Language of document : ECLI:EU:C:2023:188

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 9. März 2023(1)

Rechtssache C680/21

UL,

SA Royal Antwerp Football Club

gegen

Union royale belge des sociétés de football association ASBL,

Beteiligte:

Union des associations européennes de football (UEFA)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles [Französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 45 AEUV – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Art. 165 AEUV – Sport – Reglements der UEFA und der ihr angehörenden nationalen Fußballverbände – Nachwuchsspieler“






I.      Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen, das die Auslegung der Art. 45 und 101 AEUV betrifft, ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, an dem UL, ein Fußballspieler, und der Royal Antwerp Football Club (Fußballverein Royal Antwerp, im Folgenden: Royal Antwerp) auf der einen Seite und die Union royale belge des sociétés de football association ASBL (Königlicher Belgischer Fußballverband, im Folgenden: URBSFA) sowie die Union des associations européennes de football (Union Europäischer Fußballverbände, im Folgenden: UEFA) auf der anderen Seite beteiligt sind und der die Aufhebung eines Schiedsspruchs zum Gegenstand hat, mit dem eine Nichtigkeits- und Schadensersatzklage abgewiesen wurde, die UL und Royal Antwerp gegen ein Regelwerk der URBSFA, der UEFA und der anderen nationalen Fußballverbände, die Mitglieder der UEFA sind, erhoben hatten.

2.        Auf Ersuchen des Gerichtshofs beschränken sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Aspekte des Rechtsstreits, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 45 AEUV betreffen. Die in Rede stehenden Regelungen betreffen sogenannte lokal ausgebildete Spieler (im Folgenden: Nachwuchsspieler), d. h. Spieler, die von einem Verein oder in dem nationalen Verband, dem dieser Verein angehört, ausgebildet wurden. Die Frage geht im Wesentlichen dahin, ob die verpflichtende Eintragung einer vorgegebenen Anzahl von Nachwuchsspielern auf einer einschlägigen Liste eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 AEUV darstellt.

3.        Ich werde in diesen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass (nur) Art. 45 AEUV den beanstandeten Bestimmungen insoweit entgegensteht, als diese auf Spieler anwendbar sind, die nicht aus dem konkret in Rede stehenden Verein stammen. Niemand möchte langweiligen Fußball(2), weshalb einige Einschränkungen dieser grundlegenden Bestimmung meines Erachtens hingenommen werden können.

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

A.      Die Verfahrensbeteiligten

4.        UL ist ein Fußballspieler, der 1986 geboren wurde und sowohl die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats als auch die belgische Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist seit vielen Jahren in Belgien als Profi aktiv. Er spielte mehrere Jahre lang für Royal Antwerp, einen Profifußballverein mit Sitz in Belgien, und spielt jetzt für einen anderen Profifußballverein in Belgien.

5.        Die UEFA ist ein Verband schweizerischen Rechts mit Sitz in Nyon (Schweiz). Sie wurde 1954 u. a. mit dem Ziel gegründet, die Angelegenheiten des Fußballs zu regeln, die Entwicklung des Fußballs in all seinen Formen zu überwachen und zu kontrollieren und internationale Fußballwettbewerbe und ‑turniere auf europäischer Ebene vorzubereiten und zu organisieren. Dem Verband gehören 55 nationale Fußballverbände an, zu deren Mitgliedern auch Profifußballvereine gehören. Ihr oberstes Organ ist der Kongress, der alle ihre Mitglieder zusammenbringt. Ihr ausführendes Organ ist das Exekutivkomitee, dessen Mitglieder durch den Kongress, die Europa League (EL), die ihrerseits ein Verband mit Sitz in der Schweiz ist, der 37 nationale Ligen aus 30 verschiedenen Ländern repräsentiert, und durch die Association européenne des clubs (European Clubs Association, ECA), ein Organ, das Fußballvereine vertritt, gewählt werden.

6.        Die URBSFA ist eine Vereinigung belgischen Rechts ohne Gewinnerzielungsabsicht, die von der Fédération Internationale de football association (Weltfußballverband, im Folgenden: FIFA), der UEFA, deren Mitglied sie ist, und vom Comité Olympique et Interfédéral Belge (Belgisches Olympisches und Interföderales Komitee) anerkannt wird. Ihr Ziel ist es, die sportliche und administrative Organisation des Profi- und Amateurfußballs in Belgien sowie dessen Förderung sicherzustellen.

B.      Die beanstandeten Bestimmungen

1.      UEFA

7.        Am 2. Februar 2005 erließ das UEFA-Exekutivkomitee Regelungen, die den an Klubwettbewerben der UEFA teilnehmenden Profifußballvereinen vorschrieben, eine Höchstanzahl von 25 Spielern, die wiederum eine Mindestanzahl von Nachwuchsspielern zu enthalten hatte, in der Spielerliste einzutragen. Nachwuchsspieler werden von der UEFA als Spieler definiert, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Verein oder einem anderen Verein desselben nationalen Verbandes ausgebildet wurden. Am 21. April 2005 wurde die Nachwuchsspielerregelung von allen 52 UEFA-Mitgliedsverbänden einschließlich der URBSFA auf dem Kongress in Tallinn genehmigt. Seit der Spielzeit 2008/2009 sieht das UEFA-Reglement vor, dass Vereine, die an einem ihrer Wettbewerbe teilnehmen, mindestens acht Nachwuchsspieler auf einer Liste von maximal 25 Spielern eintragen müssen. Von diesen acht Spielern müssen mindestens vier von dem betreffenden Verein ausgebildet worden sein.

2.      URBSFA

8.        Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesreglements der URBSFA sehen für Fußballvereine, die an den Profifußballdivisionen 1A und 1B teilnehmen, vor, dass diese Listen übermitteln müssen, die eine Liste mit höchstens 25 Spielern enthalten, von denen mindestens acht von belgischen Vereinen ausgebildet wurden (d. h. Spieler, die vor ihrem 23. Geburtstag für mindestens drei volle Spielzeiten einem belgischen Verein angehört haben). Darüber hinaus müssen mindestens drei dieser acht Spieler vor ihrem 21. Geburtstag für mindestens drei volle Spielzeiten einem belgischen Verein angehört haben(3).

9.        Ferner müssen die Vereine in den Spielberichtsbögen auf Spieler der oben erwähnten Listen zurückgreifen und mindestens sechs Spieler aufstellen, die vor ihrem 23. Geburtstag – und zwei von ihnen vor ihrem 21. Geburtstag – mindestens drei volle Spielzeiten lang vereinszugehörig waren(4).

10.      Wird die Mindestanzahl nicht erreicht, dürfen solche Spieler in beiden Fällen nicht durch Spieler ersetzt werden, die diese Eigenschaft nicht besitzen.

C.      Das Ausgangsverfahren

11.      Am 13. Februar 2020 erhob UL Klage bei der Cour belge d’arbitrage pour le sport (Belgisches Sportschiedsgericht, Belgien) u. a. auf Feststellung, dass die von der UEFA und der URBSFA eingeführten Nachwuchsspielerregelungen rechtswidrig seien, da sie gegen Art. 45 AEUV(5) verstießen, sowie auf den damit zusammenhängenden Ersatz des UL entstandenen Schadens. In der Folge trat Royal Antwerp freiwillig dem Verfahren bei und beantragte ebenfalls den Ersatz des durch diese Regelungen entstandenen Schadens. Die UEFA nahm an dem Schiedsverfahren nicht teil.

