Language of document : ECLI:EU:C:2009:150

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

vom 12. März 20091(1)

Verbundene Rechtssachen C‑22/08 und C‑23/08

Athanasios Vatsouras

gegen

Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900

und

Josif Koupatantze

gegen

Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900

(Vorabentscheidungsersuchen des Sozialgerichts Nürnberg [Deutschland])

„Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Arbeitnehmerbegriff – Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG – Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats, die nach Ausübung einer kurzen, geringfügigen Beschäftigung arbeitslos sind – Anspruch auf Sozialhilfeleistungen“





I –    Einleitung

1.        Das Sozialgericht Nürnberg legt dem Gerichtshof gemäß Art. 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Art. 12 EG und 39 EG sowie nach der Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten(2), zur Vorabentscheidung vor. Es möchte wissen, ob ein griechischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, wo er zuvor eine kurze, geringfügige Beschäftigung ausgeübt hat, nach Ablauf der ersten drei Monate seines Aufenthalts Sozialhilfeleistungen beanspruchen kann, während er aktiv eine Beschäftigung sucht.

2.        Das Vorabentscheidungsersuchen wird auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Collins(3) gestützt, mit dem das Erfordernis aufgestellt worden ist, dass Arbeitsuchende, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben, eine „Verbindung“ mit dem Aufnahmemitgliedstaat aufweisen müssen, um Zugang zur Sozialhilfe zu haben, in dem Bewusstsein, dass die Richtlinie 2004/38 in Abgrenzung von dieser Rechtsprechung Personen von der Sozialhilfe ausschließt, die von dem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und in einem Mitgliedstaat Arbeit suchen. Durch die unbeschränkte zeitliche Begrenzung dieses Rechts wird es erlaubt, Personen, die, auch wenn sie Arbeit suchen, diese Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat bereits aufweisen, Sozialhilfe zu versagen.

II – Sachverhalt

A –    Die Klage von Herrn Vatsouras (Rechtssache C-22/08)

3.        Nach dem Vorlagebeschluss reiste Athanasios Vatsouras, ein griechischer Staatsangehöriger, im März 2006 in die Bundesrepublik Deutschland ein und nahm dort eine geringfügige Beschäftigung auf. Am 10. Juli 2006 veranlasste ihn seine Lage, bei der Arbeitsgemeinschaft Nürnberg 900 (im Folgenden: ARGE) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), die ihm mit Bescheid vom 27. Juli 2006 in Höhe von monatlich 169 Euro bis zum 30. November 2006 bewilligt wurden, zu beantragen.

4.        Im Januar 2007 verlor Herr Vatsouras seine Beschäftigung. Die Leistungen, die bis zum 31. Mai 2007 verlängert worden waren, wurden mit Wirkung vom 30. April 2007 aufgehoben. Gegen diesen Bescheid legte Herr Vatsouras Widerspruch ein, der am 4. Juli 2007 zurückgewiesen wurde. Herr Vatsouras erhob Klage beim Verwaltungsgericht, mit der er eine der hier untersuchten Fragen aufwarf.

5.        Am 4. Juni 2007 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung in Deutschland auf.

B –    Die Klage von Herrn Koupatantze (Rechtssache C-23/08)

6.        Im Verfahren über die Klage von Josif Koupatantze wird ebenfalls ein Bescheid der ARGE angefochten. Der Kläger, ein griechischer Staatsangehöriger, reiste im Oktober 2006 nach Deutschland ein. Am 1. November 2006 nahm er eine Beschäftigung auf, bis ihm das Arbeitsverhältnis zum 21. Dezember 2006 wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Arbeitgebers gekündigt wurde. Am ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit beantragte er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die ihm mit Bescheid vom 15. Januar 2007 bis zum 31. Mai 2007 in Höhe von monatlich 670 Euro bewilligt wurden.

7.        Aus im Vorlagebeschluss nicht erläuterten Gründen hob die ARGE die bewilligte Sozialhilfe für Herrn Koupatantze mit Bescheid vom 18. April 2007 rückwirkend ab 28. Februar 2007 auf. Am 4. Mai 2007 legte Herr Koupatantze gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der eine Woche später zurückgewiesen wurde. Gemäß dem deutschen Verwaltungsprozessrecht erhob Herr Koupatantze am 16. Mai 2007 Klage beim Verwaltungsgericht, aufgrund deren sich eine mit der in der Rechtssache C‑22/08 gleichlautende Vorlagefrage stellt.

8.        Am 1. Juni 2007 nahm Herr Koupatantze eine neue Beschäftigung in Deutschland auf.

III – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

9.        Das Primärrecht regelt die Stellung der Unionsbürger, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen, und unterscheidet dabei danach, ob sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. In diesem Zusammenhang sind die Art. 12 EG, 18 EG und 39 EG erheblich:

„Artikel 12

Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Der Rat kann nach dem Verfahren des Artikels 251 Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen.

Artikel 18

(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2)      Erscheint zur Erreichung dieses Ziels ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich und sieht dieser Vertrag hierfür keine Befugnisse vor, so kann der Rat Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 erleichtert wird. Er beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 251.

(3)      Absatz 2 gilt nicht für Vorschriften betreffend Pässe, Personalausweise, Aufenthaltstitel oder diesen gleichgestellte Dokumente und auch nicht für Vorschriften betreffend die soziale Sicherheit oder den sozialen Schutz

Artikel 39

(1)      Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2)      Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3)      Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht,

a)      sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;

b)      sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;

c)      sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;

d)      nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt.

(4)      Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.“

10.      Die Richtlinie 2004/38 grenzt in Art. 7 die Voraussetzungen ab, unter denen eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat für einen Zeitraum von über drei Monaten möglich ist.

„Artikel 7

Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

c)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

…“

11.      Im Bereich der Sozialhilfe führt die Richtlinie 2004/38 verschiedene Beschränkungen des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für Personen ein, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten. Während die Grundregel in Art. 24 Abs. 1 enthalten ist, regelt Art. 24 Abs. 2 die Beschränkungen.

„Artikel 24

Gleichbehandlung

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

12.      Der längere Zeitraum nach Art. 14 der Richtlinie gilt für „die Unionsbürger[, die] in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen“. Diese Personen dürfen nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.

