungsbehörde Bezug, doch geschieht dies nur insoweit, als das Gericht diese Beurteilung bestätigt, und zu dem Zweck, Rechtsfehler, die das Gericht begangen haben soll, herauszustellen. Das Rechtsmittel beschränkt sich nicht darauf, die Klagegründe und die Argumente, die bereits vor dem Gericht vorgebracht wurden, zu wiederholen.

35      Was als Zweites das Vorbringen des EAD betrifft, DK habe einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung erstmals im Stadium des Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht, ist darauf hinzuweisen, dass die Befugnisse des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels auf die Beurteilung der rechtlichen Bewertung des im ersten Rechtszug erörterten Vorbringens beschränkt sind. Im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittelgrundes kann der Rechtsmittelführer jedoch die Argumente zur Stützung dieses Grundes grundsätzlich entsprechend seinen Vorstellungen darlegen, ob er sich nun auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Argumente stützt oder, insbesondere als Reaktion auf die Äußerungen des Gerichts, neue Argumente darlegt. Andernfalls würde dem Rechtsmittelverfahren ein Teil seiner Bedeutung genommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 61 und 64, und vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 26 und 27).

36      Im vorliegenden Fall sind die Auslegung von Art. 10 des Anhangs IX des Statuts und seine Anwendung im Kontext eines Schadens der Union, für den bereits Ersatz geleistet wurde, vor dem Gericht im ersten Rechtszug erörtert worden. Das Vorbringen von DK, mit dem ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gerügt wird, zielt jedoch darauf ab, das vom Gericht festgestellte Ergebnis der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes zu beanstanden. Im Rahmen dieser Analyse hat das Gericht in den Rn. 38 bis 41 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, dass Dienstvergehen von Unionsbeamten je nach Ausmaß des verursachten Schadens unterschiedlich zu behandeln seien, wobei der Umstand, dass dieser Schaden ganz oder teilweise wiedergutgemacht worden sei, keine Auswirkung auf die Ermittlung der Schwere des Dienstvergehens für die Zwecke von Art. 10 habe. Mit diesem Vorbringen soll substantiiert gerügt werden, wie das Gericht diese Bestimmung in diesen Randnummern des angefochtenen Urteils ausgelegt und angewandt hat, und es ist somit kein neues Angriffsmittel, dessen Geltendmachung im Stadium des Rechtsmittels ausgeschlossen wäre (vgl. entsprechend Urteile vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 63, sowie vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 28).

37      Daher ist die vom EAD erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

38      Im Rahmen des ersten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 10 Satz 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 25 des Anhangs IX des Statuts gerügt wird, macht DK im Wesentlichen geltend, dass ein vollständig ersetzter Schaden bei der Beurteilung der Schwere des begangenen Dienstvergehens nicht berücksichtigt werden dürfe, da die Anstellungsbehörde nach dieser Bestimmung an die Sachverhaltsfeststellung der nationalen Strafgerichte und an den Grundsatz gebunden sei, dass ein vollständig wiedergutgemachter Schaden als ungeschehen gelte.

39      Nach Art. 10 Satz 1 des Anhangs IX des Statuts muss die verhängte Disziplinarstrafe der Schwere des Dienstvergehens entsprechen. Art. 10 Satz 2 des Anhangs enthält in seinen Buchst. a bis i eine nicht erschöpfende Anzahl von Gesichtspunkten, denen „insbesondere“ bei der Feststellung, wie schwer das Dienstvergehen wiegt und welche Disziplinarstrafe angemessen ist, Rechnung getragen wird. Zu diesen Gesichtspunkten gehört nach Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs das „Ausmaß, in dem das Dienstvergehen die Integrität, den Ruf oder die Interessen der Organe beeinträchtigt“.

40      Ist gegen den betreffenden Beamten wegen desselben Sachverhalts, aufgrund dessen gegen ihn ein Strafverfahren geführt wird, ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, so wird ferner nach Art. 25 des Anhangs IX des Statuts seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des zuständigen nationalen Strafgerichts rechtskräftig geworden ist. Diese Bestimmung entspricht zum einen dem Anliegen, die Rechtsstellung des fraglichen Beamten im Rahmen eines Strafverfahrens, das möglicherweise gegen ihn wegen eines Sachverhalts eingeleitet wird, der außerdem Gegenstand eines Disziplinarverfahrens innerhalb seines Organs ist, nicht zu beeinträchtigen, und erlaubt es zum anderen, im Rahmen dieses Disziplinarverfahrens die Sachverhaltsfeststellung des nationalen Strafgerichts zu berücksichtigen, wenn dessen Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

