Language of document : ECLI:EU:C:2024:488

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

11. Juni 2024(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Art. 266 und 340 AEUV – Urteil, mit dem eine von der Europäischen Kommission verhängte Geldbuße herabgesetzt wird – Erstattung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags durch die Kommission – Pflicht zur Zahlung von Zinsen – Einstufung – Pauschale Entschädigung für die Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos gezahlten Betrags der Geldbuße – Anwendbarer Zinssatz“

In der Rechtssache C‑221/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. März 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Calleja Crespo, N. Khan, B. Martenczuk, P. Rossi und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. von Köckritz, P. Lohs und U. Soltész,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt


DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan, F. Biltgen, N. Piçarra und Z. Csehi (Berichterstatter) sowie des Richters P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi, der Richter N. Jääskinen und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele und der Richter J. Passer und D. Gratsias,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2023,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. November 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Januar 2022, Deutsche Telekom/Kommission (T‑610/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:15), mit dem das Gericht die Kommission dazu verurteilt hat, der Deutschen Telekom AG zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,83 Euro zu zahlen, den Beschluss der Kommission vom 28. Juni 2019, mit dem sie sich weigerte, der Deutschen Telekom Verzugszinsen zu zahlen (im Folgenden: streitiger Beschluss), für nichtig erklärt und die Klage der Deutschen Telekom im Übrigen abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Haushaltsordnung von 2012

2        Art. 78 („Feststellung von Forderungen“) der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung von 2012) bestimmte in Abs. 4:

„Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 210 zur Festlegung detaillierter Vorschriften über die Feststellung von Forderungen, einschließlich der Verfahren und Belege sowie Verzugszinsen, zu erlassen.“

 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012

3        Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. 2012, L 362, S. 1) wurde von der Kommission u. a. auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 4 der Haushaltsordnung von 2012 erlassen.

4        In Art. 83 („Verzugszinsen“) der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 hieß es:

„(1)      Unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die aus der Anwendung sektorspezifischer Regelungen resultieren, sind für jede bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichene Schuld Zinsen gemäß den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels zu zahlen.

(2)      Auf die bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichenen Schulden wird der von der Europäischen Zentralbank [(EZB)] für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegte und am ersten Kalendertag des Fälligkeitsmonats geltende Zinssatz angewandt, der im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C [(im Folgenden: Refinanzierungszinssatz der EZB)], veröffentlicht wird, zuzüglich

a)      acht Prozentpunkte, wenn es sich bei dem die Forderung begründenden Tatbestand um einen öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungsauftrag gemäß Titel V handelt;

b)      dreieinhalb Prozentpunkte in allen übrigen Fällen.

(3)      Der Zinsbetrag wird berechnet ab dem Kalendertag nach dem Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten und in der Zahlungsaufforderung festgesetzten Frist bis zu dem Kalendertag, an dem der geschuldete Betrag vollständig gezahlt wurde.

Die Einziehungsanordnung für den Betrag der Verzugszinsen wird zum Zeitpunkt des Erhalts der Zinsen ausgestellt.

(4)      Hinterlegt im Fall einer Geldbuße der Schuldner eine Sicherheit, die der Rechnungsführer anstelle einer Zahlung akzeptiert, wird ab dem Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist der in Absatz 2 dieses Artikels genannte Zinssatz in seiner am ersten Tag des Monats, in dem der Beschluss, mit dem die Geldbuße verhängt wurde, geltenden Fassung, zuzüglich anderthalb Prozentpunkte, angewandt.“

5        Art. 90 („Einziehung von Geldbußen oder Vertragsstrafen“) dieser Verordnung bestimmte:

„(1)      Wird vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen einen Beschluss erhoben, mit dem die Kommission nach Maßgabe des [AEU-Vertrags] oder des EAG-Vertrags eine Geldbuße oder Vertragsstrafe verhängt, nimmt der Schuldner bis zur Ausschöpfung des Rechtswegs entweder die vorläufige Zahlung der betreffenden Beträge auf das vom Rechnungsführer benannte Konto vor oder leistet mit Einverständnis des Rechnungsführers eine finanzielle Sicherheit. Die Sicherheit ist unabhängig von der Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße, der Vertragsstrafe oder anderer Sanktionen auf erste Anforderung vollstreckbar. Sie deckt die noch nicht eingezogene Schuld einschließlich der Zinsen gemäß Artikel 83 Absatz 4.

(2)      Die Kommission sichert die vorläufig eingenommenen Beträge durch Investitionen in Finanzanlagen ab und gewährleistet auf diese Weise die Absicherung und Liquidität des Geldes, mit dem gleichzeitig Erträge erwirtschaftet werden.

(4)      Nach Ausschöpfung des Rechtswegs und der Aufhebung oder Verringerung der Geldbuße oder Vertragsstrafe werden

a)      entweder die unrechtmäßigen Beträge, einschließlich der aufgelaufenen Zinsen, dem betreffenden Dritten zurückgezahlt, wobei, falls der Ertrag über den betreffenden Zeitraum insgesamt negativ war, die unrechtmäßigen Beträge netto zurückgezahlt werden;

b)      oder die gegebenenfalls geleisteten finanziellen Sicherheiten freigegeben.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

6        Am 15. Oktober 2014 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 7465 final in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 – Slovak Telekom), berichtigt durch ihren Beschluss C(2014) 10119 final vom 16. Dezember 2014 sowie durch ihren Beschluss C(2015) 2484 final vom 17. April 2015.

7        Mit diesem Beschluss verhängte die Kommission gegen die Deutsche Telekom eine Geldbuße in Höhe von 31 070 000 Euro wegen eines gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens verstoßenden Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste.

8        Die Deutsche Telekom erhob gegen diesen Beschluss eine Nichtigkeitsklage, zahlte aber am 16. Januar 2015 die Geldbuße vorläufig. Mit seinem Urteil vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑827/14, im Folgenden: Urteil Deutsche Telekom von 2018, EU:T:2018:930), gab das Gericht der Klage der Deutschen Telekom teilweise statt und setzte die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung um 12 039 019 Euro herab. Am 19. Februar 2019 erstattete die Kommission der Deutschen Telekom diesen Betrag.