B –    Nationales Recht

13.      § 7 Abs. 1 SGB II bestimmt:

„Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.      das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a [65 Jahre] noch nicht erreicht haben,

2.      erwerbsfähig sind,

3.      hilfebedürftig sind und

4.      ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Ausgenommen sind

2.      Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. …“

14.      § 23 Abs. 3 SGB XII wiederholt für Sozialhilfe, dass Ausländer, die nach Deutschland eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben.

IV – Vorlagefragen

15.      Aufgrund dieses Sachverhalts hat das Sozialgericht Nürnberg dem Gerichtshof gemäß Art. 234 EG am 22. Januar 2008 zwei Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof über Gültigkeit und Auslegung vorgelegt, die beide die folgenden gleichlautenden Fragen enthalten:

1.      Ist Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 39 EG vereinbar?

2.      Für den Fall, dass Frage 1 verneinend beantwortet wird:

Steht Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 39 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Unionsbürger vom Sozialhilfebezug ausschließt, sofern die nach Art. 6 der Richtlinie 2004/38 zulässige Höchstdauer des Aufenthalts überschritten ist und auch nach anderen Vorschriften kein Aufenthaltsrecht besteht?

3.      Für den Fall, dass Frage 1 bejahend beantwortet wird:

Steht Art. 12 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union selbst von den Sozialhilfeleistungen ausschließt, die illegalen Migranten gewährt werden?

16.      Der Präsident des Gerichtshofs hat mit Beschluss vom 7. April 2008 die beiden Rechtssachen wegen ihres objektiven Zusammenhangs verbunden.

17.      Die Regierungen Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs sowie der Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission haben Erklärungen eingereicht.

18.      In der Sitzung vom 4. Februar 2009 haben der Bevollmächtigte des Vereinigten Königreichs sowie die Bevollmächtigten des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

V –    Eine Voraberwägung: die Arbeitnehmereigenschaft von Herrn Vatsouras und Herrn Koupatantze

19.      In den Beschlüssen des Sozialgerichts Nürnberg wird ausgeführt, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne von Art. 39 EG hätten. Wegen ihrer kurzen und geringfügigen Beschäftigung seien Herr Vatsouras und Herr Koupatantze nicht durch das Freizügigkeitsrecht der Arbeitnehmer geschützt, sondern nur durch das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG. Dieser Befund muss jedoch nuanciert und seine Folgen müssen sorgfältig geprüft werden.

20.      Die Regierungen und die Organe, die sich an diesem Vorabentscheidungsverfahren beteiligt haben, sind in dieser Hinsicht uneins, denn während der Rat und die Bundesrepublik Deutschland die Ansicht vertreten, dass die Kläger die Voraussetzungen dafür erfüllten, Arbeitnehmer zu sein, vertritt Dänemark die gegenteilige Ansicht; die Kommission und die Niederlande machen wiederum geltend, es gebe nicht genügend Anhaltspunkte, um zu einer überzeugenden Lösung zu gelangen, und schlagen vor, dieses Problem dem nationalen Gericht zu übertragen. Nimmt man die Uneinheitlichkeit der Ausführungen des nationalen Gerichts hinzu(4), halte ich es für unerlässlich, die Erörterung einzugrenzen, bevor die Vorlagefragen geprüft werden.

21.      Der Gerichtshof war stets bestrebt, eine Zersplitterung des Anwendungsbereichs der Freizügigkeitsrechte und der Rechte der Arbeitnehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten zu vermeiden. Im Urteil Unger(5) hat er eine ausschließlich gemeinschaftsrechtliche Definition des Begriffs „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 39 EG aufgestellt und festgestellt, dass das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin besteht, „dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“(6). Später hat er bestätigt, dass diese Wendung weit auszulegen ist und Beschäftigungen unterschiedlicher Art umfasst(7).

22.      Im vorliegenden Fall haben Herr Vatsouras und Herr Koupatantze Beschäftigungen ausgeübt, die sich in diese Vorstellung der Rechtsprechung vom Arbeitsverhältnis einfügen. Allerdings gibt es zwei Gesichtspunkte, die diese Einstufung erschweren: zum einen die kurze Dauer und die geringfügige Entlohnung ihrer Beschäftigung und zum anderen deren Beendigung und ihre wirtschaftliche Untätigkeit. Beide Aspekte sind eingehend zu prüfen, um feststellen zu können, ob die Kläger Arbeitnehmer sind.

A –    Die kurze Dauer und die geringfügige Entlohnung der Beschäftigung

23.      Für Beschäftigungsverhältnisse, die geringfügig oder so unbedeutend sind, dass damit keine existenzsichernde Entlohnung verbunden ist, hat die Rechtsprechung einige Kriterien für die Anwendung von Art. 39 EG entwickelt. Nach dem Urteil Levin(8) ist die Höhe des Arbeitsentgelts kein wesentlicher Umstand, der die Qualifikation als Tätigkeit im Lohn‑ und Gehaltsverhältnis beeinflusst. Um zu ermitteln, ob ein Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich von Art. 39 EG fällt, muss festgestellt werden, ob „die Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten [vorliegt], wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen“(9). Es ging um eine britische Staatsbürgerin, die eine Aufenthaltsgenehmigung in den Niederlanden beantragte und ihre Eigenschaft als Teilzeitbeschäftigte anführte. Der Vorlageentscheidung ließ sich entnehmen, dass Frau Levin als Arbeitsentgelt ein Einkommen erzielte, das ihre Existenz nicht sicherte, was den Gerichtshof nicht daran gehindert hat, festzustellen, dass bei Vorliegen eines tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses die Grundfreiheiten einer Person nicht beschränkt werden dürfen, wobei es für das Gemeinschaftsrecht nicht auf den Grund der Arbeitsuche ankommt; entscheidend für Art. 39 EG ist der objektive Charakter der Tätigkeit, nicht der Betrag, den der Arbeitnehmer als Entgelt erhält.

