Language of document : ECLI:EU:T:2009:70

Rechtssache T-171/06

Laytoncrest Ltd

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke TRENTON – Ältere Gemeinschaftswortmarke LENTON – Anspruch auf rechtliches Gehör – Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 und Regel 54 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Fehlende Zurücknahme der Anmeldung – Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 – Verpflichtung zur Entscheidung anhand der vorliegenden Beweismittel – Regeln 20 Abs. 3 und 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Entscheidungen des Amtes – Wahrung der Verteidigungsrechte

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 73; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1, Regel 54)

2.      Gemeinschaftsmarke – Eintragungsverfahren – Zurücknahme, Einschränkung und Änderung der Anmeldung – Allein dem Anmelder zustehende Befugnis

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 44 Abs. 1)

3.      Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nichteinlassung des Anmelders im Rahmen des Widerspruchs- und des Beschwerdeverfahrens vor dem Amt

(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1, Regeln 20 Abs. 3 und 50 Abs. 1)

1.      Nach Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sind die Entscheidungen des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) mit Gründen zu versehen und dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Nach Regel 54 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 teilt das Amt, wenn es feststellt, dass ein Rechtsverlust aufgrund einer dieser Verordnungen eingetreten ist, ohne dass eine Entscheidung ergangen ist, dies dem Betroffenen mit und macht ihn darauf aufmerksam, dass er innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Mitteilung eine diesbezügliche Entscheidung des Amtes beantragen kann.

Selbst wenn man annähme, dass die Beschwerdekammer die Untätigkeit des Anmelders einer Gemeinschaftsmarke im Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Amt als geeigneten Beweis dafür ansehen dürfte, dass er jedes Interesse an der Eintragung der Marke verloren und daher seine Anmeldung stillschweigend zurückgenommen hat, verstößt eine Entscheidung der Beschwerdekammer, in der davon ausgegangen wird, dass der Anmelder seine Anmeldung durch seine Untätigkeit im Verfahren stillschweigend zurückgenommen habe, jedenfalls gegen Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94 und Regel 54 der Verordnung Nr. 2868/95 und ist deshalb aufzuheben, wenn die betreffende Kammer dem Anmelder zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von ihrer Absicht gab, eine solche Entscheidung zu erlassen.

(vgl. Randnrn. 33-35)

2.      Nach Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 kann „[d]er Anmelder … seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken“.

Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass die Befugnis, das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einzuschränken, nur dem Anmelder einer Gemeinschaftsmarke zukommt, der jederzeit einen entsprechenden Antrag an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) richten kann. Dabei ist die Zurücknahme oder Einschränkung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung oder die Einschränkung des darin enthaltenen Waren‑ und Dienstleistungsverzeichnisses ausdrücklich und unbedingt zu erklären.

Die Bestimmung bezieht sich nur auf den Anmelder einer Gemeinschaftsmarke und nicht auf die Beschwerdekammer des Amtes. Diese kann sich daher nicht auf die Bestimmung berufen, um, sich an die Stelle des Anmelders setzend, aus seinem Verhalten im Verfahren einen stillschweigenden Verzicht auf seine Anmeldung abzuleiten.

Folglich kann die Bestimmung nicht angeführt werden, um allein aus der Tatsache, dass der Anmelder einer Gemeinschaftsmarke sich im Rahmen des Widerspruchs- und des Beschwerdeverfahrens vor dem Amt nicht eingelassen hat, auf die stillschweigende Zurücknahme seiner Anmeldung zu schließen.

(vgl. Randnrn. 41-42, 44, 46)

3.      Regel 20 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, die die Prüfung des Widerspruchs betrifft, bestimmt: „Gibt der Anmelder keine Stellungnahme ab, so entscheidet das [HABM] anhand der vorliegenden Beweismittel über den Widerspruch.“ Nach Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 sind „[d]ie Vorschriften für das Verfahren vor der Dienststelle, die die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung erlassen hat, … im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar, soweit nichts anderes vorgesehen ist“.

Mangels gegenteiliger Vorschriften ist die Beschwerdekammer somit verpflichtet, Regel 20 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 anzuwenden, und daher kann die Untätigkeit des Anmelders im Widerspruchs‑ und Beschwerdeverfahren von der Beschwerdekammer nicht als eine stillschweigende Zurücknahme der Anmeldung durch den Anmelder angesehen werden.

(vgl. Randnrn. 54-55)