Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 12. Dezember 2018 – Unichem Laboratories/Kommission
(Rechtssache T‑705/14)
„Wettbewerb – Kartelle – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Räumliche Zuständigkeit der Kommission – Zurechnung der Zuwiderhandlung – Verwaltungsverfahren – Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Objektive Erforderlichkeit der Beschränkung – Zusammenspiel von Wettbewerbs- und Patentrecht – Voraussetzungen der Freistellung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV – Geldbußen“
1. Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Klagebeantwortung – Formerfordernisse – Handschriftliche Unterzeichnung – Einreichung und Zustellung von Verfahrensschriftstücken auf elektronischem Weg
(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 43)
(vgl. Rn. 44-46)
2. Wettbewerb – Regeln der Union – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Verhalten der Tochtergesellschaft, der sich aus einem Bündel von Indizien ableiten lässt, die mit den wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen an ihre Muttergesellschaft zusammenhängen – Umstände, die das Bestehen eines bestimmenden Einflusses belegen können – Tatsächliche Kontrolle über den Vorstand der Tochtergesellschaft – Vetorecht, über das die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft kontrolliert – Austausch von Informationen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 62-65, 69-89)
3. Wettbewerb – Regeln der Union – Räumlicher Geltungsbereich – Zuständigkeit der Kommission – Völkerrechtliche Zulässigkeit – Durchführung oder qualifizierte Auswirkungen der missbräuchlichen Verhaltensweisen im EWR – Alternative Möglichkeiten – Kriterium der Durchführung
(Art. 101 AEUV)
(vgl. Rn. 100-106)
4. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beratender Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen – Anhörungspflicht – Wesentliche Förmlichkeit – Bedeutung
(Art. 101 und 102 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 14)
(vgl. Rn. 109-111)
5. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Befugnis, die Vorlage eines Schriftwechsels zwischen Rechtsanwalt und Mandant zu fordern – Grenzen – Schutz der Vertraulichkeit des Schriftwechsels zwischen Rechtsanwalt und Mandant – Verzicht auf die Vertraulichkeit
(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2, 17 und 19)
(vgl. Rn. 118-127)
6. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber – Tatsächliche und konkrete Möglichkeiten für den Eintritt in den Markt – Kriterien – Wesentlicher Gesichtspunkt – Fähigkeit des Unternehmens, sich den relevanten Markt zu erschließen – Hinreichend schneller Eintritt – Wahrnehmung durch die auf dem Markt präsenten Wirtschaftsteilnehmer
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 133-147)
7. Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – In der Klageschrift nicht dargestelltes rechtliches Vorbringen – Pauschale Verweisung auf andere, der Klageschrift als Anlage beigefügte Schriftstücke – Unzulässigkeit
(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c und d)
(vgl. Rn. 173-176)
8. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber – Kriterien – Wesentlicher Gesichtspunkt – Fähigkeit des Unternehmens, sich den relevanten Markt zu erschließen – Generikahersteller – Hindernisse, die mit den Patenten des Herstellers des Originalpräparats sowie technischen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten des Generikaherstellers zusammenhängen – Tatsächliche und konkrete Möglichkeiten, diese Schwierigkeiten zu überwinden und in den relevanten Markt einzutreten
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 177-243, 250-258)
9. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Zuwiderhandlungen – Bezweckte Zuwiderhandlung – Hinreichende Beeinträchtigung – Beurteilung
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 288, 289, 298-301)
10. Wettbewerb – Regeln der Union – Sachlicher Geltungsbereich – Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Einbeziehung – Zusammenspiel von Wettbewerbs- und Patentrecht
(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates)
(vgl. Rn. 302-320)
11. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Vereinbarung zwischen einem Hersteller von Originalpräparaten und einem Generikahersteller – Vereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel und einem Vermarktungsverbot – An den Generikahersteller erfolgte umgekehrte Zahlung mit Anreizwirkung – Bezweckte Beschränkung
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 325-357)
12. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Vereinbarung zwischen einem Hersteller von Originalpräparaten und einem Generikahersteller – Vereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel und einem Vermarktungsverbot – Zahlung an den Generikahersteller – Einstufung als umgekehrte Zahlung mit Anreizwirkung – Voraussetzungen
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 361-371)
13. Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Nebenabrede – Begriff – Für eine nicht wettbewerbswidrige Hauptmaßnahme objektiv notwendige Beschränkung – Hauptmaßnahme bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Unanwendbarkeit der Lehre von den Nebenabreden bei einer umgekehrten Zahlung mit Anreizwirkung
(Art. 101 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 381-391)
14. Nichtigkeitsklage – Gegenstand – Entscheidung, die auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder den verfügenden Teil tragen würde – Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung – Voraussetzungen
(Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 394-398)
15. Kartelle – Verbot – Freistellung – Voraussetzungen – Verbesserung der Warenerzeugung oder ‑verteilung oder Beitrag zum technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt – Spürbare objektive Vorteile, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen – Beweislast – Kumulativer Charakter der Voraussetzungen für die Freistellung
(Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)
(vgl. Rn. 409-429)
16. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Nichtanwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen
(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02, Ziff. 13 und 37)
(vgl. Rn. 451-486)
17. Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Bedeutung – Vorhersehbarkeit der Rechtswidrigkeit des geahndeten Verhaltens – Zwischen dem Hersteller des Originalpräparats und einem Generikahersteller geschlossener Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patenrechtsstreitigkeiten – Vereinbarung wettbewerbswidrig – Generikahersteller, der sich über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein kann
(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49 Abs. 1)
(vgl. Rn. 510-537)
18. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mildernde Umstände – Angeblich erzwungene Beteiligung – Umstand, der keinen Rechtfertigungsgrund für ein Unternehmen darstellt, das von der Möglichkeit einer Anzeige bei den zuständigen Behörden keinen Gebrauch gemacht hat
(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)
(vgl. Rn. 545)
19. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Verpflichtung der Kommission, sich an ihre frühere Entscheidungspraxis zu halten – Fehlen
(Art. 101 AEUV)
(vgl. Rn. 546)
20. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens außerhalb des Anwendungsbereichs der Kronzeugenregelung – Beurteilungskriterien
(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)
(vgl. Rn. 560-569)
Gegenstand
| Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2014) 4955 endg. der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), soweit er die Klägerin betrifft, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße |
Tenor
1. | | Die Klage wird abgewiesen. |
2. | | Die Unichem Laboratories Ltd trägt die Kosten. |