24.      Obwohl das Urteil Levin dem vorlegenden Gericht die Entscheidung des konkreten Falls überlassen hat, belegt die nachfolgende Rechtsprechung, dass die „tatsächlichen und echten Tätigkeiten“ sehr vielfältig sind. Nur in Ausnahmefällen ist festgestellt worden, dass die Tätigkeit „völlig untergeordnet und unwesentlich“ war. In der Rechtssache Lawrie-Blum(10) ist erörtert worden, ob die Regelung des entgeltlichen Vorbereitungsdienstes an einer höheren Schule mit Teilzeitbeschäftigung und geringfügiger Entlohnung eine tatsächliche und echte Tätigkeit darstellt. Das Urteil bestätigt, dass Studenten im praktischen Vorbereitungsdienst dem Art. 39 EG unterliegende Arbeitnehmer sind, unabhängig davon, dass ihre Beschäftigung Teil einer Berufsvorbereitung ist(11). Ähnliches ist in der Rechtssache Kranemann(12) geschehen, in der die Stellung der Beamten auf Zeit behandelt worden ist, die den juristischen Vorbereitungsdienst ableisten. Das Urteil hat verneint, dass die diesen Personen gezahlte Vergütung nur eine Unterhaltsbeihilfe für sie ist, die die Anwendung von Art. 39 EG auf sie verhindert. Sodann hat es festgestellt, dass weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts haben(13).

25.      Ebenso wenig ist die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Einstufung als tatsächlich und echt maßgeblich. Im Urteil Levin ist bereits ausgeführt worden, dass Art. 39 EG bei Teilzeitbeschäftigungsverträgen nicht ausgeschlossen ist. Im Urteil Ninni-Orasche(14) ist ausgeführt worden, dass eine Beschäftigung, die zweieinhalb Monate lang ausgeübt wird, den Arbeitnehmer zum Gemeinschaftsarbeitnehmer macht. Das vorlegende Gericht hatte Zweifel an der Lauterkeit der Klägerin geäußert und sich auf eine Reihe von Umständen berufen, die für einen möglichen Missbrauch sprechen könnten, doch hat das Urteil diese Umstände als „nicht erheblich“ erachtet(15) und nur dem tatsächlichen und echten Charakter der Tätigkeit Gewicht beigemessen.

26.      Dagegen gibt es nicht viele Leitlinien für die Bestimmung des Begriffs „untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit“. Nur im Urteil Raulin(16) werden die Grenzen von Art. 39 EG beleuchtet, und es wird ausgeführt, dass die Unregelmäßigkeit und die begrenzte Dauer der im Rahmen eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit tatsächlich erbrachten Leistungen zu berücksichtigen ist(17). So kann der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet wurden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten untergeordnet und unwesentlich sind(18). Unbeschadet dessen betraf das Urteil Raulin einen Zeitarbeitsvertrag, der keine Garantie für die Zahl der Arbeitsstunden gab. Es handelte sich um einen atypischen Arbeitsvertrag, der Anwartschaften auf Beschäftigung begründete. Es erscheint normal, dass dann, wenn ein Vertrag dieser Art zu einer sehr geringen Beschäftigung geführt hat, das Erfordernis der „tatsächlichen und echten“ Tätigkeit nicht erfüllt ist.

27.      In der Rechtsprechung wird demnach eine Neigung erkennbar, den Begriff „Arbeitnehmer“ des Art. 39 EG weit auszulegen, so dass er ein breites Spektrum von Fällen als tatsächliche und echte Arbeitsverhältnisse erfasst. Es ist unbeachtlich, ob der Beschäftigte die Bestimmungen missbraucht hat, um seine Ziele zu erreichen, denn es werden nur die objektiven Umstände des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt und offensichtliche Auffangtatbestände ausgeschlossen, die nur schwer dem Begriff Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zuzuordnen sind(19).

28.      Somit sind Herr Vatsouras und Herr Koupatantze Arbeitnehmer, die eine „tatsächliche und echte“ Tätigkeit ausgeübt haben. Herr Vatsouras fand eine Arbeitsstelle, als er nach Deutschland einreiste(20), und behielt sie weniger als ein Jahr lang. Er erhielt Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von monatlich 169 Euro. Wenn dieser Betrag den Unterschied zwischen seinem Arbeitsentgelt und dem durchschnittlichen Existenzminimum in Deutschland abdeckt, so lässt sich daraus ableiten, dass der Lohn, den er erhielt, leicht unter dem den Grundbedarf deckenden Lohn lag. Das Urteil Lawrie‑Blum hat offengelassen, ob eine zeitlich begrenzte Beschäftigung mit einem den Grundbedarf nicht deckenden Entgelt eine tatsächliche und echte Tätigkeit darstellt. Legt man auch diese Entscheidung in Verbindung mit dem Urteil Ninni‑Orasche aus, in dem Art. 39 EG auf eine Tätigkeit von insgesamt zweieinhalb Monaten angewandt worden ist, so wird die vorgetragene Auffassung bestätigt. Ein Entgelt, das weit unter einem den Grundbedarf deckenden Entgelt liegt, lässt sich als unwesentliche Arbeit einstufen, doch wenn es leicht darunter liegt und zudem ein Jahr lang gezahlt wird, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Herr Vatsouras hat die Eigenschaft eines „Arbeitnehmers“, der vom Gemeinschaftsrecht geschützt wird.

29.      Ähnlich verhält es sich bei Herrn Koupatantze. Hier geht es nicht um den Umfang, sondern um die Dauer der Beschäftigung. Es sei wiederholt, dass das Urteil Ninni-Orasche ein Arbeitsverhältnis von zweieinhalb Monaten als ausreichend erachtet hat. Liegt eine tatsächliche Beschäftigung vor, auch wenn sie von kurzer Dauer oder schlecht bezahlt ist, hält es der Gerichtshof nicht für unangemessen, Art. 39 EG anzuwenden. Herr Koupatantze hat beinahe zwei Monate gearbeitet. Er wurde nicht aus eigenem Willen oder wegen Beendigung seines Vertrags arbeitslos, sondern wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Arbeitgebers. Zudem hat er niemals Sozialhilfe beantragt. Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Beschäftigungsverhältnis von Herrn Koupatantze offensichtlich untergeordnet gewesen wäre, ist er als durch Art. 39 EG geschützter Arbeitnehmer zu betrachten.