9        Am 12. März 2019 forderte die Deutsche Telekom die Kommission auf, ihr auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag Verzugszinsen für den Zeitraum vom Tag der Zahlung der Geldbuße bis zum Tag der Erstattung dieses Betrags (im Folgenden: fraglicher Zeitraum) zu zahlen.

10      Mit dem streitigen Beschluss lehnte die Kommission dies ab. Sie machte geltend, dass nach Art. 90 Abs. 4 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 auf den rechtsgrundlos erhaltenen Nominalbetrag der Geldbuße keine Verzugszinsen zu zahlen seien, da der Ertrag aus der Investition dieses Betrags in Finanzanlagen, die sie gemäß Abs. 2 dieses Art. 90 vorgenommen habe, insgesamt negativ gewesen sei.

11      In diesem Beschluss prüfte die Kommission auch das Argument der Deutschen Telekom, dass sie gemäß dem Urteil des Gerichts vom 12. Februar 2019, Printeos/Kommission (T‑201/17, EU:T:2019:81), Verzugszinsen in Höhe des Refinanzierungszinssatzes der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten verlangen könne. Auf dieses Argument entgegnete die Kommission, dass jenes Urteil für die Zahlung der von der Deutschen Telekom verlangten Verzugszinsen keine Rechtsgrundlage biete. Auch sei dieses Urteil unbeschadet der Anwendung von Art. 90 Abs. 4 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 zu verstehen. Im Übrigen habe sie dagegen ein Rechtsmittel eingelegt, so dass es nicht rechtskräftig sei.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

12      Mit Klageschrift, die am 9. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Deutsche Telekom beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses sowie auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung einer Entschädigung für den entgangenen Gewinn infolge der Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags der Geldbuße im fraglichen Zeitraum oder, hilfsweise, auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Weigerung der Kommission, Verzugszinsen auf diesen Betrag zu zahlen, entstanden sei.

13      Das Gericht gab dieser Klage teilweise statt.

14      Als Erstes wies das Gericht den Antrag der Deutschen Telekom zurück, sie im Rahmen der außervertraglichen Haftung der Europäischen Union für den entgangenen Gewinn zu entschädigen, der ihr durch die Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags der Geldbuße im fraglichen Zeitraum entstanden sei und der jährlichen Rendite ihres eingesetzten Kapitals oder ihren gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten entspreche.

15      Die Deutsche Telekom hatte nach Ansicht des Gerichts nämlich keine schlüssigen Beweise für den tatsächlichen und sicheren Eintritt des geltend gemachten Schadens vorgelegt. Insbesondere habe sie weder nachgewiesen, dass sie den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße zwangsläufig in ihre Tätigkeiten investiert hätte, noch, dass die Vorenthaltung der Nutzung dieses Betrags sie dazu veranlasst habe, auf bestimmte konkrete Projekte zu verzichten, noch, dass sie über keine alternative Finanzierungsquelle verfügt habe.

16      Als Zweites prüfte das Gericht den von der Deutschen Telekom hilfsweise gestellten Schadensersatzantrag wegen Verstoßes gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV, der vorsieht, dass die Organe, deren Handeln durch ein unionsgerichtliches Urteil für nichtig erklärt wird, alle sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben.

17      Unter Verweis auf die sich aus dem Urteil vom 20. Januar 2021, Kommission/Printeos (C‑301/19 P, im Folgenden: Urteil Printeos, EU:C:2021:39), ergebende Rechtsprechung des Gerichtshofs wies das Gericht in Rn. 72 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass sich aus dem Unionsrecht eine Pflicht zur Rückerstattung mit Zinsen ergebe, wenn Beträge unter Verstoß gegen das Unionsrecht vereinnahmt worden seien, und dass dies u. a. dann der Fall sei, wenn Beträge gemäß einem Unionsrechtsakt vereinnahmt worden seien, der von einem Unionsgericht für ungültig oder nichtig erklärt worden sei.

18      In Rn. 75 des angefochtenen Urteils hob das Gericht hervor, dass die Entrichtung von Verzugszinsen auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag als unerlässlicher Bestandteil der Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Stands erscheine, die die Kommission nach einem Nichtigkeitsurteil oder einem aufgrund der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung ergangenen Urteil treffe.

19      Was konkret die Gewährung solcher Zinsen ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Zahlung der in Rede stehenden Geldbuße betraf, war das Gericht in Rn. 88 des angefochtenen Urteils der Auffassung, dass diese Gewährung darauf abziele, das Unternehmen, das diese Geldbuße gezahlt habe, für die Vorenthaltung der Nutzung seiner Gelder während des Zeitraums ab der vorläufigen Zahlung dieser Geldbuße bis zu ihrer Erstattung pauschal zu entschädigen.

20      Infolgedessen entschied das Gericht in Rn. 113 des angefochtenen Urteils, dass die Weigerung der Kommission, der Deutschen Telekom diese Zinsen zu zahlen, einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV darstelle, der die außervertragliche Haftung der Union auslösen könne. Angesichts des unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verstoß und dem Schaden, der im Verlust von Verzugszinsen auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße im fraglichen Zeitraum bestehe, sprach das Gericht der Deutschen Telekom eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,38 Euro zu, berechnet durch entsprechende Anwendung des in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Zinssatzes, nämlich des im Januar 2015 geltenden Refinanzierungszinssatzes der EZB von 0,05 % zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten.

21      Als Drittes gab das Gericht dem Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses aus denselben Gründen wie denen statt, die es bei der Prüfung des Antrags auf Schadensersatz zu der Auffassung geführt hatten, dass die Kommission dadurch gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV verstoßen habe, dass sie es abgelehnt habe, der Deutschen Telekom Verzugszinsen auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße für den fraglichen Zeitraum zu zahlen.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

22      Die Kommission beantragt,

–      das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es der Klage der Deutschen Telekom stattgibt;

–      über die offenen Punkte des Rechtsstreits selbst zu entscheiden;

–      hilfsweise, den Rechtsstreit, soweit er noch nicht entschieden ist, zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

–      der Deutschen Telekom sämtliche Kosten aufzuerlegen, die sich aus dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren vor dem Gericht ergeben.