12.      Mit Schiedsspruch vom 10. Juli 2020 entschied das Belgische Sportschiedsgericht, dass diese Anträge unzulässig seien, soweit sie auf die von der UEFA eingeführten Nachwuchsspielerregelungen gerichtet seien und zulässig, aber unbegründet, soweit sie auf die von der URBSFA eingeführten Nachwuchsspielerregelungen gerichtet seien.

13.      Hinsichtlich der von der URBSFA eingeführten Bestimmungen vertrat das Belgische Sportschiedsgericht im Wesentlichen die Auffassung, dass diese nicht gegen die in Art. 45 AEUV garantierte Freizügigkeit der Arbeitnehmer verstießen, da sie unterschiedslos anwendbar seien, zu keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führten, jedenfalls durch legitime Ziele gerechtfertigt und im Hinblick auf diese Ziele nicht unverhältnismäßig seien(6).

14.      Daher wies das Belgische Sportschiedsgericht die Anträge von UL und Royal Antwerp auf Schadensersatz ab.

15.      Am 1. September 2020 erhoben UL und Royal Antwerp vor dem Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den ordre public gemäß Art. 1717 des Belgischen Gerichtsgesetzbuchs.

16.      Zur Begründung ihrer Anträge machen sie im Wesentlichen geltend, dass die Nachwuchsspielerregelungen der UEFA und der URBSFA gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 45 AEUV verstießen, da diese Regelungen sowohl für einen Profifußballverein wie Royal Antwerp die Möglichkeit einschränkten, Spieler, die die in diesen Regelungen festgelegte Voraussetzung lokaler oder nationaler Wurzeln nicht erfüllten, zu verpflichten und in einem Spiel aufzustellen, als auch für einen Spieler wie UL die Möglichkeit, von einem Verein, in Bezug auf den er sich nicht auf solche Wurzeln berufen könne, verpflichtet und aufgestellt zu werden.

17.      Am 9. November 2021 reichte die UEFA einen Antrag auf freiwilligen Beitritt zum Verfahren ein, der mit Urteil vom 26. November 2021 für zulässig erklärt wurde.

18.      In seinem Vorabentscheidungsersuchen weist das vorlegende Gericht zum einen darauf hin, dass der Schiedsspruch, dessen Aufhebung beantragt worden sei, erstens auf der teilweisen Unzulässigkeit der Anträge von UL und Royal Antwerp sowie auf der Abweisung der übrigen Anträge als unbegründet beruhe und zweitens auf der Auslegung und Anwendung von zwei Bestimmungen des Unionsrechts, nämlich der Art. 45 und 101 AEUV, deren etwaige Nichtbeachtung unter Berücksichtigung ihres Charakters und der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs gegebenenfalls einen Verstoß gegen den ordre public im Sinne von Art. 1717 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs darstellen könne.

19.      Zum anderen ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass es für den Erlass eines Urteils erforderlich sei, den Gerichtshof um Klarstellung hinsichtlich der Auslegung der Art. 45 und 101 AEUV zu ersuchen. Es fragt, ob diese Regelungen beschränkende Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den Wettbewerb haben und ob die Regelungen im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Ziele gerechtfertigt, angemessen, erforderlich und verhältnismäßig sind. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht u. a. auf eine von der Europäischen Kommission veröffentlichte Pressemitteilung und eine im Auftrag dieses Organs durchgeführte Studie, aus der erstens hervorgehe, dass diese Regelungen beschränkende Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer haben oder haben könnten, und zweitens, dass die Frage, ob diese Auswirkungen in Anbetracht der als möglich erscheinenden weniger beschränkenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den sehr begrenzten Vorteilen dieser Regelungen stünden, Gegenstand einer ausführlichen Prüfung, insbesondere im Rahmen von durch die Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren, sei(7).

D.      Vorlagefragen

20.      Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 11. November 2021, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 101 AEUV dahin auszulegen, dass er dem am 2. Februar 2005 vom UEFA-Exekutivkomitee verabschiedeten, von den 52 UEFA-Mitgliedsverbänden auf dem Kongress in Tallinn am 21. April 2005 genehmigten und durch sowohl von der UEFA als auch von ihren Mitgliedsverbänden erlassene Reglements umgesetzten Nachwuchsspielerplan entgegensteht?

2.      Sind die Art. 45 und 101 AEUV so auszulegen, dass sie der Anwendung der Regelungen über die Eintragung der Nachwuchsspieler und ihre Aufstellung im Spielberichtsbogen, die in den Art. P335.11 und P.1422 des Bundesreglements der URBSFA festgelegt und in Art. B4.1[12] des Titels 4 und in Art. B6.109 des Titels 6 des neuen Reglements der URBSFA übernommen wurden, entgegenstehen?

21.      UL, Royal Antwerp, die URBSFA, die UEFA, die belgische, die griechische, die polnische, die portugiesische, die rumänische und die schwedische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. UL, Royal Antwerp, die URBSFA, die UEFA, die polnische, die rumänische und die schwedische Regierung sowie die Europäische Kommission haben an der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2022 teilgenommen.

III. Würdigung

22.      Das vorlegende Gericht ersucht um Hinweise zur Vereinbarkeit der Nachwuchsspielerregelungen der UEFA (erste Frage) und der URBSFA (zweite Frage) mit dem Unionsrecht. Erstaunlicherweise nimmt die erste Frage anders als die zweite Frage nicht Bezug auf Art. 45 AEUV.

23.      In den vorliegenden Schlussanträgen ist zu prüfen, ob Art. 45 AEUV so auszulegen ist, dass er der Anwendung von Regelungen wie den im maßgeblichen Reglement der URBSFA enthaltenen Bestimmungen über die Eintragung von Nachwuchsspielern und ihre Aufstellung im Spielberichtsbogen entgegensteht. Da das genannte Reglement der URBSFA in weiten Teilen auf dem Reglement der UEFA beruht, werde ich Letzteres in den vorliegenden Schlussanträgen ebenfalls prüfen.

24.      Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen im Wesentlichen wissen, ob Art. 45 AEUV so auszulegen ist, dass er der Anwendung der von der UEFA und der URBSFA erlassenen Nachwuchsspielerregelungen entgegensteht.

A.      Zulässigkeit

25.      Die URBSFA macht geltend, dass die beiden Fragen als unzulässig zurückzuweisen seien, da sie für die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht von Interesse und hypothetischer Natur seien. Darüber hinaus habe der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens in Anbetracht der Staatsangehörigkeit von UL, des Sitzes von Royal Antwerp und des räumlichen Geltungsbereichs der beanstandeten Regelungen rein innerstaatlichen Charakter, und das vorlegende Gericht sei nur zu einer Entscheidung inter partes berufen.

26.      Die UEFA ist der Ansicht, dass die Vorlagefragen als unzulässig zurückzuweisen seien, da das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund, in dem es die Vorlagefragen gestellt habe, nicht hinreichend dargelegt habe, insbesondere die Frage der Identität der verschiedenen nationalen Fußballverbände, die Nachwuchsspielerregelungen eingeführt hätten, und den tatsächlichen Inhalt der jeweiligen Regelungen. Darüber hinaus habe es nicht dargelegt, dass der Ausgangsrechtsstreit grenzüberschreitenden Charakter habe. Ferner sei die Entscheidung über eine Vorlage zur Vorabentscheidung vor Anhörung der UEFA getroffen worden und die unzureichend präzise und detaillierte Wiedergabe des tatsächlichen und rechtlichen Hintergrundes des Falles habe die UEFA daran gehindert, ihre Rechte geltend zu machen.