B –    Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und die zeitliche Anwendung von Art. 39 Abs. 3 Buchst. d EG

30.      Es bleibt noch zu klären, ob sich der Umstand, dass beide Kläger ihre Beschäftigung verloren haben, auf den von mir vertretenen Standpunkt auswirkt. Art. 39 Abs. 3 Buchst. d EG sieht die Möglichkeit vor, dass der Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat verbleibt, nachdem er eine Beschäftigung ausgeübt hat, macht diese Möglichkeit jedoch von der Erfüllung einiger unbestimmter Voraussetzungen abhängig(21). Somit haben Arbeitsuchende nicht die Rechtsstellung aufgrund von Art. 39 EG, und für sie gelten auch nicht die Bestimmungen des abgeleiteten Rechts; allerdings kommt ihnen die einschlägige Rechtsprechung zugute, die diejenigen, die eine Beschäftigung verloren haben, jedoch tatsächlich eine neue suchen, einer hybriden Regelung unterstellt(22).

31.      Im Urteil Collins(23) hat der Gerichtshof befunden, dass sich Personen, die eine Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat haben, in vollem Umfang auf Art. 39 EG berufen können. In dieser Rechtssache waren siebzehn Jahre vergangen, seitdem der Kläger, ein irischer Staatsangehöriger, im Vereinigten Königreich gearbeitet hatte, bis er später dort Sozialhilfe beantragte. Das Urteil hat, gestützt auf die vorhergehende Rechtsprechung, die These von der „Verbindung“ zwischen der Person, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch macht, und dem Aufnahmemitgliedstaat entwickelt(24), da eine Person, die Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat gewesen war, weiterhin in den Genuss von Art. 39 EG kommen soll, auch wenn sie formal kein Arbeitnehmer mehr ist.

32.      Nach alledem ist – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Aufklärung des Sachverhalts – offenkundig, dass Herr Vatsouras und Herr Koupatantze eine Tätigkeit ausgeübt haben, die ihnen die Eigenschaft von Arbeitnehmern im Sinne von Art. 39 EG verliehen hat. Ihre Leistungen waren weder unbedeutend noch untergeordnet; im Übrigen ist dargetan, dass sie unmittelbar, nachdem sie arbeitslos geworden waren, eine Beschäftigung gesucht haben, so dass die Verbindung automatisch entstanden ist und sie sich während der Zeit, während deren sie aktiv eine Beschäftigung suchen, gegenüber dem Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen können.

VI – Prüfung der Vorlagefragen anhand dieser Auslegung

33.      Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die Kläger der Ausgangsverfahren entsprechend der Ansicht des Rates und der Bundesrepublik Deutschland durch Art. 39 EG geschützte Arbeitnehmer sind.

34.      Die Beschlüsse des Sozialgerichts Nürnberg lassen die gegenteilige Ansicht erkennen, und in dieser Perspektive wird die Vorlagefrage nach der Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 gestellt(25). Diese Bestimmung findet nur Anwendung auf drei Gruppen, die nicht durch Art. 39 EG und das abgeleitete Recht geschützt werden: Personen, die ihr Freizügigkeitsrecht ausgeübt haben, während der ersten drei Monate des Aufenthalts, Arbeitsuchende und Studenten. Auf die zweite dieser Gruppen findet Art. 39 EG in Verbindung mit Art. 12 EG Anwendung, wodurch eine hybride Regelung entsprechend dem Urteil Collins geschaffen wird.

35.      Daher kommt in der vorliegenden Rechtssache eine Berufung auf Art. 24 Abs. 2 oder eine Prüfung seiner Gültigkeit nicht in Betracht.

36.      Die zweite Vorlagefrage betrifft jedoch die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 39 EG. Mit dieser Frage geht das Gericht davon aus, dass die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer anzuwenden sind. Obwohl Art. 12 EG unanwendbar ist, wenn es sich um einen Arbeitnehmer handelt, rege ich an, die zweite Vorlagefrage zu beantworten und dabei die Untersuchung auf die Vereinbarkeit des deutschen Rechts mit Art. 39 EG zu beschränken.

37.      Falls der Gerichtshof diesem Vorschlag nicht folgen und annehmen sollte, dass es sich bei den Klägern nicht um Arbeitnehmer handelt, werde ich vorsorglich, um keine unvollständige Antwort zu geben, die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 untersuchen.

VII – Die zweite Vorlagefrage

38.      Das Sozialgericht spricht mit seinen Erwägungen die Aufhebung einer Sozialhilfeleistung an, die mit der Überschreitung der Höchstaufenthaltsdauer in der Richtlinie 2004/38 begründet wird. Es hat mit anderen Worten Zweifel an der Zulässigkeit einer Maßnahme, die die Anwendung des Gemeinschaftsrechts an der Wurzel abschneidet, wenn eine Person, die von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, nicht mehr Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihr dieses Recht zustand. Im vorliegenden Fall besaßen Herr Vatsouras und Herr Koupatantze die Stellung von Arbeitnehmern; da sie im Sinne von Art. 39 EG jedoch arbeitslos wurden, entfielen ihre Rechte einschließlich des Sozialhilfeanspruchs.

39.      Um dieses Problem zu lösen, stützt sich die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen auf Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38, der die Situation der Kläger der Ausgangsverfahren klar erfasst. Liegt bei einem Arbeitnehmer, der sein Recht auf Freizügigkeit weniger als ein Jahr lang ausgeübt hat, unfreiwillige Arbeitslosigkeit vor, so gewährleistet ihm die Richtlinie 2004/38 seine Arbeitnehmerstellung und damit das Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, wenn er sich „dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung [stellt]“. Unter diesen Umständen behält der Arbeitnehmer die Rechte, die ihm das Gemeinschaftsrecht verleiht, für mindestens sechs Monate.

40.      Mit dieser Bestimmung wird die vollständige Anwendung von Art. 39 EG auf den vorliegenden Fall umgesetzt. Auch wenn bei den Klägern wegen ihrer Beschäftigung und ihres Aufenthalts von weniger als einem Jahr die Verbindung fehlt, die von der Rechtsprechung als Voraussetzung für volle Freizügigkeit verlangt wird, hat die Richtlinie 2004/38 dieses Erfordernis dadurch überwunden, dass sie die Freizügigkeit von verschiedenen Voraussetzungen abhängig macht, um Missbräuche zu vermeiden und die finanzielle Stabilität der öffentlichen Einrichtungen der Aufnahmemitgliedstaaten zu schützen(26).

41.      In den Entscheidungen des Sozialgerichts heißt es, dass sowohl Herr Vatsouras als auch Herr Koupatantze ihre Arbeitsplätze vor Ablauf eines Jahres unfreiwillig verloren hätten. Es steht nicht fest, ob sie sich dem Arbeitsamt zur Verfügung stellten, in diesem Fall würde jedoch Art. 7 der Richtlinie 2004/38 gelten. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, diesen Aspekt aufzuklären.