23      Die Deutsche Telekom beantragt,

–      das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–      der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Deutschen Telekom für die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

24      Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht die Kommission zwei Rechtsmittelgründe geltend: erstens einen Rechtsfehler, den das Gericht dadurch begangen habe, dass es die Auffassung vertreten habe, Art. 266 AEUV erlege der Kommission eine absolute und unbedingte Pflicht auf, „Verzugszinsen mit Sanktionscharakter“ rückwirkend vom Datum der vorläufigen Zahlung der Geldbuße an zu entrichten, und zweitens einen Rechtsfehler, den das Gericht dadurch begangen habe, dass es die Auffassung vertreten habe, der Verzugszinssatz, den die Kommission zahlen müsse, entspreche analog zu dem in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Satz dem Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten.

 Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

25      Die Deutsche Telekom macht geltend, das Rechtsmittel sei insgesamt unzulässig, weil es sich in Wahrheit nicht gegen das angefochtene Urteil, sondern gegen das Urteil Printeos richte, das rechtskräftig geworden sei. Des Weiteren trägt die Deutsche Telekom vor, dass die einzelnen Teile des ersten Rechtsmittelgrundes sowie der zweite Rechtsmittelgrund unzulässig seien, da sie nur eine Wiederholung der vor dem Gericht vorgebrachten Argumente darstellten bzw. zum ersten Mal im Rahmen des Rechtsmittels vorgetragen worden seien. Speziell beim ersten Rechtsmittelgrund ergebe sich die Unzulässigkeit auch daraus, dass die Kommission unter Verstoß gegen die Vorgabe in Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht die Punkte der Begründung des angefochtenen Urteils benannt habe, aus denen hervorgehe, dass die Pflicht zur Zahlung von Zinsen Sanktionscharakter habe.

26      Die Kommission hält ihr Rechtsmittel in vollem Umfang für zulässig.

27      Insoweit geht aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Nach ständiger Rechtsprechung entspricht diesem Erfordernis ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, ohne überhaupt eine Argumentation zu enthalten, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das Urteil des Gerichts behaftet sein soll. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (Urteil vom 15. Juli 2021, DK/EAD, C‑851/19 P, EU:C:2021:607, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Jedoch können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteil vom 15. Juli 2021, DK/EAD, C‑851/19 P, EU:C:2021:607, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass ein Rechtsmittelführer zulässigerweise ein Rechtsmittel einlegen kann, mit dem er Rechtsmittelgründe geltend macht, die sich aus dem angefochtenen Urteil ergeben und mit denen dessen Begründetheit aus rechtlichen Erwägungen in Frage gestellt wird (Urteil vom 26. Februar 2020, EAD/Alba Aguilera u. a., C‑427/18 P, EU:C:2020:109, Rn. 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Außerdem muss es der Kommission, wie auch jeder anderen Partei eines Rechtsmittelverfahrens, unbenommen bleiben, Rechtsgrundsätze in Frage zu stellen, die das Gericht in dem Urteil, dessen Aufhebung beantragt wird, angewandt hat, auch wenn diese Grundsätze in Urteilen entwickelt wurden, die nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Rechtsmittels sein können.

31      Im vorliegenden Fall soll das Rechtsmittel, wie die Kommission in ihren einleitenden Bemerkungen dazu ausgeführt hat, den Gerichtshof zur Überprüfung seiner Rechtsprechung aus dem Urteil Printeos veranlassen, auf der das angefochtene Urteil, so die Kommission, zu einem großen Teil beruhe, die aber die vorherige Rechtsprechung verkenne. Das Vorbringen der Kommission benennt hinreichend genau die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die Gründe, weshalb dieses ihrer Ansicht nach rechtsfehlerhaft ist, und beschränkt sich daher entgegen dem Vorbringen der Deutschen Telekom nicht auf eine bloße Wiederholung oder Wiedergabe der Argumente, die die Kommission vor dem Gericht vorgetragen hat.

32      Die Unzulässigkeitseinrede der Deutschen Telekom ist daher zurückzuweisen.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

33      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die Auffassung vertreten habe, dass Art. 266 AEUV der Kommission eine absolute und unbedingte Pflicht auferlege, „Verzugszinsen mit Sanktionscharakter“ rückwirkend von dem Datum der vorläufigen Zahlung der Geldbuße an zu entrichten.

34      Der erste Rechtsmittelgrund gliedert sich in sechs Teile.

35      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes bestreitet die Kommission, dadurch einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV begangen zu haben, dass sie keine Verzugszinsen in der von der Deutschen Telekom geforderten Höhe gezahlt habe.

36      Der Begriff „Verzugszinsen“ in der von der Deutschen Telekom geforderten und vom Gericht gewährten Art setze nämlich voraus, dass sich ein Schuldner zumindest fahrlässig im Verzug mit einer fälligen Zahlung befinde. Das Gericht habe im Übrigen im Urteil vom 8. Juni 1995, Siemens/Kommission (T‑459/93, EU:T:1995:100, Rn. 101), Verzugszinsen als Zinsen, „die wegen einer Verzögerung bei der Erfüllung der Rückgewährpflicht geschuldet werden“, definiert. Im vorliegenden Fall habe die Kommission allerdings unmittelbar nach dem Urteil Deutsche Telekom von 2018 den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße erstattet und habe sich daher nie in „Verzug“ mit ihren Zahlungen befunden. Die Verzugszinsen, die sie gemäß dem Urteil Printeos und dem angefochtenen Urteil zahlen müsse, stellten somit eine ungerechtfertigte Sanktion für die Kommission dar.

37      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, dass das angefochtene Urteil die Rechtsprechung vor dem Urteil Printeos verkenne.

38      Die Zinsen, die auf die Rückzahlung von rechtsgrundlos vereinnahmten Geldsummen zu zahlen seien, seien keine „Verzugszinsen mit Sanktionscharakter“, die rückwirkend zu zahlen seien, sondern Ausgleichszinsen zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung des Schuldners, wie u. a. aus dem Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union (C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672), hervorgehe. Zwar habe der Gerichtshof in diesem Urteil die zu zahlenden Zinsen als „Verzugszinsen“ bezeichnet, er habe aber klargestellt, dass sie sich nach den Bestimmungen der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 richteten. Es handele sich daher in Wahrheit um Ausgleichszinsen, die den Zinsen entsprächen, die durch die Finanzanlagen erzielt worden seien, in die die Kommission auf der Grundlage von Art. 90 dieser Delegierten Verordnung investiert habe. Es könne daher nicht aus diesem Urteil, auf das in Rn. 73 des angefochtenen Urteils verwiesen werde, abgeleitet werden, dass die Kommission an die Deutsche Telekom die Verzugszinsen habe zahlen müssen, die diese verlangt habe und die das Gericht ihr mit dem angefochtenen Urteil zugesprochen habe.