27.      Ähnlicher Ansicht sind die rumänische Regierung und die Kommission, die mit der URBSFA und der UEFA darin übereinstimmen, dass die Frage über die Auslegung von Art. 45 AEUV ohne jeglichen Auslandsbezug (im Sinne eines grenzüberschreitenden Bezugs) des Ausgangsverfahrens, aber auch ohne jeden Hinweis seitens des vorlegenden Gerichts darauf gestellt worden sei, dass diese Auslegung trotz des rein innerstaatlichen Charakters der Streitigkeit für die Entscheidung jenes Rechtsstreits erforderlich sei.

28.      Zwar verstehe ich die in den vorstehenden Nummern dargelegten Bedenken(8), dennoch halte ich die Fragen im Ausgangsrechtsstreit für zulässig.

29.      Der Ausgangspunkt für die Beurteilung des Einwands, dass ein Fall wegen eines angeblich rein innerstaatlichen Sachverhalts unzulässig sei, ist das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Ullens de Schooten(9), in dem der Gerichtshof die vier Situationen, in denen Vorabentscheidungsersuchen, die sich aus rein innerstaatlichen Sachverhalten ergeben, für den Erlass einer Vorabentscheidung gleichwohl zulässig sind, übersichtlich zusammengefasst und geordnet hat. Eine dieser Situationen ist die, dass es sich nicht ausschließen lässt, dass in anderen Mitgliedstaaten ansässige Staatsangehörige Interesse daran hatten oder haben, von der in Rede stehenden Freiheit Gebrauch zu machen, um in dem Mitgliedstaat, der die betreffende nationale Regelung erlassen hat, Tätigkeiten auszuüben, und dass folglich diese unterschiedslos auf Inländer und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbare Regelung Wirkungen entfalten kann, die sich nicht auf diesen Mitgliedstaat beschränken(10). Insoweit ist nicht auszuschließen, dass in anderen Mitgliedstaaten ansässige Fußballspieler durch die betreffenden Bestimmungen vom Zugang zum belgischen Markt abgehalten werden.

30.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts vorliegend auf die Beurteilung der Frage beschränkt ist, ob der ordre public durch den Schiedsspruch verletzt worden ist. Das vorlegende Gericht muss im Rahmen seiner Würdigung definitionsgemäß über den konkreten Sachverhalt des vorliegenden Falles hinausgehen, da Erwägungen zum ordre public notwendigerweise über den Einzelfall hinausgehen.

31.      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Gegenstand der vorliegenden Rechtssache auf nationaler Ebene nicht um einen Rechtsstreit zwischen UL und Royal Antwerp handelt, sondern um die beanstandeten Bestimmungen der UEFA und der URBSFA. Die vor dem vorlegenden Gericht anhängige Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs stellt keinen hypothetischen Sachverhalt dar. Dieser Schiedsspruch stützt sich auf die Auslegung und Anwendung von Art. 45 AEUV(11) durch das Belgische Sportschiedsgericht. Das vorlegende Gericht führt aus, dass es verpflichtet sei, zu prüfen, ob diese Auslegung und die Anwendung von Art. 45 AEUV zutreffend seien, um festzustellen, ob die Entscheidung gegen den ordre public verstoße. Art. 45 AEUV ist somit durch das Belgische Sportschiedsgericht in einer Weise angewandt worden, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts Zweifel aufwirft. Das Belgische Sportschiedsgericht und infolgedessen auch das vorlegende Gericht haben nicht die konkrete Situation von UL zu würdigen. Vielmehr beantragte UL, später unterstützt durch Royal Antwerp, die Feststellung, dass die durch die UEFA und die URBSFA eingeführten Nachwuchsspielerregelungen rechtswidrig seien, da sie gegen Unionsrecht verstießen. Bei der Prüfung der Frage, ob der Schiedsspruch, der keinen Verstoß gegen das Unionsrecht festgestellt hat, aufzuheben ist, hat das vorlegende Gericht die beanstandeten Bestimmungen in ihrer Gesamtheit und allgemein zu prüfen.

32.      Was schließlich das Vorbringen der UEFA betrifft, sie sei vor dem Erlass der Entscheidung, die Sache dem Gerichtshof vorzulegen, nicht angehört worden, so genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof nach seiner Rechtsprechung nicht zu prüfen hat, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Gerichtsverfassungs- und Prozessvorschriften entspricht(12).

33.      Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des vorlegenden Gerichts als zulässig anzusehen.

B.      Beantwortung der Vorlagefragen

34.      Gemäß Art. 45 AEUV ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union gewährleistet.

35.      Sportliche Aktivitäten, die zum Wirtschaftsleben gehören, fallen unter die Grundfreiheiten des Vertrags(13), was bedeutet, dass Profifußballer, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, als „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 45 AEUV anzusehen sind(14).

36.      Was die durch Art. 45 AEUV gebundenen Personen betrifft, so ist im Übrigen anerkannt, dass diese Bestimmung auf private Einrichtungen wie die UEFA und die URBSFA, die die unselbständige Arbeit kollektiv regeln, Anwendung findet(15).

1.      Die beanstandeten Bestimmungen

37.      An dieser Stelle halte ich es für hilfreich, die beanstandeten Bestimmungen kurz zu rekapitulieren.

38.      Nach dem Reglement der UEFA werden Nachwuchsspieler als Spieler definiert, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Verein oder einem anderen Verein desselben nationalen Verbandes ausgebildet wurden. Ferner müssen Vereine, die an einem der Wettbewerbe der UEFA teilnehmen(16), nach dem Reglement der UEFA mindestens acht Nachwuchsspieler auf einer Liste von maximal 25 Spielern eintragen. Von diesen Spielern müssen mindestens vier von dem betreffenden Verein ausgebildet worden sein.

39.      Nach dem Reglement der URBSFA müssen die Vereine, die an einem Wettbewerb innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der URBSFA teilnehmen, mindestens acht Spieler, die im Alter von 23 Jahren mindestens drei Spielzeiten lang für den Verein oder einen anderen belgischen Verein gespielt haben (drei von diesen acht Spielern im Alter von 21 Jahren), auf einer Liste von maximal 25 Spielern eintragen. Darüber hinaus müssen die Vereine in den Spielberichtsbögen auf Spieler aus dieser Liste zurückgreifen und mindestens sechs Spieler aufstellen, die dem Verein vor dem Alter von 23 Jahren (zwei davon vor dem Alter von 21 Jahren) mindestens drei volle Spielzeiten lang angehört haben.

40.      In beiden Fällen (UEFA und URBSFA) dürfen solche Spieler nicht durch andere Spieler ersetzt werden, die diese Eigenschaft nicht besitzen, wenn die Mindestanzahl nicht erreicht wird.