42.      Sind die dargestellten Voraussetzungen erfüllt, hat die deutsche Arbeitsverwaltung das Gemeinschaftsrecht dadurch verletzt, dass sie den Klägern die Sozialhilfe entzog, die sie bezogen hatten. Wenn der Grund der Aufhebung (der bei Herrn Koupatantze nicht im Vorlagebeschluss angegeben ist) im Verlust des Aufenthaltsrechts als Folge ihrer Arbeitslosigkeit besteht, hat der deutsche Staat die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 39 EG und gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68(27) verletzt. Da die Kläger Arbeitnehmer sind, müssen sie auch in Bezug auf die im Zusammenhang mit der Ausübung einer Beschäftigung verbundenen sozialen Maßnahmen so wie jeder andere deutsche Arbeitnehmer behandelt werden. Herr Vatsouras verlangt Sozialhilfe zur Deckung des Unterschieds zwischen seinem Arbeitsentgelt und dem Existenzminimum. Herr Koupatantze wiederum beantragt eine Arbeitslosenunterstützung nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses. Auch wenn es sich um unterschiedliche Leistungen handelt, stehen sie im Zusammenhang mit der Stellung als Arbeitnehmer, die beide einnehmen.

43.      Daher verstößt eine Regelung, die Arbeitnehmer der Union vom Zugang zu Sozialleistungen ausschließt, wenn sie arbeitslos sind und sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung gestellt haben, nachdem sie weniger als ein Jahr lang beschäftigt waren, gegen Art. 39 EG.

VIII – Die erste Vorlagefrage

44.      Sollte der Gerichtshof die in den Nrn. 23 bis 32 dieser Schlussanträge vertretene Ansicht nicht teilen, möchte ich die Vorlagefragen unter einem anderen Gesichtspunkt prüfen. Falls Herr Vatsouras und Herr Koupatantze keine „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 39 EG sein sollten, wäre die Frage nach der Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in jeder Hinsicht sinnvoll, da diese Bestimmung gegen die Auslegung von Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 39 EG durch die Rechtsprechung bei der Anwendung auf Arbeitsuchende nach Ausübung der Freizügigkeit verstieße.

45.      Die Zweifel des Sozialgerichts nähern sich dem Kern der Richtlinie 2004/38. Wie ich ausgeführt habe, gilt Art. 24 Abs. 2 für zwei verschiedene Tatbestände. Zum einen geht es um Personen, die Studienbeihilfen in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens beantragen, d. h. Studenten, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen. Zum anderen geht es um Personen, die sich drei Monate lang oder während der Zeit in einem Mitgliedstaat aufhalten, die sie benötigen, um Arbeit zu suchen. Die Erstgenannten haben nur dann Anspruch auf Beihilfen dieser Art, wenn sie das Recht auf Daueraufenthalt erwerben, das die Richtlinie 2004/38 nach Ablauf von fünf Jahren gewährt. Den Letztgenannten wird „eine Sozialhilfe“ gewährt, wenn sie eine Arbeitsstelle finden.

46.      Das Urteil Förster(28) hat die durch die Richtlinie 2004/38 eingeführte Beschränkung für Studenten für mit den Art. 12 EG und 18 EG vereinbar erklärt, ohne zur Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 Stellung zu nehmen, auch wenn die niederländische Regelung die Gemeinschaftsbestimmung durchgeführt hatte. Somit hat der Gerichtshof mittelbar über die Zulässigkeit der Beschränkung für Studenten entschieden, doch bleibt noch zu klären, ob die Richtlinie 2004/38 insoweit mit dem EG‑Vertrag übereinstimmt, als sie die Stellung der Personen regelt, die Arbeit suchen, ohne Sozialhilfe zu beziehen.

47.      Alle Mitgliedstaaten und Organe, die in diesem Vorabentscheidungsverfahren schriftliche Erklärungen abgegeben haben, haben sich für die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausgesprochen und sich dabei auf im Kern übereinstimmende Argumente gestützt. Unter den vorgetragenen Gründen gibt es einen, der meines Erachtens den Ursprung des Urteils Collins und dessen Niederschlag auf die Richtlinie 2004/38 anführt.

A –    Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und seine Einfügung in die Rechtsprechung des Gerichtshofs

48.      Herr Collins beantragte eine Beihilfe für Arbeitsuchende (jobseeker’s allowance) im Vereinigten Königreich. Mit einem Reisepass der Vereinigten Staaten arbeitete er eine Zeit lang in Großbritannien und erwarb die irische Staatsangehörigkeit. Siebzehn Jahre lang wohnte er in den Vereinigten Staaten und in Südafrika und kehrte sodann zur Arbeitsuche in das Vereinigte Königreich zurück, wo er die streitige Beihilfe beantragte.

49.      In den Schlussanträgen in der erwähnten Rechtssache vertrete ich eine enge Auslegung der Rechtsprechung zur Unionsbürgerschaft, um das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 39 EG mit den Gefahren des sogenannten „Sozialtourismus“ abzustimmen(29). Zu diesem Zweck schlage ich vor, die Klage von Herrn Collins wegen seiner schwachen Verbindung zu dem Mitgliedstaat abzuweisen, in dem er die Beihilfe beantragt hat(30). Allerdings akzeptiere ich den Schutz derjenigen, die eine Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachweisen, und das Urteil ist dem gefolgt, nachdem es in Randnr. 72 den Einfluss eines Wohnorterfordernisses auf den Nachweis einer Verbindung geprüft und hinzugefügt hat, dass die Dauer dieses Aufenthalts „nicht über das hinausgehen [darf], was erforderlich ist, damit die nationalen Behörden sich vergewissern können, dass die betreffende Person tatsächlich auf der Suche nach einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats ist“. Zusammengefasst ist es Sache des Aufnahmemitgliedstaats, die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsdauer darzutun, um die Vereinbarung der nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht zu wahren(31).

50.      Anders als bei Studenten, für die Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine Mindestaufenthaltsfrist von fünf Jahren vorschreibt, besteht bei Arbeitsuchenden größere Unklarheit. Für die Bestimmung einer Frist, die bindend sein soll, verweist die Bestimmung auf Art. 14 Abs. 4 Buchst. b, wonach die Mitgliedstaaten Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausweisen dürfen, wenn sie „in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen“. In diesem Fall ist keine Beschränkung zulässig, wenn die Betroffenen nachweisen können, „dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden“.