39      Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung akzeptiert die Kommission, dass sie nach Art. 266 Abs. 1 AEUV, wenn von ihr verhängte Geldbußen später von einem Unionsgericht aufgehoben oder herabgesetzt würden, den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbußen sowie die aufgelaufenen Zinsen gemäß Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 zurückerstatten müsse. Das von der Rechtsprechung in solchen Fällen festgehaltene Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung untersage ihr nämlich, die mit diesen Geldbußen erwirtschafteten Zinsen zu behalten. Die Kommission ist allerdings der Auffassung, dass Art. 90 Abs. 4 dieser Delegierten Verordnung anzuwenden sei, der ihr aufgebe, den betreffenden Unternehmen nach einem Urteil, mit dem die vorläufig eingezogene Geldbuße aufgehoben oder herabgesetzt worden sei, „die unrechtmäßigen Beträge, einschließlich der aufgelaufenen Zinsen“, zurückzuerstatten. Wenn der Ertrag aus der Anlage der dieser Geldbuße entsprechenden Beträge hingegen insgesamt negativ gewesen sei, müsse sie nur „die unrechtmäßigen Beträge netto“ zurückzahlen.

40      Die Anwendung der im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Grundsätze führe im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld durch die Anerkennung eines absoluten und unbedingten Anspruchs auf Zahlung von Zinsen zu einem Zinssatz, der dem Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten entspreche, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der betreffenden Unternehmen.

41      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission vor, Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 regele die für die Durchführung von Urteilen der Unionsgerichte zu zahlenden Zinsen.

42      Sie bezweifelt u. a. die Stichhaltigkeit von Rn. 97 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht die Auffassung vertreten hat, dass die Kommission, wenn die im Sinne von Art. 90 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 aufgelaufenen Zinsen niedriger als die Verzugszinsen seien, die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen zu zahlen habe. Diese Auslegung des Gerichts habe zur Folge, dass diese Bestimmung de facto niemals anwendbar sei. Die aufgelaufenen Zinsen, die sich aus einer sicheren Investition ergäben, könnten nämlich nie über den Verzugszinsen liegen, deren Satz dem Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten entspreche.

43      Mit dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission vor, dass die Voraussetzungen für eine außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 AEUV nicht gegeben seien.

44      Dadurch, dass das Gericht die Kommission verpflichtet habe, rückwirkend Verzugszinsen ab der vorläufigen Zahlung der Geldbuße zu entrichten, habe es die bloße Festlegung einer Geldbuße, deren Höhe später durch ein Unionsgericht herabgesetzt worden sei, zu Unrecht einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm gleichgestellt. Darüber hinaus habe die Deutsche Telekom vor dem Gericht nicht nachgewiesen, dass ihr ein Schaden entstanden sei. Insofern könne die Weigerung der Kommission, Zinsen in Höhe des Refinanzierungszinssatzes der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten zu zahlen, nicht als Verlust angesehen werden, der der Deutschen Telekom zugefügt worden sei. Ferner sei es widersprüchlich, der Kommission einen qualifizierten Rechtsbruch aufgrund von Faktoren vorzuwerfen, die sie nicht beeinflussen könne, etwa aufgrund der Dauer von Gerichtsverfahren.

45      Mit dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission vor, dass die Ex-tunc-Wirkung der Urteile der Unionsgerichte nicht die Pflicht nach sich ziehe, ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Zahlung der Geldbuße Verzugszinsen zu zahlen.

46      Die Kommission trägt hierzu vor, dass die Nichtigerklärung einer Handlung durch ein Unionsgericht dieser Handlung zwar rückwirkend den unionsrechtlichen Bestand nehme, sie aber vor dem Urteil Deutsche Telekom von 2018 keineswegs verpflichtet gewesen sei, die Geldbuße zurückzuzahlen, zumal für ihre Beschlüsse eine Vermutung der Gültigkeit spreche. Die Ex-tunc-Wirkung eines Urteils, mit dem eine Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt werde, könne sie nicht verpflichten, Zinsen ab der vorläufigen Zahlung dieser Geldbuße zu entrichten, wo sie doch zum Zeitpunkt der Zahlung weder verpflichtet noch in der Lage gewesen sei, die Geldbuße zurückzuzahlen.

47      Zudem sei entgegen dem, was das Gericht entschieden habe, die Hauptforderung, d. h. der rechtsgrundlos vereinnahmte Betrag der Geldbuße, zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall „bestimmt oder zumindest anhand feststehender objektiver Faktoren bestimmbar“ im Sinne des Urteils Printeos (Rn. 55) gewesen.

48      Mit dem sechsten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission vor, dass die mit dem angefochtenen Urteil angeordnete Zahlung von Verzugszinsen der abschreckenden Wirkung von Geldbußen zuwiderlaufe.

49      Diese Wirkung müsse bei der Festsetzung der Höhe einer Geldbuße berücksichtigt werden. Insoweit sei zu bedenken, dass die Kommission, da sich der Ausgang eventueller Klagen gegen ihre Beschlüsse, mit denen eine Geldbuße verhängt werde, und die Dauer der entsprechenden Gerichtsverfahren nicht im Vorhinein bestimmen ließen, bei der Festsetzung der Höhe einer Geldbuße nicht in der Lage sei, diese Abschreckungswirkung und den Betrag der Verzugszinsen, die sie gegebenenfalls zahlen müsse, gegeneinander abzuwägen. Die Unverhältnismäßigkeit dieser Zinsen, die sich auf mehr als die Hälfte des Betrags von Geldbußen belaufen könnten, setze überdies deren Abschreckungswirkung aufs Spiel.

50      Die Deutsche Telekom tritt dem Vorbringen der Kommission in vollem Umfang entgegen und ist der Auffassung, der erste Rechtsmittelgrund sei zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

51      Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil, mit dem dieses Handeln ex tunc für nichtig erklärt wird, ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Dies impliziert u. a. die Zahlung der auf der Grundlage dieses Handelns rechtsgrundlos vereinnahmten Beträge sowie die Zahlung von Zinsen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2015, Kommission/IPK International, C‑336/13 P, EU:C:2015:83, Rn. 29, und vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 55).