2.      Beschränkung

41.      Als Nächstes werde ich prüfen, ob die beanstandeten Bestimmungen eine Beschränkung von Art. 45 AEUV enthalten.

42.      UL und Royal Antwerp sowie die Kommission(17) sind der Auffassung, dass die beanstandeten Bestimmungen nicht nur die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Union beschränkten, sondern auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellten. Die UEFA und die URBSFA hingegen tragen vor, dass die beanstandeten Bestimmungen nicht nur unterschiedslos auf alle Spieler, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, anwendbar seien, sondern dass sie auch kein Hindernis für die Freizügigkeit von Spielern darstellten.

43.      Meines Erachtens können die beanstandeten Bestimmungen eine mittelbare Diskriminierung Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten bewirken. Es ist eine Tatsache, dass je jünger ein Spieler ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass er seinen Wohnsitz an seinem Herkunftsort hat(18). Daher sind es zwangsläufig Spieler aus anderen Mitgliedstaaten, die durch die beanstandeten Bestimmungen beeinträchtigt werden.

44.      Die beanstandeten Bestimmungen bedeuten faktisch ein Erfordernis, das nur von Personen erfüllt werden kann, die sich an einem bestimmten Ort aufgehalten haben. Insofern besteht nach ständiger Rechtsprechung bei einer nationalen Rechtsvorschrift, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes trifft, die Gefahr, dass sie sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt, da Gebietsfremde meist Ausländer sind(19). In ähnlicher Weise stellen Qualifikationsanforderungen, die für die Zulassung zu bestimmten Berufen erforderlich sind, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine mittelbar diskriminierende Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar(20). Die Nachwuchsspielerregelungen können für Spieler, die Unionsbürger sind, die Möglichkeiten, ohne Weiteres von einem Verein in einem Mitgliedstaat zu einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat zu wechseln, einschränken. Obwohl der Wortlaut neutral ist, begünstigen die beanstandeten Bestimmungen einheimische Spieler gegenüber Spielern aus anderen Mitgliedstaaten(21).

45.      Aber auch wenn man (was nicht der Fall ist) annehmen wollte, dass die beanstandeten Bestimmungen nicht mittelbar diskriminierend sind, stellen sie gleichwohl jedenfalls eine (einfache) Beschränkung der Freizügigkeit der Fußballspieler dar. Insoweit sei daran erinnert, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass Regelungen, die es einem Basketballverein untersagen, Spieler aus anderen Mitgliedstaaten bei nationalen Meisterschaftsspielen einzusetzen, wenn der Transfer nach einem bestimmten Zeitpunkt stattgefunden hat, „ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen“(22).

46.      Ich möchte bei dieser Gelegenheit anmerken, dass die von der UEFA und der URBSFA gewählte Definition des Nachwuchsspielers, wonach es sich hierbei nicht nur um Spieler handelt, die aus einem bestimmten Verein stammen, sondern auch um solche, die aus der betreffenden Liga stammen, für die Prüfung der Beschränkung unerheblich ist. In beiden Fällen können acht Spieler nicht von einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat kommen, 17 hingegen schon. Die Unterscheidung zwischen Vereinsspielern und Spielern aus derselben Liga wird jedoch für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der beanstandeten Bestimmungen relevant.

3.      Rechtfertigung

47.      Eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer kann nur gerechtfertigt sein, wenn sie erstens einem der in Art. 45 Abs. 3 AEUV genannten Rechtfertigungsgründe(23) oder einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses(24) dient und zweitens verhältnismäßig ist, was bedeutet, dass sie geeignet sein muss, die Erreichung der verfolgten Zielsetzung in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist(25).

a)      Zu Art. 165 AEUV

48.      Da sich verschiedene Beteiligte in ihrem gesamten Vorbringen ausführlich auf Art. 165 AEUV berufen, sind an diesem Punkt der rechtlichen Würdigung einige Bemerkungen zu dieser Bestimmung angebracht.

49.      Art. 165 AEUV, der durch den Vertrag von Lissabon Eingang in die Verträge gefunden hat(26), regelt drei eigenständige, jedoch eng miteinander verbundene Themen: Bildung, Jugend und Sport. Er ist in vier Absätze gegliedert. Abs. 1 legt das allgemeine Ziel und den Zweck der Bestimmung dar, die darin bestehen, dass die Union zur Förderung der europäischen Dimension des Sports beiträgt und dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion berücksichtigt. In Abs. 2 wird sodann klargestellt, welche Ziele genau mit der Tätigkeit der Union verfolgt werden – denen man unmöglich widersprechen kann(27): Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren. Abs. 3 betont die Bedeutung der Förderung der Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat(28). Schließlich – und das ist entscheidend – erhalten die politischen Organe der Union(29) nach Abs. 4 die Möglichkeit, „gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren … Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung [zu erlassen]“(30), und (allein) der Rat darf auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen erlassen.

1)      Wörtliche Auslegung

50.      Die folgenden Ausführungen ergeben sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 165 AEUV.

51.      Erstens richtet sich diese Bestimmung an die Union und nicht an die Mitgliedstaaten oder an andere öffentliche Einrichtungen, ganz zu schweigen von privaten Einrichtungen. Zweitens findet man die verwendeten Formulierungen (Beitrag, Förderung, Berücksichtigung, Entwicklung, Zusammenarbeit) typischerweise im „weichen Recht“ (Soft Law). Drittens erfasst Art. 165 AEUV sowohl den Profisport als auch den Freizeitsport, unabhängig davon, ob er in Vereinen oder individuell ausgeübt wird(31). Viertens handelt es sich bei Art. 165 Abs. 4 AEUV, auch wenn er auf das gewöhnliche Gesetzgebungsverfahren Bezug nimmt, nicht um eine Rechtsgrundlage, die den politischen Organen die Möglichkeit gäbe, verbindliche Rechtsakte im Sinne von Art. 288 AEUV zu beschließen(32). Art. 165 Abs. 4 AEUV ist daher nichts anderes als eine „falsche Rechtsgrundlage“ und typisch für ein Thema, das dem Bereich der Politik der Union zugeordnet wurde, ohne dass die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Herren der Verträge bereit gewesen wären, der Union irgendwelche damit verbundenen Rechtsetzungsbefugnisse einzuräumen. Dieser letztgenannte Aspekt spiegelt sich übrigens bereits in Art. 2 Abs. 5 und Art. 6 Buchst. e AEUV wider: Auf dem Gebiet des Sports ist die „Zuständigkeit“ der Union nicht legislativer Art, sondern darauf beschränkt, „Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten durchzuführen“(33).

2)      Systematische und teleologische Auslegung

52.      Betrachtet man Art. 165 AEUV im System des AEU‑Vertrags, so ist darauf hinzuweisen, dass Art. 165 AEUV aufgrund seiner Stellung im Dritten Teil Titel XII des AEU‑Vertrags(34) zu allen anderen Bereichen der Politik der Union zählt.