51.      Im Licht dieses Regelungsrahmens sieht das vorlegende Gericht zwei mögliche Auslegungen der angefochtenen Bestimmung.

52.      Erstens sei vorstellbar, dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine unbefristete Beschränkung zulasse, solange der Bürger Arbeit suche. Wenn Art. 14 die Ausweisung verbiete, solange eine Beschäftigung angestrebt werde, so weiche diese Frist in Verbindung mit dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 vom Urteil Collins ab, denn es werde ein Verbot des Zugangs zur Sozialhilfe unabhängig von der Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat vorgeschrieben.

53.      Zweitens lasse sich anführen, dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sich stillschweigend auf die Frist beziehe, die unerlässlich sei, um ein Daueraufenthaltsrecht zu erlangen, wie dies bei Studenten der Fall sei. So habe nach Ablauf von fünf Jahren seit der Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats Zugang zu den streitigen Beihilfen, wer nach wie vor Arbeit suche.

54.      Keine dieser beiden Auslegungen erscheint überzeugend. Die erste, weil sie eindeutig im Widerspruch zum Urteil Collins steht(32), denn eine für unbestimmte Zeit verlängerte Frist bietet weder Rechtssicherheit, noch entspricht sie der Zielsetzung der Richtlinie 2004/38, mit der ein Bereich der Rechtsordnung stabilisiert werden sollte, der einen engen Bezug zu den Grundrechten des Unionsbürgers hat. Die zweite, weil es nicht sinnvoll wäre, wenn die Richtlinie zwischen Studenten und Arbeitsuchenden unterscheiden würde, um für sie sodann die gleichen Rechtsfolgen vorzusehen; gäbe es einen solchen Unterschied in der Stellung beider Gruppen, wäre die Annahme überflüssig, dass die Regelung beiden Gruppen gleiche Wirkungen gewährte; diese Auslegung würde nicht mit dem Willen des Richtliniengebers im Einklang stehen und einer systematischen Betrachtung der Bestimmung nicht standhalten.

55.      Im Gegenteil, die Richtlinie 2004/38 schweigt dazu, eben weil sie davon ausgeht, dass es für Arbeitsuchende eine Sonderregelung gibt, die nach mehr als dreimonatigem Aufenthalt nicht die fünf Jahre Aufenthalt verlangt, die die Studenten nachweisen müssen, und die sie, solange sie Arbeit suchen, nicht in einen verwaltungsrechtlich ungewissen Zustand versetzt. Ich stimme mit dem Rat darin überein, dass die angefochtene Bestimmung kein starres Kriterium für die Feststellung der vom Urteil Collins verlangten Verbindung liefert. In dem Bewusstsein, dass ein Arbeitsuchender sich auf halbem Weg zwischen wirtschaftlicher Betätigung und Beschäftigungslosigkeit befindet, überlässt es die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern, ein entsprechendes Gleichgewicht herzustellen(33). Gegebenenfalls muss der Gerichtshof entscheiden, ob die nationalen Lösungen die Verträge und die Richtlinie 2004/38 beachten, was nicht nur die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie bestätigt, sondern es wiederum ermöglicht, dessen Bestimmungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verstehen.

56.      Dieser Lösung steht nicht entgegen, dass, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, die in Rede stehenden Beihilfen eigens auf die Eingliederung des Empfängers in den Arbeitsmarkt gerichtet sind. Es genügt, dass die Beihilfe den Zugang zum Arbeitsleben erleichtert, solange der Antragsteller im Sinne des Urteils Collins eine Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachweist(34). Tatsächlich hat der Bevollmächtigte des Vereinigten Königreichs in der Sitzung anerkannt, dass sich die betreffenden Beihilfen nach eingehenderer Prüfung als Instrumente zur Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt einstufen lassen.

57.      Somit ist der Zweck der Beihilfe nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand der formalen Struktur der Leistung zu untersuchen. Andernfalls ließe sich das Urteil Collins leicht umgehen, da es ausreichen würde, aus der Regelung für die Leistung jeden Bezug auf das Ziel der Leistung – Hilfe zur Wiedereingliederung – zu entfernen und sie damit den Gemeinschaftsbürgern zu versagen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen, um sich eine Beschäftigung zu verschaffen. Diese Problematik veranlasst mich trotz des Vorbringens der Kommission zu der Ansicht, dass es Maßnahmen der „Sozialhilfe“ der in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 angesprochenen Art geben kann, die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern. Unter solchen Umständen verlangt das Urteil Collins, Art. 39 EG anzuwenden und den Arbeitsuchenden im Gebiet der Union sozialen Schutz zu gewähren.

58.      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Aufgaben der ARGE auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gerichtet sind, da sie zur Errichtung der Zwecke des Sozialgesetzbuchs II (SGB II) eingerichtet worden ist; der vollständige Name der Einrichtung (Arbeitsgemeinschaft zur Arbeitsmarktintegration) spiegelt die Integrationsaufgaben wider, die sie erfüllt(35).

59.      Es obliegt letztlich dem vorlegenden Gericht, zu beurteilen, ob die beantragte Sozialhilfe diesen Zweck erfüllt.

B –    Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und seine Anwendung auf den konkreten Fall

60.      Wenn der Gerichtshof die hier zum Ausdruck gebrachte Auffassung teilen sollte, müsste die Antwort an das Sozialgericht nicht so sehr auf die Bestimmung gestützt werden, die hier erörtert wird, sondern auf die Rechtsprechung. Wenn das nationale Recht Anforderungen für den Nachweis einer Verbindung zwischen dem Aufnahmemitgliedstaat und dem Arbeitsuchenden aufstellen kann, so muss das vorlegende Gericht beurteilen, ob diese Anforderungen den in Randnr. 72 des Urteils Collins dargestellten Kriterien genügen.

61.      Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland Leistungen an Personen verbietet, die nach Deutschland einreisen, um dort Arbeit zu suchen(36). Die nationale Regelung übernimmt die restriktive Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie, die ich vorstehend beanstandet habe. Die nationalen Bestimmungen erlauben es nicht, zu berücksichtigen, ob Herr Vatsouras und Herr Koupatantze eine Verbindung mit Deutschland geltend machen können, so dass nur die Unvereinbarkeit des Bundesrechts mit dem EG-Vertrag in der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Collins festgestellt werden kann.