41      Diese Bestimmung stellt nicht klar, ob die Sachverhaltsfeststellung des nationalen Strafgerichts die Anstellungsbehörde im Rahmen dieses Disziplinarverfahrens zu binden vermag. Jedenfalls ist die rechtliche Einordnung des Sachverhalts anhand der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts wie Art. 10 des Anhangs IX des Statuts allein Sache der zuständigen Unionsbehörden. Diese können nicht an eine etwaige Würdigung des Sachverhalts im Rahmen des nationalen Strafverfahrens gebunden sein (vgl. entsprechend in Bezug auf ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied der Kommission Urteil vom 11. Juli 2006, Kommission/Cresson, C‑432/04, EU:C:2006:455, Rn. 121). Da in Art. 10 für die Ermittlung seines Sinnes und seiner Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, muss er nämlich in der Rechtsordnung der Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten, um die Gleichbehandlung der Beamten bei der Anwendung der Bestimmungen des Statuts sicherzustellen (vgl. entsprechend zu Art. 85a des Statuts Urteil vom 15. Oktober 2015, Axa Belgium, C‑494/14, EU:C:2015:692, Rn. 21 und 23 bis 25).

42      Im vorliegenden Fall geht aus den Rn. 8, 10 und 11 des vorliegenden Urteils hervor, dass das Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel) und in der Berufungsinstanz die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) DK verurteilt haben, den immateriellen Schaden in Höhe von 38 814 Euro zu ersetzen, den er nach den Feststellungen dieser Strafgerichte der Union wegen Bestechlichkeit bei der Durchführung öffentlicher Aufträge im Zeitraum von 1999 bis 2005 verursacht hat.

43      Die Feststellung des Ausmaßes des der Union entstandenen immateriellen Schadens durch diese Strafgerichte im Rahmen des nationalen Rechts und des daraus folgenden Ersatzes greift jedoch keineswegs dem vor, wie dieser Schaden und sein etwaiger Ersatz für die Zwecke der Bestimmung der Schwere des von dem Betroffenen begangenen Dienstvergehens zu berücksichtigen sind. Denn ein solcher Vorgang stellt keine Sachverhaltsfrage dar, sondern gehört zur rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, die die Anstellungsbehörde im Hinblick auf Art. 10 von Anhang IX des Statuts vorzunehmen hat, ohne dass sie hierbei durch eine etwaige Einordnung, die im Rahmen des nationalen Strafverfahrens vorgenommen wurde, gebunden wäre.

44      Nach dem Wortlaut von Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs IX des Statuts ist die Feststellung der Schwere des Dienstvergehens des betreffenden Beamten und der gegen ihn zu verhängenden Disziplinarstrafe, bei der dem Ausmaß, in dem das Dienstvergehen die Integrität, den Ruf oder die Interessen der Organe beeinträchtigt, Rechnung getragen wird, nicht davon abhängig, dass der Schaden noch nicht ersetzt wurde. Wie das Gericht in Rn. 39 des angefochtenen Urteils nämlich zutreffend ausgeführt hat, kommt es disziplinarrechtlich mit Blick auf Art. 10 des Anhangs IX des Statuts nämlich nicht darauf an, ob der Schaden möglicherweise ganz oder teilweise wiedergutgemacht worden ist. Unerheblich ist dies deswegen, weil der Zweck der Bestimmung nicht darin besteht, für eine Entschädigung zu sorgen, sondern darin, eine Strafe zu verhängen. Jedenfalls ist in Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 40 und 41 des vorliegenden Urteils aus Art. 25 des Anhangs IX des Statuts nicht abzuleiten, dass der zivilrechtliche Grundsatz eines Mitgliedstaats, wonach ein vollständig wiedergutgemachter Schaden als ungeschehen gelte, im Rahmen eines Disziplinarverfahrens entsprechend angewandt werden könnte.

45      Folglich ist der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

46      Mit dem dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes, der als Zweites zu prüfen ist, macht DK im Wesentlichen geltend, das Gericht habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem es in den Rn. 39 bis 41 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass es bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens unerheblich sei, dass der Schaden, der der Union entstanden sei, ganz oder teilweise ersetzt worden sei.

47      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 7. März 2017, RPO, C‑390/15, EU:C:2017:174, Rn. 41, sowie vom 25. Juni 2020, CSUE/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Merkmale, in denen sich unterschiedliche Sachverhalte voneinander unterscheiden, sowie ihre etwaige Vergleichbarkeit im Licht des Ziels und des Zwecks der in Rede stehenden Vorschriften zu bestimmen und zu beurteilen. Dabei sind die Grundsätze und Ziele des betreffenden Bereichs zu berücksichtigen (Urteile vom 7. März 2017, RPO, C‑390/15, EU:C:2017:174, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. September 2018, Piessevaux/Rat, C‑454/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:680, Rn. 79).

49      Vorliegend macht DK geltend, dass ein Beamter, der den der Union entstandenen Schaden ersetzt habe, sich nicht in der gleichen Lage wie ein Beamter befinde, der keinen solchen Ersatz geleistet habe, so dass dem durch den erstgenannten Beamten verursachten Schaden bei der Anwendung von Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs IX des Statuts nicht Rechnung getragen werden dürfe.