53.      Daraus lässt sich Folgendes ableiten:

54.      Erstens ist Art. 165 AEUV keine allgemein geltende Bestimmung im Sinne des Ersten Teils Titel II des AEU‑Vertrags(35). Zweitens verfolgen die UEFA und die URBSFA als private Einrichtungen, soweit sie unselbständige Arbeit kollektiv regeln, weder eine Politik der Union noch setzen sie eine solche um. Eine solche Tätigkeit ist Sache des Unionsgesetzgebers (und der Organe, die das Sekundärrecht umsetzen, anwenden und durchführen). Die UEFA und die URBSFA hingegen zielen darauf ab, sich auf ein Ziel der öffentlichen Ordnung zu berufen, um die Beschränkung einer Grundfreiheit zu rechtfertigen. Sie sind in Bezug auf den vorliegenden Fall funktional nicht mit einem Organ der Union vergleichbar, das auf der Grundlage von Art. 165 AEUV tätig wird(36), sondern mit einem Mitgliedstaat, der die Beschränkung einer Grundfreiheit rechtfertigen will. Anders gewendet handelt es sich vorliegend um einen Fall der negativen Integration, in dem eine Einrichtung beabsichtigt, eine Grundfreiheit zu beschränken, um eine andere Politik zu fördern, die sie für wichtiger hält. Diese andere Politik fällt zufällig in das Gebiet des Sports. Drittens ist es nicht Sache der UEFA und der URBSFA, eine Tätigkeit der Union gemäß Art. 165 AEUV umzusetzen. Sie sind private Einrichtungen, die neben ihrer regelsetzenden Tätigkeit auch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Viertens steht es den politischen Organen der Europäischen Union selbstverständlich frei, in ihrer Weisheit ein europäisches Sportmodell auf der Grundlage von Art. 165 AEUV oder einer anderen Bestimmung zu verkünden(37). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die den Organen der Union obliegenden Aufgaben in irgendeiner Weise auf die UEFA oder die URBSFA ausgelagert sind. Fünftens können die UEFA und die URBSFA nicht unter Berufung auf Art. 165 AEUV einen Blankoscheck für Beschränkungen der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV erhalten. Beschränkungen dieser Grundfreiheit durch Einrichtungen wie die UEFA und die URBSFA sind wie alle anderen Beschränkungen nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen.

3)      Auswirkung auf den vorliegenden Fall

55.      Die vorstehenden Erwägungen bedeuten nicht, dass der rechtliche Wert von Art. 165 AEUV so begrenzt ist(38), dass er für den vorliegenden Fall überhaupt nicht relevant ist. Diese Bestimmung ist nämlich in zweierlei Hinsicht hilfreich: zum einen, um einen Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung von Art. 45 AEUV festzustellen, einen sogenannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses, und zum anderen als Anzeichen dafür, was unionsweit im Hinblick auf die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung als akzeptabel angesehen wird(39). Dies ist überdies genau das, was der Gerichtshof in der Vergangenheit getan hat(40).

b)      Feststellung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

56.      Die UEFA und die URBSFA berufen sich im Wesentlichen auf zwei verschiedene zwingende Gründe des Allgemeininteresses: die Förderung der Ausbildung und der Verpflichtung junger Spieler sowie die Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften in UEFA-Klubwettbewerben und in nationalen Wettbewerben. Ein weiterer geltend gemachter zwingender Grund des Allgemeininteresses ist der Schutz junger Spieler insofern, als deren soziales und familiäres Umfeld aufrechterhalten und ein Bruch in ihrer regulären Ausbildung vermieden werden soll.

57.      In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof offenbar davon ausgeht, dass, wenn durch Art. 45 AEUV gebundene Einrichtungen wie die UEFA oder die URBSFA Rechtfertigungsgründe für die Beschränkung geltend machen wollen, der öffentliche oder private Charakter der beanstandeten Bestimmungen keinen Einfluss auf die Tragweite oder den Inhalt dieser Rechtfertigungsgründe hat(41).

58.      Ich kann mich dieser Feststellung anschließen und verstehe das Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung einer einheitlichen Regelung in Bezug auf Art. 45 AEUV unabhängig davon, ob Beschränkungen von öffentlichen oder privaten Einrichtungen ausgehen. Gleichwohl sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass private Einrichtungen wie die UEFA oder die URBSFA – im Gegensatz zu einem Mitgliedstaat als öffentlicher Einrichtung – entsprechend ihrem jeweiligen Zweck wirtschaftliche Ziele verfolgen(42). Solche Ziele können zuweilen mit öffentlichen Zielen in Konflikt geraten. Darüber hinaus üben die UEFA wie auch die URBSFA sowohl eine regelsetzende Tätigkeit als auch eine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Da diese Tätigkeiten nicht voneinander getrennt sind, ergeben sich zwangsläufig Interessenkonflikte. Anders gewendet verhielten die UEFA und die URBSFA sich irrational, würden sie versuchen, öffentliche Zwecke zu fördern, die ihren wirtschaftlichen Zielen genau entgegenstünden.

59.      Wenn Mitgliedstaaten Beschränkungen einer Grundfreiheit rechtfertigen wollen, kann vermutet werden, dass sie ein anderes öffentliches Interesse als das des Binnenmarkts fördern wollen. Bei einer privaten Einrichtung ist das nicht der Fall, was man im Rahmen der nachstehenden Prüfung im Hinterkopf behalten sollte. Aus diesem Grund bevorzuge ich die vom Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Angonese verwendete Formulierung, in dem dieser von einem „berechtigterweise verfolgte[n] Ziel“ spricht(43), ohne ausdrücklich zu erklären, dass ein solches Ziel zwingend dem Allgemeininteresse dienen muss. Daher ist es auch umso wichtiger, das Element des Allgemeininteresses in den von der UEFA und der URBSFA geltend gemachten zwingenden Gründen eingehend zu prüfen.

60.      Was den Berufssport anbelangt, hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass angesichts der beträchtlichen sozialen Bedeutung, die dem Sport und insbesondere dem Fußball in der Union zukommt, der Zweck, die Anwerbung und die Ausbildung junger Spieler zu fördern, als legitim anzuerkennen ist(44). Das gleiche gilt für den Zweck, die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Vereinen unter Wahrung einer bestimmten Chancengleichheit und der Ungewissheit der Ergebnisse zu gewährleisten(45).

c)      Verhältnismäßigkeit

61.      Als Nächste müssen die beanstandeten Bestimmungen verhältnismäßig sein, was bedeutet, dass sie geeignet sein müssen, die Erreichung der verfolgten Zielsetzungen in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen dürfen, was hierzu erforderlich ist. Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, die Verhältnismäßigkeit der beanstandeten Bestimmungen zu prüfen. In diesem Zusammenhang trifft die Beweislast bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Nachwuchsspielerregelungen die UEFA und die URBSFA.

62.      Auf der Grundlage der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen und des Vorbringens der verschiedenen Verfahrensbeteiligten ist der Gerichtshof meines Erachtens ausreichend unterrichtet, um das vorlegende Gericht bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu leiten.

63.      Es wird aufgezeigt, dass einige Beschränkungen gerechtfertigt sind.

64.      Allgemein ist, wie bereits in der juristischen Literatur dargelegt wurde, auf Folgendes hinzuweisen: „Regeln im Sport haben wirtschaftliche Auswirkungen. Aber ohne einige grundlegende Regeln gäbe es keinen Sport.“(46) Die spezifischen Märkte des Leistungssports sind auf das Vorhandensein von Wettbewerbern angewiesen. Bestünden keinerlei Beschränkungen, könnte dies dazu führen, dass ein einzelner Verein, der in der Lage wäre, alle Spieler zu kaufen, potenziell in einer Position wäre, in der er de facto nicht mehr von anderen Vereinen besiegt werden könnte. Es wäre schade, wenn z. B. Wisła Kraków die gesamte polnische Liga beherrschen könnte. Das „schöne Spiel“ verlöre an Attraktivität.