62.      In diesem Zusammenhang halte ich es für wichtig, einen Unterschied zwischen der vorliegenden Rechtssache und dem Fall von Herrn Collins hervorzuheben: Letzterer war ein Bürger, der sich siebzehn Jahre außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten und seine Verbindung mit diesem Staat verloren hatte, während die Kläger der Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg nach Deutschland reisten, wo sie schnell eine Beschäftigung fanden. Unbeschadet dessen könnte der Gerichtshof feststellen, dass die ausgeführte Tätigkeit „untergeordnet und unwesentlich“ war, doch belegt eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, so geringfügig sie sein mag, die Fähigkeit derjenigen, die sie ausüben, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Hinzu kommt, dass Herr Vatsouras seine Beschäftigung weniger als ein Jahr lang ausübte, so dass seine Einreise in die Bundesrepublik nicht als Sozialtourismus eingestuft werden kann. Was Herrn Koupatantze angeht, so steht zwar weder seine Beschäftigung noch sein Arbeitsentgelt fest, doch deutet nichts darauf hin, dass seine Beschäftigung fiktiv war, denn sie wurde aus von seinem Willen unabhängigen Gründen beendet. Außerdem nahmen beide nach Aufhebung der Beihilfen wieder eine Beschäftigung auf, was einen Anhaltspunkt dafür darstellt, dass beide tatsächlich und in wirksamer Weise während eines angemessenen Zeitraums eine Arbeit suchten.

63.      Diese Umstände beweisen, dass für die Kläger die besten Voraussetzungen bestanden, einen Arbeitsplatz zu erhalten, da sie zuvor einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen waren. Für Personen, die in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden möchten, besteht die beste Empfehlung darin, dass sie in der Vergangenheit einer Tätigkeit nachgegangen sind, die eine wirtschaftliche Komponente aufweist. Wenn ein Austausch von Leistungen stattgefunden hat, so rechtfertigt dies, so geringfügig dieser Austausch gewesen sein mag, erst recht die Anwendung des EG-Vertrags. Daher können in Fällen wie denen von Herrn Vatsouras und Herrn Koupatantze, in denen in den ersten Monaten nach der Einreise in das deutsche Hoheitsgebiet eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt worden ist, diese kaum als gewöhnliche „Arbeitsuchende“ betrachtet werden, wenn sie später arbeitslos geworden sind.

64.      Die vorstehenden Ausführungen veranlassen mich zu der Ansicht, dass ein Arbeitsuchender eine Verbindung im Sinne des Urteils Collins aufweist, wenn er zuvor eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, die die Wahrscheinlichkeit für ihn erhöht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Es obliegt dem nationalen Gericht, aufzuklären, ob die Kläger der vorliegenden Ausgangsverfahren eine Verbindung dieser Art begründet haben.

IX – Die restlichen Vorlagefragen

65.      Wenn der Gerichtshof die Ansicht nicht teilen sollte, dass Herr Vatsouras und Herr Koupatantze Arbeitnehmer sind, würde die von mir vorgeschlagene Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sowohl die erste als auch die zweite Frage des Sozialgerichts beantworten.

66.      In Bezug auf die dritte Frage bietet das Gemeinschaftsrecht keine Kriterien für die Entscheidung über die unterschiedliche Behandlung von Gemeinschaftsbürgern und Drittstaatsangehörigen, die dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats unterliegen. Art. 12 EG soll die Diskriminierung zwischen Gemeinschaftsbürgern und Staatsbürgern des Aufnahmemitgliedstaats beseitigen, er bietet jedoch keine Anhaltspunkte für die Beseitigung der unterschiedlichen Behandlung, die das vorlegende Gericht beanstandet. Daher ist die dritte Frage nicht zu behandeln.

X –    Ergebnis

67.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorabentscheidungsersuchen des Sozialgerichts Nürnberg wie folgt zu antworten:

1.      Art. 39 EG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, steht einer nationalen Regelung entgegen, die Unionsbürger vom Sozialhilfebezug ausschließt, wenn sie arbeitslos sind und ordnungsgemäß beim zuständigen Arbeitsamt eingeschrieben sind, nachdem sie weniger als ein Jahr gearbeitet haben.

2.      Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 berühren könnte.

3.      Es besteht eine Verbindung zwischen einem Arbeitsuchenden und dem Aufnahmemitgliedstaat, wenn der Arbeitsuchende dort zuvor eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Es obliegt dem nationalen Gericht, festzustellen, ob die Kläger der Ausgangsverfahren eine Verbindung dieser Art begründet haben.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 158, S. 77).


3 – Urteil vom 23. März 2004, Collins (C-138/02, Slg. 2004, I-2703).


4 – Auch wenn das Sozialgericht Nürnberg verschiedentlich den vorübergehenden Charakter der Beschäftigung und die geringfügige Entlohnung erwähnt, führt es in seiner zweiten Frage Art. 39 EG unter klarem Verweis auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer an.


5 – Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 1964, Unger (75/63, Slg. 1964, 177).


6 – Urteile vom 3. Juli 1986, Lawrie-Blum (66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17), vom 26. Februar 1992, Bernini (C-3/90, Slg. 1992, I‑1071, Randnr. 14), und vom 7. September 2004, Trojani (C-456/02, Slg. 2004, I-7573, Randnr. 15).


7 – Barnard, C., EC Employment Law, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2006, S. 172 f.


8 – Urteil vom 23. März 1982, Levin (53/81, Slg. 1982, 1035).


9 – Ebd., Randnr. 17.


10 – Urteil Lawrie-Blum (oben in Fn. 5 angeführt).


11 – Ebd., Randnr. 19.


12 – Urteil vom 17. März 2005, Kranemann (C-109/04, Slg. 2005, I-2421).


13 – Ebd., Randnr. 17.


14 – Urteil vom 6. November 2003, Ninni-Orasche (C-413/01, Slg. 2003, I‑13187).