52      Ferner stellt die Zahlung von Zinsen nach ständiger Rechtsprechung insofern eine Maßnahme zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils im Sinne von Art. 266 Abs. 1 AEUV dar, als mit ihr die Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrags pauschal ausgeglichen und der Schuldner nach der Verkündung dieses Nichtigkeitsurteils außerdem veranlasst werden soll, dieses so schnell wie möglich durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2015, Kommission/IPK International, C‑336/13 P, EU:C:2015:83, Rn. 30, und vom 10. Oktober 2001, Corus UK/Kommission, T‑171/99, EU:T:2001:249, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Aus Art. 266 Abs. 1 AEUV ergibt sich somit, dass, wenn eine mit einem Beschluss der Kommission wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße durch ein Unionsgericht mit Ex-tunc-Wirkung für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, die Kommission verpflichtet ist, die vorläufig gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise zuzüglich Zinsen für den Zeitraum von der vorläufigen Zahlung dieser Geldbuße bis zu ihrer Rückzahlung zurückzuerstatten.

54      Die Pflicht, rechtsgrundlos vereinnahmte Geldbeträge zuzüglich Zinsen zurückzuerstatten, gilt im Übrigen nicht nur für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, sondern auch für die Behörden der Mitgliedstaaten.

55      Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsunterworfene, den eine nationale Behörde zur Entrichtung einer Gebühr, eines Zolles, einer Steuer oder einer sonstigen Abgabe unter Verstoß gegen das Unionsrecht herangezogen hat, nach dem Unionsrecht gegen die betreffende Behörde einen Anspruch nicht nur auf Erstattung des rechtsgrundlos vereinnahmten Geldbetrags, sondern auch auf die Zahlung von Zinsen, um die Nichtverfügbarkeit des Geldbetrags auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 1983, San Giorgio, 199/82, EU:C:1983:318, Rn. 12, vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C‑397/98 und C‑410/98, EU:C:2001:134, Rn. 84, vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a., C‑591/10, EU:C:2012:478, Rn. 24 bis 26, vom 9. September 2021, Hauptzollamt B [Fakultative Steuerermäßigung], C‑100/20, EU:C:2021:716, Rn. 26 und 27, sowie vom 28. April 2022, Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost u. a., C‑415/20, C‑419/20 und C‑427/20, EU:C:2022:306, Rn. 51 und 52).

56      Folglich müssen Geldbeträge, wenn sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht – ob von einer nationalen Behörde oder von einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union – vereinnahmt wurden, zurückerstattet werden, und zwar zuzüglich Zinsen für den gesamten Zeitraum von der Zahlung dieser Geldbeträge bis zu ihrer Rückerstattung, was Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost u. a., C‑415/20, C‑419/20 und C‑427/20, EU:C:2022:306, Rn. 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Indem das Gericht in Rn. 111 des angefochtenen Urteils am Ende einer Argumentation, die sich u. a. auf das Urteil Printeos stützte, entschieden hat, dass die Kommission gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV verstoßen habe, als sie es abgelehnt habe, der Deutschen Telekom Zinsen auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße für den fraglichen Zeitraum zu zahlen, hat das Gericht somit keinen Rechtsfehler begangen. Es hat lediglich, wie bereits im Urteil Printeos geschehen, die in den Rn. 51 bis 56 des vorliegenden Urteils dargelegten Grundsätze bekräftigt, die sich aus einer gefestigten Rechtsprechung ergeben, deren Änderung nicht veranlasst ist.

58      In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die Entschädigung, zu deren Zahlung an die Deutsche Telekom das Gericht die Kommission mit dem angefochtenen Urteil verurteilt hat, entgegen dem Vorbringen der Kommission keinen „Verzugszinsen mit Sanktionscharakter“ entspricht. Vor der Verkündung des Urteils Deutsche Telekom von 2018 war die Kommission nämlich in Anbetracht erstens der Vollstreckbarkeit ihrer Beschlüsse, mit denen anderen Personen als Mitgliedstaaten eine Zahlung auferlegt wird, zweitens der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Klagen vor einem Unionsgericht gemäß Art. 278 AEUV und drittens der Vermutung der Gültigkeit, die für Beschlüsse der Kommission spricht, solange sie nicht für nichtig erklärt oder zurückgenommen worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung), keineswegs verpflichtet, der Deutschen Telekom die Geldbuße – weder zum Teil noch insgesamt – zurückzuerstatten. Somit war die Kommission erst ab diesem Zeitpunkt zur Rückerstattung verpflichtet und hätte bei nicht sofortiger Rückzahlung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags der Geldbuße als mit der Erfüllung dieser Pflicht in Verzug angesehen werden können. Im vorliegenden Fall ist indes zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kommission nach der Verkündung des Urteils Deutsche Telekom von 2018 der Deutschen Telekom den rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag der Geldbuße zurückerstattet hat.

59      Zwar hat das Gericht im angefochtenen Urteil nach Maßgabe der Rechtsprechung, auf die es sich gestützt hat, die von der Kommission im vorliegenden Fall geschuldeten Zinsen mehrfach als „Verzugszinsen“ bezeichnet, also einen Begriff verwendet, der auf den Zahlungsverzug eines Schuldners sowie auf die Absicht, diesen zu ahnden, hinweist.

60      Diese Bezeichnung, sei sie in Anbetracht des Zwecks der fraglichen Zinsen auch noch so kritikwürdig, ist allerdings nicht geeignet, nach Maßgabe der in den Rn. 51 bis 56 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsätze Zweifel an der Stichhaltigkeit der Argumentation zu wecken, die das Gericht zu der Auffassung geführt hat, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, über die Rückzahlung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags hinaus Zinsen zu zahlen, um das betreffende Unternehmen für die Vorenthaltung dieses Betrags pauschal zu entschädigen.