1)      Geeignetheit

65.      Die beanstandeten Bestimmungen müssen geeignet sein, den geltend gemachten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu genügen, d. h., die Nachwuchsspielerregelungen müssen geeignet sein, die Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler zu fördern sowie für einen ausgewogeneren Wettbewerb zwischen den Mannschaften in UEFA-Klubwettbewerben und in nationalen Wettbewerben zu sorgen.

i)      Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler

66.      Die beanstandeten Bestimmungen sind definitionsgemäß geeignet, das Ziel der Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler zu erreichen, was übrigens von Royal Antwerp auch anerkannt wird(47).

67.      Gleichwohl hege ich gewisse Zweifel hinsichtlich der allgemeinen Kohärenz der beanstandeten Bestimmungen in Bezug auf die Definition des Nachwuchsspielers. Wenn ein Nachwuchsspieler, wie es sowohl nach dem Reglement der UEFA als auch nach dem der URBSFA der Fall ist, nicht nur ein Spieler ist, der von dem Verein selbst ausgebildet wurde, sondern auch einer, der von einem anderen Verein in derselben nationalen Liga ausgebildet wurde, frage ich mich, ob die beanstandeten Vorschriften tatsächlich zur Erreichung des Ziels, dass Vereine junge Spieler ausbilden, beitragen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass nach dem Reglement der UEFA mindestens die Hälfte (d. h. vier) der Nachwuchsspieler von dem betreffenden Verein ausgebildet worden sein müssen. Dies entschärft die Angelegenheit, packt aber das Übel, das gerade in der Definition dessen, was einen Nachwuchsspieler ausmacht, besteht, nicht an der Wurzel.

68.      Diese Zweifel verstärken sich offensichtlich, wenn eine bedeutende nationale Liga betroffen ist, weshalb das Reglement der UEFA meines Erachtens mehr Fragen aufwirft als das der URBSFA, die im Vergleich dazu eine der kleineren Ligen ist. Wenn ein Verein in einer großen nationalen Liga bis zur Hälfte der Nachwuchsspieler „kaufen“ kann, würde der Zweck, diesen Verein zu ermutigen, junge Spieler auszubilden, vereitelt.

69.      Daher halte ich zwar das Erfordernis, dass eine vorgegebene Zahl von Nachwuchsspielern in einer Liste eingetragen werden muss, für gerechtfertigt, kann aber – unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung – nicht den Zweck der Ausweitung der Definition des Nachwuchsspielers auf Spieler, die nicht einem bestimmten Verein, aber der betreffenden nationalen Liga angehören, nachvollziehen(48).

ii)    Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften

70.      Die gleichen Erwägungen gelten für das Ziel der Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften. Wenn alle Vereine durch die beanstandeten Bestimmungen zum Ausbilden verpflichtet werden, dürfte der Wettbewerb zwischen den Mannschaften insgesamt ausgewogener werden. Auch dieses Ziel wird vereitelt, soweit Vereine auf Nachwuchsspieler aus anderen Vereinen derselben Liga zurückgreifen können.

iii) Ergebnis

71.      Im Ergebnis sind die beanstandeten Bestimmungen nicht kohärent und folglich nicht geeignet, die Ziele der Ausbildung junger Spieler und der Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften zu erreichen, soweit es sich bei den Nachwuchsspielern, die in einer Liste eingetragen werden müssen, um Spieler handeln kann, die nicht aus dem betreffenden Verein stammen.

72.      Das bedeutet, dass die Bestimmungen der URBSFA im Ganzen nicht geeignet sind, während diejenigen der UEFA nur teilweise geeignet sind.

2)      Erforderlichkeit

73.      Sodann dürfen die beanstandeten Bestimmungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels der Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler erforderlich ist.

i)      Zum Ermessen der UEFA und der URBSFA

74.      Die UEFA trägt insbesondere vor, dass es eine ständige Rechtsprechung gebe, wonach „Berufsverbände mit Rechtsetzungsbefugnissen“ bei der Wahl einer spezifischen Lösung für ein bestehendes Problem über ein „erhebliches Ermessens“ verfügten.

75.      In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass nur auf ein (wegweisendes) Urteil des Gerichtshofs(49) Bezug genommen wird, in dem das nationale Gericht die von der Niederländischen Rechtsanwaltskammer getroffenen Maßnahmen zu prüfen hatte(50). Es fällt mir schwer, aus den Besonderheiten dieses Falles einen allgemeinen Grundsatz abzuleiten, wonach private Einrichtungen, die durch Art 45 AEUV gebunden sind, über ein weiteres Ermessen verfügen sollen als Mitgliedstaaten in vergleichbaren Situationen.

76.      Ich bin vielmehr der Ansicht, dass auf die allgemeine Beurteilung von Personen, die Beschränkungen von Art. 45 AEUV rechtfertigen wollen, die klassische Rechtsprechung Anwendung findet. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die durch Art. 45 AEUV gebundenen Stellen selbstverständlich über einen gewissen Spielraum verfügen, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob die Verfolgung bestimmter Interessen erforderlich ist und mit welchen Mitteln dies geschehen soll. Insoweit räumt der Gerichtshof ein weiteres oder engeres Ermessen ein, das sich nicht nach der Urheberschaft (Mitgliedstaat oder „Berufsverband mit Rechtsetzungsbefugnissen“) richtet, sondern nach dem Gegenstand des mit dem Rechtfertigungsgrund verfolgten Ziels. Der Gerichtshof hat daher ein recht weites Ermessen in „sensiblen Bereich[en]“ wie der Überlassung von Arbeitnehmern(51) oder in Bereichen „besondere[r] Natur“ wie Lotterien zugestanden(52). Ferner ist der klassische Fall, in dem der Gerichtshof einen gewissen Spielraum einräumt, der Bereich der öffentlichen Gesundheit(53). Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass das Ermessen in dem Maße zunimmt, in dem der verfolgte Inhalt über die klassische Wirtschaftspolitik hinausgeht(54).

77.      Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Ausbildung und Verpflichtung junger Spieler hat ebenso wie das Ziel der Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften eine bedeutende wirtschaftliche Komponente. Wie Royal Antwerp in seinen Erklärungen hervorhebt, haben Spieler, einschließlich der jungen, einen Marktwert, der sowohl ihnen als auch den Vereinen in jeder Hinsicht als Hebel bei möglichen Transfers dient.

78.      Ich sehe folglich keinen Grund, von der klassischen Rechtsprechung abzuweichen und der UEFA sowie der URBSFA ein weiteres Ermessen einzuräumen, als es für einen Mitgliedstaat üblich wäre, um eine Beschränkung von Art. 45 AEUV zu rechtfertigen.

ii)    Weniger einschränkende Maßnahmen

79.      Alternative Maßnahmen, die insbesondere von UL und Royal Antwerp vorgetragen wurden, sind der unmittelbare Ausgleich für die Ausbildung junger Spieler und die Umverteilung von Einkommen.