15 – In Randnr. 31 des Urteils kommt dieser Gedanke sehr klar zum Ausdruck: „Was schließlich die Argumentation betrifft, wonach das vorlegende Gericht aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu überprüfen habe, ob die Beschwerdeführerin missbräuchlich versucht habe, eine Lage zu schaffen, in der sie sich auf die Arbeitnehmerstellung im Sinne von Artikel 48 EG-Vertrag berufen könne, um damit verbundene Vorteile zu erlangen, so genügt der Hinweis, dass der eventuelle Missbrauch von Rechten, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährt, voraussetzt, dass der Betreffende vom persönlichen Anwendungsbereich des Vertrags erfasst wird, weil er die Voraussetzungen erfüllt, um als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift eingestuft zu werden. Daraus folgt, dass das Problem eines Rechtsmissbrauchs keinen Einfluss auf die Beantwortung der ersten Frage haben kann.“


16 – Urteil vom 26. Februar 1992, Raulin (C-357/89, Slg. 1992, I-1027).


17 – Ebd., Randnr. 14.


18 – Ebd.


19 – In ähnlicher Weise hat die Rechtsprechung bei der Auslegung des Assoziationsabkommens EWG–Türkei in Urteilen entschieden, in denen die gleiche These auf türkische Arbeitnehmer übertragen worden ist, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen. Diese weite Auslegung von Art. 39 EG findet ihren Niederschlag in den Urteilen vom 26. November 1998, Birden (C-1/97, Slg. 1998, I-7747, Randnr. 25), vom 19. November 2002 (Kurz, C-188/00, Slg. 2002, I‑10691, Randnrn. 33 und 34), und vom 24. Januar 2008, Payir u. a. (C-294/06, Slg. 2008, I‑203, Randnr. 31).


20 – Der genaue Zeitpunkt der Aufnahme seines Arbeitsverhältnisses ist nicht angegeben, da er jedoch seit dem 10. Juli 2006 Sozialhilfe bezog, spricht dies dafür, dass er kurz nach seiner Ankunft in Deutschland zu arbeiten begann.


21 – Die angeführte Bestimmung unterwirft das Recht des Verbleibs im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach Beendigung einer Beschäftigung „aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit und Gesundheit rechtfertigenden Beschränkungen“ sowie den erwähnten Bedingungen, „welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt“.


22 – Urteile vom 26. Februar 1991, Antonissen (C-292/89, Slg. 1991, I-745), vom 26. Mai 1993, Tsiotras (C-171/91, Slg. 1993, I-2925, Randnr. 8), vom 20. Februar 1997, Kommission/Belgien (C-344/95, Slg. 1997, I-1035, Randnr. 15), und Collins, Randnr. 26.


23 – Angeführt in der vorstehenden Fußnote.


24 – Ebd., Randnrn. 27 bis 32.


25 – In Abschnitt III des Vorlagebeschlusses in der Rechtssache C‑22/08 führt das Sozialgericht aus, dass „die kurze und nicht existenzsichernde geringfügige Beschäftigung des Klägers keine aufenthaltsrechtliche Nachwirkung hatte, so dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ... auf ihn anzuwenden ist“. Diese Bestimmung erstreckt sich jedoch nicht auf die durch Art. 39 EG geschützten Arbeitnehmer, wenn diese eine Beschäftigung suchen. Zweifellos stützt sich das vorlegende Gericht nicht auf den Umstand, dass die Kläger wieder Arbeit suchen, sondern auf die kurze Dauer und das Entgelt des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses.


26 – Im Vorschlag der Richtlinie 2004/38 rechtfertigt die Kommission Art. 7 wie folgt: „In diesem Absatz werden die Voraussetzungen festgeschrieben, an die die Ausübung des Aufenthaltsrecht geknüpft ist. Die Ausübung dieses Rechts muss zwar erleichtert werden, da aber die Sozialhilfeleistungen zurzeit nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt und meistens nicht exportierbar sind, kann eine uneingeschränkte Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Sozialleistungen nicht gewährleistet werden, weil man dann Gefahr liefe, dass bestimmte Gruppen von Personen, die Aufenthaltsrecht genießen, insbesondere die Nichterwerbstätigen, dem Aufnahmemitgliedstaat in unangemessener Weise zur Last fallen.“


27 – Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2).


28 – Urteil vom 18. November 2008, Förster (C-158/07, Slg. 2008, I-0000).


29 – Nrn. 64 und 65 der Schlussanträge.


30 – Nr. 75.


31 – Im gleichen Sinne Urteile vom 7. September 2004, Trojani (C-456/02, Slg. 2004, I‑7573, Randnrn. 42 bis 45), und vom 15. September 2005, Ioannidis (C-258/04, Slg. 2005, I-8275, Randnr. 29). Zu beiden Entscheidungen und zum Erfordernis einer Verbindung, Muir, E., „Statut et droits du demandeur d’emploi-travailleur-citoyen: confusion ou rationalisation?“, Revue du Droit de l’Union Européenne, 2, 2004, S. 270 bis 272, und O’Leary, S., „Developing an Ever Closer Union between the Peoples of Europe? A Reappraisal of the Case Law of the Court of Justice on the Free Movement of Persons and EU Citizenship“, Yearbook of European Law, 2008, S. 185 f.


32 – Es könnte angenommen werden, dass die Richtlinie das Urteil Collins nicht berücksichtigt, weil die Regelung wenige Tage nach der am 23. März 2004 erfolgten Verkündung des Urteils am 29. April 2004 verabschiedet wurde. Die Schlussanträge habe ich jedoch am 10. Juli 2003 vorgetragen, als über den Richtlinienvorschlag verhandelt wurde. Ich bezweifle, dass den Organen beim Erlass des Textes die Folgen des Urteils des Gerichtshofs unbekannt waren.


33 – Golynker, O., „Jobseeker’ rights in the European Union: challenges of changing the paradigm of social solidarity“, European Law Review, 30, 2005, S. 118 bis 120, Barnard, C., The Substantive Law of the EU, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2007, S. 301, und Spaventa, E., Free Movement of Persons in the European Union, Verlag Kluwer, Den Haag, 2007, S. 5.


34 – Urteil Collins, Randnr. 68.


35 – Arbeitsgemeinschaft zur Arbeitsmarktintegration Nürnberg (http://www.nuernberg.de/schluessel/aemter_info/ref5/sha/arge.html).


36 – § 7 Abs. 1 SGB II und § 23 Abs. 3 SGB XII.