61      Was den von der Kommission vorgebrachten Umstand betrifft, dass die Zinsen, zu deren Zahlung das Gericht sie im angefochtenen Urteil verurteilt habe, den Zeitraum von der vorläufigen Zahlung der Geldbuße bis zur Erstattung des infolge des Urteils, mit dem diese Geldbuße herabgesetzt worden sei, rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags beträfen, also einen Zeitraum, der weitestgehend vor diesem Urteil liege, so ist dieser Umstand die Folge der Ex-tunc-Wirkung eines solchen Urteils und der sich für die Kommission aus Art. 266 Abs. 1 AEUV ergebenden Pflicht, diesem Urteil dadurch nachzukommen, dass sie das betreffende Unternehmen in die Lage zurückversetzt, in der es sich befunden hätte, wenn ihm während dieses ganzen Zeitraums die Nutzung der Geldsumme, die diesem rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag entspricht, nicht vorenthalten worden wäre. Insoweit steht angesichts dessen, dass gegen jeden Beschluss der Kommission, mit dem eine Geldbuße verhängt wird, der Rechtsweg eröffnet ist, außer Frage, dass die Kommission, wenn die Geldbuße von dem betreffenden Unternehmen vorläufig gezahlt wurde, gegebenenfalls verpflichtet sein kann, zur Durchführung eines Urteils, mit dem ein solcher Beschluss ganz oder teilweise für nichtig erklärt wird, die in den Rn. 51 bis 53 des vorliegenden Urteils dargelegten Maßnahmen zu ergreifen.

62      Ebenso kann dem Vorbringen der Kommission, es gebe im vorliegenden Fall keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm und auch keinen hinreichenden Beweis für einen Schaden der Deutschen Telekom, nicht gefolgt werden. Wenn sie nach Art. 266 Abs. 1 AEUV verpflichtet ist, über die Rückzahlung eines bestimmten Geldbetrags hinaus Zinsen zu zahlen, verfügt die Kommission nämlich über keinerlei Ermessen hinsichtlich der Opportunität, diese Zinsen zu zahlen, so dass bereits der bloße Verstoß gegen das Unionsrecht, der in der Verweigerung der Zinszahlung besteht, für die Feststellung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht, der die außervertragliche Haftung der Union auslösen kann, genügt (vgl. in diesem Sinne Urteil Printeos, Rn. 103 und 104). Im vorliegenden Fall war die Kommission gemäß dieser Bestimmung infolge des Urteils Deutsche Telekom von 2018 verpflichtet, über die Rückzahlung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags der Geldbuße hinaus Zinsen zu zahlen, wie das Gericht in Rn. 112 des angefochtenen Urteils zutreffend entschieden hat. Da diese Zinsen „pauschalen“ Charakter haben, wie aus der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, kann sich die Kommission dieser Pflicht nicht mit der Begründung entziehen, die Deutsche Telekom habe das Vorliegen eines Schadens nicht hinreichend nachgewiesen.

63      Daher sind der erste, der zweite, der vierte und der fünfte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

64      Ebenso wenig hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es das auf Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 gestützte Vorbringen der Kommission zurückgewiesen hat. Wie das Gericht in Rn. 98 des angefochtenen Urteils nämlich zutreffend festgestellt hat, muss die Kommission, wenn die in Art. 90 Abs. 4 dieser Delegierten Verordnung genannten „aufgelaufenen“ Zinsen niedriger als die aufgrund der Pflicht zur pauschalen Entschädigung geschuldeten Zinsen sind oder gar keine Zinsen aufgelaufen sind, weil der Ertrag des investierten Kapitals negativ war, dem Betreffenden nach Art. 266 Abs. 1 AEUV gleichwohl die Differenz zwischen dem Betrag der etwaig „aufgelaufenen Zinsen“ im Sinne von Art. 90 Abs. 4 dieser Delegierten Verordnung und dem der Zinsen zahlen, die für den Zeitraum ab der Zahlung des in Rede stehenden Betrags bis zu seiner Erstattung geschuldet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Printeos, Rn. 75 und 76).

65      Wie die Kommission selbst festgestellt hat und wie auch der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zielt die sich aus Art. 90 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 für die Kommission ergebende Pflicht, dem betreffenden Unternehmen die „aufgelaufenen Zinsen“ zu zahlen, vor allem darauf ab, eine ungerechtfertigte Bereicherung der Union zu vermeiden. Diese etwaige Pflicht besteht allerdings unbeschadet der in jedem Fall der Kommission nach Art. 266 Abs. 1 AEUV obliegenden Pflicht, dieses Unternehmen pauschal für den Nutzungsverlust zu entschädigen, der sich aus der Überweisung des dem rechtsgrundlos gezahlten Betrag der Geldbuße entsprechenden Geldbetrags an die Kommission ergibt, und zwar auch dann, wenn mit der Investition des Betrags der von diesem Unternehmen vorläufig gezahlten Geldbuße kein Ertrag erwirtschaftet wurde, der über dem Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten liegt.

66      Des Weiteren trifft es zwar zu, dass die Kommission gemäß Art. 90 Abs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 die vorläufig eingenommenen Beträge durch Investitionen in Finanzanlagen absichert und auf diese Weise die Absicherung und Liquidität des Geldes, mit dem gleichzeitig Erträge erwirtschaftet werden, gewährleistet. Aus dieser Bestimmung geht aber ebenfalls hervor, dass das Unternehmen, das die gegen es verhängte Geldbuße vorläufig gezahlt hat, keinen Einfluss auf die Bedingungen hat, unter denen der Betrag dieser Geldbuße investiert wird. Die Kommission hat nicht zu erklären vermocht, weshalb unter solchen Umständen die Risiken solcher Investitionen von dem Unternehmen zu tragen sein sollten, das die auf der Grundlage einer teilweise oder gänzlich rechtswidrigen Handlung verhängte Geldbuße vorläufig gezahlt hat.

67      Demnach ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

68      Soweit die Kommission argumentiert, der Umstand, dass sie zur Zahlung von Zinsen ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Vereinnahmung der Geldbuße verpflichtet werde, laufe der Abschreckungsfunktion von Geldbußen zuwider, so macht sich der Gerichtshof die vom Gericht in den Rn. 93 und 94 des angefochtenen Urteils dargelegten Erwägungen zu eigen, wonach die Abschreckungsfunktion von Geldbußen mit den Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in Einklang gebracht werden muss. Diese verlangen im Fall der Nichtigerklärung oder Herabsetzung einer vom betreffenden Unternehmen vorläufig gezahlten Geldbuße durch ein unionsgerichtliches Urteil, dass dieses Unternehmen unter Berücksichtigung sowohl von Art. 266 Abs. 1 AEUV als auch der Ex-tunc-Wirkung eines solchen Urteils für die Vorenthaltung der Nutzung des Betrags, der dem von der Kommission rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag entspricht, für den Zeitraum zwischen der vorläufigen Zahlung und der Erstattung dieses Betrags durch die Kommission eine pauschale Entschädigung erhält. Jedenfalls kann die Abschreckungswirkung von Geldbußen nicht im Zusammenhang mit Geldbußen geltend gemacht werden, die von einem Unionsgericht für nichtig erklärt oder herabgesetzt wurden, da sich die Kommission nicht zu Abschreckungszwecken auf eine für rechtswidrig erklärte Handlung berufen kann.