80.      Wie auch die Kommission hervorgehoben hat, ist nicht erwiesen, dass solche Maßnahmen weniger einschränkend wären und die Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV weniger behindern würden. Je nach ihrer konkreten Ausgestaltung dürften einige dieser Maßnahmen wie eine Gehaltsobergrenze die Möglichkeit für Vereine, Spieler auszubilden, sogar noch stärker einschränken, während Ausgleichsregelungen für ausbildungsbezogene Investitionen die Chancengleichheit unmittelbar berühren würden und mit erheblichem Verwaltungsaufwand, hohen Kosten und umfangreichen Kontrollen verbunden wären.

81.      Darüber hinaus gibt es kein Anzeichen dafür, dass solche Maßnahmen gleich wirksam für die Erreichung dieses Ziels, das in der Ausbildung junger Spieler besteht, wären. Insbesondere könnten finanzstarke Vereine damit „durchkommen“, junge Spieler nicht auszubilden, sondern von anderen Vereinen zu kaufen, wodurch sowohl das beabsichtigte Ziel, junge Spieler auszubilden, als auch das übergeordnete Ziel des ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften vereitelt würde(55).

iii) Ergebnis

82.      Im Ergebnis erscheinen die beanstandeten Bestimmungen – soweit sie geeignet sind – erforderlich, um die Ziele der Ausbildung junger Spieler und der Herstellung eines ausgewogeneren Wettbewerbs zwischen den Mannschaften zu erreichen.

IV.    Ergebnis

83.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung der von der Union des associations européennes de football (UEFA) und der Union royale belge des sociétés de football association (URBSFA) erlassenen Nachwuchsspielerregelungen, wonach die Vereine für die Teilnahme an den betreffenden Wettbewerben auf einer Liste eine Höchstanzahl von 25 Spielern, die eine Mindestanzahl von acht Nachwuchsspielern zu enthalten hat, eintragen müssen, entgegensteht, soweit solche Nachwuchsspieler von einem anderen Verein des betreffenden nationalen Fußballverbands stammen können.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Auch wenn unverbesserliche Liebhaber wie Nick Hornby in seinem Roman Fever Pitch – Ballfieber (Originaltitel: Fever Pitch) von 1992 behaupten mögen, dass „sich über Fußball zu beschweren … ein wenig so [ist], als würde man sich über das traurige Ende von König Lear beschweren: Es geht an der Sache vorbei.“ Vgl. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013, S. 182.


3      Dies ergibt sich aus der Zusammenschau der früheren Art. P335.11 und P1422 sowie der jetzigen Art. B4.112 und B6.109 des Bundesreglements der URBSFA.


4      Dies ergibt sich aus dem früheren Art. P1422 und dem jetzigen Art. B6.109 des Bundesreglements der URBSFA.


5      Und Art. 101 AEUV.


6      Das Belgische Sportschiedsgericht stellte auch keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV fest.


7      Darüber hinaus möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Nachwuchsspielerregelungen als eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss von Unternehmensvereinigungen oder als eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen werden können.


8      UL und Royal Antwerp haben schließlich beide ihren Wohnsitz bzw. Sitz in Belgien, und insoweit besteht kein grenzüberschreitender Bezug.


9      Urteil vom 15. November 2016 (C‑268/15, EU:C:2016:874).


10      Vgl. Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 50).


11      Und Art. 101 AEUV.


12      Vgl. z. B. Urteil vom 11. April 2006, Deliège (C‑51/99 und C‑191/97, EU:C:2000:199, Rn. 29).


13      Vgl. auch Forsthoff, U., Eisendle, D., in Grabitz, E., Hilf, M., und Nettesheim, M. (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 76. EL., Stand Mai 2022, C. H. Beck, München, Art. 49 AEUV, Rn. 104.


14      Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung seit dem Urteil vom 14. Juli 1976, Donà (13/76, EU:C:1976:115, Rn. 13). Vgl. auch Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 73). Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Begriff des „Arbeitnehmers“ ein autonomer Begriff ist und nicht eng ausgelegt werden darf. Als „Arbeitnehmer“ ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Vgl. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15      Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung seit dem Urteil vom 12. Dezember 1974, Walrave und Koch (36/74, EU:C:1974:140, Rn. 17). Vgl. auch Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 82), vom 13. April 2000, Lehtonen und Castors Braine (C‑176/96, EU:C:2000:201, Rn. 35), und vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 30).


16      Das heißt folgende vier Wettbewerbe: UEFA Champions League, Europa League, Conference League und Super Cup.


17      Die, wie oben dargelegt, die Frage gleichwohl mangels grenzüberschreitenden Bezugs als unzulässig erachtet.


18      Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es Spieler gibt, die in einem extrem jungen Alter ins Ausland ziehen. Dies ist jedoch nur ein kleiner Bruchteil der Spieler und stellt die Ausnahme dar, die die Regel bestätigt, dass ein Spieler, je jünger er ist, umso eher aus der Gegend stammt.


19      Vgl. z. B. und in Bezug auf Art. 45 AEUV Urteil vom 7. Mai 1998, Clean Car Autoservice (C‑350/96, EU:C:1998:205, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Zawidzka-Łojek, A., „Ochrona interesu ogólnego na rynku wewnętrznym – dopuszczalne wyjątki i ograniczenia swobód. Model ochrony“, in System Prawa Unii Europejskiego, Bd. 7, Prawo rynku wewnętrznego, Warschau, C. H. Beck, 2020, Rn. 197.


20      Vgl. z. B. Urteil vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a. (222/86, EU:C:1987:442, Rn. 9 bis 11).


21      Vgl. in diesem Sinne auch Kliesch, J., Der Status des Profifußballers im Europäischen Recht, Nomos, Baden-Baden 2017, S. 215, zum Reglement der UEFA.


22      Vgl. Urteil vom 13. April 2000, Lehtonen und Castors Braine (C‑176/96, EU:C:2000:201, Rn. 49). Der Gerichtshof verweist hier ausdrücklich auf sein Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 99 und 100). Ferner hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 35), entschieden, dass ein französischer Tarifvertrag, wonach ein „Espoir“-Spieler (ein Spieler im Alter von 16 bis 22 Jahren) nach Abschluss seiner Ausbildungszeit verpflichtet war, seinen ersten Vertrag als Berufsspieler bei Meidung von Schadensersatz mit dem Verein abzuschließen, der ihn ausgebildet hat, diesen Spieler davon abhalten konnte, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen.


23      Öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit oder öffentliche Gesundheit.


24      Der Gerichtshof hat im Lauf der Jahre unterschiedliche Formulierungen verwendet, um nicht wirtschaftliche Rechtfertigungsgründe zu beschreiben, die von der Rechtsprechung entwickelt worden sind (und entwickelt werden). Vgl. Martucci, F., Droit du marché intérieur de l’Union européenne, Presses Universitaires de France, Paris 2021, Rn. 261. Der Einfachheit halber werde ich mich in den vorliegenden Schlussanträgen nur auf die Formulierung „zwingende Gründe des Allgemeininteresses “ beziehen.


25      Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 104), vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 38), und vom 10. Oktober 2019, Krah (C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 55).


26      Zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache European Superleague Company (C‑333/21, EU:C:2022:993, Nr. 29).


27      Von den sieben Zielen dieses Absatzes beziehen sich sechs auf die Bildung und nur eins auf den Sport.


28      Soweit auf den Europarat Bezug genommen wird, enthält diese Bestimmung eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Union nach Art. 220 Abs. 1 AEUV, jede zweckdienliche Zusammenarbeit mit dem Europarat zu betreiben. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache The English Bridge Union (C‑90/16, EU:C:2017:464, Nr. 33).