50      In Rn. 39 des vorliegenden Urteils wurde darauf hingewiesen, dass Art. 10 die Bestimmung der zu verhängenden Disziplinarstrafe regelt und festlegt, dass diese Sanktion insbesondere unter Berücksichtigung des Ausmaßes des der Union entstandenen Schadens in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens stehen muss. Wie das Gericht im Wesentlichen in Rn. 37 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 10, dass mit den darin vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen ein Fehlverhalten geahndet werden soll. Nach Art. 86 Abs. 1 des Statuts liegt ein solches Fehlverhalten vor, wenn der betreffende Beamte die ihm durch das Statut auferlegten Pflichten verletzt. Daher soll das Statut, wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Einhaltung der Regeln und der Pflichten, die ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Unionsorgane gewährleisten, durch die Verhängung von Disziplinarstrafen sicherstellen.

51      Indem sie in dem Strafverfahren, das in Belgien gegen DK geführt wurde, einen Adhäsionsantrag stellte, begehrte die Union Ersatz des immateriellen Schadens, der ihrem Ruf zugefügt worden war. Wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, liegt der Zweck der Zuerkennung einer solchen Entschädigung nicht darin, das Fehlverhalten des betreffenden Beamten zu bestrafen, sondern eine zivilrechtliche Entschädigung zu erreichen, durch die die Lage vor dem Fehlverhalten wiedergeherstellt wird.

52      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich Gegenstand und Zweck einerseits der DK auferlegten Disziplinarstrafe und andererseits des von ihm angeführten Ersatzes des Schadens, der der Union entstanden ist, unterscheiden.

53      Dies gilt umso mehr, als zwar Art. 86 Abs. 1 des Statuts den Grundsatz aufstellt, dass jeder Verstoß eines Beamten gegen seine Dienstpflichten zur Verhängung einer Disziplinarstrafe gegen ihn führen kann, Art. 22 Abs. 1 des Statuts jedoch bestimmt, dass der Beamte zum vollen oder teilweisen Ersatz des Schadens herangezogen werden kann, den die Union durch sein schwerwiegendes Verschulden in Ausübung oder anlässlich der Ausübung seines Amtes erlitten hat, so dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe und der Ersatz des der Union entstandenen Schadens voneinander unabhängig sind.

54      Der Umstand, dass ein Beamter den immateriellen Schaden, den er der Union zugefügt hat, wiedergutgemacht hat, vermag ihn daher im Hinblick auf die Bestimmung der Schwere des von ihm begangenen Dienstvergehens und der gegen ihn zu verhängenden Disziplinarstrafe, bei deren Verhängung u. a. dem Ausmaß des der Union zugefügten Schadens nach Art. 10 Satz 2 Buchst. b des Anhangs IX des Statuts Rechnung zu tragen ist, nicht in eine andere Situation zu versetzen als einen Beamten, der keine Entschädigung geleistet hat.

55      Folglich hat das Gericht nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem es in den Rn. 39 bis 41 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass es im Rahmen der Bestimmung der Schwere des von einem Beamten begangenen Dienstvergehens und der gegen ihn auf der Grundlage von Art. 10 Satz 2 Buchst. b zu verhängenden Disziplinarstrafe unerheblich sei, ob der Schaden, der der Union entstanden ist, bereits ganz oder teilweise ersetzt worden sei.

56      Daher ist der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

57      Was schließlich den zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes betrifft, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Anstellungsbehörde gegen DK zwar eine finanzielle Sanktion verhängt hat. Deren Gegenstand und Zweck bestand jedoch unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rn. 50 des vorliegenden Urteils nicht darin, den der Union entstandenen Schaden zu ersetzen, sondern darin, das Dienstvergehen zu ahnden, das DK begangen hat, indem er gegen seine Pflichten aus dem Statut verstoßen hat. Entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers läuft die Anwendung einer solchen Sanktion nicht darauf hinaus, dass dieser Schaden unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zweimal ersetzt wird. Daraus folgt, dass die Frage, ob der in Rn. 26 des vorliegenden Urteils genannte Grundsatz nicht nur ein Grundsatz des belgischen Zivilrechts ist, sondern, wie der Rechtsmittelführer vorträgt, einen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellt, der den doppelten Ersatz desselben Schadens verbietet, im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.

58      Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission (C‑257/98 P, EU:C:1999:402, Rn. 19 und 20), ergibt und die DK herangezogen hat, um den dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes zu stützen, nicht in Frage gestellt, da dieses Urteil nicht, wie im vorliegenden Fall, das Zusammentreffen von Schadensersatz und Disziplinarstrafe betraf, sondern sich auf die Häufung verschiedener Formen des Ersatzes für Schäden bezog, die einem Beamten infolge eines Unfalls oder einer Krankheit entstanden waren.

59      Folglich ist auch der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

60      Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

62      Da der EAD die Verurteilung von DK beantragt hat und dieser mit seinem einzigen Rechtsmittelgrund unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      DK trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.