69      Somit ist auch der sechste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

70      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund der Kommission als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

71      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 114 bis 138 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten habe, dass der auf die Zinsen, die die Kommission zahlen müsse, anwendbare Zinssatz in Analogie zu Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 der Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten sei.

72      Der Gerichtshof habe im Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union (C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 56), entschieden, dass zur Bestimmung der infolge der Nichtigerklärung einer Geldbuße zu zahlenden Zinsen der von der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 festgelegte Zinssatz anzuwenden sei, ohne jedoch die genaue Vorschrift dieser Delegierten Verordnung anzugeben, auf die Bezug zu nehmen sei.

73      Jedoch sei im Urteil Printeos, auf das Rn. 121 des angefochtenen Urteils Bezug nehme, das Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union (C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672), dahin ausgelegt worden, dass sich dieses letztgenannte Urteil auf Art. 83 der Delegierten Verordnung beziehe. Das Gericht habe in den Rn. 133 und 134 des angefochtenen Urteils daraus geschlossen, dass Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung analog anzuwenden sei, der die Zahlung von Zinsen zum Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten verlange.

74      Eine solche analoge Anwendung sei nicht gerechtfertigt, da Art. 83 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 die Verzugszinsen regele, die Schuldner der Kommission im Fall von verspäteten Zahlungen zu entrichten hätten, und ein eigenes Verfahren dafür vorsehe.

75      Zudem könne aus dem Urteil Printeos nicht abgeleitet werden, dass der Gerichtshof, der über die Berechnung von Zinseszinsen entschieden habe, den in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 genannten Zinssatz analog auf die Berechnung von Verzugszinsen habe anwenden wollen. Im Übrigen hätten weder das Gericht in seinem Urteil vom 12. Februar 2019, Printeos/Kommission (T‑201/17, EU:T:2019:81), noch der Gerichtshof im Urteil Printeos, als er über das Rechtsmittel in dieser Rechtssache entschieden habe, Verzugszinsen in der von dieser Bestimmung vorgesehenen Höhe zugesprochen.

76      Wenn der Gerichtshof allerdings der Auffassung sein sollte, dass ein in Art. 83 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 festgelegter Zinssatz anzuwenden sei, dann sei, wenn nicht ein anderer angemessener Zinssatz bestimmt werde, analog zu Art. 83 Abs. 4 dieser Delegierten Verordnung der Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich eineinhalb Prozentpunkten heranzuziehen, den die Kommission anwende, wenn der Adressat eines Beschlusses, mit dem eine Geldbuße verhängt werde, eine Bankgarantie hinterlege, anstatt diese Geldbuße vorläufig zu zahlen. Diese Situation sei mit der vorliegenden hinreichend vergleichbar, denn in beiden Fällen kompensierten die Zinsen die – für die Kommission im erstgenannten Fall und für das betreffende Unternehmen im zweitgenannten Fall bestehende – Unmöglichkeit, während der Dauer des Gerichtsverfahrens frei über den Betrag der Geldbuße zu verfügen.

77      Die Deutsche Telekom tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen und ist der Auffassung, der zweite Rechtsmittelgrund sei ebenfalls zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

78      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Kommission zur Bestimmung der Höhe der Zinsen, die einem Unternehmen, das eine von ihr verhängte Geldbuße gezahlt hat, infolge der Nichtigerklärung oder Herabsetzung dieser Geldbuße zu zahlen sind, den dazu in der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 festgelegten Satz anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 56). Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass es sich dabei nicht um einen Verweis auf Art. 90 dieser Delegierten Verordnung handelt, in dem kein bestimmter Zinssatz angegeben ist, sondern auf Art. 83 dieser Delegierten Verordnung, in dem der Zinssatz für die bei Ablauf der Frist nicht beglichenen Schulden festgelegt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Printeos, Rn. 81).

79      Art. 83 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, die die Anwendungsbestimmungen zur damals geltenden Haushaltsordnung von 2012 enthielt, sah insoweit mehrere Zinssätze vor, die alle dem Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich verschiedener Prozentpunkte entsprachen. Gemäß Art. 83 Abs. 2 Buchst. a und b dieser Delegierten Verordnung betrug die Erhöhung acht Prozentpunkte, wenn es sich bei dem die Forderung begründenden Tatbestand um einen öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungsauftrag handelte, bzw. dreieinhalb Prozentpunkte in allen übrigen Fällen. Hinterlegte der Schuldner eine Sicherheit, die der Rechnungsführer anstelle der Zahlung einer Geldbuße akzeptierte, sah Art. 83 Abs. 4 der Delegierten Verordnung darüber hinaus eine Erhöhung um eineinhalb Prozentpunkte vor.

80      Im vorliegenden Fall hat das Gericht keinen der beiden Zinssätze für die in Art. 83 Abs. 2 Buchst. a bzw. Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 genannten Spezialfälle herangezogen, sondern den „in allen übrigen Fällen“ von Art. 83 Abs. 2 Buchst. b dieser Delegierten Verordnung ergänzend vorgesehenen Zinssatz.

81      So hat das Gericht in Rn. 136 des angefochtenen Urteils für die Festsetzung der pauschalen Entschädigung der Deutschen Telekom für die Vorenthaltung der Nutzung ihrer Gelder auf der Grundlage der in den Rn. 125 bis 135 dieses Urteils vorgenommenen Würdigung als anwendbaren Zinssatz den in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Zinssatz analog angewandt, also den Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten.

82      Das Gericht hat demnach der Deutschen Telekom in Rn. 137 dieses Urteils zum Ersatz des Schadens, der ihr durch den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV entstanden war, eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,83 Euro zugesprochen, die dem Verlust von Zinsen zum Satz von 3,55 % für den fraglichen Zeitraum auf den rechtsgrundlos vereinnahmten Teil der Geldbuße entsprach.