29      Im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge verstehe ich unter den politischen Organen der Union die Kommission, den Rat und das Parlament.


30      Es nimmt zugegebenermaßen etwas Zeit in Anspruch, diese Bestimmung zu verstehen, die es den politischen Organen in orwellscher Manier erlaubt, auf das gewöhnliche Gesetzgebungsverfahren zurückzugreifen, um alles Mögliche zu erlassen …, nur keine Gesetze.


31      Vgl. in diesem Sinne auch Odendahl, K., in Pechstein, M., Nowak, C., Häde, U. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Bd. III, Mohr Siebeck, Tübingen 2017, Art. 165 AEUV, Rn. 9.


32      Nämlich Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse.


33      Vgl. Art. 2 Abs. 5 und Art. 6 Buchst. e AEUV. Weiter heißt es in Art. 2 Abs. 5, dass solche Maßnahmen nicht die Befugnisse der Mitgliedstaaten für diese Bereiche verdrängen.


34      Das heißt, dass er zwischen dem Europäischen Sozialfonds und der Kultur angesiedelt ist.


35      Dieses Privileg ist für Themen reserviert, die von den Herren der Verträge offensichtlich als wichtiger erachtet werden, wie – um nur einige Beispiele zu nennen – das Diskriminierungsverbot (Art. 8 und 10 AEUV), die Umwelt (Art. 11 AEUV), der Verbraucherschutz (Art. 12 AEUV) oder der Datenschutz (Art. 16 AEUV).


36      In Ermangelung einer besseren Formulierung verwende ich vorsichtig die Formulierung „tätig werden“, da Art. 165 AEUV es, wie oben festgestellt, den Organen der Union nicht erlaubt, im eigentlichen Sinn des Wortes gesetzliche Regelungen zu erlassen.


37      Bei dieser Gelegenheit möchte ich anmerken, dass sich die politischen Organe offensichtlich dafür entschieden haben, Angelegenheiten des Sports, die im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt stehen, nicht zu harmonisieren oder zu regulieren, indem sie von Art. 114 AEUV Gebrauch machen.


38      Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 165 AEUV, in Verbindung mit den Vertragsregelungen über die Staatsangehörigkeit, Art. 18 und 21 AEUV, ausgelegt, bestimmten Regelungen eines nationalen Sportverbands entgegensteht, mit denen die Freizügigkeit beschränkt wurde. Vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, TopFit und Biffi (C‑22/18, EU:C:2019:497).


39      Insoweit kann ich mich voll und ganz den Schlussanträgen des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache European Superleague Company (C‑333/21, EU:C:2022:993, Nr. 42) anschließen, in denen es heißt: „[D]ie besonderen Merkmale des Sports [können] zwar nicht geltend gemacht werden, um sportliche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des EU‑Vertrags und des AEU‑Vertrags auszuschließen, doch können die in Art. 165 AEUV enthaltenen Verweise auf diese Besonderheiten sowie die soziale und erzieherische Funktion des Sports insbesondere für die Analyse der etwaigen objektiven Rechtfertigung der Beschränkungen des Wettbewerbs oder der Grundfreiheiten im sportlichen Bereich relevant sein.“


40      Vgl. Urteil vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 39). Vgl. im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV auch Urteil vom 7 September 2022, Cilevičs u. a. (C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 59), in dem der Gerichtshof nur vage auf Art. 165 AEUV verweist, bevor er sich dem beschränkenden Charakter einer nationalen Maßnahme zuwendet, die offensichtlich in den Anwendungsbereich von Art. 165 AEUV fiel.


41      Vgl. Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 86).


42      Vgl. auch Weatherill, S., European Sports Law, T. M. C. Asser, Den Haag 2007, S. 60, der erläutert, dass der Ansatz des Gerichtshofs zwar „logisch sauber“ sei, dass jedoch „nicht deutlich wird, wie die in [Artikel 45 Abs. 3 AEUV] enthaltenen Formulierungen angemessen neu gefasst werden können, um auf den privaten Sektor zu passen“, und der auf das Risiko hinweist, dass man, wenn man privaten Beteiligten die Geltendmachung öffentlicher Rechtfertigungsgründe gestattet, Gefahr läuft, „deren Anwendungsbereich zu überdehnen“ (freie Übersetzung).


43      Vgl. Urteil vom 6. Juni 2000 (C‑281/98, EU:C:2000:296, Rn. 42). Vgl. in diesem Sinne auch Müller-Graff, P.‑Ch., „Die horizontale Direktwirkung der Grundfreiheiten“, in Europarecht, 2014, S. 3 bis 29, auf S. 12.


44      Vgl. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 106), und vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 39).


45      Vgl. Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 106). Der Gerichtshof hat auch den geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe als erstrebenswertes Ziel anerkannt, vgl. Urteile vom 11. April 2000, Deliège (C‑51/96 und C‑191/97, EU:C:2000:199, Rn. 64), und vom 13. April 2000, Lehtonen und Castors Braine (C‑176/96, EU:C:2000:201, Rn. 53). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um einen solchen geordneten Ablauf eines Wettkampfs, sondern vielmehr um die Bedingungen, die ein Verein für die Teilnahme an einem Wettbewerb erfüllen muss.


46      Vgl. Weatherill, S., a. a. O, S. 336 (freie Übersetzung).


47      Vgl. Rn. 38 der Erklärungen von Royal Antwerp.


48      Soweit die Auffassung vertreten wird, dass Vereine über einen erforderlichen Spielraum verfügen sollten, um nicht nur auf ihre eigenen Spieler, sondern auch auf solche aus derselben Liga zurückgreifen zu können, würde ein solcher Spielraum meines Erachtens eher erreicht, indem man die Zahl der Nachwuchsspieler verringert und zugleich die Definition auf echte Nachwuchsspieler (im Sinne von Spielern, die in dem betreffenden Verein ausgebildet wurden) beschränkt.


49      Vgl. Rn. 50 und 80 der schriftlichen Erklärungen der UEFA, in denen auf das Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 110), verwiesen wird.


50      In ähnlicher Weise hat der Gerichtshof im Urteil vom 28. Februar 2013, Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas (C‑1/12, EU:C:2013:127, Rn. 96), unter Verweis auf sein Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98), geprüft, ob die beschränkenden Maßnahmen einer Berufsständischen Vertretung für geprüfte Buchhalter bei „vernünftiger“ Betrachtung als notwendig angesehen werden konnten, um die Qualität der Dienstleistungen sicherzustellen.


51      Vgl. Urteil vom 17. Dezember 1981, Webb (279/80, EU:C:1981:314, Rn. 18) zur Dienstleistungsfreiheit.


52      Vgl. Urteil vom 24. März 1994, Schindler (C‑275/92, EU:C:1994:119, Rn. 59 ff.) zur Dienstleistungsfreiheit.


53      Vgl. z. B. Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans (C‑137/09, EU:C:2010:774, Rn. 63 ff.) zur Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit.


54      Vgl. in diesem Sinne auch Forsthoff, U., Eisendle, D., a. a. O., Rn. 397.


55      Vgl. in diesem Sinne auch Kliesch, J., Der Status des Profifußballers im Europäischen Recht, Nomos, Baden-Baden 2017, S. 232.