83      Wie die Kommission vorgetragen hat, legt Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 zwar nicht den Satz der Zinsen fest, die mit einer pauschalen Entschädigung wie der hier in Rede stehenden verbunden sind. Diese Bestimmung betrifft nämlich den – vorliegend nicht gegebenen – Fall eines Zahlungsverzugs, d. h. den Fall, dass eine Schuld nicht fristgerecht beglichen wird. Gerade weil weder in diesem Art. 83 noch in irgendeiner anderen Bestimmung der Delegierten Verordnung der betreffende Zinssatz festgelegt war, hat das Gericht im Rahmen der Ausübung seines Wertungsspielraums Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung „entsprechend“ angewandt.

84      Daraus folgt jedoch nicht, dass das Gericht durch die Anwendung des in dieser Bestimmung festgelegten Satzes, der im Übrigen in Anbetracht des Zwecks der in Rede stehenden Zinsen weder unsachgemäß noch unverhältnismäßig erscheint, in Ausübung der Befugnis, die ihm im Rahmen von die außervertragliche Haftung der Union betreffenden Verfahren zusteht, einen Rechtsfehler begangen hätte.

85      In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Kommission vor dem Hintergrund, dass die von ihr gegen die Deutsche Telekom verhängte und von diesem Unternehmen vorläufig gezahlte Geldbuße vom Gericht herabgesetzt wurde, nicht besser gestellt werden darf, als es die Deutsche Telekom gewesen wäre, wenn ihre Klage abgewiesen worden wäre, nachdem sie sich dafür entschieden hatte, anstelle einer solchen vorläufigen Zahlung in Erwartung des Ausgangs des durch die Erhebung ihrer Klage eingeleiteten Gerichtsverfahrens eine Bankgarantie zu stellen. In diesem Fall hätte die Deutsche Telekom gemäß Art. 83 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 eine Zinslast in Höhe von 1,55 % zu tragen gehabt, zu der die Kosten für die Stellung dieser Bankgarantie hinzugekommen wären.

86      Aus diesen Gründen kann dem Hilfsvorbringen der Kommission, mit dem sie begehrt, dass die der Deutschen Telekom geschuldeten Zinsen auf diesen Satz von 1,55 % begrenzt werden, nicht gefolgt werden.

87      Hinzu kommt, dass sich, wie das Gericht in den Rn. 127 und 131 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, die Situation eines Unternehmens, das ungeachtet der Erhebung einer Klage gegen den Beschluss der Kommission, ihm eine Geldbuße aufzuerlegen, diese Geldbuße vorläufig gezahlt hat, von der eines Unternehmens unterscheidet, das in Erwartung der Ausschöpfung des Rechtswegs eine Bankgarantie stellt. Wenn ein Unternehmen eine Bankgarantie gestellt hat und infolgedessen einen Zahlungsaufschub erhält, hat es nämlich im Unterschied zu dem Unternehmen, das die Geldbuße vorläufig gezahlt hat, der Kommission keinen Geldbetrag überwiesen, der dem Betrag der verhängten Geldbuße entspräche, so dass die Kommission nicht verpflichtet sein kann, ihm einen rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag zurückzuerstatten. Der einzige finanzielle Schaden, den das betroffene Unternehmen möglicherweise erlitten hat, ergibt sich aus seiner eigenen Entscheidung, eine Bankgarantie zu stellen.

88      Im Übrigen hat, wie die Kommission hervorgehoben hat, der Gerichtshof im Urteil Printeos zwar keine Zinsen in Höhe des Refinanzierungszinssatzes der EZB zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkten auf den Betrag der zurückzuerstattenden Geldbuße zugesprochen, dies jedoch deshalb, weil die Klägerin im ersten Rechtszug in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, im Zusammenhang mit diesem Betrag nur die Anwendung des Refinanzierungszinssatzes der EZB zuzüglich zwei Prozentpunkten beantragt hatte.

89      Es ist noch hervorzuheben, dass, wenn die Kommission der Auffassung sein sollte, dass die gegenwärtigen Rechtsvorschriften einem Sachverhalt wie demjenigen, der der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt, nicht angemessen Rechnung tragen, es ihre Sache oder gegebenenfalls die des Unionsgesetzgebers wäre, im Interesse der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des Handelns der Kommission die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

90      In Anbetracht der Tatsache, dass die Pflicht der Kommission, eine ganz oder teilweise von einem Unionsgericht für nichtig erklärte Geldbuße zuzüglich Zinsen zurückzuerstatten, aus Art. 266 Abs. 1 AEUV folgt, muss allerdings jede neue Methode oder Modalität zur Berechnung dieser Zinsen im Einklang mit den Zwecken stehen, denen solche Zinsen dienen. Folglich dürfte sich der auf diese Zinsen anwendbare Satz nicht darauf beschränken, die Geldentwertung auszugleichen, die in dem Zeitraum eingetreten ist, für den die Zinsen zu zahlen sind, ohne die pauschale Entschädigung abzudecken, auf die das Unternehmen, das diese Geldbuße gezahlt hat, Anspruch hat, weil ihm während eines gewissen Zeitraums die Nutzung der Gelder, die dem von der Kommission rechtsgrundlos vereinnahmten Betrag entsprechen, vorenthalten wurde.

91      Nach alledem ist festzustellen, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es die pauschale Entschädigung der Deutschen Telekom festgelegt hat, indem es unter Berücksichtigung des Zwecks der in Rede stehenden Zinsen und der ihm obliegenden Pflicht, den von der Deutschen Telekom erlittenen Schaden auszugleichen, den in Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 vorgesehenen Zinssatz analog angewandt hat. Auch der zweite Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

92      Da keinem der von der Kommission zur Stützung ihres Rechtsmittels geltend gemachten Gründe stattgegeben wird, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

93      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

94      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

95      Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Deutsche Telekom einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Lenaerts

Bay Larsen

Arabadjiev

Lycourgos

Regan

Biltgen

Piçarra

Csehi

Xuereb

Rossi

Jääskinen

Wahl

Ziemele

Passer

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juni 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

A. Calot Escobar

 

K. Lenaerts


*      Verfahrenssprache: Deutsch.